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Haben Sie sich auch das Locky-Virus eingefangen?
DAM
Autor:
Dr. Christian Euler
Präsident des ÖHV<br> E-Mail: ch.euler@a1business.at
30
Min. Lesezeit
17.11.2016
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<p class="article-intro">Falls es Sie tröstet: Sie sind in guter Gesellschaft. Bei mehreren Tausend Betroffenen ist mein Fall sicher nur ein Beispiel unter vielen, der aber plakativ unsere Abhängigkeit von der Technik veranschaulicht. </p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Bis zum 5. Juli dieses Jahres war mir das „Locky-Virus“ unbekannt. Dann aber sollte ich es kennenlernen. Ich bearbeitete gerade meine Tagesliste, als völlig unerwartet eine mir nichts sagende Fehlermeldung am Bildschirm erschien. Ich wechselte den Arbeitsplatz und traf auch auf dem nächsten Bildschirm die gleich lautende Nachricht an. Zunächst noch sehr gelassen schloss ich alle Programme und startete das System neu. Es half nichts. Ich konnte ins Internet, ich konnte meine E-Mails einsehen und bearbeiten, das Innomed-Programm aber stand nicht mehr zur Verfügung.</p> <p>Es war schon Abend und so erreichte mein Hilferuf die Service-Hotline erst am nächsten Morgen. Über die Fernwartung war die Diagnose schnell gestellt. „Sie haben einen Virus im System, bitte lassen sie alle PCs abgeschaltet.“ Dieser Mittwoch zeigte mir, was ich ohnehin wusste: die totale Abhängigkeit von der Technik. Wir konnten keinen Krankenstand protokollieren, mit dem Chefärztlichen Dienst nicht in Verbindung treten, ich wusste nicht, welche Medikamente die Patienten in Gebrauch haben, ob Befunde eingelangt sind, die vorbereiteten Laboranforderungen waren nicht abrufbar – es war ein ausge­sprochener Notbetrieb, den wir an diesem Tag führen mussten.</p> <p>Gleich nach dem Erhalt der Schreckensnachricht meldete meine Ordinationshilfe der e-card-Servicenummer, dass die Ordination offline ist. Die Gesprächspartnerin zeigte wenig Verständnis. Ich solle über den Server den Kontakt herstellen. Alle Beteuerungen, dass ich strikte Anweisung hätte, keine Geräte einzuschalten, nützten nichts: „Sie haben keine Abrechnungsgarantie …“ Das war allerdings unsere geringste Sorge.</p> <p>Am folgenden Tag mühte sich ein Techniker sechs Stunden damit ab, unsere Arbeitsplätze und den Server wieder funktionstüchtig zu machen. Dank der hohen Sicherungsverlässlichkeit meiner Ordinationshilfen war der Datenverlust minimal. Ich stockte meinen Virusschutz am Server für die kommenden drei Jahre mit einem Schutzprogramm um schlappe 900 Euro (inkl. MwSt.) auf. Der Technikereinsatz schlug sich mit 1.063 Euro zu Buche, die noch nötigen Fernwartungen zur Datenübertragung kosteten vergleichsweise läppische 100 Euro. Am Tag darauf lief alles wie geschmiert, meine Angestellten waren mit dem Nachprotokollieren und anderen Dokumentationsnotwendigkeiten zusätzlich belastet, aber dennoch frohgemut.</p> <p>Am 19. September trat ich meinen Sommerurlaub an. Ein Notruf erreichte mich über eine meiner Töchter. Kompletter Programmausfall in der Ordination. Mein Bruder, fachlich entsprechend versiert und mit der Erfahrung des ersten Ausfalls, bei dem er mir zur Seite stand, ausgestattet, bekräftigte seine Wünsche für eine gute Erholung und nahm mir alles Nötige ab. Das Locky-Virus hatte mich abermals gefunden. Wieder ein Ordinationstag ohne die gewohnte Infrastruktur, wieder 950 Euro Technikerkosten, wieder die zusätzliche Nachdokumentation.</p> <p>Als Konsequenz habe ich auf Anraten meines Bruders die Verbindung zum Internet aus meinem Netzwerk entfernt. Sie war seinerzeit lege artis installiert worden. Ich hatte das erst vor wenigen Jahren machen lassen, kurz bevor ich eine Lehrpraktikantin aufnahm, weil ich nicht „von gestern“ sein wollte. Ich vertraute auf Peering Point, die Virenschutzprogramme und auch darauf, dass ich in der Ordination ein äußerst zurückhaltender User war. Schließlich versendet auch die Gebietskrankenkasse die Nachricht über geschlossene Facharztordinationen per E-Mail, nimmt also offensichtlich an, dass die Vertragsärzteschaft mit einer entsprechenden Empfangsmöglichkeit ausgestattet ist. Auch die Ärztekammer kommuniziert mit ihren Mitgliedern per E-Mail.</p> <p>Wann und wie ich mir diesen Schädling eingefangen habe, war nicht eruierbar. Innomed hatte jedenfalls schon mehrfach Erfahrung mit der nötigen „virostatischen Therapie“ sammeln können. Ich hoffe sehr, dass ich durch strikte Expositionsprophylaxe keiner Behandlung mehr bedarf.