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Hat die orale hormonelle Kontrazeption ausgedient?
Leading Opinions
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28.02.2019
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<p class="article-intro">Welchen Stellenwert hat die Pille in der Verhütung bei jungen Frauen? Durch welche Faktoren wird die Wahl der Operationsmethode bei der Hysterektomie beeinfl usst und wie erkennt man das PCOS ausserhalb der reproduktiven Phase? Diese und viele andere Fragen wurden am 21. Kongress für praktische Gynäkologie und Geburtshilfe in Näfels diskutiert.</p>
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<p class="article-content"><p>Die Zahlen der letzten Verhütungsumfrage fehlen zwar noch. «Eigene Erfahrungen zeigen aber, dass immer weniger junge Frauen mit der Pille verhüten möchten», sagte Dr. med. Christina Schlatter, Zürich, zu Beginn ihres Vortrages am Kongress für praktische Gynäkologie und Geburtshilfe in Näfels. Dazu beigetragen haben dürfte die intensive mediale Berichterstattung über den Fall der 16-jährigen Céline und das erhöhte Risiko venöser Thromboembolien (VTE) unter der hormonellen Kontrazeption.<br />Die Inzidenz von VTE hängt von der genetischen Prädisposition und den Risikofaktoren einer Frau ab. «Als Faustregel gilt, dass die Einnahme kombinierter hormoneller Kontrazeptiva (CHC) das VTERisiko im Durchschnitt um das Zweifache erhöht», sagte Christina Schlatter.<br />Die Ergebnisse einer grossen prospektiven dänischen Kohortenstudie bestätigte nun auch den Verdacht eines erhöhten Brustkrebsrisikos unter hormoneller Kontrazeption. Wie die Daten zeigten, war das relative Risiko bei Frauen, die aktuell oder kürzlich ein CHC eingenommen hatten, um ein Fünftel höher und unterschied sich nach 10 Jahren signifikant von den Frauen, die keine hormonellen Kontrazeptiva einsetzten (RR 1,38; p=0,002).<sup>1</sup> Eine leichte Zunahme wurde auch bei den Zervixkarzinomen verzeichnet, die Risiken für ein Kolon-, Endometrium- oder Ovarialkarzinom wurden dagegen durch die Einnahme von CHC reduziert.<sup>2<br /></sup>Eine weitere unerwünschte Wirkung, die infolge einer hormonellen Kontrazeption auftreten kann, sind Depressionen. Verglichen mit Frauen, die kein hormonelles Kontrazeptivum einsetzten, konnte bei den Anwenderinnen bereits nach 6 Monaten eine vermehrte Einnahme von oralen Antidepressiva beobachtet werden (RR 1,4).<sup>3</sup> Das Risiko für eine Depression war gemäss der Studie in der Adoleszenz am höchsten und nahm mit dem Alter ab. «Leider ist die Hormonspirale in verschiedener Hinsicht keine Alternative», sagte Dr. Schlatter und verwies auf das ebenfalls erhöhte Risiko für ein Mammakarzinom. Was die Depression anbelangt, war das Risiko bei einer hormonellen Kontrazeption mit Patch und Ring sogar noch höher als unter oraler Kontrazeption.<br />«Die Pille ist trotz des garstigen Windes, der ihr entgegenweht, für junge unerfahrene Frauen mit einem niedrigen Risiko zum Einstieg ein sehr gutes Verhütungsmittel », sagte die Gynäkologin. Die Skepsis der jungen Frauen gegenüber hormonellen Kontrazeptiva sei in der Regel auch nicht auf wissenschaftliche Daten zurückzuführen, sondern werde oft durch die Meinung in sozialen Netzwerken beeinflusst. Bei allem Respekt für den Wunsch nach Selbstbestimmung dürfe die Verantwortung bei der Verhütung nicht verloren gehen. Dass es damit nicht immer um das Beste bestellt ist, zeigt sich daran, dass die Notfallkontrazeption wichtiger ist denn je. Auch die Männer stehen in der Pflicht: «Bei Verzicht auf übrige Verhütungsmittel, ist ein konsequenter Kondomeinsatz angezeigt», sagte Dr. Schlatter.</p> <h2>Hysterektomie: welche Methode für welche Indikationen?