<p class="article-intro">NITIMIB – Neoadjuvant ImmunoTherapy In Muscle-Invasive Bladder cancer – ist eine prospektive, monozentrische Phase-II-Studie, welche die Wirksamkeit einer kombinierten neoadjuvanten Immuntherapie beim muskelinvasiven Urothelkarzinom der Harnblase an Patienten untersucht, die für eine Chemotherapie mit Cisplatin nicht qualifizieren.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Aufgrund des Überlebensvorteils von 5–8 % wird eine Cisplatin- basierte neoadjuvante Chemotherapie in den europäischen Richtlinien beim muskelinvasiven Blasenkarzinom vor Zystektomie empfohlen.</li> <li>30–50 % der Patienten mit muskelinvasivem Blasenkrebs haben Kontraindikationen für die Verabreichung von Cisplatin; eine alternative Chemotherapie ist aufgrund schlechteren Ansprechens jedoch nicht empfohlen.</li> <li>Deshalb sind alternative Therapien zur Verbesserung des Überlebens in dieser Patientengruppe dringend nötig.</li> <li>Eine Kombination von zwei Immuntheraputika (Durvalumab [PD-1/PD-L1-Hemmer] sowie Tremelimumab [CTLA4-Antikörper]) wird in dieser prospektiven, monozentrischen Studie an Patienten, welche nicht für eine Cisplatin-basierte Chemotherapie qualifizieren, im neoadjuvanten Setting getestet.</li> </ul> </div> <p>In dieser klinischen Studie wird die Wirksamkeit der Kombination von zwei Immuntherapeutika (Durvalumab [PD-1/ PD-L1-Hemmer] sowie Tremelimumab [CTLA4-Antikörper]) als neoadjuvante Therapie bei Patienten mit muskelinvasivem Blasenkrebs, welche nicht für eine Cisplatin-basierte neoadjuvante Chemotherapie qualifizieren, getestet.</p> <h2>Begründung des Forschungsprojektes</h2> <p>Das 5-Jahres-Überleben von Patienten mit muskelinvasivem Blasenkarzinom, welche nur eine Zystektomie erhalten, ist relativ schlecht und beträgt zwischen 25 und 84 % , abhängig vom Tumorstadium und vom Befall von Lymphknoten im kleinen Becken (TN-Stadium).<sup>1</sup> Da eine Cisplatin-basierte neoadjuvante Chemotherapie einen absoluten Überlebensvorteil von 5–8 % in diversen Studien gezeigt hat,<sup>1–3</sup> wird eine neoadjuvante Chemotherapie in den europäischen Guidelines empfohlen.<sup>4</sup><br /> Da Blasenkrebs häufig bei älteren Menschen vorkommt, welche verschiedene Begleiterkrankungen (z.B. Hörverminderung [≥Grad 2], periphere Neuropathie [≥Grad 2], chronische Niereninsuffizienz (GFR <60ml/min), Allgemeinzustandsverschlechterung [ECOG ≥2]) aufweisen, ist eine Chemotherapie mit Cisplatin bei 30–50 % der Blasenkrebspatienten nicht möglich.<sup>5</sup> Verschiedene Alternativen wurden im Rahmen klinischer Studien getestet, insbesondere Kombinationen mit Carboplatin, jedoch hat keine dieser Therapien die Erfolgsrate von Cisplatin erreicht.<sup>6, 7</sup> Deshalb gibt es auch keine Standardchemotherapie für Patienten, welche Cisplatin nicht erhalten können. Die europäischen Guidelines empfehlen, bei diesen Patienten keine neoadjuvante Chemotherapie durchzuführen.<sup>4</sup><br /> Dieses Dilemma, notwendige neoadjuvante Chemotherapie vor Zystektomie und fehlendes nicht-Cisplatin-basiertes Chemotherapie- Regime, kann allenfalls durch die Verabreichung einer neoadjuvanten Immuntherapie umgangen werden. Die Einführung von Medikamenten, welche die körpereigene Immunantwortkaskade (T-Zell-Abwehr) über eine Blockierung der PD-1/PD-L1-Immunabwehrhemmung beeinflussen, sogenannten Immuncheckpoint- Inhibitoren, hat neue und vielversprechende Therapieansätze beim Blasenkrebs ergeben. Erste Ergebnisse bei Patienten mit metastasierendem und/oder nicht mehr operablem Blasenkrebs haben vielversprechende Ergebnisse mit Ansprechraten von 11–47 % ergeben, wenn die Immuntherapeutika als Einzelmedikament und nicht in Kombination verabreicht wurden.