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Gesundheit und Politik

Corona: Die Pandemiebewältigung in der Schweiz unter der Lupe

Bern - Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hat im ersten Pandemiejahr seine Aufgaben «grundsätzlich gut bewältigt», wie eine externe Evaluation zeigt. Jedoch gibt es insbesondere bei der Krisenvorbereitung und beim Krisenmanagement Luft nach oben.

Die Analyse hatte der Bund im Jahr 2020 selbst eingeleitet. An die Arbeit machte sich danach ein Expertengremium mit Vertretern von zwei Forschungs- und Beratungsunternehmen, eines Anwaltsbüros sowie von zwei inländischen und zwei ausländischen Hochschulen und Universitäten. Die Gruppe evaluierte die Covid-19-Krisenbewältigung des Bundes bis zum Sommer 2021 – etwa auf Basis einer Bevölkerungsbefragung, von Experteninterviews und vorhandener Literatur.

Der am Dienstag in Bern vorgestellte Schlussbericht zeigt, dass Bund und Kantone die Pandemie grundsätzlich gut bewältigt und meist angemessen auf die Bedrohung reagiert haben. Die Analyse offenbart aber auch, dass die Krisenvorbereitung teils nicht ausreichend war und das Krisenmanagement zu Beginn in einzelnen Bereichen nicht optimal funktioniert hat.

Kritik an Schulschliessungen

Als «nicht angemessen» wurden etwa die Schulschliessungen im Frühling 2020 beurteilt. «Diese führten zu grossen Belastungen von Eltern, Kindern sowie Jugendlichen und ziehen möglicherweise einschneidende Folgen für die Bildungsentwicklung zahlreicher Kinder und Jugendlicher nach sich», heisst es im Expertenbericht. Weiter sei die Angemessenheit des Verbots von nicht dringend angezeigten medizinischen Eingriffen infrage zu stellen.

Auch der Umgang mit besonders gefährdeten Bevölkerungsgruppen – also älteren Menschen und Bewohnern von Alters- und Pflegeheimen – wird kritisch bewertet. Die strengen Schutzmassnahmen in Form von Ausgangs- und Besuchsverboten hätten «zu grossem Leid» sowie zum Teil zu «negativen gesundheitlichen Auswirkungen» bei den Bewohnern sowie deren Angehörigen geführt.

Als Ursache für diese Probleme sehen die Experten «die mangelnde Krisenvorbereitung bei Bund, Kantonen und betroffenen Institutionen». Auch das BAG sei «organisatorisch unzureichend auf die Corona-Pandemie vorbereitet» gewesen.

«Krisenhandbücher nicht breit bekannt»

Das Krisenmanagement des BAG litt laut den Experten zudem unter länger bestehenden Problemen wie dem Fehlen sowohl einer digitalen Strategie als auch einer Lagerhaltung von Schutzmaterial, was sich kurzfristig, während der Bewältigung der Pandemie, nicht lösen liess. Auch seien Abläufe innerhalb des BAG vorgängig nicht klar definiert worden. «Die Krisenhandbücher des Amts waren nicht breit bekannt.»

Im internationalen Vergleich gut bewertet wurde die Gesundheitsversorgung, die «stets in hoher Qualität gewährleistet» gewesen sei. «Das BAG hat den Auftrag, die Bevölkerung zu schützen, sehr ernst genommen», heisst es in der Zusammenfassung der Evaluation.

Zudem seien die Corona-Massnahmen bei der Bevölkerung auf breite Akzeptanz gestossen. Die Angemessenheit verschiedener, zum Teil umstrittener Massnahmen seien sowohl von der Stimmbevölkerung als auch vom Bundesgericht bestätigt worden.

Der nationale Lockdown in der ersten Welle sei zeitgerecht gewesen, weil es gelungen sei, die Verbreitung der Infektion rechtzeitig einzudämmen. Auch die Massnahmen in der dritten Corona-Welle beurteilt der Bericht positiv.

Gesetzesänderungen angezeigt

Der Evaluationsbericht enthält fünf Empfehlungen, die sich teils an den Bund, an das BAG oder an die Kantone richten. Dem BAG wird grundsätzlich empfohlen, sich organisatorisch besser auf eine nächste Krise vorzubereiten. Dazu sollen die notwendigen Ressourcen sichergestellt und das Krisenmanagement regelmässig geübt werden.

Das BAG betont in seiner Stellungnahme, dass verschiedene Massnahmen zur Verbesserung bereits umgesetzt seien. So habe das BAG das Meldesystem verbessert und die wesentlichen Kennzahlen der Pandemie auf einem Dashboard der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Aktuell werde ein Infoportal zu allen meldepflichtigen Krankheiten erarbeitet.

Das BAG will nach eigenen Angaben die Erkenntnisse aus der vorliegenden Evaluation nutzen und im Rahmen der Revision des Epidemiengesetzes und des nationalen Pandemieplans aufnehmen. Beides soll bis 2024 abgeschlossen sein. (sda/red)

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