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Kommentar

Kassenarzt als Diener zweier Herren

<p class="article-intro">Neben den Krankenkassen drängen sich die Länder als Geldgeber auf.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Ich darf &uuml;ber zahlreiche Reaktionen auf meinen Beitrag &bdquo;Allgemeinmediziner im Imagetief&ldquo; berichten: DAM-Leser best&auml;tigen eine zunehmende Geringsch&auml;tzung des Hausarztes. Unter anderem geht der Vorwurf unter die Haut, wir Allgemeinmediziner h&auml;tten Ausbildungsdefizite, zum Beispiel in Psychiatrie, und w&uuml;rden daher teils zu viele Benzodiazepine verschreiben. Eine Kollegin regt im pers&ouml;nlichen Gespr&auml;ch an, ich solle doch auch positive Meldungen in meine Artikel aufnehmen. Bei der Lekt&uuml;re von Geppert-Beitr&auml;gen, so der scherzhafte Vorwurf, bestehe die Gefahr, selbst eine Depression zu entwickeln. Gesagt, getan! Auf der Suche nach erfreulichen Statements zum Thema &bdquo;Allgemeinmedizin &amp; Psychiatrie&ldquo; werde ich bei einer Veranstaltung des Vorjahrs f&uuml;ndig: Im September 2017 findet in Wien ein Fachgespr&auml;ch unter Experten statt. Die Rolle der Haus&auml;rzte in der Diagnose und Behandlung von Depression, Suizidalit&auml;t und Angstst&ouml;rung ist Thema. Angesichts des Mangels an Fach&auml;rzten und psychiatrischen Kassenstellen ist allen klar: Erste Anlaufstelle f&uuml;r Patienten mit psychischen Erkrankungen muss der Allgemeinmediziner sein. Univ.-Prof. Dr. Johannes Wancata, Vorstand der Klinischen Abteilung f&uuml;r Sozialpsychiatrie an der Medizinischen Universit&auml;t Wien, zitiert bei diesem Treffen einen deutschen Psychiater: &bdquo;80 Prozent k&ouml;nnen durch den Hausarzt behandelt werden.&ldquo;</p> <h2>Kassenobmann pl&auml;diert f&uuml;r hausarztbasiertes System</h2> <p>Anl&auml;sslich der Goldegger Dialoge gibt Andreas Huss, Obmann der Salzburger Gebietskrankenkasse (SGKK), ein f&uuml;r uns Allgemeinmediziner erfreuliches Statement ab. Die &bdquo;Salzburger Nachrichten&ldquo; berichteten dr&uuml;ber. Nur schweren Herzens verteidigt der Kassenobmann die freie Arztwahl. Die gro&szlig;e Wahlfreiheit f&uuml;hre zu Doppel- und Mehrfachbefunden, welche unser Gesundheitssystem finanziell enorm belasten: &bdquo;Wir sehen aus unseren Abrechnungen, dass es Patienten gibt, die in einem Quartal zu dem einen Internisten gehen, im n&auml;chsten Quartal zu einem anderen und im dritten Quartal zum dritten.&ldquo; Huss weiter w&ouml;rtlich: &bdquo;Aber es gibt niemanden, der den Patienten durch das System navigiert.&ldquo; Der Kassenobmann deklariert sich als Verfechter eines hausarztbasierten Systems: &bdquo;Der Hausarzt kennt die private und berufliche Situation, er wei&szlig;, wie viel Stress der Patient hat, er kennt die Vorbefunde.&ldquo; Sein Schlusssatz zu diesem Themenkomplex k&ouml;nnte sch&ouml;ner nicht sein: &bdquo;Der Hausarzt hat den ganzen Menschen im Blick.&ldquo; Damit ist es mit den erfreulichen Meldungen auch schon wieder vorbei.