<sup>8–10</sup><br /> Eine rezent durchgeführte Studie (NCT02261220) bei soliden Tumoren (>95 % nicht Blasentumoren) hat die Medikamentensicherheit und Verträglichkeit einer Kombination zweier Immuntherapeutika, eines PD-1/PD-L1-Hemmers sowie CTLA4-Antikörpers (Tremelimumab), untersucht. Dabei zeigt die Kombination eine deutlich höhere Krebshemmung als jedes einzelne Medikament alleine, sowohl beim schwarzen Hautkrebs als auch beim nicht kleinzelligen Lungenkrebs. Die Medikamentensicherheit war gut, jedoch zeigte die Kombination ein etwas schlechteres Nebenwirkungsprofil, weshalb Therapieabbrüche etwas häufiger bei der Kombinationstherapie waren (Tab. 1).<sup>11</sup><br /> Basierend auf der zwingenden klinischen Notwendigkeit, die Therapie und somit das Überleben von Blasenkrebspatienten, insbesondere derer, welche nicht für eine neoadjuvante Cisplatin-basierte Chemotherapie qualifizieren, zu verbessern, führen wir diese prospektive einarmige, klinische Phase-II-Studie am Inselspital Bern durch.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Uro_1803_Weblinks_lo_uro_1803_s15_tab1.jpg" alt="" width="2151" height="2146" /></p> <h2>Studienablauf</h2> <p>Patienten, welche eine radiologische (CT oder MRI) messbare Läsion haben und für eine Zystektomie, jedoch nicht für eine Cisplatin-basierte, neoadjuvante Chemotherapie qualifizieren (cT2-4 und/oder cN+), können eingeschlossen werden. Die Therapie dauert 16 Wochen (4 Zyklen), wobei nach 2 und 4 Zyklen ein Restaging mit Evaluation der Ansprechrate gemäss RECIST-1.1- Kriterien<sup>12</sup> durchgeführt wird (Abb. 1). Anschliessend erfolgen die Zystektomie sowie eine 5-jährige Nachkontrollphase.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Uro_1803_Weblinks_lo_uro_1803_s16_abb1.jpg" alt="" width="1458" height="761" /></p> <h2>Studienziele und Studienort</h2> <p>Primäres Studienziel ist die radiologische Ansprechrate (gemäss RECIST- 1.1-Kriterien). Weitere Studienziele sind die Patientensicherheit resp. Medikamentennebenwirkungen (CTCAE 4.0)<sup>13</sup>, die Durchführbarkeit einer «post-immunotherapy » Zystektomie, die pathologische Ansprechrate sowie Patientenüberleben. Zudem ist ein breiter translationaler Teil geplant, wobei unter anderem prognostische Biomarker für ein Tumoransprechen im peripheren Blut, Urin und Tumor selber evaluiert werden. Auch soll das Tumoransprechen mit den verschiedenen Blasenkarzinom-Subtypen korreliert werden. Dies aufgrund von ersten Daten, welche zeigen, dass das «Immunsignaling » unter den verschiedenen Subtypen sehr verschieden ist, was postulieren lässt, dass auch die Ansprechrate auf eine Immuntherapie unterschiedlich ist je nach Subtyp. Dabei scheint eine Aktivierung der PPAR-γ(peroxisome proliferator- activated receptor gamma)-Signalkaskade aktiv die Infiltration von Immunzellen in den Tumor zu verhindern. Dementsprechend besteht eine inverse Korrelation zwischen PPAR-γ-Expression sowie Anzahl tumorinfiltrierender CD8- positiver Lymphozyten sowie eine komplette Absenz des «Immunsignaling» in Tumoren mit aktivierter PPAR-γ- Signalkaskade.<br /> Die Studie wird monozentrisch am Inselspital durchgeführt und ist die bisher einzige Studie, welche eine kombinierte, neoadjuvante Immuntherapie beim muskelinvasiven Blasenkarzinom untersucht.