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ERS 2018

Durchimpfungsraten bei hospitalisierten Patienten

<p class="article-intro">Beim diesjährigen ERS-Kongress waren unter anderem die Prävention von Infektionskrankheiten und die gesundheitspolitische Bedeutung bzw. Nutzen und Risiko von Impfungen ein vieldiskutiertes Thema. Insbesondere die Influenzaimmunisierung hat einen bewiesenen Nutzen für diverse Subgruppen mit chronischen pneumologischen oder kardiologischen Grundkrankheiten.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Die Durchimpfungsrate bei hospitalisierten Patienten mit pneumologischen oder kardialen Grundkrankheiten d&uuml;rfte generell ausbauf&auml;hig sein.</li> <li>Die Effektivit&auml;t der Influenzaimpfung, vor allem f&uuml;r die Altersgruppe &gt;65 Jahre sowie f&uuml;r gewisse Risikogruppen, ist belegt.</li> <li>Nicht nur die Inzidenz der Influenzapneumonie per se, sondern auch das kumulative Outcome hinsichtlich kardialer oder pneumologischer Grundkrankheiten wird durch die saisonale Grippeimpfung verbessert!</li> </ul> </div> <p>Es konnte beispielsweise gezeigt werden, dass die Influenzaimpfung die Hospitalisierungsrate bei Patienten mit kardiologischen Grundkrankheiten senkt; speziell die Zahl der Hospitalisierungen aufgrund von Dekompensation bei isch&auml;mischer Herzkrankheit und Herzinsuffizienz konnte signifikant reduziert werden.<sup>1</sup> Eine &auml;hnliche Studie zeigte, dass die Influenzaimpfung auch die Hospitalisationsrate aufgrund von akuten Infektionen des unteren Respirationstrakts und von Exazerbationen der Grundkrankheit bei Patienten mit zugrunde liegenden chronischen Herz- und Lungenkrankheiten senkt. Beim Patientenkollektiv im Alter von &uuml;ber 65 Jahren war der Effekt der Impfung am deutlichsten.<sup>2</sup> Auch die Hospitalisierungsrate aufgrund der Influenzainfektion per se kann durch ein konsequentes Durchimpfen der Risikopopulation gesenkt werden.<sup>3</sup> Bezugnehmend auf diese Daten sehen der &ouml;sterreichische Impfplan sowie die S3-Leitlinie f&uuml;r die Pr&auml;vention von Pneumonien die Impfung gegen Influenza, aber auch gegen Pneumokokken und Pertussis f&uuml;r alle Patienten mit kardialen oder pneumologischen Grundkrankheiten vor.<sup>4, 5</sup> Die tats&auml;chliche Durchimpfungsrate von Risikopatienten oder auch der Allgemeinbev&ouml;lkerung wurde bislang im deutschsprachigen Raum, und speziell in &Ouml;sterreich, nicht genau erfasst. Bedenkt man jedoch, dass laut einer US-amerikanischen Studie &ndash; trotz eindeutiger Empfehlung der American Heart Association (AHA) und des American College of Cardiology (ACC) &ndash; nur einer von drei Risikopatienten mit chronischer Lungenoder Herzkrankheit gegen Influenza geimpft ist, so ist auch in &Ouml;sterreich eine unzureichende Durchimpfung wahrscheinlich. <sup>6</sup></p> <h2>Impfpr&auml;valenz bei Risikopatienten</h2> <p>Im Rahmen des ERS-Kongresses wurden pr&auml;limin&auml;re Daten einer Befragung von hospitalisierten kardiologischen und pneumologischen Patienten des LKH Universit&auml;tsklinikum Graz pr&auml;sentiert. Ziel der Untersuchung war es, die Impfpr&auml;valenz gezielt in einer m&ouml;glichst gro&szlig;en Gruppe von Risikopatienten zu eruieren. Es wurden bereits in der Wintersaison 2016/17 Daten &uuml;ber die Durchimpfung hinsichtlich Influenza, Pneumokokken und Pertussis erhoben &ndash; sowie auch Gr&uuml;nde f&uuml;r das Nicht-geimpft-Sein und die Inzidenz von respiratorischen Infekten bei geimpften verglichen mit nicht geimpften Patienten.<sup>7</sup> In der vorangegangenen Wintersaison wurden in diese Studie 200 Patienten eingeschlossen; ein Follow-up-Survey in der Saison 2017/18 umfasst die Daten von 250 weiteren Patienten.