© Getty Images/iStockphoto

Medizinerin, Theologin oder beides?

<p class="article-intro">Ihren Glauben zu leben war für sie immer selbstverständlich, zunächst ritualisiert mitleben mit der Großmutter in einem burgenländisch-kroatischen Dorf, dann aber selbstständig. Im Interview berichtet Lisa Maria Racz über die Vereinbarkeit ihres Doppelstudiums mit immer rigider werdenden Studienordnungen.</p> <hr /> <p class="article-content"><p><strong>Weshalb haben Sie sich gerade f&uuml;r die beiden Studienrichtungen Medizin und Theologie, eine nicht sehr allt&auml;gliche Kombination, entschieden und was hat Sie dabei beeinflusst?<br /> L. M. Racz: </strong>Mir war klar, dass ich Theologie studieren will. Zus&auml;tzlich inskribierte ich das Lehramtsstudium Biologie. Von Theologie erwartete ich mir die Fortsetzung des Religionsunterrichtes und war schnell begeistert, wie weit dieses Studium dar&uuml;ber hinausgeht. Das bewog mich auch zum Wechsel auf das Doktoratsstudium. Bei Biologie fehlte mir irgendwie etwas, weshalb ich nach zwei Semestern auf Medizin umsattelte.<br /><br /><strong> Sie mussten ja schon die Zulassungspr&uuml;fung f&uuml;r Medizin ablegen, hat Sie das nicht geschreckt?<br /> L. M. Racz: </strong>Nein, ich habe mich nat&uuml;rlich vorbereitet, bin aber ganz unverkrampft angetreten. Ich dachte: Komme ich durch, war es eine richtige Entscheidung. Falle ich durch, so hat es nicht sollen sein. Ich w&auml;re kein zweites Mal angetreten.<br /><br /><strong> Unterstelle ich Ihnen etwas, wenn ich das Gottvertrauen nenne?<br /> L. M. Racz: </strong>Nein, das d&uuml;rfen Sie so nennen, ich f&uuml;hle mich schon irgendwie geleitet.<br /><br /><strong> Beide Studien gelten als schwierig &ndash; wie empfinden Sie das?<br /> L. M. Racz: </strong>&bdquo;Schwierig&ldquo; w&auml;re f&uuml;r mich nicht so entscheidend, doch die neue Studienordnung f&uuml;r Medizin ist sehr straff &ndash; hundert Prozent Anwesenheitspflicht. Das hat zur Folge, dass gut neunzig Prozent der Studentinnen und Studenten erst nach sechs bis sechseinhalb Jahren abschlie&szlig;en k&ouml;nnen. Daneben ein zweites Studium ist m&uuml;hsam, ich musste zwei Jahre pausieren.<br /><br /><strong> Diese straffe Studienordnung erinnert mich an die Zielvorgabe einer &bdquo;berufsbildenden h&ouml;heren Schule&ldquo;. Konsequent und effizient etwas erlernen, das recht bald in der Erwerbst&auml;tigkeit umgesetzt werden wird, es wird jedoch an Tiefe und Breite gespart. Wie ist denn die Ethik im Regel-Medizinstudium verankert?<br /> L. M. Racz: </strong>Ethik ist jedenfalls keine Pflichtvorlesung. Zu Beginn des Studiums war etwa die Lehrveranstaltung &bdquo;Ethik in der Medizin&ldquo; sehr gut besucht. Bedingt durch den Zeit- und Leistungsdruck, den die Pflichtf&auml;cher mit sich bringen, hat sich das rasch ge&auml;ndert. Ich selbst fand in den Lehrveranstaltungen von Professor Matthias Beck, was mir im Medizinstudium gefehlt hatte. So habe ich im f&uuml;nften Semester meines Medizinstudiums das Theologiestudium wieder aufgenommen. Ich schaffe derzeit vier bis f&uuml;nf Pr&uuml;fungen im Jahr und werde daf&uuml;r zwar l&auml;nger als f&uuml;r Medizin brauchen, dennoch m&ouml;chte ich das Theologiestudium gerne abschlie&szlig;en.<br /><br /><strong> Wie weit sind Sie im Medizinstudium?<br /> L. M. Racz: </strong>Ich brauche noch ein Jahr. Wenn alles gut geht, werde ich also mit 25 Jahren abschlie&szlig;en k&ouml;nnen.<br /><br /><strong> Respekt! Wissen Sie schon, wor&uuml;ber Sie Ihre Diplomarbeit schreiben werden?<br /> L. M. Racz: </strong>Ja, der Arbeitstitel lautet &bdquo;Ethische Aspekte in der palliativmedizinischen Versorgung in l&auml;ndlichen Gebieten&ldquo; und Professor Beck wird die Arbeit betreuen. Meine Gro&szlig;mutter verbrachte die letzten zehn Monate ihres Lebens faktisch im Krankenhaus, da hat sich mir dieses Thema aufgedr&auml;ngt.