</p> <p>Ich bat Herrn DI (FH) Volker Schörghofer, Generaldirektor-Stv. des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger, und Herrn Gerhard Stimac, Geschäftsführer von Innomed, meine Viruspannen zu kommentieren.</p> <p>Herr DI (FH) Schörghofer setzte sich schließlich noch für eine Abrechnungsmöglichkeit ein und teilte mir dies nach Rücksprache mit der Burgenländischen Gebietskrankenkasse (BGKK) noch in einer gesonderten E-Mail mit. Ich bin sicher, dass er auch in Zukunft betroffenen Kollegen als einer der Nothelfer zur Verfügung steht. Die BGKK zeigte sich zwar kulant, wies aber darauf hin, dass in diesem Fall ein Anspruch auf Leistungsverrechnung nicht bestehe.</p> <h2>Mitarbeiter immer wieder auf Gefahren hinweisen</h2> <p>Ihre Locky-Leidensgeschichte ist wirklich nicht lustig und mit viel Aufwand auf beiden Seiten (Konsument und Lieferant) verbunden. <br />Der Locky-Virus-Angriff ist immer auf einen User, welcher einen Anhang/ein Dokument geöffnet hat, das er nicht öffnen sollte, zurückzuführen. Leider hat es in diesem Sommer einige Ordinationen erwischt. Bei Innomed waren es 9 Ordinationen, welche dadurch teilweise stark beeinträchtigt waren. <br />Wichtig ist: Mitarbeiter immer wieder auf die Gefahren hinzuweisen (auch wir machen dies regelmäßig in immer kürzer werdenden Abständen – wenn bei uns der Absender unbekannt ist, werden E-Mails mit Anhang grundsätzlich gelöscht). Auch in Ordinationen sollte dies der Fall sein. <br />Weder der Peering-Point noch ein Virenschutz kann Sie vor dieser Art von Viren schützen (meist hat der Angreifer einen zeitlichen Vorteil) – Sie selbst und Ihre Mitarbeiter müssen für diese Sicherheit sorgen.</p> <p><strong>Gerhard Stimac </strong><br />INNOMED Gesellschaft für medizinische Softwareanwendungen GmbH; E-Mail: office@innomed.at</p> <h2>Virenschutz kein Ersatz für generelle Vorsicht</h2> <p>Vorweg bedaure ich, dass Sie und Ihre Ordination solche Probleme hatten. <br />Zur Erklärung: Das Gesundheits-Informations-Netz, kurz GIN, als sicheres Netz bedeutet, dass der Datenverkehr gegenüber Zugriffen Dritter durch entsprechende Firewalls, Zertifikate, Verschlüsselung etc. abgeschirmt ist. <br />Die Inhalte des Datenverkehrs sind Angelegenheit zwischen Sender und Empfänger und unserem Zugriff entzogen (wir dürfen aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht in jedes Datenpaket hineinsehen – bei verschlüsselten Inhalten können wir es nicht einmal). <br />Zur Überwachung des Dateninhaltes sind daher die Endbenutzer angehalten, sich mit aktueller Datensicherheitssoftware auszustatten. Ein Virenscanner ist ein Teil dessen, aber beileibe nicht alles, wesentliche Elemente sind auch „personal Firewalls“ und Spamschutz-Filter, die z.B. helfen, „getürkte“ Mails bereits im Vorfeld zu erkennen und zu filtern – also noch bevor ein Virus überhaupt durch Anklicken eines Anhanges in der E-Mail aktiviert werden kann. <br />Es gilt daher seit jeher die Grundregel, dass Virensuchprogramme u.a. immer nur als Ergänzung zu allgemeinen Vorsichtsmaßnahmen betrachtet werden. Jeder, der das Internet und E-Mail nutzt, ist daher unabhängig von der Anzahl und Qualität der Sicherheitsprogramme jedenfalls dazu angehalten, Vorsicht und Aufmerksamkeit walten zu lassen. <br />Gerade in einem unternehmerischen Umfeld wie einer Arztordination, wo sensible personenbezogene Daten verarbeitet werden und wo mehrere Personen auf E-Mails zugreifen, ist es jedenfalls notwendig, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entsprechend auf notwendige Vorsichtsmaßnahmen zu sensibilisieren. <br />Fazit: Auch mit den besten Sicherheitsgurten, Airbags und ESP bleibt es nicht erspart, bei einer Kreuzung nach links und rechts zu schauen.</p> <p><strong>DI (FH) Volker Schörghofer </strong><br />Generaldirektor-Stellvertreter <br />Geschäftsbereich 4, Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger <br />E-Mail: volker.schoerghofer@hvb.sozvers.at</p> <p><em>Der Text wurde um technische Details und Erklärungen gekürzt. Die Originalversion finden Sie <a href="http://www.hausaerzteverband.at/down/locky_geschichte.pdf" target="_blank">auf unserer Homepage neben DAM 9/16.</a> (Anm. Dr. Euler) </em></p></p>
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