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Wo stehen Mini- und Ultramini-PCNL gegenüber URS?
Urologik
Autor:
Prof. Harun Fajkovic
E-Mail: harun.fajkovic@meduniwien.ac.at<br> Universitätsklinik für Urologie, Medizinische Universität Wien
Autor:
Dr. Nathalie Garstka, BSc.
E-Mail: nathalie.garstka@meduniwien.ac.at
30
Min. Lesezeit
14.12.2016
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<p class="article-intro">Urolithiasis ist ein in der Allgemeinbevölkerung verbreitetes Krankheitsbild mit einer Prävalenz von nahezu 2 bis 3 % . Schätzungsweise bilden 50 % der Patienten, die einmal einen Nieren- bzw. Ureterstein hatten, in den folgenden Jahren erneut Konkremente aus.<sup>1</sup> </p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Key Points</h2> <ul> <li>Die Therapie der Urolithiasis unterlag in den letzten 10 bis 20 Jahren einem Paradigmenwandel.</li> <li>Ein Entwicklungsschwerpunkt ist es, die Balance zwischen Steinfreiheit, Morbidität/Komplikationen und ökonomischen Aspekten zu finden.</li> <li>Mini-PCNL und Ultramini-PCNL (UMP) sind Therapieverfahren, die hervorragende Steinfreiheitsraten zeigen. Sie sind weniger invasiv als die Standard-PCNL und kostengünstiger als die fURS.</li> </ul> </div> <p>Generell ist die Wahrscheinlichkeit, einen Nierenstein auszubilden, von unterschiedlichen Variablen abhängig: Alter, Geschlecht, Gewicht, ethnischer Herkunft, geografischer Lokalisation usw. Männer leiden in einem Verhältnis von 2–3 zu 1 an Nierensteinen. Kaukasier zeigen im Vergleich zu Asiaten, Hispanics und Afroamerikanern die höchste Inzidenz.<sup>2</sup> Seit Entwicklung der perkutanen Nephrolitholapaxie (PCNL) als perkutane Steintherapie in den 1980er-Jahren etablierte sich dieses Verfahren zum Goldstandard für Nierenbeckenausgusssteine und große singuläre Nierensteine. Der aktuelle Behandlungsalgorithmus der EAU (Abb. 1) empfiehlt bei allen Nierensteinen, die größer als 2cm sind, primär eine PCNL. Bei Konkrementen zwischen 1 und 2cm, bei denen keine extrakorporale Stoßwellenlithotripsie (ESWL) infrage kommt, werden PCNL und flexible Ureterorenoskopie (fURS) als gleichwertige Therapieoptionen betrachtet. Dabei zeigen sich exzellente Steinfreiheitsraten (SFR) zwischen 76 und 98 % .<sup>3</sup> <br />Hinsichtlich Patientensicherheit und Effizienz ist die fURS eine hervorragende Methode zur Steinsanierung. Ein wesentlicher Nachteil dieser Technik ist der Gebrauch von Instrumentarien, die nach dem Einmalgebrauch verworfen werden, etwa Körbchen, Drähte und Schleusen.<sup>4</sup> Dies stellt einen nicht unwesentlichen Kostenfaktor dar, sodass Alterna­tiv­ver­fahren mit wenig mehrfach ver­wend­barem Zubehör attraktiv erscheinen. Zudem war und ist es Zielsetzung, eine Technik zu entwickeln, die eine Balance hält zwischen SFR und Patientensicherheit.<sup>5</sup> <br />Bei der PCNL werden Komplikationen in erster Linie mit dem Zugangsweg in Verbindung gebracht. Dazu zählen die transfusionspflichtige Blutung, Infektionen, Extravasationen von Spülflüssigkeit und Nachbarorganverletzungen.<sup>1, 6</sup> Je größer das Instrument, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit einer signifikanten Parenchym­verletzung. Zwischen 0,6 und 1,4 % der Patienten benötigen nach PCNL eine Angioembolisation für eine unstillbare Blutung.