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Bildgebung in der urologischen Traumatologie

Was ist notwendig?

<p class="article-intro">Die Bedeutung des Erkennens urogenitaler Verletzungen ist hinlänglich bekannt. Dabei können die rechtzeitige Identifizierung einzelner Verletzungen und deren adäquates Management organerhaltend, nicht selten sogar lebensrettend sein.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Key Points</h2> <ul> <li>Die Bildgebung ist bei der Behandlung urologischer Traumapatienten nur ein Baustein und muss im Zusammenhang mit anderen diagnostischen Methoden betrachtet werden.</li> <li>Eine Bildgebung ist nur bei h&auml;modynamisch stabilen Patienten indiziert; instabile Patienten werden sofort chirurgisch versorgt.</li> <li>Leitlinien definieren den Einsatz der Bildgebung in der prim&auml;ren Akutdiagnostik, f&uuml;r die Verlaufsdiagnostik gibt es jedoch wenig Evidenz und sehr unterschiedliche Empfehlungen.</li> </ul> </div> <p>Verletzungen der Urogenitalorgane resultieren aus einer Reihe m&ouml;glicher Ereignisse und treten h&auml;ufig in Kombination mit anderen Verletzungen auf. Bei der Versorgung von Patienten mit urologischem Trauma spielt die Bildgebung zwar eine wichtige Rolle, allerdings ist sie nur als Teil einer Gesamtevaluierung zu sehen. Diese sollte je nach Schwere der Verletzung und klinischer Situation unbedingt bereits im Vorfeld jeder Bildgebung erfolgen (Abb. 1). Dabei bestimmen die Ergebnisse aus Anamnese, klinischer Untersuchung und Labor oftmals die weiteren bildgebenden Verfahren. Deren Einsatz ist gr&ouml;&szlig;tenteils standardisiert und in diversen Leitlinien festgehalten.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Urologik_Uro_1603_Weblinks_seite23.jpg" alt="" width="626" height="556" /></p> <h2>Verfahren der Situation anpassen</h2> <p>Modifikationen k&ouml;nnen sich aber durch die Ursache der Verletzung (traumatisch vs. iatrogen), die Art der Verletzung (stumpf vs. penetrierend), den Patienten (kindlicher vs. erwachsener vs. geriatrischer Patient) sowie den Zustand des Patienten (h&auml;modynamisch stabil vs. instabil) ergeben. Diese Faktoren m&uuml;ssen bei der Planung weitestgehend ber&uuml;cksichtigt werden. Bei der Befundung muss auch bedacht werden, dass die Harnorgane sich von anderen Organen insofern unterscheiden, als sie Harn produzieren (Nieren), Harn transportieren (Ureter, Urethra) oder speichern (Harnblase). Dies hat zur Folge, dass Fl&uuml;ssigkeitsansammlungen in unmittelbarer N&auml;he dieser Organe sowohl aus Blut als auch Urin bestehen k&ouml;nnen, was weitere spezifische Untersuchungen zur diesbez&uuml;glichen Differenzierung notwendig machen kann.<br /> Was die Patienten betrifft, ist zu beachten, dass besonders geriatrische Patienten &uuml;ber deutlich geringere physiologische Reserven verf&uuml;gen. Daher ist bei ihnen die Mortalit&auml;t nach schweren abdominellen Traumata mit 81 % signifikant h&ouml;her als bei nicht geriatrischen Patienten (17 % ), weshalb die Indikationsschwelle f&uuml;r Kontrastmitteluntersuchungen besonders niedrig angesetzt werden sollte &ndash; ungeachtet der Tatsache, dass bei diesen Patienten dann in einem h&ouml;heren Prozentsatz mit renalen Funktionsst&ouml;rungen zu rechnen ist.<br /> W&auml;hrend bei iatrogenen Verletzungen die Bildgebung anhand der bereits vorliegenden Informationen (z.B. Operationsbericht) in aller Regel sehr gezielt eingesetzt wird, ist die Situation bei abdominellen Traumen insofern komplexer, weil nicht selten mehrere Organe betroffen sind. Daraus resultierend sind auch die Methode und der Stellenwert der Bildgebung sehr unterschiedlich zu sehen (Abb. 2).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Urologik_Uro_1603_Weblinks_seite24.jpg" alt="" width="623" height="555" /></p> <h2>Verletzungen des Penis</h2> <p>Im Vergleich zu anderen urologischen Organen sind Penisverletzungen selten und in den meisten F&auml;llen handelt es sich um Penisfrakturen im Zuge der sexuellen Aktivit&auml;t. Als bildgebende Untersuchungen werden die Sonografie und die Magnetresonanztomografie (MRT) fallweise eingesetzt. Wenngleich man sonografisch einen Defekt der Tunica albuginea durchaus erkennen kann, ist die Methode stark abh&auml;ngig vom Untersucher und nicht sehr genau. Die MRT ist zwar sehr genau, allerdings limitiert durch die nur selten zeitgerechte Verf&uuml;gbarkeit, weshalb hier bei entsprechender Anamnese und entsprechendem klinischem Bild der chirurgischen Exploration und Versorgung der Vorrang zu geben ist.