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DGP 2017

COPD im Wandel: Entzündung oder Emphysem?

<p class="article-intro">Die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) gibt nach wie vor einige Rätsel auf. Angesichts der klinischen Erfahrungen stellt sich die Frage, ob nicht durch die Fokussierung auf die Lungenfunktion mehrere unterschiedliche Erkrankungen in denselben Topf geworfen werden.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>COPD t&ouml;tet&ldquo;, sagt Prof. Dr. Klaus Rabe von der LungenClinic Gro&szlig;hansdorf und verweist auf Daten aus dem White Book der European Respiratory Society (ERS), die die chronisch obstruktive Lungenerkrankung als weltweit viertwichtigste Todesursache ausweisen. Die Situation wird noch dadurch versch&auml;rft, dass aufgrund gemeinsamer Risikofaktoren zahlreiche Betroffene auch unter kardiovaskul&auml;ren Erkrankungen leiden. In der Praxis sei heute zu beachten, dass die COPD-Sterblichkeit eine ausgepr&auml;gte soziale Komponente zeigt &ndash; mit einem deutlichen West-Ost- und Nord-S&uuml;d-Gef&auml;lle. Hinzu kommen massive Unterschiede in der Lebenserwartung zwischen verschiedenen Bildungsschichten, wobei h&ouml;here Bildung das Leben deutlich verl&auml;ngert. Die therapeutischen Antworten sind nach wie vor suboptimal. Und dies habe, so Rabe, auch mit dem Konzept der Erkrankung selbst zu tun: &bdquo;Wenn wir hier etwas bewegen wollen, dann m&uuml;ssen wir uns dar&uuml;ber klar werden, dass die Taxonomie der COPD Probleme in sich birgt. Die COPD ist ein Sammelbegriff von Ph&auml;nomenen und Prozessen, die meiner &Uuml;berzeugung nach biologisch und &auml;tiologisch und damit auch im Hinblick auf das erforderliche Management wenig miteinander zu tun haben.&ldquo;</p> <h2>Gewebe plus oder minus?</h2> <p>Letztlich k&ouml;nnte eine neue Pathophysiologie der COPD wieder an die alte und zeitweise etwas in Vergessenheit geratene Aufteilung in Entz&uuml;ndung und Emphysem anschlie&szlig;en. Rabe: &bdquo;Wir haben einerseits eine Komponente, die mit Entz&uuml;ndung zu tun hat und zu strukturellen Ver&auml;nderungen f&uuml;hrt. Man k&ouml;nnte von einer <span class="Copy-italic">Gewebe-plus</span>-Komponente sprechen &ndash; der Atemweg wird dicker. Daneben gibt es aber auch die <span class="Copy-italic">Gewebe-minus</span>-Komponente, mit dem Verschwinden relevanter Strukturen der Lunge, das zur Bildung eines Emphysems f&uuml;hrt. Es gibt gute Hinweise darauf, dass auch die kleinen Alveolen in diesen Prozess einbezogen sind. Dabei sind auch Elemente von Autoimmunit&auml;t relevant.&ldquo; Im Konzept der beiden Patiententypen des &bdquo;Blue Bloaters&ldquo; und des &bdquo;Pink Puffers&ldquo; sei dies schon vor Jahrzehnten anschaulich und realit&auml;tsnah beschrieben worden. Nun werde man sich an den Gedanken gew&ouml;hnen m&uuml;ssen, dass diese beiden Formen der COPD &bdquo;nicht ein und dieselbe Erkrankung sein k&ouml;nnen&ldquo;. Nur wenn dies erkannt und in die therapeutischen Konzepte zur Behandlung der COPD einbezogen werde, sei mit deutlichen Verbesserungen der therapeutischen Optionen zu rechnen.</p> <h2>&bdquo;Inflammaging&ldquo;</h2> <p>COPD m&uuml;sse im Zusammenhang mit der sich ver&auml;ndernden Altersstruktur der Gesellschaft gesehen werden. Rabe verweist in diesem Zusammenhang auf das Konzept des &bdquo;Inflammagings&ldquo;: Menschen hatten bis ins 16. Jahrhundert eine Lebenserwartung in der Gr&ouml;&szlig;enordnung von 40 Jahren. Das Ansteigen der Lebenserwartung hat damit zu tun, dass wir mit Infektionen immer besser umgehen k&ouml;nnen. Das hat aber seinen Preis in Form einer Neigung zu Autoimmunit&auml;t und chronischer Inflammation. Rabe: &bdquo;Diese systemische Inflammation trifft vermutlich auf einen Teil der COPD-Patienten zu, aber eben nicht auf alle. Und deshalb ist es so wichtig, Subgruppen zu definieren.