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Asthma, COPD, Emphysem – kein Stein bleibt auf dem anderen
Jatros
30
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14.07.2016
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<p class="article-intro">In der Diagnostik von Asthma bronchiale, COPD und Emphysem sind viele Faktoren neu zu betrachten. So bedeutet Eosinophilie nicht automatisch Asthma, Obstruktion ist nicht gleich COPD, und beim Emphysem gilt es, die unterschiedlichen Phänotypen zu unterscheiden.</p>
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<p class="article-content"><p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Pneumo_1603_Weblinks_Seite6.jpg" alt="" width="897" height="707" /> „Das Buch der obstruktiven Lungenerkrankungen wird gerade neu geöffnet. Wir wissen, dass wir diesbezüglich fast gar nichts wissen.“ Mit diesen Worten eröffnete Univ.-Prof. Dr. Christian Kähler vom Lungenzentrum Süd-West, Wangen im Allgäu, die Hauptsitzung zu Asthma, COPD und Emphysem im Rahmen des 13. PneumoUpdates 2016 in Igls. „Die COPD ist keine klassische Erkrankung mehr. Wir müssen viele Dinge unter einem neuen Licht betrachten.“</p> <h2>Diagnostik und Management obstruktiver Lungenerkrankungen</h2> <p>Zu den obstruktiven Lungenerkrankungen zählen COPD, Asthma bronchiale und Emphysem. „Aber auch Sarkoidose, Histiozytose X, Lymphangioleiomatose oder zystische Fibrose können eine obstruktive Ventilationsstörung verursachen“, veranschaulicht Kähler. „Die Diagnose einer Lungenerkrankung sowie die Beurteilung ihres Schweregrades müssen daher über das Ausmaß der Obstruktion erfolgen.“ Demnach bedeutet eine Obstruktion bei der Erstdiagnose nicht automatisch eine COPD, sondern zunächst eine obstruktive Ventilationsstörung, die weiter aufgeschlüsselt werden muss – idealerweise durch einen Pneumologen.</p> <p><strong>Maximale Bronchodilatation</strong></p> <p>Nach wie vor wird standardmäßig eine Broncholyse mit einem kurz wirksamen Betamimetikum durchgeführt, um zwischen COPD und Asthma bronchiale zu differenzieren. „Bei einer Verbesserung der FEV<sub>1</sub> über 12 % und ≥200ml ist die Broncholyse positiv und die Obstruktion reversibel, was für Asthma bronchiale spricht“, erklärt Kähler. In der UPLIFT-Studie wurde ein zweiter Ansatz für diesen Test gewählt, der heute in der Therapie eingesetzt wird: Für die Broncholyse wurde zusätzlich zum Betamimetikum ein Anticholinergikum eingesetzt, also eine duale Bronchodilatation, um den maximalen Effekt zu erreichen.<sup>1</sup> „Dabei hat sich gezeigt, dass über 50 % der Patienten mit einer COPD im Stadium II im Broncholysetest positiv waren, aber auch 40 % der Patienten mit COPD im Stadium III und sogar 3–4 % der Patienten mit COPD im Stadium IV“, so Kähler. „Dies wurde in anderen Studien bestätigt. Der Broncholysetest kann auf eine Reversibilität hinweisen, aber nicht mehr zur Differenzialdiagnose zwischen COPD und Asthma herangezogen werden.