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COPD im Wandel: Entzündung oder Emphysem?
<p class="article-intro">Die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) gibt nach wie vor einige Rätsel auf. Angesichts der klinischen Erfahrungen stellt sich die Frage, ob nicht durch die Fokussierung auf die Lungenfunktion mehrere unterschiedliche Erkrankungen in denselben Topf geworfen werden.</p>
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<p class="article-content"><p>COPD tötet“, sagt Prof. Dr. Klaus Rabe von der LungenClinic Großhansdorf und verweist auf Daten aus dem White Book der European Respiratory Society (ERS), die die chronisch obstruktive Lungenerkrankung als weltweit viertwichtigste Todesursache ausweisen. Die Situation wird noch dadurch verschärft, dass aufgrund gemeinsamer Risikofaktoren zahlreiche Betroffene auch unter kardiovaskulären Erkrankungen leiden. In der Praxis sei heute zu beachten, dass die COPD-Sterblichkeit eine ausgeprägte soziale Komponente zeigt – mit einem deutlichen West-Ost- und Nord-Süd-Gefälle. Hinzu kommen massive Unterschiede in der Lebenserwartung zwischen verschiedenen Bildungsschichten, wobei höhere Bildung das Leben deutlich verlängert. Die therapeutischen Antworten sind nach wie vor suboptimal. Und dies habe, so Rabe, auch mit dem Konzept der Erkrankung selbst zu tun: „Wenn wir hier etwas bewegen wollen, dann müssen wir uns darüber klar werden, dass die Taxonomie der COPD Probleme in sich birgt. Die COPD ist ein Sammelbegriff von Phänomenen und Prozessen, die meiner Überzeugung nach biologisch und ätiologisch und damit auch im Hinblick auf das erforderliche Management wenig miteinander zu tun haben.“</p> <h2>Gewebe plus oder minus?</h2> <p>Letztlich könnte eine neue Pathophysiologie der COPD wieder an die alte und zeitweise etwas in Vergessenheit geratene Aufteilung in Entzündung und Emphysem anschließen. Rabe: „Wir haben einerseits eine Komponente, die mit Entzündung zu tun hat und zu strukturellen Veränderungen führt. Man könnte von einer <span class="Copy-italic">Gewebe-plus</span>-Komponente sprechen – der Atemweg wird dicker. Daneben gibt es aber auch die <span class="Copy-italic">Gewebe-minus</span>-Komponente, mit dem Verschwinden relevanter Strukturen der Lunge, das zur Bildung eines Emphysems führt. Es gibt gute Hinweise darauf, dass auch die kleinen Alveolen in diesen Prozess einbezogen sind. Dabei sind auch Elemente von Autoimmunität relevant.“ Im Konzept der beiden Patiententypen des „Blue Bloaters“ und des „Pink Puffers“ sei dies schon vor Jahrzehnten anschaulich und realitätsnah beschrieben worden. Nun werde man sich an den Gedanken gewöhnen müssen, dass diese beiden Formen der COPD „nicht ein und dieselbe Erkrankung sein können“. Nur wenn dies erkannt und in die therapeutischen Konzepte zur Behandlung der COPD einbezogen werde, sei mit deutlichen Verbesserungen der therapeutischen Optionen zu rechnen.</p> <h2>„Inflammaging“</h2> <p>COPD müsse im Zusammenhang mit der sich verändernden Altersstruktur der Gesellschaft gesehen werden. Rabe verweist in diesem Zusammenhang auf das Konzept des „Inflammagings“: Menschen hatten bis ins 16. Jahrhundert eine Lebenserwartung in der Größenordnung von 40 Jahren. Das Ansteigen der Lebenserwartung hat damit zu tun, dass wir mit Infektionen immer besser umgehen können. Das hat aber seinen Preis in Form einer Neigung zu Autoimmunität und chronischer Inflammation. Rabe: „Diese systemische Inflammation trifft vermutlich auf einen Teil der COPD-Patienten zu, aber eben nicht auf alle. Und deshalb ist es so wichtig, Subgruppen zu definieren.