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Aktuelle Therapieoptionen bei Gicht

Gicht: neue Medikamente und Ernährung

<p class="article-intro">Die Gicht ist zwar eine seit dem Altertum bekannte Erkrankung, die schon früh als eigene klinische Entität erfasst wurde. Der Einfluss der Natriumuratkristalle auf das Immunsystem und die genaue Rolle der Gichtkristalle für die Entstehung der Entzündung waren aber lange nicht bekannt. Sie ist in den letzten Jahren aufgrund neuer pathophysiologischer Erkenntnisse, besonders durch die Entdeckung der verschiedenen Formen des Zellunterganges, in den Blickpunkt gerückt. Dadurch ergeben sich neue Optionen in der Beeinflussung der Entzündung und damit in der Behandlung des akuten Gichtanfalles sowie der chronischen Gicht.</p> <hr /> <p class="article-content"><h2>Zelltod</h2> <p>Natriumuratkristalle aktivieren mehrere &bdquo;signalling pathways&ldquo;, induzieren dadurch verschiedene Formen des Zelltodes (Apoptose, Ferroptose, Nekroptose) und f&uuml;hren zur Nekroinflammation (Abb. 1).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Infekt_1901_Weblinks_jatros_infekt_1901_s40_abb1.jpg" alt="" width="750" height="368" /></p> <h2>Kristall-induzierte zytotoxische Effekte</h2> <p>Monosodiumurat(MSU)-Kristalle induzieren eine epitheliale und mesenchymale Zellnekrose durch eine &bdquo;receptor-interacting protein kinase 3&ldquo;(RIPK3)-mediierte Phosphorylierung einer &bdquo;mixed lineage kinase domain-like&ldquo; (MLKL). Diese Form einer regulierten Nekrose wird Nekroptose genannt und wird durch extrazellul&auml;re Signale mithilfe von Tumornekrosefaktor( TNF)-Rezeptor 1, &bdquo;Toll-like receptor&ldquo;- (TLR)-4, TLR-3 oder CD-95 getriggert. MSU induziert &uuml;ber denselben Weg auch die Nekrose in neutrophilen Zellen. Diese als neutrophile Nekroptose bezeichnete Form des Zelltodes ist ein zentraler Prozess bei einer akuten Gichtarthritis. Dabei werden vom zerst&ouml;rten Gewebe Alarmine wie z.B. Interleukin(IL)-1&alpha; und &bdquo;neutrophil-extracellular traps&ldquo; (NETs) freigesetzt.<br /> Auch scheint die Apoptose, eine Form des programmierten Zelltodes, bei der Uratinduzierten Nephropathie eine Rolle zu spielen. Ein mitochondrialer Caspase-abh&auml;ngiger Pathway f&uuml;hrt in humanen Nierenzellen durch Induktion von oxidativem Stress zu dieser Art des Zelltodes. Wenn der Apoptoseweg blockiert ist, kann durch TNF auch die Nekroptose getriggert werden.<br /> MSU-Kristalle k&ouml;nnen auch eine weitere Form des Zelltodes, die Ferroptose, induzieren, direkt durch Supprimierung der Glutathionperoxidase-4 (GPX-4) oder durch Inhibierung von System Xc-, einem Cystin-Glutamat-Antiporter, der die zellul&auml;re Verf&uuml;gbarkeit von Cystein und Glutathion limitiert. Diese Form des Zelltodes ist morphologisch durch das Vorhandensein von kleineren Mitochondrien mit kondensierten mitochondrialen Membranverdichtungen, die Reduzierung der Cristae und die Ruptur der &auml;u&szlig;eren mitochondrialen Membran charakterisiert. Der Nukleus hat eine normale Gr&ouml;&szlig;e und es fehlt die Kondensation des Chromatins. GPX 4, &bdquo;heat shock protein beta-1&ldquo; (HSPB1) und &bdquo;nuclear factor erythroid 2-related factor 2&ldquo; (NRF2) fungieren als negative Regulatoren einer Ferroptose durch Limitierung der Produktion von &bdquo;reactive oxygen species&ldquo; (ROS) und Reduzierung der zellul&auml;ren Eisenaufnahme.