“</p> <p><strong>Auch die Entzündung zählt</strong><br /> „Wenn sich die Hinweise auf Asthma verdichten, so war bisher klar, dass die Eosinophilen überwiegen und die Neutrophilen keine so große Rolle spielen“, erläutert Kähler. Aber die Sache wird komplexer: Nach Rothe et al werden folgende Asthmatypen je nach Entzündungskomponente unterschieden:<sup>2</sup></p> <ul> <li>Asthma mit eosinophiler Entzündung: allergisches Asthma (IgE-vermittelt), intrinsisches Asthma</li> <li>Asthma mit neutrophiler Entzündung: neutrophiles Asthma (mit oder ohne allergische Reaktion), adipöser nicht­eosinophiler Asthma-Phänotyp, belas­tungsinduzierte Bronchokonstriktion beim Athleten</li> <li>Berufsasthma: IgE-vermittelt, chemisch-irritativ</li> <li>therapierefraktäres Asthma: schweres Asthma und schwer zu kontrollierendes Asthma</li> </ul> <p>„Eine neutrophile Entzündung ist bei Asthma möglich, sie kann mit einer allergischen Reaktion vergesellschaftet sein oder auch nicht, sie ist häufig infektgetriggert und kaum steroidsensitiv, da Neutrophile nicht auf Kortikosteroide ansprechen“, weiß Kähler.</p> <p><strong>COPD und ICS</strong><br /> Bei der COPD stehen hauptsächlich Neutrophile im Mittelpunkt. Ein wichtiger Faktor im Management ist neben der maximalen Bronchodilatation die Un­terbindung von Exazerbationen. In den Empfehlungen sind nach wie vor inhalative Steroide (ICS) als primäre Option für alle COPD-Patien­ten enthalten. „ICS bieten einen gewissen Benefit bei COPD-Exazerbationen, aber sie erhöhen auch die Rate an Pneumonien, die wiederum einer schweren Exazerbation entsprechen“, gibt Kähler zu bedenken.<sup>3</sup> ICS müssen also richtig eingesetzt werden: Denn Patienten mit Eosinophilie wiederum profitieren hinsichtlich der Exa­zerbationen von ICS, „dies haben auch rezentere Studien bestätigt“, sagt Kähler.<sup>4</sup> „Die Diagnose von Lungenerkrankungen ist komplexer geworden und erfordert bei bestimmten Patienten ein Feintuning.“</p> <h2>Emphysemphänotypen unterscheiden</h2> <p>„Es wird noch komplizierter, denn unter dem Begriff Emphysem sind sehr viele Phänotypen subsumiert“, ergänzt Prof. Dr. Andreas Rembert Koczulla, Klinik für Innere Medizin, Schwerpunkt Pneumologie, Universitätsklinikum Marburg. Die emphysematische Lunge weist abnormale, permanente Erweiterungen der distalen Bronchien auf, welche mit der Zerstörung der Architektur unabhängig von einer Fibrose assoziiert sind.<sup>5</sup> Bei der COPD tritt das Emphysem wesentlich häufiger auf als bei Asthma.</p> <p><strong>Zentrilobuläres Emphysem (CLE)</strong><br /> Das CLE wird in 5 Untertypen eingeteilt:<sup>6</sup></p> <ul> <li>in Spuren vorhandenes CLE: minimale zentrilobuläre Aufhellungen (<0,5 % eines Lungenbereiches)</li> <li>mildes CLE (0,5–5 % eines Lungenbereiches)</li> <li>moderates CLE (>5 % eines Lungenbereiches)</li> <li>konfluentes CLE (große Bereiche mit maximal destruierenden Veränderungen, aber erhaltener Architektur)</li> <li>fortgeschrittenes, destruktives Emphysem (ADE) – ohne Alpha-1-Antitrypsinmangel (AAT1-Mangel): Die Lunge ist maximal zerstört, die Architektur ist zum Teil aufgehoben (Destruktionen über die Lobulusgrenze hinweg).</li> </ul> <p>„Ein zentrilobuläres Emphysem kann so weit fortschreiten, dass es sich zu einem panlobulären Emphysem entwickelt“, unterstreicht Koczulla.</p> <p><strong>Panlobuläres Emphysem</strong><br /> „Bei dieser Ausprägung ist eine Abgrenzung zum AAT1-Mangel notwendig“, stellt Koczulla klar. „Jeder Patient mit einer COPD bzw. mit einem fixierten Asthma bronchiale sollte einmal auf AAT1-Mangel getestet werden.“ Panazinäre Veränderungen sind beim panlobulären Emphysem typisch, es kommt zu einer maximalen Destruktion, die über die anatomischen Strukturen hinausgeht.</p> <p><strong>Paraseptales Emphysem (PSE)</strong><br /> Hierbei werden zwei Formen unterschieden: die milde Ausprägung mit Veränderungen <1cm sowie die substanzielle paraseptale Form mit juxtapleuralen Veränderungen >1cm.