<sup>7</sup> Interessanterweise scheinen Blutungskomplikationen selbst bei Patienten, die perioperativ ihre Therapie mit Thrombozytenaggregationshemmern wie Aspirin fortgesetzt haben, nicht häufiger aufzutreten. Otto et al verglichen in einer retrospektiven Monozenterstudie die Komplikationen zweier Patientengruppen (n=285), die zwischen 2012 und 2015 eine PCNL erhielten und ihre Aspirintherapie entweder fortsetzten oder nicht. In beiden Gruppen zeigte sich kein Unterschied hinsichtlich der Notwendigkeit von Bluttransfusionen, der Anzahl von Angioembolisationen oder anderen Komplika­tionen.<sup>8</sup> <img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Urologik_Uro_1604_Weblinks_seite23.jpg" alt="" width="427" height="1091" /> <img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Urologik_Uro_1604_Weblinks_seite24.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>Weiterentwicklung der Standard-PCNL</h2> <p>Durch Verkleinerung der PCNL-Systeme mit Reduktion des Schaftaußendurchmessers sollen das Operationstrauma und damit assoziierte Komplikationen verringert werden.<sup>9</sup> Bislang existiert noch keine standardisierte Terminologie, um die unterschiedlichen PCNL-Verfahren einheitlich zu beschreiben. Wie in der Tabelle 1 angegeben, gibt es eine Vielfalt verfügbarer Systeme mit zahlreichen, teilweise verwirrenden Abkürzungen. Tepeler et al. publizierten eine Nomenklaturvereinfachung. Dabei soll das benutzte OP-Verfahren in der Form „PCNL<sup>+size“</sup> genannt werden. Zum Beispiel „PCNL<sup>+13“</sup> oder „PCNL<sup>+20“</sup>.<sup>10</sup> Dennoch steht weiterhin eine standardisierte Bezeichnung aus.</p> <h2>Mini-PCNL</h2> <p>Bei der Mini-PCNL wird ein maximaler Außenschaftdurchmesser von ≤22 Charrière (Ch) verwendet. Diese Methode wurde ursprünglich entwickelt, um pädiatrische Patienten mit großen Nierensteinen zu behandeln.<sup>9</sup> Technisch verläuft die Steinsanierung wie eine Standard-PCNL.<sup>5</sup> Nach Steindesintegration werden die Konkrementfragmente durch den sogenannten Staubsaugereffekt passiv ausgespült, ohne dass Greifwerkzeuge wie Zange oder Körbchen nötig wären. Dies spart OP-­Zeit und macht den Eingriff kostengünstiger.<sup>5</sup> Vergleicht man nun die Komplikationen, zeichnen sich aufseiten der Miniaturisierungsvariante in einigen Bereichen Vorteile ab. Bei der Mini-PCNL treten weniger Blutungen (1,4 % vs. 10,4 % ) und weniger postoperativer Schmerzmittelbedarf (55,4g vs. 70,2g Tramadol) auf. Allerdings ergeben sich bei der miniaturisierten Technik, insbesondere bei größeren Steinen, längere OP-Zeiten.<sup>11</sup> Jedoch liegen hierzu keine prospektiven randomisierten Studien vor. Eine systematische Aufarbeitung mit prospektiv-randomisierten Studien fehlt bislang.<sup>12</sup></p> <h2>Ultramini-PCNL (UMP)</h2> <p>Bei der UMP werden die desintegrierten Steinfragmente – anders als bei der Standard- und Mini-PCNL – passiv mithilfe des sogenannten Whirlpool-Effekts ausgespült. Dabei werden über zwei Spülungen des Außen- und Innenschaftes eine Hoch- und eine Niederdruckzone induziert. Die desintegrierten Fragmente weichen der niedrigen Durckzone über einen Verwirbelungseffekt aus.<sup>13</sup> Ein Vorteil ist der minimale Einsatz von Greifwerkzeugen, wodurch kosten- und zeiteffizient insbesondere Nierensteine der unteren Kelchgruppe ≤20mm entfernt werden können. Vor allem jene, welche nicht mit der ESWL oder fURS behandelt werden konnten.