</p> <h2>Inflammation</h2> <p><strong>Kristall-induzierte Inflammation</strong><br /> Durch einen Kristall-induzierten Zelltod k&ouml;nnen in diesen Zellen proinflammatorische Molek&uuml;le, z.B. Alarmine, Proteasen oder sogenannte &bdquo;damage-associated molecular patterns&ldquo; (DAMPs) freigesetzt werden. Diese Molek&uuml;le haben die F&auml;higkeit, TLR zu aktivieren. DAMPs inkludieren Nukleoproteine, Histone, ATP und auch die Harns&auml;ure. Durch diese Aktivierung induzieren die Zellen die Expression und Sekretion von Zytokinen sowie Kininen und f&uuml;hren zu einer lokalen Vasodilatation, Schmerzen sowie zu einer endothelialen Dysfunktion mit erh&ouml;hter vaskul&auml;rer Permeabilit&auml;t und Adh&auml;sion von Leukozyten. Eine lokale Aktivierung von Komplement kann ebenfalls involviert sein. Dies f&uuml;hrt zu den typischen klinischen Symptomen einer Entz&uuml;ndung.</p> <p><strong>NALP3-Inflammasom</strong><br /> Kristalle k&ouml;nnen jedoch eine Inflammation auch direkt triggern. Sowohl MSUals auch CPPD-Kristalle k&ouml;nnen das NALP3-Inflammasom aktivieren. Inflammasome sind Multiproteinkomplexe, bestehend aus zytosolischen Proteinen wie NLRP3 und ASC, welche die Aktivierung von inflammatorischen Caspasen mediieren. Diese intrazellul&auml;ren Sensoren sind in der Lage, fremde und k&ouml;rpereigene &bdquo;danger signals&ldquo; zu erkennen und eine Immunantwort zu induzieren. Ein wichtiger Vertreter ist das &bdquo;NACHT-, LRR-, and pyrin domain-containing protein&ldquo;(NALP)- Inflammasom. NALPs geh&ouml;ren gemeinsam mit den &bdquo;nucleotide binding oligomerization domain containing proteins&ldquo; (NOD) und anderen Proteinen zur Gruppe der &bdquo;NOD-like receptors&ldquo; (NLR). Zusammen mit den membranassoziierten TLR sind die zytosolisch gelegenen NLR ein Teil des angeborenen Immunsystems und spielen eine wesentliche Rolle bei der Erkennung und der Antwort auf k&ouml;rperfremde Signale. In einer ersten Phase internalisieren Phagozyten die Natriumuratkristalle. Sobald die Partikel phagozytiert sind, stimulieren sie wahrscheinlich &uuml;ber zwei verschiedene Mechanismen das Inflammasom, wobei ein Weg ROS und der zweite Phagozytenproteasen involviert.</p> <p>Nach der Bindung des Liganden und Freisetzung der NACHT-Dom&auml;ne wird NALP3 aktiviert und rekrutiert dann zwei Adapterproteine (ASC und Cardinal) sowie Caspase 1. Dieser &bdquo;Inflammasom&ldquo; genannte Komplex aktiviert IL-1&beta; &uuml;ber die im Oligomer zusammengef&uuml;hrten Caspase-1-Dimere.</p> <h2>Interleukin-1</h2> <p>In der ersten Phase sezernieren die durch NALP3 aktivierten Monozyten IL-1&beta;. In einer zweiten Phase werden vor allem Synoviozyten aktiviert und durch Vermittlung vom IL-1-Rezeptor und MyD88 die Chemokine Interleukin-8 oder MIP-2 induziert. IL-1 wird haupts&auml;chlich von Monozyten als Antwort auf Infektion oder immunologische Reize produziert. Es verursacht Fieber, niedrigen Blutdruck und die Induktion von anderen proinflammatorischen Zytokinen wie Interleukin-6 (IL-6). Neben einem nat&uuml;rlichen IL-1-Rezeptor- Antagonisten (IL-1RA) bestehen zwei verschiedene Formen von IL-1, n&auml;mlich IL-1&alpha; und -&beta;. IL-1&alpha; und -&beta; werden in einer Proform gebildet, die 31 kd gro&szlig; ist, wobei pro-IL-1&alpha; biologisch aktiv, pro-IL-1&beta; aber biologisch nicht aktiv ist. Beide Formen werden in eine reife Form &uuml;bergef&uuml;hrt, pro-IL-1&beta; durch &bdquo;interleukin-1 converting enzyme&ldquo; (ICE), pro-IL-1&alpha; kann z.B. durch Calpain gespalten werden oder durch andere noch nicht n&auml;her aufgekl&auml;rte Prozesse extrazellull&auml;r transportiert und dort durch Proteasen gespalten werden.