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Nephro Update Europe

Neues vom Knochen- und Mineralstoffwechsel bei chronischer Niereninsuffizienz

<p class="article-intro">Der Knochen- und Mineralstoffwechsel bei chronischer Niereninsuffizienz ist komplex. Am Nephro Update Europe in Wien berichtete Prof. Dr. med. Adrian Covic aus Rumänien, was man für die Praxis wissen muss und welche neuen Therapieansätze es in Zukunft geben könnte.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>FGF-23 sei zurzeit einer der &laquo;gr&ouml;ssten Feinde&raquo; der Nephrologen, f&uuml;hrte Prof. Dr. med. Adrian Covic, Direktor der nephrologischen Klinik und des Zentrums f&uuml;r Dialyse und Transplantationen in Iasi (Rum&auml;nien), in das Thema ein. &laquo;Hohe Level von FGF-23 sind assoziiert mit einer erh&ouml;hten Mortalit&auml;t bei chronischer Niereninsuffizienz,<sup>1</sup> aber wir haben die Mechanismen noch nicht genau verstanden&raquo;, so Covic.<br /> Fibroblastenwachstumsfaktor (&laquo;fibroblast growth factor&raquo;) FGF-23 ist ein Hormon, das von den Osteoblasten sezerniert wird und bei der Regulation des Phosphatund Vitamin-D-Stoffwechsels eine wichtige Rolle spielt.</p> <h2>Erh&ouml;hte FGF-23-Spiegel mit h&ouml;herer Mortalit&auml;t assoziiert</h2> <p>Bei Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz (CKD) h&auml;lt der K&ouml;rper die normalen Serum-Phosphatspiegel konstant, obwohl die Zahl der Nephrone abnimmt. Zum Teil gelingt ihm dies durch die stetige Erh&ouml;hung des FGF-23-Spiegels, was die &uuml;brig gebliebenen Nephrone anregt, mehr Phosphat auszuscheiden. Ausserdem bremst FGF-23 die Absorption von Phosphat aus dem Darm, indem es die Synthese von 1-25-Dihydroxyvitamin D hemmt.<sup>2</sup> Erh&ouml;hte FGF-23-Spiegel scheinen bei Patienten, die mit der H&auml;modialyse beginnen, unabh&auml;ngig mit einer erh&ouml;hten Mortalit&auml;t assoziiert zu sein.<sup>1</sup> Im Vergleich zu normalen Phosphatwerten (3,5&ndash;4,5mg/ dl resp. 1,1&ndash;1,4mmol/l) gingen Spiegel &gt;5,5mg/dl (1,8mmol/l) mit einer um 20 % erh&ouml;hten Mortalit&auml;t einher. Hohe Spiegel von PTH, 1,25-Dihydroxyvitamin D, Phosphat und Kalzium stimulieren die FGF-23-Produktion. &laquo;Das erkl&auml;rt aber nicht allein den Anstieg von FGF-23 in einem fr&uuml;hen Stadium der Niereninsuffizienz &raquo;, sagte Prof. Covic.<br /> Dies k&ouml;nnte durch die zugrunde liegende Entz&uuml;ndung und durch den Eisenmangel bei CKD vermittelt werden, was zu einem Anstieg von FGF-23 f&uuml;hrt. Normalerweise wird in dieser Situation gleichzeitig der Abbau von FGF-23 in den Osteozyten hochreguliert, um den Spiegel an zirkulierendem FGF-23 konstant zu halten. Bei CKD-Patienten scheint der Abbau von FGF-23 in den Osteozyten aber gest&ouml;rt zu sein, was zu den erh&ouml;hten FGF-23-Spiegeln beitragen k&ouml;nnte.<sup>3</sup> Eine Entz&uuml;ndung &ndash; erkennbar an erh&ouml;hten Konzentrationen von IL-6 und CRP &ndash; und zu viel FGF-23 stellen unabh&auml;ngige Risikofaktoren f&uuml;r eine erh&ouml;hte Mortalit&auml;t bei CKD dar, so fassten es Forscher aus den USA k&uuml;rzlich zusammen.<sup>4</sup> &laquo;Wir haben Hinweise darauf, dass FGF-23 direkte pathologische Effekte auf Herz und Gef&auml;sse aus&uuml;bt&raquo;, kommentierte Dr. med. Daniel Zickler, Facharzt f&uuml;r Innere Medizin und Nephrologie an der Charit&eacute; in Berlin. &laquo;Die Wirkungen von FGF-23 sind aber komplex. FGF-23 ist zwar grunds&auml;tzlich der &lsaquo;bad guy&rsaquo;, aber eine komplette FGF-23-Antagonisierung f&uuml;hrte im Tiermodell zu verst&auml;rkter Gef&auml;ssverkalkung.&raquo;<sup>5</sup> FGF-23 sei ein interessantes therapeutisches Ziel bei CKD und werde derzeit evaluiert. Welche Bedeutung es in der Klinik haben k&ouml;nnte, lasse sich aber aktuell noch nicht absch&auml;tzen.