“ Zur Behandlung von chronischen Entzündungen könnten Biologika auch in der COPD-Therapie an Bedeutung gewinnen, wobei, so Rabe, diese Patienten möglicherweise mehr von den neuen Therapien profitieren würden, wenn man diese früher im Krankheitsverlauf einsetzte, als dies bisher in den wenig erfolgreichen Studien getan wurde. <br />Ein besonderer inflammatorischer COPD-Phänotyp mit ungünstiger Prognose wurde vor einigen Jahren beschrieben.<sup>1</sup> Dabei wurden verschiedene Entzündungsparameter bei COPD-Patienten, Rauchern ohne COPD sowie gesunden, nicht rauchenden Kontrollen erhoben. Deren Auswertung ergab, dass sowohl Raucher als auch COPD-Patienten mehr Inflammation aufwiesen als Kontrollen, dass sich die Zytokinmuster jedoch unterschieden. So waren Interleukin 6, Fibrinogen und High-Sensitivity-CRP bei COPD-Patienten häufiger auffällig als bei Rauchern mit normaler Lungenfunktion. Innerhalb der COPD-Gruppe zeigten Patienten mit mindestens zwei erhöhten Entzündungsparametern über drei Jahre sowohl eine höhere Exazerbationsrate als auch eine höhere Gesamtmortalität. Ausgeprägtere systemische Inflammation war auch mit klassischen Risikofaktoren wie Übergewicht sowie (unter anderem) mit kardiovaskulärer Erkrankung assoziiert.</p> <h2>Spirometrie in Zukunft weniger entscheidend</h2> <p>Wie im Rahmen des DGP-Kongresses zu erfahren war, wird die in Vorbereitung befindliche deutsch-österreichische Leitlinie zur COPD, ähnlich wie auch die GOLD-Empfehlungen, der Spirometrie in Zukunft geringeren Einfluss auf die Therapiegestaltung einräumen. In den deutsch-österreichischen Guidelines wird es jedoch, im Gegensatz zu GOLD, eine Empfehlung für die Bodyplethysmografie geben, die in Deutschland und Österreich flächendeckend verfügbar ist und eine bessere Diagnostik von Überblähung und Emphysem erlaubt als die Spirometrie.<br />Unter diesem Gesichtspunkt müsse, so Rabe, auch die Diskussion um das immer wieder behauptete Asthma-COPD-Overlap-Syndrom (ACOS) gesehen werden. Dabei setzt sich gegenwärtig die Ansicht durch, das ACOS keine eigene Entität darstellt, sondern dass vielmehr ein nicht zu unterschätzender Anteil der Asthma- und COPD-Populationen Zeichen beider Erkrankungen zeigt.<sup>2</sup> „An unserer Klinik ist ACOS als Diagnose verboten“, so Rabe. „Wir wollen, dass sich die Ärzte zunächst festlegen, ob es sich vorwiegend um Asthma oder um COPD handelt. Wenn man mehr biologische Informationen über das Entzündungsmuster hätte, wäre die Unterscheidung wohl einfacher. Aber diese Informationen haben wir nicht. Wir kennen zumeist den genetischen Hintergrund nicht, und wir wissen nicht, was im Mikrobiom los ist oder wie die Biopsie aussieht.“ In Zukunft werde eine verstärkte Erfassung dieser Parameter sowie der zugehörigen Risikofaktoren zu größerer Sicherheit in der Diagnostik führen. Vieles ist hier noch ungeklärt. So gilt ACOS beispielsweise als assoziiert mit schlechter Prognose. Rabe verweist jedoch auf eine relativ rezente Arbeit, die die Prognose von ACOS-Patienten aus einer COPD-Kohorte untersuchte und dabei eine bessere Prognose fand als bei COPD-Patienten ohne Asthmacharakteristika.<sup>3</sup></p> <h2>Neue Studienlage verändert Behandlungspraxis</h2> <p>Wie sehr sich das Verständnis der COPD gegenwärtig wandle, habe nicht zuletzt die WISDOM-Studie gezeigt, die das überraschende Ergebnis erbrachte, dass inhalative Kortikosteroide das Exazerbationsrisiko nicht reduzieren.