</h2> <p>Verglichen mit anderen Anwendungsgebieten, beispielsweise der Cholezystektomie oder der bariatrischen Chirurgie, nimmt der Anteil laparoskopisch durchgeführter Hysterektomien (LH) in der Schweiz nur langsam zu. Im Jahr 2015 wurden 55 % der Hysterektomien abdominal (AH) entfernt. «Heute wird in den meisten Frauenkliniken entweder die vaginale oder die laparoskopische Vorgehensweise bevorzugt», sagte Dr. med. Peter M. Fehr vom Kantonsspital Graubünden, Chur.<br />Wegweisend für die Wahl der Operationsmethode ist die Indikation: Bei benignen Uteruserkrankungen empfehlen die Leitlinien bevorzugt die vaginale Hysterektomie (VH) oder LH, bei malignen Erkrankungen die AH. Die Indikationen für eine Hysterektomie (HE) sind bei 85 % benigne Erkrankungen und in den übrigen Fällen prämaligne und maligne Erkrankungen.<br />An erster Stelle der benignen Erkrankungen steht mit 30 % der Uterus myomatosus. Eine seltene und klinisch durch keine Methode gut voraussagbare Differenzialdiagnose des Uterus myomatosus ist das Sarkom. Besteht aufgrund von Faktoren wie u.a. dem Alter, einer postmenopausalen vaginalen Blutung und dem Nachweis eines solitären Fibroids (>8cm) mit exzessiver Vaskularisation der Verdacht auf ein Sarkom, kann die Anwendung eines Algorithmus die Wahl des therapeutischen Vorgehens inkl. der Operationsmethode unterstützen (Abb. 1).<sup>4 </sup>Mit einem Anteil von 20 % steht die Genitalsenkung an zweiter Stelle der benignen Indikationen für eine HE. Das operative Vorgehen wird u.a. beeinflusst durch den Wunsch und die sexuelle Aktivität der Patientin sowie die betroffenen Kompartimente. «Bei jüngeren, sexuell aktiven Frauen wird das laparoskopische Vorgehen mit suprazervikaler Hysterektomie und Kolpozervikosakropexie bevorzugt, während man bei älteren, inaktiven Frauen eher das vaginale Vorgehen wählt», sagte Peter Fehr.<br /> Was die HE bei Karzinomen betrifft, ist gemäss den S3-Leitlinien bei einem Endometriumkarzinom (Frühstadien und Typ 1) eine LH möglich, bei höheren Stadien und Typ 2 sollte bevorzugt eine AH durchgeführt werden.<sup>5</sup> Die empfohlene Operationsmethode bei Zervixkarzinomen ist die AH, alternativ kann aber auch eine LH durchgeführt werden.<sup>6</sup> Letztere Empfehlung könnte sich durch die Resultate der LACC-Studie, die am Annual Congress on Women’s Health der Society of Gynecologic Oncology vorgestellt und im NEJM publiziert wurden, ändern. Diese hatten gezeigt, dass die radikale AH der radikalen LH in Bezug auf das krankheitsfreie Überleben, das progressionsfreie Überleben und das Gesamtüberleben signifikant überlegen war<sup>.7<br /></sup>Die Methode der Wahl zur Entfernung des Ovarialkarzinoms ist die AH. Eine LH sollte nur innerhalb von Studien durchgeführt werden.<sup>8</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Gyn_1901_Weblinks_a1-abb1.jpg" alt="" width="649" height="459" /></p> <h2>Das PCOS in den verschiedenen Lebensphasen der Frau</h2> <p>Für die Diagnose des polyzystischen Ovarialsyndroms (PCOS) bei Frauen in der reproduktiven Lebensphase werden in der Schweiz üblicherweise die Rotterdam- Kriterien herangezogen (Tab. 1).<sup>9, 10</sup> Bei jungen Frauen in der Adoleszenz wird das PCOS definiert als «anders nicht erklärbare Kombination aus einem abnormalen Zyklusprofil plus einem klinischen oder biochemischen Hyperandrogenismus».<sup>11</sup> Die klinischen Zeichen für einen Hyperandrogenismus sind ein moderater oder schwerer Hirsutismus und eine inflammatorische Akne mit eitrigen Pusteln, Papeln und Narbenbildung. Im Labor der Adoleszentinnen finden sich kurz nach der Menarche vergleichbar hohe Gesamt- Testosteronwerte wie bei erwachsenen Frauen.