</p> <h2>Alpha-Klotho als neues therapeutisches Ziel</h2> <p>Manche Forscher versprechen sich viel von alpha-Klotho als therapeutisches Ziel. Alpha-Klotho wird zu einem hohen Masse in den Nieren exprimiert und fungiert als Korezeptor von FGF-Rezeptoren, um den FGF-23-Signalweg zu aktivieren. Die extrazellul&auml;re Dom&auml;ne von transmembran&ouml;sem Klotho wird durch Enzyme gespalten und gelangt als l&ouml;sliches Klotho in die Zirkulation. L&ouml;sliches Klotho &uuml;bt diverse biologische Funktionen aus, unter anderem wirkt es antifibrotisch und antioxidativ. Bei CKD herrscht ein Mangel an Klotho, was sich negativ auf das Herz-Kreislauf- System auswirken kann. So lassen sich im Tiermodell bei M&auml;usen mit CKD geringere Konzentrationen von l&ouml;slichem Klotho nachweisen, was zu einer linksventrikul&auml;ren Hypertrophie und Fibrose f&uuml;hrt. Durch die i.v. Gabe eines f&uuml;r l&ouml;sliches Klotho kodierenden Gens konnte die kardiale Hypertrophie bei den Klotho-defizienten M&auml;usen verbessert werden.<sup>6</sup> Dies weist darauf hin, dass die niedrigen Klotho-Spiegel bei CKD eine wichtige Ursache der ur&auml;mischen Kardiomyopathie sein k&ouml;nnten &ndash; unabh&auml;ngig von FGF-23 und Phosphat. &laquo;Die Erkenntnisse &uuml;ber Klotho k&ouml;nnten zu neuen therapeutischen Ans&auml;tzen f&uuml;hren&raquo;, so Covic. So konnte gezeigt werden, dass die Verabreichung von rekombinantem Klotho das Fortschreiten einer akuten zu einer chronischen Niereninsuffizienz und das kardiale Remodeling verhinderte.<sup>7</sup> Zickler findet die Studien zwar interessant, warnt aber vor &uuml;bertriebener Euphorie. &laquo;Studien bei Menschen gibt es hierzu aber noch keine und der klinische Einsatz von Klotho beim Menschen ist daher nicht absehbar.&raquo;</p> <h2>Vitamin-D-Substitution beeinflusst Outcome nicht</h2> <p>&laquo;Mit fortschreitender Niereninsuffizienz sinken die Vitamin-D-Spiegel ab, daher wird die Supplementation von Ergocalciferol empfohlen&raquo;, sagte Dr. Zickler. &laquo;Aber auch wenn wir mit der Supplementierung den Kalzium-Phosphat-Haushalt in Balance bringen und die Parathormonspiegel senken k&ouml;nnen, haben wir bisher keinen Vorteil im Hinblick auf Morbidit&auml;t und Mortalit&auml;t gesehen.&raquo; Die aktuellen KDIGO-Leitlinien<sup>8</sup> empfehlen den routinem&auml;ssigen Einsatz von Calcitriol oder Vitamin-D-Analoga bei chronischer Niereninsuffizienz im Stadium G3a bis G5 daher nicht mehr. Die KDIGO-Arbeitsgruppe erreichte diesbez&uuml;glich allerdings keinen Konsens. Eine Therapie mit Calcitriol oder Vitamin-D-Analoga ist in Erw&auml;gung zu ziehen bei Patienten mit progressivem und schwerem sekund&auml;rem Hyperparathyreoidismus.<sup>9</sup> Wegen m&ouml;glicher Nebenwirkungen sollte man &ndash; unabh&auml;ngig von der PTH-Konzentration &ndash; mit einer geringen Dosis beginnen und je nach PTH-Antwort auftitrieren. Eine Hyperkalz&auml;mie sollte vermieden werden. Bei Dialysepatienten h&auml;lt sich die neue Leitlinie bedeckt, weil es keine neuen Studien gibt, die einen klaren Benefit gezeigt h&auml;tten.<br /> Eine Alternative k&ouml;nnten Kalzimimetika wie Cinacalcet (Mimpara<sup>&reg;</sup> und Generika) oder das neue Etelcalcetid (Parsabiv<sup>&reg;</sup>) sein, so Covic. Etelcalcetid ist ein synthetisches Peptid, welches den kalziumsensitiven Rezeptor in der Nebenschilddr&uuml;se aktiviert. In zwei parallelen randomisierten Studien senkte Etelcalcetid bei 1023 H&auml;modialysepatienten mit mildem bis schwerem sekund&auml;rem Hyperparathyreoidismus nach 26 Wochen die PTH-Spiegel deutlich mehr als Placebo.<sup>10</sup> In einer anderen Studie mit 683 Patienten war Etelcalcetid Cinacalcet in Bezug auf die Reduktion der PTH-Werte nicht unterlegen; es erf&uuml;llte sogar die statistischen Kriterien f&uuml;r &Uuml;berlegenheit.