</p> <p>In dieser Befragung einer f&uuml;r &Ouml;sterreich repr&auml;sentativen Patientenkohorte konnte f&uuml;r alle drei der evaluierten Impfungen eine sehr niedrige Pr&auml;valenz festgestellt werden (Influenza 17 %; Pertussis 11 %; Pneumokokken 18 %; Abb. 1). Es wurde zus&auml;tzlich erfragt, ob in der Wintersaison ein Infekt der oberen Atemwege, Fieber oder eine virale Rhinopharyngitis aufgetreten sind. Obwohl der Unterschied nicht signifikant ist, so zeigte sich doch der Trend, dass in der geimpften Population seltener Fieber (17 % vs. 30 %) und Infekte der oberen Atemwege (29 % vs. 43 %) auftraten. 7 Weiters sollten die Patienten angeben, ob sie w&auml;hrend der Wintersaison Kontakt zu einem Arzt hatten oder keine medizinische Konsultation ben&ouml;tigten. Die Mehrheit der Befragten hatte in der Wintersaison einen Arzt kontaktiert. Es zeigte sich wie erwartet, dass diejenigen, welche keinen Kontakt zu einem Arzt gehabt hatten, seltener gegen Influenza geimpft waren (6 % in der geimpften Population hatten keine medizinische Konsultation vs. 10 % in der nicht geimpften Population).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Pneumo_1806_Weblinks_s30_abb1.jpg" alt="" width="1417" height="760" /></p> <h2>Gr&uuml;nde f&uuml;r Verzicht auf Influenzaimpfung</h2> <p>Zuletzt wurden die nicht gegen Influenza geimpften Patienten in dieser Studie auch dar&uuml;ber befragt, was ihre Gr&uuml;nde daf&uuml;r sind, sich nicht impfen zu lassen (Abb. 2). 95 der 200 Patienten (47,5 %) gaben an, vom Nutzen der Impfung nicht &uuml;berzeugt zu sein, 28 (14 %) hatten nach eigenen Angaben auf die Impfung vergessen, 19 (9,5 %) gaben an, keine Zeit f&uuml;r die Impfung gehabt zu haben, w&auml;hrend 14 Patienten (7 %) Bedenken wegen m&ouml;glicher Nebenwirkungen hatten, und 4 (2 %) wurde direkt von der Impfung abgeraten. (Ein Patient gab an, ein Bekannter h&auml;tte ihm von der Impfung abgeraten; die drei anderen berichteten, die Empfehlung gegen die Immunisierung sei von ihrem Allgemeinmediziner ausgesprochen worden.) Diese Daten lassen vermuten, dass auch einige &Auml;rzte nicht hinreichend &uuml;ber den Nutzen und die Notwendigkeit der Influenzaimpfung, speziell f&uuml;r gewisse Risikopopulationen, informiert sind.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Pneumo_1806_Weblinks_s30_abb2.jpg" alt="" width="1417" height="862" /></p> <h2>Strategien zur Erh&ouml;hung der Impfpr&auml;valenz</h2> <p>Es bedarf in &Ouml;sterreich besserer Strategien, um die Durchimpfungsraten bei der Influenza-, aber auch bei der Pneumokokken- und Pertussisimpfung systematisch anzuheben. Wir k&ouml;nnen uns dabei ein Beispiel an L&auml;ndern mit relativ hohen Impfpr&auml;valenzen, wie zum Beispiel Gro&szlig;britannien oder den Niederlanden, nehmen: Derzeit liegt in Gro&szlig;britannien die Influenza- Impfpr&auml;valenz bei der Bev&ouml;lkerungsgruppe &ge; 65 Jahre immerhin bei 70,5 %; in den Niederlanden bei 66,8 %, laut Erhebungen der Organisation for Economic Cooperation and Development (OECD).<sup>8</sup> Die letzte Erhebung der Influenza-Durchimpfungsrate in &Ouml;sterreich durch die OECD fand 2014 statt; in diesem Jahr wurde bei den &uuml;ber 65-J&auml;hrigen eine Impfpr&auml;valenz von 20,3 % angegeben. In den L&auml;ndern mit hohen Durchimpfungsraten, wie z. B. in Gro&szlig;britannien, aber auch in Russland, gibt es staatlich gef&ouml;rderte Impfprogramme, bei denen den Passanten an &ouml;ffentlichen Orten wie zum Beispiel U-Bahn Stationen kostenlos die Grippeimpfung angeboten wird. Unbestritten ist mittlerweile der Nutzen der Influenzaimpfung, um die Inzidenz der Influenzapneumonie selbst zu vermindern. Eine Untersuchung unter 2767 Patienten, die 2015 im JAMA publiziert wurde, zeigte klar, dass sowohl Kinder als auch Erwachsene, die aufgrund einer Influenzapneumonie hospitalisiert waren, signifikant seltener gegen Influenza geimpft waren als diejenigen Patienten, bei denen eine Pneumonie anderer &Auml;tiologie bestand.