<sup>4</sup> Rabe würde sich allerdings eine vergleichbare Studie mit getrennten Auswertungen von Emphysematikern und Bronchitikern wünschen. Die FLAME-Studie, die die Überlegenheit von Indacaterol-Glycopyrronium im Vergleich zu Salmeterol-Fluticason im Hinblick auf die Vermeidung von Exazerbationen demonstrierte,<sup>5</sup> trug ebenfalls zum Wandel in der Sicht der Erkrankung bei. Ob dies auf alle Patienten zutreffe, gelte es in Zukunft durch bessere Definition und Identifikation von Subpopulationen herauszufinden. Zum gegenwärtigen Wissensstand seien die Ergebnisse dieser Studien jedenfalls als praxisverändernd zu betrachten. Rabe verweist auch auf Studiendaten, die ausgeprägte günstige Effekte von Lebensstilmaßnahmen, insbesondere Bewegung, auf die Lebenserwartung von COPD-Patienten zeigen.<sup>6</sup> Ein antiinflammatorischer Effekt dieser Maßnahmen sei eine denkbare Erklärung.<br />Zu den zahlreichen neuen Faktoren, die im Verlauf einer COPD von Bedeutung sein können, zählen, so Prof. Dr. Rainer Willy Hauck vom Klinikum Altötting, die epithelialen PAF-Rezeptoren („platelet-activating factor receptors“). Diese erlauben Bakterien (insbesondere <span class="Copy-italic">Haemophilus influenzae</span> und <span class="Copy-italic">Streptococcus pneumoniae</span>) ein verbessertes Andocken an das Epithel und werden beispielsweise durch Exposition gegenüber Zigarettenrauch verstärkt exprimiert. PAF-Rezeptor-Antagonisten stellen daher eine potenziell wirksame Strategie in der Reduktion von COPD-Exazerbationen dar. Nun gelang es einer australischen Gruppe in einer experimentellen Arbeit, mit dem PAF-R-Antagonisten WEB-2086 eine Reduktion der bakteriellen Adhäsion an bronchialen Epithelzellen zu demonstrieren. WEB-2086 erwies sich dabei als nicht toxisch für die Epithelzellen.<sup>7</sup> PAF-R-Antagonisten könnten also, so Hauck, in Zukunft eine nicht antibiotische, antiinfektiöse Therapieoption darstellen, wiewohl sie sich noch in einem sehr frühen Stadium der Entwicklung befinden.</p> <p><strong>Quelle:</strong> <br />58. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP), 22. bis 25. März 2017, Stuttgart. Sitzungen: „ERS meets DGP – unmet needs in respiratory medicine“, „Pulmonale Infektionen – Clinical Year 2016 in Review“ und „Die neuen deutschsprachigen Leitlinien im internationalen Vergleich“</p></p>
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<p><strong>1</strong> Agustí A et al: Persistent systemic inflammation is associated with poor clinical outcomes in COPD: a novel phenotype. PLoS One 2012; 7(5): e37483 <strong>2</strong> Postma DS, Rabe KF: The asthma-COPD overlap syndrome. N Engl J Med 2015; 373(13): 1241-9 <strong>3</strong> Cosio BG et al: Defining the asthma-COPD overlap syndrome in a COPD cohort. Chest 2016; 149(1): 45-52 <strong>4</strong> Magnussen H et al: Withdrawal of inhaled glucocorticoids and exacerbations of COPD. N Engl J Med 2014; 371(14): 1285-94 <strong>5</strong> Wedzicha JA et al: Indacaterol-glycopyrronium versus salmeterol-fluticasone for COPD. N Engl J Med 2016; 374(23): 2222-34 <strong>6</strong> Waschki B et al: Physical activity is the strongest predictor of all-cause mortality in patients with COPD: a prospective cohort study. Chest 2011; 140(2): 331-42 <strong>7</strong> Shukla SD et al: An antagonist of the platelet-activating factor receptor inhibits adherence of both nontypeable Haemophilus influenzae and Streptococcus pneumoniae to cultured human bronchial epithelial cells exposed to cigarette smoke. Int J Chron Obstruct Pulmon Dis 2016; 11: 1647-55</p>
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