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Aktuelles zur CMV-Infektion
Jatros
30
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20.12.2018
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<p class="article-intro">Das Zytomegalievirus (CMV) gehört zu jenen viralen Erregern, die vor allem bei immunsupprimierten Patienten Probleme machen können. Die Reaktivierung einer latenten Infektion mit dem CMV kommt bei kritisch kranken Patienten und bei Patienten nach Organtransplantationen häufig vor. Neue Optionen in der Prophylaxe und vielleicht auch in der Therapie ergänzen das Behandlungsrepertoire.</p>
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<p class="article-content"><h2>Basics zur CMV-Infektion</h2> <p>„Das CMV befällt bei der Primärinfektion vor allem myeloide Vorläuferzellen“, erklärte Assoc. Prof. Priv.-Doz. Dr. Lukas Weseslindtner, Zentrum für Virologie, Med- Uni Wien. „Wenn sich daraus nun reifere Zellen entwickeln, kann es aus diesen zu einer Reaktivierung der Infektion kommen. Dies betrifft hauptsächlich Makrophagen und dendritische Zellen.“ Aber auch in anderen Organen kann CMV replizieren, zum Beispiel in den Gefäßen, der Lunge, der Leber, der Niere oder dem Darm. <br />Bei immunkompetenten Personen wird die CMV-Infektion oder deren Reaktivierung durch eine virusspezifische Immunantwort (vor allem CD8<sup>+</sup>- und CD4<sup>+</sup>-Zellen) in Schach gehalten und bedarf in der Regel keiner Therapie. <br />Anders ist das bei Immunsuppression – insbesondere Empfänger von Organtransplantaten sind häufig von CMV-Reaktivierungen betroffen. Je nach Wirkung der postoperativen immunsuppressiven Behandlung, die eine Transplantatabstoßung verhindern soll, ist dies typischerweise in der mittleren (1–6 Monate post transplant) und späten Phase (>6 Monate) nach dem Eingriff der Fall. Ein besonders hohes Risiko liegt vor allem dann vor, wenn der Organspender CMV-positiv, der Empfänger jedoch CMV-negativ ist, da es in diesem Fall durch die Transplantation eines CMV-infizierten Organs zur Erstinfektion unter Immunsuppression kommt – bei Fehlen eines ausgebildeten immunologischen Gedächtnisses. <br />Durch eine antivirale Prophylaxe kann das Risiko einer CMV-Reaktivierung signifikant gesenkt werden. Die zur Prophylaxe und/oder Therapie bisher verwendeten antiviralen Substanzen, Ganciclovir, Cidofovir und Foscarnet, haben im Wesentlichen alle den gleichen Ansatzpunkt, nämlich die DNA-Polymerase des CMV. Allerdings sind die genauen Wirkmechanismen bei jeder der drei Substanzen etwas anders. <br />Zwei neue Substanzen, Maribavir<sup>a</sup> und Letermovir<sup>b</sup>, haben jeweils andere Ansatzpunkte: Im Fall von Maribavir ist es eine CMV-Proteinkinase, im Fall von Letermovir hingegen der virale Terminasekomplex, der für die Spaltung der reproduzierten viralen DNA vor der Verpackung zuständig ist.</p> <h2>Unterschiedliche Strategien</h2> <p>Beim Versuch, die klinischen Folgen einer CMV-Infektion nach der Transplantation zu minimieren, müssen zwei Strategien unterschieden werden: die antivirale Prophylaxe und die präemptive Therapie. Nicht selten wird auch eine Kombination von CMV-Prophylaxe und präemptiver Therapie eingesetzt, beispielsweise bei Patienten nach Lungentransplantation oder auch anderen Transplantationen solider Organe. „Die notwendige Voraussetzung für eine präemptive Therapie ist eine adäquate Diagnostik, wobei die Standardmethode heute das CMV ‚Nucleic Acid Amplification Testing‘, kurz NAT, ist“, so Weseslindtner.</p> <p>„Ein wesentlicher Punkt ist der gewählte Cut-off-Wert der Viruslast, ab dem man eine Therapie beginnt. Dies ist eine keineswegs triviale Entscheidung“, betonte der Virologe. Die bisher verwendeten Substanzen haben allerdings Nebenwirkungen, die gerade bei Transplantationspatienten problematisch sein können, etwa Nephrotoxizität bei Nierentransplantierten (Tab. 1).</p> <p>Die beiden wesentlichen Gründe für die Entwicklung neuer Therapeutika gegen CMV bestehen einerseits im Nebenwirkungsspektrum, andererseits in der Resistenzentwicklung.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Infekt_1804_Weblinks_s15_tab1.jpg" alt="" width="1417" height="480" /></p> <h2>Fakten zu Letermovir</h2> <p>Die aktuelle Zulassung von Letermovir lautet: Prophylaxe einer CMV-Reaktivierung und -Erkrankung bei erwachsenen CMV-seropositiven Empfängernc einer allogenen hämatopoetischen Stammzelltransplantation.