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Jahreskongress der SGG/SSG 2019

IBD: Wegweiser durch eine erweiterte Therapielandschaft

<p class="article-intro">Die Zahl der Therapieoptionen für chronisch-entzündliche Darmkrankheiten (IBD) hat in den vergangenen Jahren zugenommen. Für den klinisch tätigen Arzt stellt sich die Frage, welche Therapie für welchen Patienten die beste ist. Einen Überblick über das Thema und eine Anleitung, wie für jeden Patienten die richtige Therapie gefunden werden kann, bot ein Vortragsblock am Jahreskongress der Schweizerischen Gesellschaft für Gastroenterologie (SGG/SSG) in Interlaken.</p> <hr /> <p class="article-content"><h2>Die richtige Therapiewahl treffen</h2> <p>Wie man den Weg zur richtigen Therapie f&uuml;r jeden Patienten findet, erl&auml;uterte Prof. Dr. med. Britta Siegmund, Berlin, in ihrem Vortrag. Anhand eines Therapiealgorithmus (Abb. 1) zeigte sie die verschiedenen Optionen auf. F&uuml;r die Wahl der Substanzklasse sind die Krankheitsaktivit&auml;t und -ausdehnung, extraintestinale Manifestationen und Nebenwirkungen entscheidend (Tab. 1).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Innere_1905_Weblinks_lo_innere_1905_s34_abb1.jpg" alt="" width="550" height="322" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Innere_1905_Weblinks_lo_innere_1905_s34_tab1.jpg" alt="" width="550" height="289" /></p> <p><strong>TNF-Antik&ouml;rper</strong><br /> Wenn man bei einem schweren Krankheitsverlauf des MC ein schnelles Ansprechen w&uuml;nscht, sind TNF-Antik&ouml;rper Mittel der Wahl, wie eine Studie mit MC-Patienten zeigte, die an starken Bauchschmerzen litten. Die Schmerzaktivit&auml;t wurde mittels funktioneller MRT (fMRT) des Gehirns ermittelt. Nach der Gabe des TNF-Antik&ouml;rpers Infliximab reduzierte sich diese Aktivit&auml;t bereits innerhalb eines Tages deutlich.<sup>1</sup> Das Ansprechen ist nicht nur rasch, sondern auch anhaltend. In der CHARM-Studie mit Adalimumab waren bis zu 41 % der MC-Patienten in den beiden Adalimumabgruppen zu Woche 56 noch immer in Remission (vs. Placebo 12 % , p&lt;0,001), fast 30 % von ihnen ben&ouml;tigten keine Steroide.<sup>2</sup> Weitere Indikationen f&uuml;r TNF-Antik&ouml;rper sind Fisteln, die bei MC h&auml;ufig auftreten.<sup>3</sup> Auch bei CU erzielen TNF-Antik&ouml;rper klinische Ansprechraten von mehr als 60 % und klinische Remissionsraten von &uuml;ber 30 % zu Woche 8.<sup>4</sup> Nachteil der Substanzen ist, dass sie das Infektionsrisiko erh&ouml;hen, was besonders bei &auml;lteren Patienten und solchen mit Komorbidit&auml;ten zu ber&uuml;cksichtigen ist.<sup>5</sup></p> <p><strong>IL-12/23-Antik&ouml;rper</strong><br /> Der IL-12/23-Antik&ouml;rper Ustekinumab zielt auf die p40-Untereinheit von IL-12 und -23. In der UNITI-Studie mit MC-Patienten mit moderater bis starker Krankheitsaktivit&auml;t konnte der Wirkstoff bereits zu Woche 8 Ansprechraten von bis zu 57,9 % erzeugen. In der Erhaltungsphase erzielte das intensivere Regime (90 mg alle 8 Wochen) zu Woche 44 eine Ansprechrate von 59,4 % , in Remission waren 53,1 % und in steroidfreier Remission 46,9 % der Patienten. Selbst das weniger intensive Regime (90 mg alle 12 Wochen) erreichte hohe Raten f&uuml;r das klinische Ansprechen (58,1 % ), die Remission (48,8 % ) und die steroidfreie Remission (42,6 % ). In der Placebogruppe waren es dagegen nur 44,3 % , 35,9 % und 29,3 % . Die Therapie wurde dabei gut vertragen, die Nebenwirkungsraten waren in den Ustekinumabgruppen und der Placebogruppe nahezu gleich. H&auml;ufigste Nebenwirkungen in allen Gruppen waren Infektionen.