</p> <h2>Unkoordinierte Hausarzt- Wiederbelebung</h2> <p>Das Wetteifern der Bundesl&auml;nder um die angeblich wirksamste Methode zur Hausarzt-Wiederbelebung wird von einem &bdquo;Kant&ouml;nligeist&ldquo; sondergleichen beherrscht. Ginge es nicht um das traurige Thema Haus&auml;rztesterben, k&ouml;nnte &uuml;ber die teilweise st&uuml;mperhaften Rettungsversuche ein abendf&uuml;llendes Kabarettprogramm entstehen. Die selbst ernannten Retter aus dem Land oberhalb der Enns verdienen besondere Beachtung. Da gibt es zum Beispiel einen Kassensprecher, welcher die bundesweite Hausarztverknappung &uuml;berhaupt in Abrede stellt. In den &bdquo;Ober&ouml;sterreichischen Nachrichten&ldquo; darauf angesprochen, antwortet Mag. Harald Schmadlbauer, Kommunikationsleiter der Ober&ouml;sterreichischen Gebietskrankenkasse, unter anderem: &bdquo;Von einem Haus&auml;rztemangel kann in &Ouml;sterreich, meiner Meinung nach, sowieso keine Rede sein. Wir haben die h&ouml;chste &Auml;rztedichte nach Griechenland.&ldquo; Das lockere Vermischen von allgemeiner &Auml;rztedichte mit der Anzahl von Kassenpraktikern erinnert an das bewusste oder unbewusste Vermengen von &Auml;pfeln mit Birnen. Schmadlbauer muss wohl wissen, dass die Kassen-Allgemeinmediziner als klassische Haus&auml;rzte zu betrachten sind. Bundesweit gibt es von diesen nur mehr 3840. Die Gesamtzahl der in &Ouml;sterreich t&auml;tigen Mediziner hingegen hat bereits die Rekordmarke von 45 000 &uuml;berschritten. Damit liegt unsere Haus&auml;rzte-Quote bei nur mehr 8 % . Das ist ein absoluter Negativrekord.</p> <h2>Dr. Eckhart als Pionier der &Auml;rztevernetzung</h2> <p>Im sch&ouml;nen Ober&ouml;sterreich wird das Fest &bdquo;Hausarzt neu&ldquo; an st&auml;ndig wechselnden &Ouml;rtlichkeiten gefeiert. Zuerst in Enns und Marchtrenk, dann in Haslach an der M&uuml;hl und zuletzt in der Region Sierning- Neuzeug/Waldneukirchen. Dort startet das angeblich erste Prim&auml;rversorgungsnetzwerk (PVN) &Ouml;sterreichs. Die lokale Presse &uuml;berschl&auml;gt sich dazu in Jubelmeldungen. &bdquo;Pioniere in Sachen Gesundheit&ldquo; lautet die dicke Schlagzeile im &bdquo;Neuen Volksblatt&ldquo;. Im Beitrag hie&szlig; es unter anderem: &bdquo;Ober&ouml;sterreich wird immer mehr zum Pionierland in Sachen moderner Gesundheitsversorgung&ldquo;. W&auml;hrend im Osten des Bundesgebietes ein erst seit wenigen Monaten in Betrieb befindliches Prim&auml;rversorgungszentrum an internen Auseinandersetzungen zu scheitern droht, singen die Verantwortungstr&auml;ger oberhalb der Enns noch laut das Hohelied der Prim&auml;rversorgungseinheiten. Zur&uuml;ck zum &bdquo;Haus&auml;rzte-Dreieck&ldquo; in Sierning-Neuzeug/ Waldkirchen. Die ober&ouml;sterreichische Gesundheitslandesr&auml;tin, Christine Haberlander, lobt die Vernetzung der drei Ordinationen &uuml;ber den gr&uuml;nen Klee. Damit k&ouml;nnen Patienten, so ihre Feststellung, auch zu den Randzeiten versorgt werden. Solche Aussagen blenden die Vergangenheit komplett aus, denn Tatsache ist: Pionier in Sachen heimischer &Auml;rztevernetzung ist und bleibt der ehemalige Pr&auml;sident des N&Ouml;. Haus&auml;rzteverbandes, Dr. Christoph Eckhart, mit seinem &bdquo;Praxisnetzwerk M&ouml;dling&ldquo;. Eine schlagkr&auml;ftige Verbindung von Allgemeinmedizinern mit Fachkollegen sowohl im Kassen- als auch Wahlarztbereich. Die teilnehmenden Haus&auml;rzte sind von 7 bis 19 Uhr erreichbar. Man schreibt den J&auml;nner 2004. Die Vorteile dieser Vernetzung, unter anderem in Bezug auf die Vergabe von Akutterminen, missachten die Verantwortlichen. Das Pionierst&uuml;ck versandet und ger&auml;t in Vergessenheit.