</p> <h2>Neue Medikamente</h2> <p>Aus diesen pathophysiologischen Mechanismen ergeben sich therapeutische Optionen, die schon in der klinischen Praxis eingesetzt werden und viele neue M&ouml;glichkeiten f&uuml;r die zuk&uuml;nftige Behandlung er&ouml;ffnen (Abb. 1).<br /> Zugelassen wurde inzwischen Lesinurad, ein Hemmer der Harns&auml;uretransporter URAT1 und OAT4, in Kombination mit einem Xanthin-Oxidase-Inhibitor bei Gichtpatienten, die den Harns&auml;urezielwert im Serum mit einer ad&auml;quaten Dosis eines Xanthin-Oxidase-Inhibitors allein nicht erreicht haben. Interessante neue Entwicklungen sind Arhalofenat, das neben der Blockade von Transportersystemen (URAT1, OAT4, OAT10) auch die IL-1&beta;- Produktion hemmt, und Tranilast, das noch zus&auml;tzlich eine antiinflammatorische Aktivit&auml;t hat (Abb. 2).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Infekt_1901_Weblinks_jatros_infekt_1901_s40_abb2.jpg" alt="" width="500" height="417" /></p> <h2>Gewichtsreduktion, Trinkmenge und Di&auml;t</h2> <p><strong>Langsame Gewichtsreduktion</strong><br /> Bei &Uuml;bergewicht ist eine langsame Gewichtsreduktion anzustreben, weil mit einer Adipositas erh&ouml;hte Serumharns&auml;urespiegel assoziiert sind. Fastenkuren sind jedoch unbedingt zu vermeiden, da diese aufgrund der Ketoazidose Gichtanf&auml;lle provozieren k&ouml;nnen. Daneben soll auch auf regelm&auml;&szlig;ige k&ouml;rperliche Aktivit&auml;t geachtet werden.</p> <p><strong>Gen&uuml;gende Trinkmenge</strong><br /> Die Trinkmenge sollte mindestens zwei Liter pro Tag betragen, wobei am besten zuckerlose, nicht alkoholische Getr&auml;nke geeignet sind. Diese Fl&uuml;ssigkeitszufuhr ist insbesondere bei einer Urolithiasis mit Harns&auml;uresteinen mit gleichzeitiger Alkalinisierung des Urins zu empfehlen.</p> <p><strong>Auf die Ern&auml;hrung achten</strong><br /> Regelm&auml;&szlig;iger Verzehr von Fleisch und Innereien erh&ouml;ht die Serumharns&auml;ure und damit das Gichtrisiko nicht nur wegen der damit verbundenen Zufuhr von Purinen, sondern auch wegen der unges&auml;ttigten Fette, die die Insulinresistenz erh&ouml;hen und dadurch die Harns&auml;ureausscheidung vermindern.<br /> Dagegen erh&ouml;hen protein- und purinreiche pflanzliche Produkte die Harns&auml;ure nicht.</p> <p>Der Konsum von Milchprodukten vermindert die Serumharns&auml;ure und damit das Gichtrisiko. Milchproteine wie Kasein und Laktalbumin, die urikosurisch wirken, d&uuml;rften daf&uuml;r verantwortlich sein. Zus&auml;tzlich haben Milchbestandteile wie Glykomakropeptid antiinflammatorische Eigenschaften.</p> <p><strong>Keine ges&uuml;&szlig;ten Limonaden</strong><br /> Zugef&uuml;hrte Fruktose wird in der Leber phosphoryliert, wodurch ATP verbraucht und &uuml;ber Adenin zu Harns&auml;ure abgebaut wird. Zus&auml;tzlich f&uuml;hrt Fruktose zu einer erh&ouml;hten Insulinresistenz und zu einer Gewichtszunahme.</p> <p><strong>Kaffeekonsum</strong><br /> Regelm&auml;&szlig;iger Kaffeekonsum senkt die Serumharns&auml;ure und damit das Auftreten von Gichtanf&auml;llen. Wahrscheinlich wirken Inhaltsstoffe des Kaffees &uuml;ber eine Verminderung der Insulinresistenz und eine Hemmung der Xanthinoxidase.</p> <p><strong>Vitamin-C-Gabe</strong><br /> Die Einnahme von Vitamin C vermindert die Serumharns&auml;ure, wobei eine Risikominderung bei einer Dosis von mindestens 500mg pro Tag auftritt.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>beim Verfasser</p> </div> </p>
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