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Organerhaltende operative Therapie des Peniskarzinoms im Frühstadium und prämaligner Läsionen
Urologik
Autor:
Prim. Univ.-Prof. Dr. Wilhelm Hübner
<br> Abteilung für Urologie<br> Landesklinikum Klosterneuburg<br> E-Mail: pweibl@yahoo.com
Autor:
OA Dr. Peter Weibl
Autor:
Dr. Larissa Prüger
Autor:
Dr. Ghazal Ameli
30
Min. Lesezeit
16.05.2019
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<p class="article-intro">Die organerhaltende chirurgische Therapie peniler Tumoren gewinnt für Karzinome im Frühstadium weltweit an Bedeutung. Der folgende Artikel gibt einen Überblick.</p>
<hr />
<p class="article-content"><h2>Einleitung</h2> <p>Lebenserwartung, Sexualfunktion, Kosmetik und Lebensqualität werden bei an Peniskarzinom erkrankten Patienten erheblich beeinflusst.<sup>1</sup> Die traditionell durchgeführte totale oder partielle Penektomie, wenn auch kurativ, wird heute, falls onkologisch nicht zwingend nötig, als Entstellung mit verheerenden psychologischen Folgen nach Möglichkeit vermieden. <br />In der Vergangenheit bestand die chirurgische Therapie dieser Erkrankung aus der radikalen Resektion des Tumors unter Beibehaltung eines Resektionsabstandes von ein bis zwei Zentimetern. Aufgrund der starken psychischen Belastung und funktioneller Einbußen, die mit einer partiellen oder totalen Penektomie einhergehen, entwickelt sich die chirurgische Therapie von Tumoren im Frühstadium (Tis, Ta, T1 und auf die Glans beschränkte T2) hin zu weniger invasiven Techniken.</p> <h2>Standardisierung des Verfahrens</h2> <p>Im letzten Jahrzehnt wurden organerhaltende chirurgische Verfahren für Peniskarzinome im Frühstadium standardisiert. Den Anfang machten die Autoren der europäischen Leitlinien, welche einen Resektionsabstand von 5 mm, im Falle eines Peniskarzinoms im Frühstadium, als vermutlich ausreichend angaben.<sup>2</sup> <br />Minhas et al. lieferten zum ersten Mal solide Daten zu lokalen Rezidivraten in Abhängigkeit vom Resektionsabstand.<sup>3</sup> Immer mehr Zentren bestätigen die Sicherheit des 5 mm-Resektionsabstands mit adäquaten und mit historischen, radikaleren Techniken vergleichbaren onkologischen Ergebnissen.<sup>4, 5</sup> Trotzdem bleibt mit höherem Tumorstadium, dem Vorhandensein von Lymph- oder Gefäßinvasion und hohem Grading eine erhöhte lokale Rekurrenzrate assoziiert.<sup>1</sup> <br />Die chirurgischen Therapieoptionen oberflächlicher maligner Läsionen reichen von einer simplen Zirkumzision über eine weite Exzision bis hin zu komplexeren Techniken wie der Entfernung und Rekonstruktion des Glansepithels (Glans-Resurfacing) oder der totalen Glansektomie mit Neoglansrekonstruktion inklusive Spalthautdeckung. Wobei komplexere Verfahren vor allem bei relativ jungen Patienten mit guter Compliance und engmaschige Nachsorgeprotokolle zum Einsatz kommen sollten. <br />Bis heute gibt es weder randomisiert kontrollierte Studien zu organerhaltenden Techniken beim lokalisierten Peniskarzinom noch Beobachtungsstudien, welche diese Verfahren untereinander oder mit nicht chirurgischen Therapien vergleichen. <br />Die weite lokale Exzision (WLE) nimmt an Bedeutung zu. Nicht zuletzt wegen der oben genannten Diskussion über geringere Resektionsabstände bei gleichzeitig adäquater onkologischer Kontrolle. Die WLE kann für Glanstumoren bis zum Stadium T2 sowie für T1G2-Tumoren des Penisschafts eingesetzt werden. Kontraindikation für eine WLE ist ein bestehendes CIS, ein Befall von mehr als 50 % der Glans oder ein Befall der Urethra.<sup>1</sup> Unter diesen Voraussetzungen ist die WLE der totalen/partiellen Penektomie beim Peniskarzinom im Frühstadium nicht unterlegen.<sup>6, 7</sup> Die Rezidivraten der unterschiedlichen organerhaltenden Techniken für Tumoren der Stadien pTa bis T2 waren in der bis jetzt größten multizentrischen Studie zu diesem Thema vergleichbar.<sup>8</sup> Die Inzidenz eines lokalen Rezidivs in diesen Gruppen ist höher als bei Patienten nach partieller/totaler Penektomie, wobei damit nicht zwingend ein schlechteres onkologisches „Outcome“ im Sinne von Gesamtüberleben bzw. „cancer specific survival“ einhergeht.<sup>8, 9</sup> Parnham et al. berichteten in ihrer rezenten Studie eine Lokalrezidivrate von 9,3 % (von 177 Patienten). Die Peniskarzinom- assoziierte Mortalität betrug 10,7 %. Die Reoperationsrate aufgrund von Komplikationen wie Transplantatverlust oder Meatusstenose betrug 9 % . Da ein lokales Rezidiv alleine nur geringen Einfluss auf das Langzeitüberleben hat, sind auch nachfolgend organerhaltende Strategien gerechtfertigt.