<sup>11</sup>, &laquo;Wir haben mit Etelcalcetid ein neues Medikament, das mindestens genauso effizient ist wie Cinacalcet oder sogar besser&raquo;, kommentierte Covic. &laquo;Das gastrointestinale Nebenwirkungsprofil ist aber &auml;hnlich wie bei Cinacalcet, und wir haben noch keine Daten zu harten Endpunkten.&raquo;<br /> Kurz ging Covic auch auf die neuen Phosphatbinder ein. &laquo;Studien haben gezeigt, dass sie den Phosphatspiegel effektiv senken. Es gibt aber noch keine Belege daf&uuml;r, dass durch die Phosphatreduktion das &Uuml;berleben verl&auml;ngert wird. Darauf haben wir nur indirekte Hinweise, wie zum Beispiel die Assoziation von Hyperphosphat&auml;mie mit erh&ouml;hter Mortalit&auml;t&raquo;, sagte Covic. &laquo;Die neuen Phosphatbinder haben eine Reihe von Vorteilen, die Auswahl muss aber weiterhin f&uuml;r jeden Patienten individuell getroffen werden, unter Ber&uuml;cksichtigung von Begleiterkrankungen, individuellen Nebenwirkungen, aber auch der Compliance &raquo;, so das Fazit von Zickler.</p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> Der Kalzium-Phosphat-Haushalt bei Patienten mit CKD ist komplex. &laquo;Vor jeder Behandlung sollte man Kalzium, Phosphat, Parathormon und gegebenenfalls auch Vitamin D bestimmen. Und es kann nicht schaden, immer mal wieder in die aktuellen KDIGO-Leitlinien zu schauen&raquo;, res&uuml;mierte Zickler.</div></p> <p class="article-quelle">Quelle: Nephro Update Europe, 6.–7. Oktober 2017, Wien </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Guti&eacute;rrez OM et al.: Fibroblast growth factor 23 and mortality among patients undergoing hemodialysis. N Engl J Med 2008; 359: 584-92 <strong>2</strong> Guti&eacute;rrez O et al.: Fibroblast growth factor-23 mitigates hyperphosphatemia but accentuates calcitriol deficiency in chronic kidney disease. J Am Soc Nephrol 2005; 16: 2205-15 <strong>3</strong> David V et al.: Inflammation and functional iron deficiency regulate fibroblast growth factor 23 production. Kidney Int 2016; 89: 135-46 <strong>4</strong> Munoz Mendoza J et al.: Inflammation and elevated levels of fibroblast growth factor 23 are independent risk factors for death in chronic kidney disease. Kidney Int 2017; 91: 711-9 <strong>5</strong> Razzaque MS et al.: Hypervitaminosis D and premature aging: lessons learned from Fgf23 and Klotho mutant mice. Trends Mol Med 2006; 12: 298-305 <strong>6</strong> Xie J et al.: Soluble klotho protects against uremic cardiomyopathy independently of fibroblast growth factor 23 and phosphate. J Am Soc Nephrol 2015; 26: 1150-60 <strong>7</strong> Hu MC et al.: Recombinant a-klotho may be prophylactic and therapeutic for acute to chronic kidney disease progression and uremic cardiomyopathy. Kidney Int 2017; 91: 1104-14 <strong>8</strong> KDIGO 2017 Clinical Practice Guideline Update for the Diagnosis, Evaluation, Prevention, and Treatment of Chronic Kidney Disease&ndash;Mineral and Bone Disorder (CKD-MBD). Kidney Int Suppl 2017; 7: 1-59 <strong>9</strong> Ketteler M et al.: Executive summary of the 2017 KDIGO Chronic Kidney Disease&ndash;Mineral and Bone Disorder (CKDMBD) Guideline Update: what&acute;s changed and why it matters. Kidney Int 2017; 92: 26-36 <strong>10</strong> Block GA et al.: Effect of etelcalcetide vs placebo on serum parathyroid hormone in patients receiving hemodialysis with secondary hyperparathyroidism: two randomized clinical trials. JAMA 2017; 317: 146-55 <strong>11</strong> Block GA et al.: Effect of etelcalcetide vs cinacalcet on serum parathyroid hormone in patients receiving hemodialysis with secondary hyperparathyroidism: a randomized clinical trial. JAMA 2017; 317: 156-64</p> </div> </p>
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