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HNO-Kongress 2016

Indoor-Allergene – was gibt es Neues?

<p class="article-intro">Ganzjährige Allergien sind wichtige Asthmaauslöser, die Sensibilisierungsraten erreichen epidemische Ausmaße. Durch die Komplexität dieser Allergenquellen ergeben sich für den betreuenden Arzt vielfältige Herausforderungen sowohl im diagnostischen als auch im therapeutischen Bereich. Der Einsatz molekularer Allergologie ermöglicht uns einen differenzierten diagnostischen Einblick, den wir aber bis jetzt therapeutisch kaum verwerten können.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Key Points</h2> <ul> <li>Inhalative Allergenquellen sind wichtige Asthmaausl&ouml;ser.</li> <li>Die wichtigsten Innenraumallergenquellen sind Hausstaubmilben, Felltiere und Schimmelpilze.</li> <li>Schwere Asthmatiker haben ein breiteres Sensibilisierungsprofil und entwickeln h&ouml;here IgE-Spiegel.</li> <li>Diagnostische und therapeutische Extrakte werden aus derselben Rohstoffquelle hergestellt und unterscheiden sich oft erheblich in ihrer Zusammensetzung.</li> <li>Interessante Entwicklungen sind rekombinante Allergievakzine, die sich in unterschiedlichen Entwicklungsstadien befinden.</li> </ul> </div> <p>Inhalative Allergien wie Rhinitis allergica und Asthma bronchiale sind zu einem erheblichen Prozentsatz durch ganzj&auml;hrige Allergenquellen wie Milben, Felltiere und Schimmelsporen verur&shy;sacht. So verzeichnen wir in Europa Sensibilisierungsraten von &uuml;ber 30 % f&uuml;r Hausstaubmilben und rund 27 % f&uuml;r Felltiere,<sup>1</sup> weltweit erreichen die Zahlen in einzelnen Regionen sogar noch h&ouml;here Werte. In &Ouml;sterreich liegen ganzj&auml;hrige Sensibilisierungen hinter Gr&auml;ser- und Baumpollen an dritter Stelle. Im Gegensatz zu Pollenallergien, die prim&auml;r mit Heuschnupfen und ggf. sekund&auml;ren Nahrungsmittelallergien assoziiert sind, verursachen ganzj&auml;hrige Allergenquellen Asthma bronchiale und finden sich bevorzugt auch bei Patienten mit atopischer Dermatitis. <br />Die Entwicklung einer Sensibilisierung, also die Bildung allergenspezifischer IgE-Antik&ouml;rper, ist per se noch nicht gleichzusetzen mit einer klinisch manifesten Allergie. So konnte in einer gro&szlig;en multizentrischen, multinationalen Studie mit &uuml;ber 4.000 Kindern gezeigt werden, dass die nat&uuml;rliche Hausstaubmilbenexposition unabh&auml;ngig von der Allergenkonzentration durchaus zur Entwicklung von milbenspezifischen Antik&ouml;rpern, aber nicht zwangsl&auml;ufig zur Entwicklung von Asthma bronchiale f&uuml;hrt. Nicht einmal bei Hochrisikokindern, die die H&auml;lfte der untersuchten Population ausmachten, war ein Zusammenhang zwischen Allergenkonzentration, Sensibilisierung und Asthmaentwicklung erkennbar.<sup>2</sup></p> <h2>Hausstaubmilben</h2> <p>Milbenallergene werden intensiv beforscht, die wenigsten davon sind jedoch momentan als Testallergene nutzbar. F&uuml;r rund ein Dutzend der bekannten Milbenallergene haben wir Assays zur Verf&uuml;gung, die wir zumindest f&uuml;r Studienzwecke verwenden k&ouml;nnen. Mit den aktuell verf&uuml;gbaren Studiendaten ist klar erkennbar, dass f&uuml;r Patienten zumindest sechs dieser Allergene allergologisch relevant sein d&uuml;rften. In einer rezenten Studie aus Wien konnte gezeigt werden, dass unter 150 p&auml;diatrischen Patienten deutliche Unterschiede zwischen asthmatischen und nicht-asthmatischen Kindern bestanden: Die Asthmapatienten hatten ein deutlich breiteres Sensibilisierungsprofil, reagierten also auf erheblich mehr unterschiedliche Allergene als die Nichtasthmatiker und entwickelten auch deutlich h&ouml;here IgE-Spiegel.