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Neuer nonavalenter HPV-Impfstoff: noch mehr Schutz
Jatros
Autor:
Dr. Norbert Hasenöhrl
30
Min. Lesezeit
08.06.2017
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<p class="article-intro">Der nonavalente HPV-Impfstoff schützt gegen die vier bereits vom tetravalenten Impfstoff abgedeckten HPV-Typen genauso gut, umfasst aber noch fünf weitere Typen. Österreich ist Vorreiter auf dem Gebiet der geschlechtsneutralen HPV-Impfung. Der nonavalente Impfstoff ist nun Teil des Impfprogramms für Schulkinder.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li><span xml:lang="de-DE">Hautläsionen werden vor allem durch Niedrigrisiko-HPV-Typen wie HPV 6 oder 11 ausgelöst.Die HPV-assoziierten Karzinome </span><span xml:lang="de-DE">der Zervix, der Vulva, des Anus oder</span><span xml:lang="de-DE"> des Oropharynx entstehen durch Hochrisikotypen wie 16, 18 etc.</span></li> <li><span xml:lang="de-DE">Die nonavalente Impfung zeigt die gleiche Wirksamkeit wie ­vorherige Impfstoffe gegen die HPV-Typen 6, 11, 16 und 18 und eine typenspezifische Protektion gegenüber den fünf weiteren HPV-Typen.</span></li> <li><span xml:lang="de-DE">Eine mit dem bi- oder tetravalenten Impfstoff begonnene Grund­immunisierung kann mit dem ­nonavalenten Impfstoff beendet werden. Für den vollen Impfschutz gegen alle neun HPV-Typen ist die Grundimmunisierung mit dem nonavalenten Impfstoff erforderlich.</span></li> <li><span xml:lang="de-DE">Ein Langzeitschutz durch die HPV-Impfung ist wahrscheinlich.</span></li> </ul> </div> <p>Während die bisherige tetravalente Impfung bereits einen Schutz gegen ca. 70 % der HPV-assoziierten Zervix­karzinome bietet, steigt diese Schutzrate mit dem nonavalenten Impfstoff auf ca. 90 % an.</p> <h2>HPV-induzierte Infektionen</h2> <p>„Das Spektrum der klinischen Bilder durch Infektionen mit humanen Papillomaviren ist breit“, so Dr. Claudia Heller-Vitouch, Vorsitzende der Österreichischen Gesellschaft für Sexually Transmitted ­Diseases und dermatologische Mikrobiologie (ÖGSTD). Es umfasst nicht genitale Warzen (z.B. an den Fußsohlen), Genitalwarzen (Condylomata acuminata), Zervixdysplasien und -karzinome, aber auch orale, anale, vaginale und penile Infektio­nen. Allerdings verlaufen auch viele HPV-Infektionen asymptomatisch.<br />Humane Papillomaviren (HPV) lassen sich (anhand der Expression oder des Fehlens des E5-Proteins) in zwei Gattungen unterteilen, die als Alpha- und Beta-Papillomaviren bezeichnet werden. Letztere sind vor allem für Hautläsionen verantwortlich. So verursachen HPV 2, 7 und 22 vor allem Verrucae vulgares, HPV 1, 2, 4 und 63 Plantarwarzen und HPV 3, 8 und 10 vor allem sogenannte flache Warzen.<br />Die Infektion kann über direkten Kontakt, aber auch über die Umwelt erfolgen. Manche HP-Viren persistieren in der Umwelt sehr lange. HPV-bedingte Läsionen, wie etwa Warzen, können jahrelang bestehen; spontane Regressionen kommen jedoch bei Kindern in einem hohen Prozentsatz, aber auch bei Erwachsenen vor. Insofern kann ein Zuwarten durchaus sinnvoll sein – es gibt auch in Leitlinien entsprechende Empfehlungen.<br />Komplikationen – wie große, therapieresistente Warzen und/oder prolongierte Verläufe – kommen vor allem bei schwerer Immundefizienz vor. Die Epidermodysplasia verruciformis ist häufig mit Beta-HPV 5 oder 8, aber auch mit anderen HPV-Typen assoziiert; hier besteht eine genetische Komponente, wobei die genaue Funktion der mutierten Gene noch unklar ist. Sie spielen jedoch in der Regulation der Zinkverteilung im Zellkern eine Rolle.<br />Häufiger sind anogenitale HPV-Infektionen, die durch 25 verschiedene HPV-Typen verursacht werden können. Die genitale HPV-Infektion wird sexuell übertragen, wobei das Lebenszeitrisiko 75 % beträgt. Viele HPV-Infektionen verlaufen subklinisch. Condylomata acuminata (Feigwarzen) betreffen 1−2 % der sexuell aktiven Bevölkerung und werden in 90 % der Fälle durch HPV 6 oder 11 ausgelöst. <br />Nach einem Jahr sind etwa 80 % aller HPV-Infektionen durch zelluläre Immun­antwort eliminiert. Persistierende Infektionen (mit Hochrisiko-HPV-Typen wie 16, 18, 31, 33, 35, 45, 51, 52 etc.) bedeuten ein Risiko, Dysplasien oder Karzinome zu entwickeln. Zu den HPV-assoziierten Malignomen gehört das Zervixkarzinom, das viel seltenere Peniskarzinom, aber z.B. auch das Analkarzinom, das 1−2 % aller gastrointestinalen Karzinome ausmacht und HPV-assoziiert sein kann. Letzteres ist besonders bei MSM („Männer, die Sex mit Männern haben“) der Fall, von denen laut einer Studie 72 % HPV-positiv sind, 50 % mit Hochrisikotypen. Und nicht zuletzt können auch oropharyngeale Karzinome durch das humane Papillomavirus verursacht sein.