</p> <h2>Selbstberufung zum Gesundheitspolitiker</h2> <p>V&ouml;llig neu auf dem gesundheitspolitischen Parkett ist der B&uuml;rgermeister der Stadtgemeinde Ternitz, LAbg. Rupert Dworak. In seiner Funktion als Pr&auml;sident des nieder&ouml;sterreichischen Gemeindevertreterverbandes der SP&Ouml; fordert er die Anstellung von Land&auml;rzten bei einer Landesgesellschaft. Auf diese Weise, so die Ansicht Dworaks, k&ouml;nne der Mangel an besagten &Auml;rzten behoben werden. Der Vorsto&szlig; des SP-Politikers reiht sich in eine Unzahl von L&ouml;sungsvorschl&auml;gen ein. Alle angeblich den Hausarzt st&auml;rkenden Projekte der neun Bundesl&auml;nder hier im Detail aufzuz&auml;hlen w&uuml;rde den Rahmen dieser Ausf&uuml;hrungen sprengen. Der gesundheitspolitische Fleckerlteppich &Ouml;sterreichs geht nicht nur in dieser Problematik bereits ins Un&uuml;berschaubare. Den zahlreichen Landespolitikern, welche mit allerlei Vorschl&auml;gen kommen, sei ins Stammbuch geschrieben: Es ist alleinige Aufgabe der Sozialversicherungstr&auml;ger, f&uuml;r eine ausreichende Krankenbehandlung durch niedergelassene &Auml;rzte zu sorgen. Anderen Institutionen kommt diese Rolle laut Gesetz nicht zu. Auf den Ternitzer B&uuml;rgermeister heruntergebrochen: Dworak m&uuml;sste einen Autobus voll von betroffenen SP&Ouml;-B&uuml;rgermeistern in Richtung St. P&ouml;lten zur N&Ouml;. Gebietskrankenkasse (N&Ouml;GKK) steuern lassen, um dort dem N&Ouml;GKK-Obmann, seinem Parteifreund, die Leviten zu lesen. F&uuml;r den Niedergang der Kassen-Allgemeinmedizin tragen die Parteikollegen Dworaks in der N&Ouml;GKK Mitverantwortung. Die Zusicherung der Kassenfunktion&auml;re, man werde auch alle frei stehenden Landarztstellen mit fehlender Hausapothekenkonzession nachbesetzen, kann nicht eingehalten werden. Die restriktive Tarifgestaltung bei den Kassen-Allgemeinmedizinern zeigt jetzt ihre negative Wirkung. Mit Stichtag 10. Juni dieses Jahres sind in Nieder&ouml;sterreich 9 Hausarztplanstellen seit einiger Zeit unbesetzt.</p> <h2>Wien: Finanzspritze entbehrt rechtlicher Grundlage</h2> <p>In Wien hingegen wundern sich die Kassenpraktiker und die Vertrags&auml;rzte f&uuml;r Kinderheilkunde &uuml;ber eine Tarifanhebung um 30 % , dank der gro&szlig;en Finanzspritze vonseiten der Gemeinde Wien. Damit soll der Mangel an Haus- und Kinder&auml;rzten in der Bundeshauptstadt behoben werden. So erfreulich diese finanzielle Aufwertung auch sein mag, es fehlt die rechtliche Grundlage. Der besagte Geldfluss ist eine Kompetenz&uuml;berschreitung. Attraktive Honorare haben von der Kasse und nicht von der Stadt Wien zu kommen. &Auml;rztevertreter, die Geldfl&uuml;ssen aus den L&auml;nderkassen in Richtung Vertrags&auml;rzteschaft die Zustimmung geben, missachten eine Binsenweisheit: &bdquo;Wer zahlt, schafft an.&ldquo; Zur &bdquo;Zwangsjacke Kassenvertrag&ldquo; kommt jetzt noch das &bdquo;Joch der Landesf&uuml;rsten&ldquo;. Unfreiheit im Doppelpack! Ohne vorher gefragt zu werden, sind Kassen&auml;rzte damit Diener zweier Herren.</p></p>
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