<sup>3</sup> <br />Zur Routinediagnostik stehen uns derzeit allerdings nur drei Allergene zur Verf&uuml;gung: die Hauptallergene der Gruppen 1 und 2 sowie ein Muskelprotein, welches kreuzreaktiv mit Shrimps ist und auf das etwa 10 % der Milbenallergiker sensibilisiert sind. Die zwei wichtigsten Hausstaubmilben Dermatophagoides pteronyssinus und Dermatophagoides farinae sind hochkreuzreaktiv, etwa 95 % aller Patienten haben Antik&ouml;rper auf beide Milbenspezies. Wichtig f&uuml;r eine erfolgreiche Immuntherapie ist allerdings, dass die Allergene, auf die ein Patient sensibilisiert ist, auch in ausreichender Menge im Impfpr&auml;parat enthalten sind. Zur Herstellung von Milbenextrakten werden unterschiedliche Rohstoffe verwendet, die sich in ihrer Zusammensetzung erheblich unterscheiden k&ouml;nnen:<sup>4</sup> Milbengesamtextrakte enthalten nicht nur das allergene Material der Milben, sondern auch das ihrer gesamten Exkremente, was zu einer quantitativen Dominanz von Gruppe-1-Allergenen f&uuml;hrt. In Extrakten gewaschener Milben, bei denen nur gereinigte Milbenk&ouml;rper extrahiert wurden, ist das Verh&auml;ltnis von Gruppe-1- und Gruppe-2-Allergenen meistens ausgewogen. Allerdings ist damit eine ausreichende Konzentration anderer relevanter Allergene f&uuml;r die Immuntherapie noch nicht gew&auml;hrleistet. Um dem zu begegnen, liegt ein Forschungsfokus derzeit auf der Entwicklung rekombinanter Impfstoffe, in denen die f&uuml;r die Patienten wichtigen Allergene in ausreichender Menge und gleichbleibender Qualit&auml;t enthalten sein sollen.</p> <h2>Felltiere</h2> <p>Felltierallergien stellen sich &auml;hnlich komplex dar: Felltierallergene speziell der Katze finden sich quasi ubiquit&auml;r, also auch im &ouml;ffentlichen Bereich, spezifische IgE-Antik&ouml;rper sind bereits im Kleinkindalter nachweisbar. Es konnte aber in der Vergangenheit zumindest f&uuml;r Hund und Rind zweifelsfrei bewiesen werden, dass regelm&auml;&szlig;iger Kontakt zur Entwicklung einer immunologischen Toleranz f&uuml;hrt. Felltiere besitzen ein sehr breites und in ihrer quantitativen Zusammensetzung stark schwankendes Allergenmuster. Etliche &auml;hnlich strukturierte Allergene finden sich in fast allen Felltieren, eine zumindest serologische Kreuzreaktivit&auml;t &auml;hnlicher Allergene konnte in einzelnen aktuellen Studien bereits gezeigt werden. Zwei kreuzreaktive Gruppen lassen sich hier herauskristallisieren: die der Serumalbumine, Minorallergene mit unterschiedlicher klinischer Relevanz, und die der Lipocaline.<sup>5</sup> Lipocaline sind h&auml;ufig Hauptallergene und prim&auml;re Allergieausl&ouml;ser, sind aber deshalb von besonderem Interesse, da sie mit Asthma bronchiale assoziiert werden. So zeigen besonders Kinder mit schwerem Asthma oft Sensibilisierungen gegen mehrere unterschiedliche Lipocaline.<sup>6</sup> Unklar war allerdings bisher, ob multiple Lipocalinsensibilisierungen ausschlie&szlig;lich als serologische Kreuzreaktivit&auml;ten zu bewerten sind oder ob hier auch eine klinische Bedeutung gegeben ist. In einer aktuellen klinischen Studie in Wien wurde diese Fragestellung beleuchtet. Unter anderem konnte eine Assoziation zwischen Lipocalinen von Katze und Pferd hergestellt werden, die auch klinisch relevant sein d&uuml;rfte: Wohl entwickelten die Patienten h&ouml;here spezifische IgE-Spiegel auf das Tier, mit dem sie regelm&auml;&szlig;ig Kontakt hatten, waren aber unabh&auml;ngig von einer Exposition auch klinisch reaktiv auf das kreuzreaktive Tier. Der hypoallergene Hund konnte mittlerweile &uuml;brigens in das Reich der M&auml;rchen verbannt werden: In einer niederl&auml;ndischen Studie wurde bewiesen, dass als hypoallergen beworbene Hunderassen wie Labradoodle oder Spanischer Wasserhund mitnichten weniger Allergene produzieren, sondern ganz im Gegenteil. Unter den untersuchten Hunderassen war der Labrador Retriever diejenige mit den niedrigsten Allergenkonzentrationen.<sup>7</sup> In der Entwicklung neuer Vakzine zur Immuntherapie gibt es unterschiedliche Herangehensweisen. Auch hier spielen rekombinante Allergene eine wesentliche Rolle, hinzu kommen aber noch verschiedene Applikationsformen. Unter anderem beforscht wird die intralymphatische Applikation, die sich als sehr vielversprechend darstellt. So induziert ein Bruchteil der &uuml;blicherweise subkutan applizierten Allergenmenge eine vergleichbare Immun&shy;antwort, ohne aber nennenswerte unerw&uuml;nschte Wirkungen nach sich zu ziehen.<sup>8</sup> Weiters scheint eine vergleichsweise geringe Anzahl an Applikationen genauso nachhaltig zu wirken wie die regelm&auml;&szlig;ige subkutane Gabe. Bleibt zu hoffen, dass Entwicklungen wie diese den Markt auch erreichen.