<sup>6</sup><br /> Der IL-12/23-Antik&ouml;rper ist f&uuml;r alle Patienten geeignet, bei denen ein schnelles Ansprechen gew&uuml;nscht ist und die extraintestinale Manifestationen aufweisen. Besonders hob Siegmund die Wirkung bei Psoriasis hervor. Bei Wirbels&auml;ulenbeteiligung, etwa einer Spondyloarthritis, ist Ustekinumab jedoch nicht wirksam. Aufgrund der guten Vertr&auml;glichkeit ist Ustekinumab auch f&uuml;r &auml;ltere Patienten und bei Komorbidit&auml;ten geeignet, erkl&auml;rte Siegmund.</p> <h2>Anti-Integrin-Antik&ouml;rper bei CU und MC</h2> <p>Prof. Dr. med. Frank Seibold, Bern, ging in seinem Vortrag auf die Rolle von Vedolizumab ausserhalb von klinischen Studien in der IBD-Therapie ein. Vedolizumab ist ein monoklonaler Anti-Integrin-Antik&ouml;rper, der gegen &alpha;4&beta;7-Integrin auf den Lymphozyten gerichtet ist. Integrine steuern &uuml;ber die Bindung an das endotheliale &laquo;mucosal addressin cell adhesion molecule 1&raquo; (MAdCAM-1) das Einwandern aktivierter T-Lymphozyten aus dem Blut in die Darmwand. Vedolizumab blockiert diesen Vorgang.<sup>7</sup><br /> Seibold stellte eine Studie der Swiss IBD Cohort Study (SIBDC) vor, die untersuchte, ob sich eine Vorbehandlung mit einem TNF- &alpha;-Blocker auf die Remissionsraten von Patienten mit Colitis ulcerosa (CU) oder Morbus Crohn (MC) unter Vedolizumab auswirkt. Als Remission wurde ein f&auml;kaler Calprotectinwert von &lt;200 mg/kg und/oder eine endoskopisch nachgewiesene Heilung (CU: Mayo-Score 0, MC: SES-MC &lt;3) definiert. Insgesamt nahmen 247 Patienten teil, 129 mit MC und 118 mit CU. Rund 57 % der Patienten waren mit TNF-&alpha;-Blockern vorbehandelt. Dies hatte keine Auswirkung auf die Remissionsraten der MC-Patienten, wohl aber auf die der CU-Patienten. Bei der ersten Kontrolle (Monate 4&ndash;8) waren 32,6 % der vorbehandelten und 60,4 % der nicht vorbehandelten CU-Patienten in Remission (p = 0,01). Bei den MC-Patienten waren 45,2 % der vorbehandelten und 48,7 % der nicht vorbehandelten Patienten in Remission. Bei der zweiten Kontrolle (Monate 12&ndash;16) waren 34,7 % resp. 57,7 % (p = 0,02) der CU-Patienten und 45,9 % bzw. 48,7 % der MC-Patienten in Remission. Die Therapie wurde gut vertragen, schwere Nebenwirkungen traten nicht auf. Haupts&auml;chlich wurden Arthritis (13,9 % ) und Infektionen der oberen Atemwege (11 % ) beobachtet. Ein Faktor f&uuml;r ein besseres Ansprechen war eine k&uuml;rzere Krankheitsdauer.