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Medizinerin, Theologin oder beides?
DAM
30
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25.05.2017
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<p class="article-intro">Ihren Glauben zu leben war für sie immer selbstverständlich, zunächst ritualisiert mitleben mit der Großmutter in einem burgenländisch-kroatischen Dorf, dann aber selbstständig. Im Interview berichtet Lisa Maria Racz über die Vereinbarkeit ihres Doppelstudiums mit immer rigider werdenden Studienordnungen.</p>
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<p class="article-content"><p><strong>Weshalb haben Sie sich gerade für die beiden Studienrichtungen Medizin und Theologie, eine nicht sehr alltägliche Kombination, entschieden und was hat Sie dabei beeinflusst?<br /> L. M. Racz: </strong>Mir war klar, dass ich Theologie studieren will. Zusätzlich inskribierte ich das Lehramtsstudium Biologie. Von Theologie erwartete ich mir die Fortsetzung des Religionsunterrichtes und war schnell begeistert, wie weit dieses Studium darüber hinausgeht. Das bewog mich auch zum Wechsel auf das Doktoratsstudium. Bei Biologie fehlte mir irgendwie etwas, weshalb ich nach zwei Semestern auf Medizin umsattelte.<br /><br /><strong> Sie mussten ja schon die Zulassungsprüfung für Medizin ablegen, hat Sie das nicht geschreckt?<br /> L. M. Racz: </strong>Nein, ich habe mich natürlich vorbereitet, bin aber ganz unverkrampft angetreten. Ich dachte: Komme ich durch, war es eine richtige Entscheidung. Falle ich durch, so hat es nicht sollen sein. Ich wäre kein zweites Mal angetreten.<br /><br /><strong> Unterstelle ich Ihnen etwas, wenn ich das Gottvertrauen nenne?<br /> L. M. Racz: </strong>Nein, das dürfen Sie so nennen, ich fühle mich schon irgendwie geleitet.<br /><br /><strong> Beide Studien gelten als schwierig – wie empfinden Sie das?<br /> L. M. Racz: </strong>„Schwierig“ wäre für mich nicht so entscheidend, doch die neue Studienordnung für Medizin ist sehr straff – hundert Prozent Anwesenheitspflicht. Das hat zur Folge, dass gut neunzig Prozent der Studentinnen und Studenten erst nach sechs bis sechseinhalb Jahren abschließen können. Daneben ein zweites Studium ist mühsam, ich musste zwei Jahre pausieren.<br /><br /><strong> Diese straffe Studienordnung erinnert mich an die Zielvorgabe einer „berufsbildenden höheren Schule“. Konsequent und effizient etwas erlernen, das recht bald in der Erwerbstätigkeit umgesetzt werden wird, es wird jedoch an Tiefe und Breite gespart. Wie ist denn die Ethik im Regel-Medizinstudium verankert?<br /> L. M. Racz: </strong>Ethik ist jedenfalls keine Pflichtvorlesung. Zu Beginn des Studiums war etwa die Lehrveranstaltung „Ethik in der Medizin“ sehr gut besucht. Bedingt durch den Zeit- und Leistungsdruck, den die Pflichtfächer mit sich bringen, hat sich das rasch geändert. Ich selbst fand in den Lehrveranstaltungen von Professor Matthias Beck, was mir im Medizinstudium gefehlt hatte. So habe ich im fünften Semester meines Medizinstudiums das Theologiestudium wieder aufgenommen. Ich schaffe derzeit vier bis fünf Prüfungen im Jahr und werde dafür zwar länger als für Medizin brauchen, dennoch möchte ich das Theologiestudium gerne abschließen.<br /><br /><strong> Wie weit sind Sie im Medizinstudium?<br /> L. M. Racz: </strong>Ich brauche noch ein Jahr. Wenn alles gut geht, werde ich also mit 25 Jahren abschließen können.<br /><br /><strong> Respekt! Wissen Sie schon, worüber Sie Ihre Diplomarbeit schreiben werden?