</p> <h2>Schimmelpilze</h2> <p>Schimmelsporenallergien sind weit seltener mit Sensibilisierungsraten im einstelligen Bereich und geh&ouml;ren zu den sekund&auml;ren Allergien im Gegensatz zu prim&auml;ren Allergien wie gegen Birke oder Milbe, sind nichtsdestotrotz aber potente Asthmaausl&ouml;ser. Der betreuende Arzt steht vor nicht zu untersch&auml;tzenden Problemen sowohl im diagnostischen als auch im therapeutischen Bereich. In der F&uuml;lle verschiedener Spezies sind nur wenige als allergologisch relevant definiert: In unseren Breiten finden wir <em>Alternaria spp.</em> und sehr viel seltener noch <em>Aspergillus spp.</em> als Verursacher von Asthma bronchiale, vor allem im angloamerikanischen Raum wird hier noch <em>Penicillium spp.</em> in Assoziation mit Asthma bei Kindern genannt. <em>Cladosporium herbarum</em> wird gelegentlich positiv getestet, verursacht aber kaum je mehr als eine allergische Rhinopathie. Ein deutlicher Zusammenhang scheint mit der Umgebungsexposition zu bestehen. Hier gilt die Faustregel, die sich wie ein roter Faden durch die Literatur zieht: Wenn ich es rieche, ist es relevant! Schimmelpilzsporenproben sind eigentlich immer positiv, ohne aber f&uuml;r eine klinische Symptomatik verantwortlich zu sein. Erst in Konzentrationen, die hoch genug sind, um einen modrigen Geruch zu erzeugen, werden sie klinisch bedeutsam.<sup>9</sup> Die diagnostischen und therapeutischen Probleme ergeben sich aus der Heterogenit&auml;t des biologischen Materials. So ist es nahezu unm&ouml;glich, Test- und Therapieextrakte gleichbleibender Qualit&auml;t zu erzeugen. Hinzu kommt die ausgepr&auml;gte Kreuzreaktivit&auml;t zwischen den verschiedenen Spezies. Dies ist einer der Gr&uuml;nde, warum inzwischen mehr als die H&auml;lfte aller Diagnostika zur Haut- und Provokationstes&shy;tung vom Markt verschwunden ist. Hilfreich ist hier lediglich der pr&auml;diktive Wert hochpositiver Testergebnisse: Ein spezifischer IgE-Spiegel &uuml;ber 17,4kU/l (entspricht CAP-Klasse 4) sagt mit 99 % iger Wahrscheinlichkeit eine klinische Reaktivit&auml;t voraus; die Testsensitivit&auml;t des Hauptallergens aus Alternaria Alt a 1 wird mit 80 % angegeben. Die therapeutischen Optionen sind &uuml;berschaubar: Als Erstma&szlig;nahme ist auch weiterhin die sensibilisierende Schimmelquelle zu eruieren und zu sanieren. Leider sind kaum noch extraktbasierte Immuntherapeutika auf dem Markt verf&uuml;gbar, mit denen man Schimmelpilzasthmatiker versorgen k&ouml;nnte; komponentenbasierte Vakzindesigns stecken noch in experimentellen Stadien. Somit ergibt sich aktuell keine befriedigende Zukunftsperspektive.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Heinzerling LM et al: GA(2)LEN skin test study I: GA(2)LEN harmonization of skin prick testing: novel sensitization patterns for inhalant allergens in Europe. Allergy 2009; 64(10): 1498-506 <strong>2</strong> Casas L et al: Early-life house dust mite allergens, childhood mite sensitization, and respiratory outcomes. Allergy 2015; 70: 820-7 <strong>3</strong> Resch Y et al: Different IgE recognition of mite allergen components in asthmatic and nonasthmatic children. J Allergy Clin Immunol 2015; 136(4): 1083-91 <strong>4</strong> Casset A et al: Varying allergen composition and content affects the in vivo allergenic activity of commercial dermatophagoides pteronyssinus extracts. Int Arch Allergy Immunol 2012; 159: 253-62 <strong>5</strong> Konradsen JR et al: Allergy to furry animals: new insights, diagnostic approaches, and challenges. J Allergy Clin Immunol 2014: 135(3): 616-25 <strong>6</strong> Konradsen JR et al: Severe childhood asthma and allergy to furry animals: refined assessment using molecular-based allergy diagnostics. Pediatr Allergy Immunol 2014; 25: 187-92 <strong>7</strong> Vredegoor DW et al: Can f 1 levels in hair and homes of different dog breeds: lack of evidence to describe any dog breed as hypoallergenic. J Allergy Clin Immunol 2012; 130: 904-9 <strong>8</strong> Senti G et al: Intralymphatic immunotherapy for cat allergy induces tolerance after only 3 injections. J Allergy Clin Immunol 2012; 129: 1290-6 <strong>9</strong> Sharpe RA et al: Indoor fungal diversity and asthma: a meta-analysis and systematic review of risk factors. J Allergy Clin Immunol 2015; 135(1): 110-22</p> </div> </p>
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