&ldquo; Zur Behandlung von chronischen Entz&uuml;ndungen k&ouml;nnten Biologika auch in der COPD-Therapie an Bedeutung gewinnen, wobei, so Rabe, diese Patienten m&ouml;glicherweise mehr von den neuen Therapien profitieren w&uuml;rden, wenn man diese fr&uuml;her im Krankheitsverlauf einsetzte, als dies bisher in den wenig erfolgreichen Studien getan wurde. <br />Ein besonderer inflammatorischer COPD-Ph&auml;notyp mit ung&uuml;nstiger Prognose wurde vor einigen Jahren beschrieben.<sup>1</sup> Dabei wurden verschiedene Entz&uuml;ndungsparameter bei COPD-Patienten, Rauchern ohne COPD sowie gesunden, nicht rauchenden Kontrollen erhoben. Deren Auswertung ergab, dass sowohl Raucher als auch COPD-Patienten mehr Inflammation aufwiesen als Kontrollen, dass sich die Zytokinmuster jedoch unterschieden. So waren Interleukin 6, Fibrinogen und High-Sensitivity-CRP bei COPD-Patienten h&auml;ufiger auff&auml;llig als bei Rauchern mit normaler Lungenfunktion. Innerhalb der COPD-Gruppe zeigten Patienten mit mindestens zwei erh&ouml;hten Entz&uuml;ndungsparametern &uuml;ber drei Jahre sowohl eine h&ouml;here Exazerbationsrate als auch eine h&ouml;here Gesamtmortalit&auml;t. Ausgepr&auml;gtere systemische Inflammation war auch mit klassischen Risikofaktoren wie &Uuml;bergewicht sowie (unter anderem) mit kardiovaskul&auml;rer Erkrankung assoziiert.</p> <h2>Spirometrie in Zukunft weniger entscheidend</h2> <p>Wie im Rahmen des DGP-Kongresses zu erfahren war, wird die in Vorbereitung befindliche deutsch-&ouml;sterreichische Leitlinie zur COPD, &auml;hnlich wie auch die GOLD-Empfehlungen, der Spirometrie in Zukunft geringeren Einfluss auf die Therapiegestaltung einr&auml;umen. In den deutsch-&ouml;sterreichischen Guidelines wird es jedoch, im Gegensatz zu GOLD, eine Empfehlung f&uuml;r die Bodyplethysmografie geben, die in Deutschland und &Ouml;sterreich fl&auml;chendeckend verf&uuml;gbar ist und eine bessere Diagnostik von &Uuml;berbl&auml;hung und Emphysem erlaubt als die Spirometrie.<br />Unter diesem Gesichtspunkt m&uuml;sse, so Rabe, auch die Diskussion um das immer wieder behauptete Asthma-COPD-Overlap-Syndrom (ACOS) gesehen werden. Dabei setzt sich gegenw&auml;rtig die Ansicht durch, das ACOS keine eigene Entit&auml;t darstellt, sondern dass vielmehr ein nicht zu untersch&auml;tzender Anteil der Asthma- und COPD-Populationen Zeichen beider Erkrankungen zeigt.<sup>2</sup> &bdquo;An unserer Klinik ist ACOS als Diagnose verboten&ldquo;, so Rabe. &bdquo;Wir wollen, dass sich die &Auml;rzte zun&auml;chst festlegen, ob es sich vorwiegend um Asthma oder um COPD handelt. Wenn man mehr biologische Informationen &uuml;ber das Entz&uuml;ndungsmuster h&auml;tte, w&auml;re die Unterscheidung wohl einfacher. Aber diese Informationen haben wir nicht. Wir kennen zumeist den genetischen Hintergrund nicht, und wir wissen nicht, was im Mikrobiom los ist oder wie die Biopsie aussieht.&ldquo; In Zukunft werde eine verst&auml;rkte Erfassung dieser Parameter sowie der zugeh&ouml;rigen Risikofaktoren zu gr&ouml;&szlig;erer Sicherheit in der Diagnostik f&uuml;hren. Vieles ist hier noch ungekl&auml;rt. So gilt ACOS beispielsweise als assoziiert mit schlechter Prognose. Rabe verweist jedoch auf eine relativ rezente Arbeit, die die Prognose von ACOS-Patienten aus einer COPD-Kohorte untersuchte und dabei eine bessere Prognose fand als bei COPD-Patienten ohne Asthmacharakteristika.<sup>3</sup></p> <h2>Neue Studienlage ver&auml;ndert Behandlungspraxis</h2> <p>Wie sehr sich das Verst&auml;ndnis der COPD gegenw&auml;rtig wandle, habe nicht zuletzt die WISDOM-Studie gezeigt, die das &uuml;berraschende Ergebnis erbrachte, dass inhalative Kortikosteroide das Exazerbationsrisiko nicht reduzieren.