<br /> L. M. Racz: </strong>Ja, der Arbeitstitel lautet „Ethische Aspekte in der palliativmedizinischen Versorgung in ländlichen Gebieten“ und Professor Beck wird die Arbeit betreuen. Meine Großmutter verbrachte die letzten zehn Monate ihres Lebens faktisch im Krankenhaus, da hat sich mir dieses Thema aufgedrängt.<br /><br /><strong> Konnten Sie in ärztlicher Hinsicht schon praktische Erfahrungen sammeln?<br /> L. M. Racz: </strong>Ich habe Famulaturen im Krankenhaus Oberwart und Praktika am AKH Wien absolviert. Der Onkologe und Palliativmediziner des Krankenhauses Oberwart begleitet übrigens meine Diplomarbeitsbemühungen mit kollegialem Interesse.<br /><br /><strong> Waren Sie auch Lehrpraktikantin in einer allgemeinmedizinischen Ordination?<br /> L. M. Racz: </strong> Nur zwei Wochen, mit denen ich allerdings nicht sehr glücklich war. Der Wiener Lehrpraxisleiter bot kaum Leistungen in seiner Ordination an. Dementsprechend wenig bekam ich auch zu sehen.<br /><br /><strong> Das ist schade, dennoch wollen Sie Allgemeinmedizinerin auf dem Land werden?<br /> L. M. Racz: </strong>Ja, das schwebt mir vor. Mein Arztbild ist vor allem geprägt durch meine frühere Hausärztin im Burgenland, Dr. Aurelia Lindau. Sie war Ärztin aus Passion, bot wirklich viele Leistungen an und vermittelte mir immer das Gefühl, gut behandelt zu sein. Natürlich kann sich da noch einiges ändern, denn die Dermatologie fasziniert mich auch sehr.<br /><br /><strong> Sie werden es nicht glauben, aber ich kenne Dr. Aurelia Lindau und auch ihren Sohn und De-facto-Nachfolger Arthur persönlich. Bei ihm hätten Sie eine erfüllende Lehrpraxis absolvieren können. Wissen Ihre Studienkolleginnen und -kollegen eigentlich von Ihrem Doppelstudium?<br /> L. M. Racz: </strong>Nicht alle, und die, die es wissen, wundern sich sehr. Manche fragen ungeniert, warum brauchst du das, wenn du ohnehin Medizin studierst?<br /><br /><strong> Ich habe einmal gelesen, dass der derzeitige Präsident der Caritas, Dr. Michael Landau, so ziemlich wortgleich gefragt wurde. Er hatte ja schon das Studium der Biochemie absolviert, als er die Theologie in Angriff nahm. Dabei hat die Kombination Medizin und Theologie herausragende Persönlichkeiten vorzuweisen. Sofort fallen mir ein: Johannes Huber, Manfred Lütz und nicht zuletzt „Ihr“ Matthias Beck, alles Menschen, die durch ihre universelle Bildung und ihren Humanismus beeindrucken. Bald also wird man neben diesen drei Männern auch eine Frau nennen können.<br /> L. M. Racz: </strong>Wenige Menschen haben eine Vorstellung von der Geisteswissenschaft Theologie – und noch weniger persönliche religiöse Erfahrungen. Vermutlich sind die meisten meiner Kollegen an der medizinischen Fakultät getauft, ob sie jemals „auf eigenen Füßen“ in der Kirche waren, wage ich zu bezweifeln. Auch meine Religiosität ist nicht mehr die von der Großmutter vorgelebte, aber sie ist mir nie abhandengekommen und ein Teil meines Lebens geblieben.<br /><br /><strong> Haben Sie Glauben und Wissenschaft nie als unvereinbar erlebt?<br /> L. M. Racz: </strong>Nie. Im Gegenteil, ich erlebe, wie sich Geisteswissenschaft und Naturwissenschaft ergänzen.<br /><br /><strong> Ich sehe Sie als Turnusärztin in einem Ordenskrankenhaus, in dem Ihr noch laufendes Theologiestudium bewundert und unterstützt wird.<br /> L. M. Racz: </strong>Ich sehe mich eher in meinem Heimatbezirk im Krankenhaus Oberwart, aber lassen wir uns überraschen. Und das sage ich nicht unentschlossen, sondern zuversichtlich, bereit für das, was sich ergeben wird.<br /><br /><strong> Ich bin sehr beeindruckt von Ihrem Bildungsweg. Wenn er Sie tatsächlich in die Allgemeinmedizin führen sollte, wäre es für mich und viele andere eine ganz besondere Freude. Ich wünsche Ihnen alles Gute!</strong></p></p>