<br /> Letermovir hemmt die drei Untereinheiten des Terminasekomplexes, UL51, UL56 und UL89. Bisher sind keine Kreuzresistenzen mit anderen antiviralen Substanzen bekannt. Die Substanz ist daher aktiv gegen CMV-Stämme, die Resistenzen gegen andere Anti-CMV-Medikamente aufweisen. „Letermovir ist nur gegen CMV, nicht gegen irgendwelche anderen Viren aktiv“, betonte Weseslindtner. Als mögliche, wenngleich derzeit nicht zugelassene Verwendungsmöglichkeit ist einerseits die Behandlung von Patienten mit hoher CMVViruslast, andererseits auch die Therapie von multiresistenten CMV-Stämmen zu diskutieren.<br /> Letermovir wird in der Regel gut vertragen und weist insgesamt wenige Nebenwirkungen auf. An häufigen Nebenwirkungen sind Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö, Bauchschmerzen, periphere Ödeme, Husten, Kopfschmerzen und Müdigkeit beschrieben. Der Wirkstoff verursacht nach derzeitigem Wissensstand jedoch keine Nephrotoxizität und keine Myelosuppression.<br /> Die mediane Zeit bis zum Erreichen der maximalen Plasmakonzentration von Letermovir beträgt 1,5 Stunden, die Halbwertszeit liegt bei 10 Stunden. Die Standarddosis liegt bei 480mg pro Tag (bei gleichzeitiger Gabe von Ciclosporin wird eine Dosisreduktion auf 240mg empfohlen).<br /> „Für Patienten nach Nierentransplantation gibt es einerseits eine Phase-II-Studie zur präemptiven Therapie, andererseits läuft eine weitere Phase-III-Studie zur Prophylaxe“, so Weseslindtner abschließend.</p> <h2>Wertigkeit des CMV-Nachweises bei intensivstationären (ICU) Patienten</h2> <p>„Zunächst muss man wohl feststellen, dass es ,den‘ ICU-Patienten natürlich nicht gibt, das ist doch eine sehr heterogene Patientengruppe“, betonte Prof. Dr. Thomas Mertens, Institut für Virologie, Universitätsklinikum Ulm. „Hier ist es im Zusammenhang mit CMV sinnvoll, zwischen immunkompetenten und immundefizienten ICU-Patienten zu unterscheiden, wobei der Übergang natürlich fließend ist; es gibt keine scharfe Grenze. Zudem kommt es auch darauf an, welches Organsystem – im Kontext der Grundkrankheit – von der CMV-Reaktivierung betroffen ist.“ Bei Patienten nach Nierentransplantation wurde gezeigt, dass nicht nur die Immunsuppression, sondern auch die Organabstoßung mit dem Auftreten von CMV-Reaktivierungen assoziiert ist.<br /> „Im Rahmen einer prospektiven klinischen Studie bei Patienten ohne besondere Immunsuppression konnten wir Folgendes beobachten“, fuhr Mertens fort. „Eine aktive CMV-Infektion trat in der frühen Phase eines septischen Schocks bei 7 von 23 seropositiven Patienten auf. Eine aktive CMV-Infektion war mit längerer Beatmungszeit und längerer Verweildauer auf der ICU assoziiert.“<br /> Eine proinflammatorische Immunantwort könnte die CMV-Reaktivierung auslösen. CMV kann auch in Anwesenheit spezifischer Th1-Zellen reaktiviert werden; umgekehrt führt die aktive CMV-Infektion zur Expansion spezifischer Th1- Zellen und die aktive CMV-Infektion wird spontan beendet. Natürliche Killerzellen bleiben dabei supprimiert. „Es dürfte also die adaptive T-Zell-Antwort und nicht die NK-Aktivität sein, die in dieser Situation zur spontanen Terminierung der CMV-Infektion auch ohne antivirale Therapie führt“, kommentierte Mertens.<br /> Eine 2017 publizierte Metaanalyse von 22 Studien zeigte, dass eine CMV-Reaktivierung bei kritisch kranken Patienten mit schlechteren klinischen Outcomes und höheren Kosten für das Gesundheitssystem verbunden ist. Es bleibt dabei noch unklar, ob die CMV-Reaktivierung eine kausale Rolle spielt oder ob sie einen Surrogatparameter für eine schwerere Erkrankung darstellt.<br /> „Bei ICU-Patienten kommt eine CMV-Reaktivierung häufig vor. Wenn es sich um nicht immunkompetente Patienten handelt, zum Beispiel nach Transplantationen, sollte regelmäßig quantitativ virologisch untersucht werden, um gegebenenfalls frühzeitig eine Therapie beginnen zu können“, so Mertens abschließend.</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: „Neue Therapieoptionen bei CMV-Infektionen“, Vortrag
von Assoc. Prof. Priv.-Doz. Dr. Lukas Weseslindtner, Zentrum
für Virologie, MedUni Wien, und „Wertigkeit des
CMV- bzw. HSV-Nachweises bei ICU-Patienten“, Vortrag
von Prof. Dr. Thomas Mertens, Institut für Virologie, Universitätsklinikum
Ulm, im Rahmen der 26. Jahrestagung
der Paul-Ehrlich-Gesellschaft, 4. Oktober 2018, Wien
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