<sup>4</sup> Rabe w&uuml;rde sich allerdings eine vergleichbare Studie mit getrennten Auswertungen von Emphysematikern und Bronchitikern w&uuml;nschen. Die FLAME-Studie, die die &Uuml;berlegenheit von Indacaterol-Glycopyrronium im Vergleich zu Salmeterol-Fluticason im Hinblick auf die Vermeidung von Exazerbationen demonstrierte,<sup>5</sup> trug ebenfalls zum Wandel in der Sicht der Erkrankung bei. Ob dies auf alle Patienten zutreffe, gelte es in Zukunft durch bessere Definition und Identifikation von Subpopulationen herauszufinden. Zum gegenw&auml;rtigen Wissensstand seien die Ergebnisse dieser Studien jedenfalls als praxisver&auml;ndernd zu betrachten. Rabe verweist auch auf Studiendaten, die ausgepr&auml;gte g&uuml;nstige Effekte von Lebensstilma&szlig;nahmen, insbesondere Bewegung, auf die Lebenserwartung von COPD-Patienten zeigen.<sup>6</sup> Ein antiinflammatorischer Effekt dieser Ma&szlig;nahmen sei eine denkbare Erkl&auml;rung.<br />Zu den zahlreichen neuen Faktoren, die im Verlauf einer COPD von Bedeutung sein k&ouml;nnen, z&auml;hlen, so Prof. Dr. Rainer Willy Hauck vom Klinikum Alt&ouml;tting, die epithelialen PAF-Rezeptoren (&bdquo;platelet-activating factor receptors&ldquo;). Diese erlauben Bakterien (insbesondere <span class="Copy-italic">Haemophilus influenzae</span> und <span class="Copy-italic">Streptococcus pneumoniae</span>) ein verbessertes Andocken an das Epithel und werden beispielsweise durch Exposition gegen&uuml;ber Zigarettenrauch verst&auml;rkt exprimiert. PAF-Rezeptor-Antagonisten stellen daher eine potenziell wirksame Strategie in der Reduktion von COPD-Exazerbationen dar. Nun gelang es einer australischen Gruppe in einer experimentellen Arbeit, mit dem PAF-R-Antagonisten WEB-2086 eine Reduktion der bakteriellen Adh&auml;sion an bronchialen Epithelzellen zu demonstrieren. WEB-2086 erwies sich dabei als nicht toxisch f&uuml;r die Epithelzellen.<sup>7</sup> PAF-R-Antagonisten k&ouml;nnten also, so Hauck, in Zukunft eine nicht antibiotische, antiinfekti&ouml;se Therapieoption darstellen, wiewohl sie sich noch in einem sehr fr&uuml;hen Stadium der Entwicklung befinden.</p> <p><strong>Quelle:</strong> <br />58. Kongress der Deutschen Gesellschaft f&uuml;r Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP), 22. bis 25. M&auml;rz 2017, Stuttgart. Sitzungen: &bdquo;ERS meets DGP &ndash; unmet needs in respiratory medicine&ldquo;, &bdquo;Pulmonale Infektionen &ndash; Clinical Year 2016 in Review&ldquo; und &bdquo;Die neuen deutschsprachigen Leitlinien im internationalen Vergleich&ldquo;</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Agust&iacute; A et al: Persistent systemic inflammation is associated with poor clinical outcomes in COPD: a novel phenotype. PLoS One 2012; 7(5): e37483 <strong>2</strong> Postma DS, Rabe KF: The asthma-COPD overlap syndrome. N Engl J Med 2015; 373(13): 1241-9 <strong>3</strong> Cosio BG et al: Defining the asthma-COPD overlap syndrome in a COPD cohort. Chest 2016; 149(1): 45-52 <strong>4</strong> Magnussen H et al: Withdrawal of inhaled glucocorticoids and exacerbations of COPD. N Engl J Med 2014; 371(14): 1285-94 <strong>5</strong> Wedzicha JA et al: Indacaterol-glycopyrronium versus salmeterol-fluticasone for COPD. N Engl J Med 2016; 374(23): 2222-34 <strong>6</strong> Waschki B et al: Physical activity is the strongest predictor of all-cause mortality in patients with COPD: a prospective cohort study. Chest 2011; 140(2): 331-42 <strong>7</strong> Shukla SD et al: An antagonist of the platelet-activating factor receptor inhibits adherence of both nontypeable Haemophilus influenzae and Streptococcus pneumoniae to cultured human bronchial epithelial cells exposed to cigarette smoke. Int J Chron Obstruct Pulmon Dis 2016; 11: 1647-55</p> </div> </p>
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