<sup>9</sup> Statistische Berechnungen dieser Daten ergaben eine Effektivit&auml;t der Impfung von 56,7 %.<sup>9 </sup></p> <h2>Problem Pneumokokkeninfektionen</h2> <p>Auch die Pneumokokkeninfektion ist ein ernst zu nehmendes Problem, vor allem f&uuml;r &auml;ltere Patienten oder Patienten mit chronischen internistischen Erkrankungen. Die Welt-Gesundheits-Organisation (WHO) empfielt daher die Immunisierung von Kindern im Kleinkindalter weltweit.<sup>10</sup> In einer &Uuml;bersichtsarbeit wurde die Effektivit&auml;t des 10-valenten Pneumokokken- Konjugat-Impfstoffs (PHiD-CV) evaluiert, welcher bereits in mehr als 45 L&auml;ndern und Regionen weltweit verwendet wird.<sup>11</sup> Die Ergebnisse diverser randomisierter, doppelblinder und Post-Marketing-Studien in verschiedenen L&auml;ndern zeigen eine klare Evidenz f&uuml;r die protektiven Effekte der Pneumokokkenimpfung. Auch die Pr&auml;valenz der nasopharyngealen Besiedelung mit Pneumokokken bei asymptomatischen und gesunden Personen konnte durch konsequentes Impfen reduziert werden.<sup>11</sup> Allerdings wurde die nasopharyngeale Besiedelung nur bei solchen Serotypen reduziert, gegen die der Impfstoff ausgerichtet ist &ndash; interessanterweise zeigte sich in manchen Regionen sogar ein Anstieg an nasopharyngealen Carriern betreffend die nicht von der Impfung abgedeckten Pneumokokken- Serotypen. Grunds&auml;tzlich wurde jedoch laut diesem Review durch die Pneumokokken- Immunisierung die kumulative Inzidenz der Pneumokokkeninfektion deutlich reduziert.</p> <h2>Zusammenfassung</h2> <p>Obwohl es nach wie vor viele Impfkritiker und -gegner gibt, die behaupten, dass speziell die Influenzaimpfung nicht effektiv genug sei und dass das Risiko der Impfung gr&ouml;&szlig;er w&auml;re als der Nutzen, so muss man sich doch fragen, warum in vielen L&auml;ndern das systematische Durchimpfen staatlich gef&ouml;rdert wird. Meiner Meinung nach ist gerade das ein Beweis daf&uuml;r, dass durch konsequentes Impfen die Hospitalisierungsraten in Risikogruppen gesenkt werden k&ouml;nnen, was f&uuml;r den Staat &agrave; la longue eine Kostenersparnis bedeutet, obwohl der Impfstoff f&uuml;r den Einzelnen gratis zur Verf&uuml;gung gestellt wird. Wir sollten auch in &Ouml;sterreich im Sinne der Patienten die Influenza-, Pneumokokken- und Pertussisimpfung in Risikogruppen f&ouml;rdern und dar&uuml;ber aufkl&auml;ren, warum gerade bei chronischen, pneumologischen oder kardialen Grundkrankheiten das Impfen wichtig w&auml;re.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Seo YB et al.: Hum Vaccin Immunother 2014; 10(2): 423-7 <strong>2</strong> Seo YB et al.: Vaccine 2013; 31(10): 1426-30 <strong>3</strong> Hellenbrand W et al.: BMC Infect Dis 2012; 12: 127 <strong>4</strong> Ewig S et al.: Pneumologie 2016; 70(3): 151-200 <strong>5</strong> Rendi-Wagner P, Paulke-Korinek M et al.: Impfplan &Ouml;sterreich. Wien: Bundesministerium f&uuml;r Gesundheit und Frauen 2017 <strong>6</strong> Davis MM et al.: J Am Coll Cardiol 2006; 48(7): 1498-502 <strong>7</strong> Vaccination rates against pneumococcal and influenza infection in cardiologic and pneumologic patients need to be improved. ERS International Congress Abstracts; 15.&ndash;19. Sept. 2018; Paris, France <strong>8</strong> OECD Data. Influenza Vaccination Rates. Total, % of population aged 65+, 2017 or latest available. 2018; Available at: https://data.oecd.org; last accessed September 2018 <strong>9</strong> Grijalva CG et al.: JAMA 2015; 314(14): 1488-97 <strong>10</strong> World Health Organization Geneva: Pneumococcal conjugate vaccine for childhood immunization - WHO position paper. Weekly epidemiological record 2007; No. 12, 2007(82): 93-104 <strong>11</strong> Mrkvan T et al.: Expert Rev Vaccines 2018; 17(9): 797-818</p> </div> </p>
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