<sup>5</sup> <br />Bezüglich der Steinfreiheitsrate (SFR) zeigen sowohl Mini-PCNL als auch UMP exzellente Ergebnisse (85,2 % ; 86,6 % ).<sup>5</sup> Allerdings gibt es bezogen auf die SFR keine einheitliche Definition. Dadurch wird der direkte Vergleich der SFR-Daten verschiedener Studien erschwert. Beispielsweise unterscheiden einige Autoren zwischen einer „realen“ Steinfreiheit und sogenannten „klinisch insignifikanten Fragmenten“ (Konkremente ≤3mm). Unterschiede zeigen sich auch hinsichtlich der postoperativen Diagnostik, um den Steinfreiheits-Status zu beurteilen. Die meisten Autoren verwenden Ultraschall oder Abdomenübersichtsaufnahmen. Weniger genutzt wird die Computertomografie (CT). Diese Untersuchung ist nachweislich die akkurateste, aber auch die teuerste und die mit der höchsten Strahlenbelastung.<sup>1</sup> <br />Wie aus zahlreichen epidemiologischen Daten zu entnehmen ist, blieb der Anteil an durchgeführten PCNL über die letzten Jahrzehnte konstant. Ob es durch die Miniaturisierung der PCNL zu einem Anstieg der PCNL-Behandlungen gegenüber ESWL und URS kommen wird, bleibt abzuwarten.</p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Srisubat A et al: Extracorporeal shock wave lithotripsy (ESWL) versus percutaneous nephrolithotomy (PCNL) or retrograde intrarenal surgery (RIRS) for kidney stones. The Cochrane database of systematic reviews 2014; 11 <strong>2</strong> Pearle MS, Lotan Y: Urinary lithiasis: etiology, epidemiology, and pathogenesis. In: Campbell MF, Wein AJ, Kavoussi LR editor(s): Campbell-Walsh Urology. 9th Edition. Philadelphia: Saunders Elsevier, 2007 <strong>3</strong> Türk C (Chair) et al: Guidelines on urolithiasis. EAU 2016 (Uroweb.org/guideline/urolithiasis/#3) <strong>4</strong> Schoenthaler M et al: Retrograde intrarenal surgery in treatment of nephrolithiasis: is a 100 % stone-free rate achievable? J Endourol 2012; 26: 489-93 <strong>5</strong> Wilhelm K et al: Perkutane Steintherapie heute: Standard-, Mini-, Micro-, Ultramini-PCNL. Aktuelle Urol 2015; 46: 297-302 <strong>6</strong> Michel MS et al: Complications in percutaneous nephrolithotomy. Eur Urol 2007; 51: 899-906 <strong>7</strong> Kukreja R et al: Factors affecting blood loss during percutaneous nephrolithotomy: prospective study. J Endourol 2004; 18: 715-22 <strong>8</strong> Otto B et al: The effect of continued aspirin therapy in patients undergoing PCNL. Abstract: PD23-01, AUA 2016, 6.–10. Mai 2016, San Diego <strong>9</strong> Monga M, Oglevie S: Minipercutaneous nephrolithotomy. J Endourol 2000; 14: 419-21 <strong>10</strong> Tepeler A, Sarica K: Standard, mini, ultra­mini, and micro percutaneous nephrolithotomy: what is next? A novel labelling system for percutaneous nephrolithotomy according to the size of the access sheath used during procedure. Urolithiasis 2013; 41: 367-8 <strong>11</strong> Kamphuis GM et al: Lessons learned from the CROES percutaneous nephrolithotomy global study. World J Urol 2014; 33: 223-33 <strong>12</strong> Fawzi AM et al: Minimally invasive percutaneous nephrolithotomy versus standard PCNL for management of renal stones in the flank-free modified supine position: single center experience. Eur Urol Suppl 2015; 14: Abstract 584 <strong>13</strong> Rassweiler J et al: New technology in ureteroscopy and percutaneous nephrolithotomy. Curr Opin Urol 2016; 26: 95-106</p>
</div>
</p>
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