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Antimikrobielle Resistenzen und Gegenstrategien
Jatros
30
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28.03.2019
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<p class="article-intro">In der Infektiologie gibt es eine sehr klare Problemstellung: Die zunehmende Zahl von resistenten Bakterienstämmen führt zu erhöhter Mortalität; gleichzeitig hinkt die Entwicklung neuer antimikrobieller Substanzen weiterhin der Resistenzentwicklung hinterher. Was man dagegen tun kann und sollte, erläuterte Univ.-Prof. Dr. Heinz Burgmann, neuer Leiter der Klinischen Abteilung für Infektionen und Tropenmedizin an der MedUni Wien, in seiner Antrittsvorlesung.</p>
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<p class="article-content"><p>Die goldene Ära der Antibiotika dauerte etwa von 1950 bis zum Ende der Siebzigerjahre“, erläuterte Univ.-Prof. Dr. Heinz Burgmann, Leiter der Klinischen Abteilung für Infektionen und Tropenmedizin, MedUni Wien, bei seiner Antrittsvorlesung. „Damals war man der Meinung, die Infektionskrankheiten im Wesentlichen besiegt zu haben.“</p> <h2>Resistenzbildung unterschätzt</h2> <p>Diese allzu optimistische Ansicht führte dazu, dass in den letzten zwei Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts kaum neue Antibiotika eingeführt wurden. Gleichzeitig stiegen die Raten der Resistenzen gegen die verfügbaren Substanzen an. Laut einem britischen Report soll die Zahl der Menschen, die an multiresistenten Keimen sterben, bis zum Jahr 2050 allein in Europa auf 390 000 ansteigen – in Afrika und Asien wären es jeweils mehr als vier Millionen. „Die Antibiotikaresistenz ist natürlich nicht nur ein Problem der Infektiologen, sondern betrifft nahezu die gesamte Medizin – viele moderne Verfahren, wie z.B. Transplantationen, wären ohne Antibiotika gar nicht möglich“, betonte Burgmann.<br /> Resistenzbildungen sind jedoch kein neues Phänomen. Resistenzen gegen in der Natur vorkommende antimikrobielle Substanzen – und gegen die davon abgeleiteten Antibiotika – wurden selbst bei Bakterien gefunden, die nie in Kontakt mit Antibiotika gekommen waren. Resistenzbildung ist also ein natürlicher Prozess der Evolution.</p> <h2>Was ist die Lösung?</h2> <p>Die Lösung des Resistenzproblems kann nur durch einen multidisziplinären Ansatz erfolgen, der alle Verwender von Antibiotika einschließt, nicht zuletzt die Landwirtschaft – werden doch 45 % aller Antibiotika in der Tierzucht verwendet.<br /> Der nationale Aktionsplan zur Antibiotikaresistenz, der 2018 publiziert wurde, fordert sogenannte ASP-Teams („Antibiotic Stewardship Program“) für alle Krankenanstalten in Österreich. Weiters muss jedes Krankenhaus seinen Antibiotikaverbrauch standardisiert dokumentieren.<br /> Darüber hinaus ist die Erhebung der lokalen Resistenzsituation in Zusammenarbeit mit der Mikrobiologie von Bedeutung. Und schließlich werden die erhobenen Daten spitalsweit und an den einzelnen Abteilungen besprochen und entsprechende Konsequenzen abgeleitet.<br /> Der zweite wichtige Punkt ist Forschung. „Diese muss innovativ, interdisziplinär und translational sein“, forderte der Infektiologe. Mit anderen Worten: Die Erkenntnisse der Grundlagenforschung müssen es auch bis in die klinische Entwicklung schaffen.<br /> Leider sieht es mit den Investitionen in die Entwicklung neuer antimikrobieller Wirkstoffe schlecht aus: Weniger als 5 % des Venture-Kapitals, das zwischen 2003 und 2013 für pharmazeutische Forschung und Entwicklung ausgegeben wurde, wurde für Antibiotikaentwicklung verwendet.</p> <h2>Neue Forschungsprojekte</h2> <p>„Wir haben im Rahmen eines stark vernetzten Forschungsprojekts 1600 marine Mikroben untersucht und 5000 Extrakte sowie 500 Substanzen gescreent; dieses Projekt ist noch im Gang“, erläuterte Burgmann.<br /> Ebenso wichtig ist es jedoch, die Verwendung der vorhandenen Antibiotika weiter zu untersuchen, etwa was die Pharmakokinetik angeht. Hier spielt die Mikrodialyse eine große Rolle. Mit dieser Methode können lokale Gewebskonzentrationen gemessen werden.<br /> Um die Versuche an höher entwickelten Tieren wie Ratten oder Mäusen zu reduzieren, wurde ein Infektionsmodell an der Großen Wachsmotte (<em>Galleria mellonella</em>) entwickelt, welches das Studium von Infektionen erlaubt. „Auch die Erforschung von Biofilmen ist ein wichtiger Aspekt“, so Burgmann.<br /> Einer der nächsten geplanten Schritte ist die Etablierung eines Kompetenzzentrums für Infektionsmedizin zur Optimierung von Patientenpfaden, wie Burgmann abschließend erklärte.</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: Antrittsvorlesung von Univ.-Prof. Dr. Heinz Burgmann,
Klinische
Abteilung für Infektionen und Tropenmedizin,
30. November 2018, MedUni Wien
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