<br /><br /><strong> Konnten Sie in &auml;rztlicher Hinsicht schon praktische Erfahrungen sammeln?<br /> L. M. Racz: </strong>Ich habe Famulaturen im Krankenhaus Oberwart und Praktika am AKH Wien absolviert. Der Onkologe und Palliativmediziner des Krankenhauses Oberwart begleitet &uuml;brigens meine Diplomarbeitsbem&uuml;hungen mit kollegialem Interesse.<br /><br /><strong> Waren Sie auch Lehrpraktikantin in einer allgemeinmedizinischen Ordination?<br /> L. M. Racz: </strong> Nur zwei Wochen, mit denen ich allerdings nicht sehr gl&uuml;cklich war. Der Wiener Lehrpraxisleiter bot kaum Leistungen in seiner Ordination an. Dementsprechend wenig bekam ich auch zu sehen.<br /><br /><strong> Das ist schade, dennoch wollen Sie Allgemeinmedizinerin auf dem Land werden?<br /> L. M. Racz: </strong>Ja, das schwebt mir vor. Mein Arztbild ist vor allem gepr&auml;gt durch meine fr&uuml;here Haus&auml;rztin im Burgenland, Dr. Aurelia Lindau. Sie war &Auml;rztin aus Passion, bot wirklich viele Leistungen an und vermittelte mir immer das Gef&uuml;hl, gut behandelt zu sein. Nat&uuml;rlich kann sich da noch einiges &auml;ndern, denn die Dermatologie fasziniert mich auch sehr.<br /><br /><strong> Sie werden es nicht glauben, aber ich kenne Dr. Aurelia Lindau und auch ihren Sohn und De-facto-Nachfolger Arthur pers&ouml;nlich. Bei ihm h&auml;tten Sie eine erf&uuml;llende Lehrpraxis absolvieren k&ouml;nnen. Wissen Ihre Studienkolleginnen und -kollegen eigentlich von Ihrem Doppelstudium?<br /> L. M. Racz: </strong>Nicht alle, und die, die es wissen, wundern sich sehr. Manche fragen ungeniert, warum brauchst du das, wenn du ohnehin Medizin studierst?<br /><br /><strong> Ich habe einmal gelesen, dass der derzeitige Pr&auml;sident der Caritas, Dr. Michael Landau, so ziemlich wortgleich gefragt wurde. Er hatte ja schon das Studium der Biochemie absolviert, als er die Theologie in Angriff nahm. Dabei hat die Kombination Medizin und Theologie herausragende Pers&ouml;nlichkeiten vorzuweisen. Sofort fallen mir ein: Johannes Huber, Manfred L&uuml;tz und nicht zuletzt &bdquo;Ihr&ldquo; Matthias Beck, alles Menschen, die durch ihre universelle Bildung und ihren Humanismus beeindrucken. Bald also wird man neben diesen drei M&auml;nnern auch eine Frau nennen k&ouml;nnen.<br /> L. M. Racz: </strong>Wenige Menschen haben eine Vorstellung von der Geisteswissenschaft Theologie &ndash; und noch weniger pers&ouml;nliche religi&ouml;se Erfahrungen. Vermutlich sind die meisten meiner Kollegen an der medizinischen Fakult&auml;t getauft, ob sie jemals &bdquo;auf eigenen F&uuml;&szlig;en&ldquo; in der Kirche waren, wage ich zu bezweifeln. Auch meine Religiosit&auml;t ist nicht mehr die von der Gro&szlig;mutter vorgelebte, aber sie ist mir nie abhandengekommen und ein Teil meines Lebens geblieben.<br /><br /><strong> Haben Sie Glauben und Wissenschaft nie als unvereinbar erlebt?<br /> L. M. Racz: </strong>Nie. Im Gegenteil, ich erlebe, wie sich Geisteswissenschaft und Naturwissenschaft erg&auml;nzen.<br /><br /><strong> Ich sehe Sie als Turnus&auml;rztin in einem Ordenskrankenhaus, in dem Ihr noch laufendes Theologiestudium bewundert und unterst&uuml;tzt wird.<br /> L. M. Racz: </strong>Ich sehe mich eher in meinem Heimatbezirk im Krankenhaus Oberwart, aber lassen wir uns &uuml;berraschen. Und das sage ich nicht unentschlossen, sondern zuversichtlich, bereit f&uuml;r das, was sich ergeben wird.<br /><br /><strong> Ich bin sehr beeindruckt von Ihrem Bildungsweg. Wenn er Sie tats&auml;chlich in die Allgemeinmedizin f&uuml;hren sollte, w&auml;re es f&uuml;r mich und viele andere eine ganz besondere Freude. Ich w&uuml;nsche Ihnen alles Gute!</strong></p></p>
Back to top