</p> <p><strong>Medikamentöse Therapie</strong><br /> Kein Medikament kann derzeit die strukturellen Veränderungen aufgrund eines Emphysems rückgängig machen oder therapieren. Aber mit lang wirksamen Betamimetika (LABA) bzw. lang wirksamen Muskarinrezeptorantagonisten (LAMA) kann die Überblähung als Folge der strukturellen Veränderungen reduziert werden.<sup>7</sup> Bei einem Emphysem aufgrund eines AAT1-Mangels hat sich im RAPID-Trial nach 24 Monaten gezeigt, dass die Lungenstruktur unter Placebo rascher abnimmt als unter dem Alpha-1-Proteinase-Inhibitor.<sup>8</sup></p> <p><strong>Training</strong><br /> Die ATS/ERS-Leitlinien empfehlen Kraft- und Ausdauertraining (2–3 mal pro Woche mit 60–70 % der Maximalbelas­tung, 1–3 Sets und 8–12 Wiederholungen, bzw. 3–5-mal pro Woche mit 60 % der Maximalbelastung bei einer Dauer von 20–60min), z.B. Laufen oder Radfahren.<sup>9</sup> Ein Intervalltraining wird bei Patienten mit schweren Atemwegsobstruktionen und geringer Leistungsfähigkeit (<60 % ), niedriger O<sub>2</sub>-Sättigung (≤85 % ), starker Dyspnoe und zeitlich geringer Belastbarkeit (<10min) empfohlen.</p> <p><strong>Endoskopie</strong><br /> „Sehr kontrovers diskutiert werden Ventile und Coils“, so Koczulla. Eine signifikante Verbesserung von Lungenfunktion und Trainingskapazität konnte bei Patienten mit schwerem Emphysem ohne Kollateralventilation durch eine Ventilimplantation erreicht werden.<sup>10</sup> Den Effekt von endobronchialen Coils bei Patienten mit Emphysem und schwerer Überblähung untersuchte rezent eine Gruppe um Sciurba.<sup>11</sup> Die Verbesserung war nur moderat und das Risiko für schwere Komplikationen erhöht. „Die endoskopische Lungenvolumenreduktion sollte nicht außerhalb von klinischen Studien durchgeführt werden“, zitiert Koczulla die GOLD-Leitlinien.</p> <p><strong>Chirurgie</strong><br /> „Daten der National Emphysem Treatment Trial Research Group von mehr als 1.200 Patienten zeigen, dass die Emphysemchirurgie keinen Überlebensvorteil gegenüber der medikamentösen Therapie bringt“, berichtet Koczulla.<sup>12</sup> „Allerdings profitieren Patienten mit apikal betontem Emphysem mit einem deutlichen Überlebensvorteil von einer Operation, was auch die GOLD-Leitlinien festhalten.“ <br />Koczulla abschließend: „Die Phänotypisierung der Emphysempatienten und das korrekte Auswählen der aktuell vorhandenen Therapien sind deshalb immens wichtig.“</p></p>
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<p><strong>1</strong> Tashkin DP et al: Eur Respir J 2008; 31(4): 742-50 <br /><strong>2</strong> Rothe T et al: Praxis 2013; 112: 211-8 <br /><strong>3</strong> Calverley PM et al: N Engl J Med 2007; 356(8): 775-89 <br /><strong>4</strong> Boorsma M et al: COPD 2008; 5(2): 97-104 <br /><strong>5</strong> Storbeck B et al: Rofo 2015; 187(7): 543-54 <br /><strong>6</strong> Lynch DA et al: Radiology 2015; 277(1): 192-205 <br /><strong>7</strong> Watz H et al: BMC Pulm Med 2009; 14: 158 <br /><strong>8</strong> Chapman KR et al: Lancet 2015; 386(9991): 360-8 <br /><strong>9</strong> Spruit MA et al: Am J Respir Crit Care Med 2013; 188(8): e13-64 <br /><strong>10</strong> Kloos­ter K et al: N Engl J Med 2015; 373(24): 2325-35 <br /><strong>11</strong> Sciurba FC et al: JAMA 2016; 315(20): 2178-89 <br /><strong>12</strong> Fishman A et al: N Engl J Med 2003; 348(21): 2059-73</p>
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