</p> <h2>Wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Kontext des Forschungsprojekts</h2> <p>Das Blasenkarzinom ist einer der häufigsten und aggressivsten Tumore des Urogenitaltraktes. Mehr als 50 000 Patienten sterben jährlich aufgrund von Blasenkarzinom. Seit über 25 Jahren hat keine Verbesserung der systemischen Therapie beim Blasenkarzinom stattgefunden. Insbesondere Patienten mit erheblichen Begleiterkrankungen stehen kaum vernünftige Therapiemöglichkeiten offen. Im Gegensatz zur SAKK-06/17-Studie, bei der eine neoadjuvante/adjuvante Immuntherapie mit Durvalumab mit der neoadjuvanten Standardchemotherapie (Cisplatin, Gemcitabin) kombiniert wird, schliesst diese Studie Patienten ein, welche eine für die Chemotherapie ungenügende Nierenfunktion aufweisen. Mit dieser kombinierten, neoadjuvanten Immuntherapiestudie soll eine grosse Wissenslücke geschlossen und ein erster Schritt in eine neue Therapieära beim Blasenkarzinom getan werden. Die Resultate dieser Studie werden die Behandlung von Blasenkrebspatienten weltweit beeinflussen.</p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Sternberg CN et al.: ICUD-EAU International Consultation on Bladder Cancer 2012: chemotherapy for urothelial carcinoma-neoadjuvant and adjuvant settings. Eur Urol 2013; 63(1): 58-66 <strong>2</strong> Grossman HB et al.: Neoadjuvant chemotherapy plus cystectomy compared with cystectomy alone for locally advanced bladder cancer. NEJM 2003; 349(9): 859-66 <strong>3</strong> International Collaboration of Trialists: International phase III trial assessing neoadjuvant cisplatin, methotrexate, and vinblastine chemotherapy for muscle-invasive bladder cancer: long-term results of the BA06 30894 trial. JCO 2011; 29(16): 2171-7 <strong>4</strong> Alfred Witjes J et al.: Updated 2016 EAU Guidelines on Muscle-invasive and Metastatic Bladder Cancer. Eur Urol 2017; 71(3): 462- 75 <strong>5</strong> Dash A et al.: Impact of renal impairment on eligibility for adjuvant cisplatin-based chemotherapy in patients with urothelial carcinoma of the bladder. Cancer 2006; 107(3): 506-13 <strong>6</strong> Grivas PD et al.: A phase II trial of neoadjuvant nab-paclitaxel, carboplatin, and gemcitabine (ACaG) in patients with locally advanced carcinoma of the bladder. Urology 2013; 82(1): 111-7 <strong>7</strong> Smith DC et al.: Phase II trial of paclitaxel, carboplatin and gemcitabine in patients with locally advanced carcinoma of the bladder. J Urol 2008; 180(6): 2384-8; discussion 8 <strong>8</strong> Balar AV et al.: Atezolizumab as first-line treatment in cisplatin-ineligible patients with locally advanced and metastatic urothelial carcinoma: a single-arm, multicentre, phase 2 trial. Lancet 2017; 389(10064): 67-76 <strong>9</strong> Massard C et al.: Safety and efficacy of durvalumab (MEDI4736), an anti-programmed cell death ligand-1 immune checkpoint inhibitor, in patients with advanced urothelial bladder cancer. J Clin Oncol 2016; 34(26): 3119-25 <strong>10</strong> Rosenberg JE et al.: A tezolizumab in patients with locally advanced and metastatic urothelial carcinoma who have progressed following treatment with platinum-based chemotherapy: a singlearm, multicentre, phase 2 trial. Lancet 2016; 387(10031): 1909-20 <strong>11</strong> Antonia S et al.: Safety and antitumour activity of durvalumab plus tremelimumab in non-small cell lung cancer: a multicentre, phase 1b study. Lancet Oncol 2016; 17(3): 299-308 <strong>12</strong> Eisenhauer EA TP et al.: New response evaluation criteria in solid tumours: revised RECIST guideline (version 1.1). Eur J Cancer 2009; 45: 228-47 13 National Cancer Institute CTCfAECVhwebsdcC</p>
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</p>