</p> <h2>Das österreichische HPV-Impfprogramm</h2> <p>„Derzeit sind drei HPV-Impfstoffe auf dem Markt“, erklärte Univ.-Prof. Dr. Ursula Wiedermann-Schmidt vom Institut für Spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin und Spezialambulanz für Impfungen, der MedUni Wien. Der bivalente Impfstoff<sup>1</sup> schützt vor HPV 16 und 18; der tetravalente Impfstoff<sup>2</sup> umfasst zusätzlich auch die HPV-Typen 6 und 8. Der nonavalente Impfstoff<sup>3</sup> deckt darüber hinaus auch die Hochrisikotypen 31, 33, 45, 52 und 58 ab.<br />„Die erste HPV-Impfempfehlung hat es im österreichischen Impfplan bereits im Jahr 2007 gegeben“, so Wiedermann-Schmidt, die auch Präsidentin der jungen Österreichischen Gesellschaft für Vakzinologie (ÖgVak)<sup>4</sup> ist. Schon damals war im österreichischen Impfplan auch der Hinweis enthalten, dass die HPV-Impfung zur Unterbrechung der Infektionskette möglichst Personen beiderlei Geschlechts verabreicht werden sollte. Tabelle 1 enthält die grundlegenden Überlegungen zum HPV-Impfprogramm.<br />„In den meisten europäischen Ländern wird das HPV-Impfprogramm nur für Mädchen und Frauen finanziert“, so Wiedermann-Schmidt. In Österreich ist die HPV-Impfung für beide Geschlechter seit 2014 Teil des Schulkinder-Impfprogramms und ab dem vollendeten 9. bis zum 12. Lebensjahr kostenlos. Vom 12. bis zum 15. Lebensjahr gibt es ein Catch-up-Programm mit vergünstigter Impfung. „Um die Erkrankungslast der Bevölkerung zu reduzieren und einen Herdenschutz zu ermöglichen, ist eine hohe Durchimpfungsrate von etwa 70 % erforderlich“, so Wiedermann-Schmidt.<br />Im österreichischen Impfkonzept wird seit 2017 der nonavalente Impfstoff verwendet. Das Impfschema ist 0/6−12 Monate. War der Abstand zwischen den zwei Teilimpfungen geringer als fünf Monate oder erfolgt die Impfung erst nach dem 15. Geburtstag, so ist eine dritte Teilimpfung erforderlich.<br />Eine begonnene Grundimmunisierung mit dem bi- oder tetravalenten Impfstoff kann mit dem nonavalenten Impfstoff beendet werden. „Der volle Impfschutz gegen alle neun HPV-Typen ist allerdings nur dann gegeben, wenn eine volle Grundimmunisierung mit dem nonavalenten Impfstoff erfolgt“, erklärte Wiedermann-Schmidt.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Infekt_1702_Weblinks_s42.jpg" alt="" width="1419" height="607" /></p> <h2>Der neue nonavalente Impfstoff</h2> <p>„Etwa in den Achtzigerjahren stellte Harald von Hausen die Hypothese auf, dass bestimmte HPV-Typen Zervixkarzinome auslösen können, und erhielt dafür 2008 den Nobelpreis für Medizin“, erzählte Univ.-Prof. Dr. Elmar A. Joura, Universitätsklinik für Frauenheilkunde, MedUni Wien, der selbst maßgeblich an der Einführung der HPV-Impfung in Österreich beteiligt war und am 30. September 2006 die erste HPV-Impfung in Europa verabreichte. Ein anderer Österreicher, Univ.-Prof. Dr. Reinhard Kirnbauer, entdeckte und publizierte das Prinzip der HPV-Impfung schon im Jahr 1992.<br />Die nonavalente HPV-Impfung zeigt die gleiche Wirksamkeit gegen die HPV-Typen 16 und 18 wie die vorherigen Impfstoffe (97−100 % ), gegen 6 sowie 11 wie der tetravalente Impfstoff, und sie bringt zusätzlich einen typenspezifischen Schutz gegen die HPV-Typen 31, 33, 45, 52 und 58 (97 % Effektivität; Joura et al, N Engl J Med 2015). Die Impfung war in allen Studienpopulationen hoch immunogen, wobei die Daten von über 26 000 männlichen und weiblichen Probanden im Alter von 9 bis 26 Jahren stammen. Wird zeitgerecht (vor dem 15. Geburtstag) geimpft, so genügt ein Zweidosisschema. „Ein Langzeitschutz ist wahrscheinlich“, schloss Joura, „derzeit haben wir schon Daten über einen Zeitraum von sechs Jahren.“</p> <p>Quelle: <br />„Der neue 9-valente HPV-Impfstoff“; Symposium 3 des 11. Österreichischen Infektionskongresses; 30. März 2017, Saalfelden</p></p>
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<p>bei den Vortragenden<br /><strong>1</strong> Cervarix® von GlaxoSmithKline <strong>2</strong> Gardasil® von MSD <strong>3</strong> Gardasil 9® von MSD <strong>4</strong> Näheres unter <a href="http://www.oegvak.at">www.oegvak.at</a></p>
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