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Generika: alle gleich oder doch nicht?
Jatros
Autor:
Dr. Norbert Hasenöhrl
30
Min. Lesezeit
08.06.2017
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<p class="article-intro">Die öffentliche Diskussion zum Thema Generika wird immer noch sehr emotional geführt und ist nicht zuletzt auch von wirtschaftlichen Interessen einzelner Gruppierungen überlagert. In Österreich ist der Generikaanteil im europäischen Vergleich relativ niedrig und lag 2014 bei nur 38 % , für Antibiotika bei 58 % . Allerdings stößt das Bioäquivalenzkonzept an gewisse Grenzen.</p>
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<p class="article-content"><p>Eine spannende Pro/Contra-Sitzung befasste sich mit der nicht unwesentlichen Frage, ob Generika wirklich das sind, was sie sein sollen: identisch mit dem Original und daher auch gleich wirksam.</p> <h2>Pro:</h2> <h2>Generika gleich Original</h2> <p>„Man muss leider sagen, dass es – selbst unter Pharmazeuten – immer noch Vorurteile gegen Generika gibt. Wissenschaftliche Fakten bleiben da oft unberücksichtigt und die aktuelle gesundheitspolitische Diskussion wird eher dazu genützt, um von Eigeninteressen geprägte Positionen zu unterstützen“, mahnte Mag. pharm. Martina Jeske, MSc, aHPH, Leiterin der Anstaltsapotheke der „Tirol Kliniken“, Innsbruck. „Generika stellen in Österreich eine sichere, wirksame und preisgünstige Alternative zu seit Langem im Handel befindlichen Arzneimitteln dar und besitzen, bei nachgewiesener Bioäquivalenz, weder Vor- noch Nachteile gegenüber den Originatorprodukten“, ist die Pharmazeutin überzeugt. Dafür spricht auch, dass in vielen europäischen Ländern eine Aut-idem-Regelung verpflichtend oder wenigstens erlaubt ist. Österreich gehört zu den wenigen europäischen Ländern, die dieses Vorgehen, also den Austausch eines verordneten Arzneimittels gegen ein anderes, wirkstoffgleiches, verbieten. Aus pharmazeutischer Sicht scheint es relevant, einen Präparatewechsel bei Indikationen, die eine besonders gute Einstellung der Patienten und eine konstante medikamentöse Therapie erfordern („critical dose drugs“), sowie bei kritischen Darreichungsformen zu vermeiden.<br />Das Konzept der Bioäquivalenzprüfung führt aufgrund von sachlicher Unkenntnis statistischer Basics oft zu Fehlinterpretationen und Missverständnissen. So kann man von der vielfach zitierten Schwankungsbreite von 80 bis 125 % nicht auf die therapeutische Breite oder auch auf die Wirksamkeit schließen. Dieses Kriterium ist für die meisten Produkte relativ eng; würde man es weiter reduzieren, wäre oft für das gleiche Produkt Äquivalenz nur mehr schwer nachweisbar.<br />Für Präparate mit niedriger therapeutischer Breite gilt seit 2010 ein engerer Schwankungsbereich, nämlich 90−111 % (dieser wurde aber nicht rückwirkend eingeführt).<br />2014 lag der Generikaanteil in Österreich im europäischen Vergleich relativ niedrig bei nur 38 % , für Antibiotika bei 58 % . „Das größere Problem sind Lieferengpässe von Rohstoffen aus Ländern wie China“, so Jeske abschließend.</p> <h2>Contra:</h2> <h2>Generika doch anders</h2> <p>„Zunächst einmal muss man klar sagen, dass es bei der Verwendung von Generika ausschließlich ums Geld geht“, so Univ.-Doz. Dr. Ernst Agneter, MBA, Pharmakologe und selbstständiger Pharmakonsulent.<br />Die sogenannte „bezugnehmende Zulassung“, die letztlich die Einführung von Generika erlaubte, bedeutet, dass bei gleichem Wirkstoff in gleicher Stärke, gleicher Dosierung und gleicher Indikation der Plasmaspiegelverlauf als Surrogatparameter für die gleiche Wirksamkeit verwendet werden darf.<br />„Das bedeutet also, dass die gleiche Wirksamkeit eines Generikums gegenüber dem Originator nicht bewiesen, sondern lediglich aufgrund des Plasmaspiegelverlaufs angenommen wird“, kritisierte Agneter.<br />Laut Regelungen des Hauptverbands ist gegenüber dem ursprünglichen Originatorpreis ab dem dritten Generikum ein Preisverfall von ca. 60 % verpflichtend. „Die Wirklichkeit schaut aber noch viel dramatischer aus“, so Agneter, „die Preisverfälle betragen bis zu 90 % , was nicht nur den Hersteller trifft, sondern natürlich auch Großhandel und Apotheker.“<br />„Problematisch ist, dass laut EMA-Handlungsanweisung für den Zulassungsgutachter eines Generikums ausdrücklich geschrieben steht, dass dieser normalerweise nicht mit den Daten des Originators vertraut ist, was schon etwas fragwürdig erscheint“, so Agneter, „denn das Bio­äquivalenzkonzept hat nun einmal seine Grenzen.“</p> <p>Quelle: <br />„Generika versus Original: Wirken sie alle gleich?“, Pro/Contra-Sitzung 1, 11. Österreichischer Infektionskongress, 30. März 2017, Saalfelden</p></p>
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<p>bei den Vortragenden</p>
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