<sup>12</sup></p> <p><sup><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Gyn_1901_Weblinks_a1-abb2.jpg" alt="" width="629" height="237" /><br /></sup>Leichte bis moderate Blutungsstörungen in der Adoleszenz sind nicht ungewöhnlich. «Der Zeitraum, bis die Hypothalamus- Hypophyse-Ovar-Achse ausreift und sich der Zyklus stabilisiert, hängt vom Zeitpunkt der Menarche ab», erklärte Prof. Dr. med. Petra Stute vom Universitätsspital Bern. Damit in der Adoleszenz die Diagnose eines PCOS gestellt werden kann, müssen die Zyklusstörungen über einen Zeitraum von ein bis zwei Jahren bestehen. Bei älteren Patientinnen mit Kinderwunsch sollte daran gedacht werden, dass die Abortrate und das Risiko für Schwangerschaftskomplikationen wie einen Gestationsdiabetes, eine Präklampsie und eine Frühgeburtlichkeit erhöht sind.<br />Erstaunlich wenig Informationen existieren zum Management eines PCOS in der Postmenopause. «Spezifische Kriterien für die Diagnose eines PCOS in diesem Lebensabschnitt gibt es nicht und die Rotterdam- Kriterien sind wegen der atrophischen Ovarien nicht anwendbar», sagte die Spezialistin. Hinweise auf ein mögliches PCOS der reproduktiven Phase ergibt die Anamnese. Die positive Nachricht für die Frauen ist, dass sich der Zyklus im Alter zwischen 40 und 50 Jahren infolge der abnehmenden antralen Follikelzahl und des niedrigeren AMH i. S. und Testosterons i. S. zunehmend normalisiert. Zudem haben Frauen mit einem PCOS zwar einen stärkeren Hirsutismus, aber weniger menopausale Beschwerden. Unklar ist, ob das PCOS einen Einfluss auf den Beginn der Menopause hat. Es gibt Hinweise, dass der Zeitpunkt für circa zwei Jahre nach hinten verschoben wird. Da alle Frauen mit PCOS ein erhöhtes Risiko für Krankheiten wie beispielsweise Adipositas, Diabetes mellitus, kardiovaskuläre und psychische Erkrankungen und ein Endometriumkarzinom haben, sind regelmässige ärztliche Kontrollen indiziert.</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: 21. Kongress für praktische Gynäkologie und Geburtshilfe,
8.–9. November 2018, Näfels
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Mørch LS et al.: Contemporary hormonal contraception and the risk of breast cancer. N Engl J Med 2017; 377(23): 2228-2239 <strong>2</strong> Hannaford PC et al.: Cancer risk among users of oral contraceptives: cohort data from the Royal College of General Practitioner’s oral contraception study. BMJ 2007; 335(7621): 651 <strong>3</strong> Skovlund CW et al.: Association of hormonal contraception with depression. JAMA Psychiatry 2016; 73(11): 1154-1162 <strong>4</strong> Brölmann H et al.: Options on fibroid morcellation: a literature review. Gynecol Surg 2015; 12(1): 3-15 <strong>5</strong> S3-Leitlinie Diagnostik, Therapie und Nachsorge der Patientinnen mit Endometriumkarzinom. Version 1.0 – April 2018, AWMF-Registernummer: 032/034-OL <strong>6</strong> S3-Leitlinie Diagnostik, Therapie und Nachsorge der Patientin mit Zervixkarzinom. Version 1.0 – September 2014, AWMF-Registernummer: 032/ 033OL <strong>7</strong> Ramirez PT et al.: Minimally invasive versus abdominal radical hysterectomy for cervical cancer. N Engl J Med 2018; 379(20): 1895-1904 <strong>8</strong> S3-Leitlinie Diagnostik, Therapie und Nachsorge maligner Ovarialtumoren. Version 2.1 – November 2017, AWMF-Registernummer: 032/035OL <strong>9</strong> Rotterdam ESHRE/ASRM-Sponsored PCOS Consensus Workshop Group: Revised 2003 consensus on diagnostic criteria and long-term health risks related to polycystic ovary syndrome. Fertil Steril 2004; 81(1): 19-25 <strong>10</strong> Teede HJ et al.: Recommendations from the international evidence-based guideline for the assessment and management of polycystic ovary syndrome. Fertil Steril 2018; 110(3): 364-379<strong> 11</strong> Witchel S et al.: The diagnosis of polycystic ovarian syndrome during adolescence. Horm Res Pediatr 2015; 83(6): 376-389 <strong>12</strong> Rosenfield RL: Clinical review: adolescent anovulation: maturational mechanisms and implications. J Clin Endocrinol Metab 2013; 98(9): 3572-83</p>
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