<sup>8</sup></p> <h2>Januskinase-Inhibitoren bei CU</h2> <p>Prof. Dr. med. Pierre Michetti, Lausanne, befasste sich mit den Vorteilen und Risiken von Januskinase(JAK)-Inhibitoren bei CU-Patienten. JAK-Inhibitoren sind eine relativ neue Substanzklasse der Tyrosinkinase- Inhibitoren. Sie hemmen verschiedene JAK, die eine wesentliche Rolle bei Entz&uuml;ndungsprozessen und spezifischen Immunreaktionen spielen. So hemmt beispielsweise Tofacitinib, das im September in der Schweiz f&uuml;r die Behandlung der CU, der rheumatoiden Arthritis und der Psoriasisarthritis zugelassen wurde, JAK 1 und 3. Es wird oral verabreicht und rasch absorbiert sowie eliminiert (Halbwertszeit 3 Stunden). Da es zu 70 % &uuml;ber die Leber ausgeschieden wird, m&uuml;ssen die Leberwerte regelm&auml;ssig &uuml;berpr&uuml;ft werden.<sup>9</sup></p> <p>In der Phase-III-Studie OCTAVE wurde Tofacitinib gegen Placebo getestet und erzielte sowohl nach der Induktionsphase zu Woche 8 als auch in der Erhaltungsphase zu Woche 52 h&ouml;here Remissionsraten als Placebo. In einer Dosierung von 10 mg erreichte Tofacitinib zu Woche 52 eine Remissionsrate von 40,6 % (vs. Placebo 11,1 % ; p&lt;0,001). Insgesamt waren die Raten an Infektionen, schweren Infektionen und Herpes-zoster-Infektionen unter Tofacitinib h&ouml;her als unter Placebo. Zudem wurden erh&ouml;hte Cholesterin- und Triglyzeridwerte beobachtet.<sup>10</sup> Aufgrund des vermehrten Auftretens von Thrombosen in einer noch andauernden Studie wurde von der FDA und der EMA ein Warnhinweis f&uuml;r Tofacitinib 10 mg herausgegeben. Die FDA r&auml;t zur Erhaltungstherapie mit einer Dosis von 5 mg. Die EMA gibt als Kontraindikation ein erh&ouml;htes Thromboserisiko an.<sup>11, 12</sup></p> <h2>Fisteltherapie mit Stammzellen</h2> <p>Bei mehr als einem Viertel der MC-Patienten bilden sich perianale Fisteln, die stets mit einer hohen Morbidit&auml;t einhergehen. Die Lebensqualit&auml;t der Betroffenen ist durch Schmerzen, wiederkehrende perianale Infektionen, st&auml;ndige Drainagen und h&auml;ufige Arztbesuche erheblich eingeschr&auml;nkt. Die Fisteln sind mit den verf&uuml;gbaren Medikamenten und Operationen schwierig zu behandeln &ndash; etwa 37 % der Betroffenen sind therapierefrakt&auml;r, weshalb die Patienten zahlreiche immunsuppressive Therapien mit allen bekannten Nebenwirkungen durchlaufen. Mehr als 90 % m&uuml;ssen sich mehrmals chirurgischen Eingriffen unterziehen, mit dem Risiko, eine Stuhlinkontinenz zu erleiden.<sup>13</sup></p> <p>Prof. Dr. med. Matthias Turina, Z&uuml;rich, zeigte in seinem Vortrag eine Alternative auf: die Therapie mit mesenchymalen Stammzellen. Mit Darvadstrocel ist inzwischen ein entsprechendes Pr&auml;parat f&uuml;r die Behandlung komplexer analer Fisteln zugelassen. Dabei handelt es sich um expandierte, humane, allogene, mesenchymale, adulte Stammzellen, die aus Fettgewebe (&laquo;expanded adipose stem cells&raquo;, eASC) gewonnen wurden.<sup>14</sup> Sie werden nach chirurgischer Aufbereitung der Fistel injiziert.