<sup>10</sup> Glans-Resurfacing ist indiziert in Abhängigkeit von der Läsionsgröße und vor allem für junge Patienten mit CIS oder „Low stage“-Peniskarzinom interessant. Für Patienten nach Neoglans-Rekonstruktion aus den Corpora cavernosa gibt es die Möglichkeit der Entfernung und Rekonstruktion des Neoglansepithels („Neoglans- Resurfacing“). Initial von Bracha zur Therapie des Lichen sclerosus beschrieben, wurde diese Technik später für CIS- und pTa-Tumoren angepasst.<sup>11, 12</sup> Nach Standardisierung der Technik ist die Rate an positiven Resektionsrändern gesunken, sodass eine adäquate onkologische Kontrolle für „Low stage“-Peniskarzinome und „High grade“-PIeN (penile intraepitheliale Neoplasie) gewährleistet ist.<sup>13, 14</sup></p> <h2>Ablauf</h2> <p>Der Eingriff wird in Allgemein- oder Lokalanästhesie durchgeführt. Ein signifikanter Vorteil der perioperativen antibiotischen Therapie konnte nicht nachgewiesen werden. Typischerweise wird das Glansepithel beginnend vom Meatus urethrae proximal zum Sulcus coronarius in Quadranten unterteilt. Um einer Meatusstriktur vorzubeugen, wird eine perimeatale Inzision durchgeführt. <br />Glansepithel und -subepithel werden reseziert, bis makroskopisch tumorfreie Ränder sichergestellt sind, und anschließend als Gefrierschnitt zur Analyse gesandt. Bei negativem Resektionsrand wird der Defekt mit einem Spalthauttransplantat gedeckt. Im Falle einer partiellen Glansepithelresektion kommen unterschiedliche Gewebe für die Deckung des Defekts infrage. <br />Bei Patienten mit kleinen isolierten Tumoren der Glans kann eine partielle Glansektomie mit Primärverschluss erwogen werden. Sollte der entstandene Defekt zu groß für einen annähernd anatomischen Primärverschluss sein, kann bei Patienten mit intaktem Präputium das innere Blatt des Präputiums zur Deckung verwendet werden. Unserer Erfahrung nach ist es auch möglich, bei Patienten mit Zustand nach Zirkumzision und ausreichend vorhandener Penisschafthaut einen vaskularisierten Hautlappen zu mobilisieren (Abb. 1). Eine weitere Alternative stellt die Defektdeckung mittels hämostatischer Substanzen wie TachoSil<sup>®</sup> oder Veriset™ dar. Beide Substanzen induzieren eine Hämostase gefolgt von vollständiger Regeneration des Glansepithels, ausgehend von den gesunden Wundrändern (Abb. 2, 3) (Weibl et al., Daten noch unveröffentlicht, „under review“). Dieses Vorgehen erfordert jedoch lückenlose und intensivere Nachsorgeuntersuchungen und ist nur bei Patienten mit hoher Compliance indiziert. Nach totalem Glans-Resurfacing ist die Deckung mittels Spalthauttransplantats ein weit verbreitetes chirurgisches Vorgehen. Wir verwenden hierzu gleichmäßig über das Transplantat (Spalthaut, Tunica vaginalis, Mundschleimhaut, TachoSil<sup>®</sup>, Veriset ™) verteilte Einzelknopf-Adaptationsnähte, um es zu fixieren und damit das Anwachsen an gewünschter Stelle zu optimieren. <br />Für ausgedehntere Läsionen der Glans, welche nicht mittels partieller Glansektomie saniert werden können (Ta, T1 bis hin zu T2), kann eine totale Glansektomie und, abhängig von der Ausdehnung der Läsion, zusätzlich eine distale Korporektomie durchgeführt werden. Anschließend erfolgt die Neoglans-Rekonstruktion inklusive Spalthautdeckung (Abb. 4–6).<sup>15</sup> Eine weitere relativ unkomplexe und wenig invasive Möglichkeit ist die Neoglansrekonstruktion mittels invertierten distalen Urethralappens.<sup>16</sup> In all diesen Fällen ist die Gefrierschnittdiagnostik zwingend nötig, um negative Resektionsränder sicherzustellen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Urologik_Uro_1902_Weblinks_abb1.jpg" alt="" width="1007" height="812" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Urologik_Uro_1902_Weblinks_abb2.jpg" alt="" width="1606" height="346" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Urologik_Uro_1902_Weblinks_abb3.jpg" alt="" width="1606" height="339" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Urologik_Uro_1902_Weblinks_abb4.jpg" alt="" width="1361" height="488" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Urologik_Uro_1902_Weblinks_abb5.jpg" alt="" width="1361" height="812" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Urologik_Uro_1902_Weblinks_abb6.jpg" alt="" width="1186" height="620" /></p> <h2>Conclusio</h2> <p>Peniserhaltende Techniken in der chirurgischen Therapie des „Low stage“-Peniskarzinoms bieten hervorragende onkologische, kosmetische sowie sexualfunktionelle Ergebnisse. Dadurch ergibt sich ein besseres psychosoziales Outcome mit erhaltener Lebensqualität.</p> <p>Urologen sollten bei der Behandlung von Patienten mit „Low stage“-Peniskarzinom diese Therapieoptionen in Betracht ziehen. Als langfristige und höherfrequente Nachsorge ist allerdings mit Blick auf mögliche Rezidive die strikte Einhaltung des Nachsorgeprotokolls hierbei Conditio sine qua non. Für Patienten mit geringerer Compliance sollten radikalere und weniger komplexe Verfahren mit vergleichbarer onkologischer Kontrolle herangezogen werden.</p></p>