<br /> Turina berichtete &uuml;ber die Erfahrungen, die er und sein Team an der Klinik f&uuml;r Viszeral- und Transplantationschirurgie am Universit&auml;tsspital Z&uuml;rich mit Darvadstrocel gemacht haben. Bisher wurden sieben Patienten, sechs M&auml;nner und eine Frau, im Alter von 25 bis 82 Jahren behandelt. Drei der Patienten hatten zwei, einer sogar drei Fisteln. Bei vier Patienten kam es zur vollst&auml;ndigen Heilung innerhalb einer Nachbeobachtungszeit von 7 bis 15 Wochen. Bei zwei Patienten wurde das Abheilen durch Komplikationen (Abszessbildung, CMV-Infektion) verhindert und bei einem weiteren Patienten war die Zeit seit der Stammzellinjektion mit vier Wochen noch zu kurz, um eine abschliessende Beurteilung abzugeben. Turina zog das Fazit, dass die Therapie erste vielversprechende Resultate geliefert habe, sich aber noch in gr&ouml;sseren Studien beweisen m&uuml;sse.</p></p> <p class="article-quelle">Quelle: Jahreskongress der Schweizerischen Gesellschaft für Gastroenterologie (SGG/SSG), 12.–13. September 2019, Interlaken </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Hess A et al.: Functional brain imaging reveals rapid blockade of abdominal pain response upon anti-TNF therapy in Crohn&rsquo;s disease. Gastroenterology 2015; 149: 864-6 <strong>2</strong> Colombel JF et al.: Adalimumab for maintenance of clinical response and remission in patients with Crohn&rsquo;s disease: the CHARM trial. Gastroenterology 2007; 132: 52- 65 <strong>3</strong> Present DH et al.: Infliximab for the treatment of fistulas in patients with Crohn&rsquo;s disease. N Engl J Med 1999; 340: 1398-405 <strong>4</strong> Rutgeerts P et al.: Infliximab for induction and maintenance therapy for ulcerative colitis. N Engl J Med 2005; 353: 2462-76 <strong>5</strong> Lichtenstein GR et al.: Serious infection and mortality in patients with Crohn&rsquo;s disease: more than 5 years of follow-up in the TREAT&trade; registry. Am J Gastroenterol 2012; 107: 1409-22 <strong>6</strong> Feagan BG et al.: Ustekinumab as induction and maintenance therapy for Crohn&rsquo;s disease. N Engl J Med 2016; 375: 1946-60 <strong>7</strong> Fachinformation Entyvio, Stand 11/2018 <strong>8</strong> Biedermann L et al.: P662. Poster presentations: Clinical: Therapy and observation. 14. ECCO-Kongress, 6.&ndash;9. M&auml;rz 2019, Kopenhagen, D&auml;nemark <strong>9</strong> Fachinformation Xeljanz, Stand 6/2019 <strong>10</strong> Sandborn WJ et al.: Tofacitinib as induction and maintenance therapy for ulcerative colitis. N Engl J Med 2017; 376: 1723-36 <strong>11</strong> FDA Drug Safety Communication vom 25. Februar 2019 (www.fda.gov/drugs/drug-safety-and-availability/ safety-trial-finds-risk-blood-clots-lungs-anddeath- higher-dose-tofacitinib-xeljanz-xeljanz-xr), Update vom 26. Juli 2019 (www.fda.gov/drugs/drug-safety-andavailability/ fda-approves-boxed-warning-about-increased- risk-blood-clots-and-death-higher-dose-arthritisand); aufgerufen: 8. Oktober 2019 <strong>12</strong> EMA-Mitteilung: EMA/267216/2019 vom 17. Mai 2019 (www.ema.europa.eu/ documents/press-release/restrictions-use-xeljanz-whileema- reviews-risk-blood-clots-lungs_en.pdf); aufgerufen: 8. Oktober 2019 <strong>13</strong> Carvello M et al.: Mesenchymal stem cells for perianal Crohn&rsquo;s disease. Cells 2019; 8. pii: E764 <strong>14</strong> Scott LJ: Darvadstrocel: a review in treatment-refractory complex perianal fistulas in Crohn&rsquo;s disease. BioDrugs 2018; 32: 627-34</p> </div> </p>
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