</p> <h2>Verletzungen von Hoden und Skrotum</h2> <p>Verletzungen der Hoden bzw. des Skrotums, welche meist zwischen dem 15. und 40. Lebensjahr vorkommen, k&ouml;nnen ebenfalls durch Anamnese und klinische Untersuchung weitestgehend charakterisiert werden. Beim klinischen Bild einer stumpfen Verletzung &ndash; &uuml;berhaupt bei unklarer Anamnese &ndash; sollte immer auch an einen Tumor oder eine Torsion gedacht werden. Auch hier steht die klinische Untersuchung im Vordergrund, wenngleich die Sonografie sowie die Doppler-Sonografie mit einer 95 % igen Sensitivit&auml;t und Spezifit&auml;t wertvolle zus&auml;tzliche Informationen liefern k&ouml;nnen. Auch bei der Hodenruptur limitiert die Wartezeit auf eine MRT deren Einsatz, zumal die Erhaltungsraten nach 72 Stunden von 90 % auf 45 % zur&uuml;ckgehen.</p> <h2>Verletzungen der Urethra</h2> <p>Hier muss zwischen der vorderen und der hinteren Harnr&ouml;hre unterschieden werden. Erstere wird meist iatrogen im Zuge eines Katheterismus verletzt, was selten eine Bildgebung erforderlich macht. Verletzungen der hinteren Harnr&ouml;hre sind sowohl iatrogen wie auch traumatisch m&ouml;glich, wobei dislozierte Beckenringfrakturen als Ursache im Vordergrund stehen. H&auml;ufige Symptome sind je nach Schwere der Verletzung H&auml;maturie, Blut am Meatus, Dysurie oder Harnverhalt, ein perineales H&auml;matom und/oder eine dislozierte Prostata. Allerdings schlie&szlig;t weder das Fehlen dieser Symptome &ndash; insbesondere bei kurzer Zeitspanne seit dem Trauma &ndash; noch die M&ouml;glichkeit einer Katheteranlage eine Urethraverletzung mit Sicherheit aus.<br /> Das diagnostische Mittel der Wahl ist die retrograde Urethrografie, die Aufschluss &uuml;ber &bdquo;Kontinuit&auml;t&ldquo; und &bdquo;Dichtheit&ldquo; der Harnr&ouml;hre gibt. Dabei ist besondere Vorsicht geboten, um ein allf&auml;lliges Kontrastmittelextravasat m&ouml;glichst gering zu halten.</p> <h2>Verletzungen der Harnblase</h2> <p>Iatrogene Verletzungen der Harnblase treten mit einer Inzidenz von 1,8 bis 13,8 pro 1.000 Eingriffe im Zuge von urologischen, gyn&auml;kologischen, beckenchirurgischen oder auch orthop&auml;dischen Operationen auf. Dabei weist die Hysterektomie die h&ouml;chste Inzidenz auf. Traumatische Blasenverletzungen werden hingegen bei stumpfem Bauchtrauma meist mit voller Blase bzw. bei bis zu 10 % aller Beckenfrakturen gesehen. Ziel der Bildgebung ist es, die Integrit&auml;t der Blase zu beweisen oder auszuschlie&szlig;en. Differenzialdiagnostisch muss dabei unbedingt zwischen intraperitonealen und extraperitonealen Rupturen unterschieden werden. Bei Verdacht auf eine Blasenverletzung ist das diagnostische Mittel der Wahl die Zystografie, wobei das Muster des Kontrastmittelaustritts in der Regel sehr gut zwischen extra- und intraperitoneal unterscheiden l&auml;sst. Auch das CT-Zystogramm wird zur Diagnose verwendet, allerdings soll es nur dann eingesetzt werden, wenn ohnehin eine Computertomografie (CT) aufgrund anderer Fragestellungen angezeigt ist.</p> <h2>Verletzungen der Ureteren</h2> <p>Die Inzidenz iatrogener Ureterverletzungen liegt bei 0,2 bis 7,3 pro 1.000 Eingriffe, wobei die Mehrzahl (rund 80 % ) im Becken lokalisiert ist. Insgesamt machen sie jedoch weniger als 1 % aller urogenitalen Verletzungen aus. In Gegenden mit hoher Kriminalit&auml;tsrate resultieren sie zu fast 95 % aus Schussverletzungen. Eine weitere Besonderheit ist darin zu sehen, dass bis zu 80 % bei der initialen Bildgebung nicht erkannt und erst im Verlauf diagnostiziert werden.<br /> Ultraschall und CT lenken meist den Verdacht auf eine Ureterverletzung, wenn Fl&uuml;ssigkeitsansammlungen gesehen werden. Bei der CT ist es wichtig, Bilder in der sp&auml;ten Ausscheidungsphase, also fr&uuml;hestens f&uuml;nf bis acht Minuten nach Kontrastmittelgabe, anzufertigen. Um einen Kontrastmittelaustritt zu best&auml;tigen und vor allem zu lokalisieren, aber auch um die Art der Versorgung zu bestimmen, ist jedoch die retrograde Ureteropyelografie das Mittel der Wahl.</p> <h2>Verletzungen der Nieren</h2> <p>Von allen urogenitalen Organen sind die Nieren am h&auml;ufigsten von Verletzungen betroffen. Unterschieden werden stumpfe und penetrierende Verletzungen, wobei stumpfe Gewalteinwirkungen mit 70 bis 80 % der F&auml;lle im Vordergrund stehen. Anamnestisch sollte insbesondere auch bei einem Dezelerationstrauma der Verdacht auf eine Nierenverletzung aufkommen. H&auml;ufige Symptome sind Flankenschmerz, Ekchymosen, diffuse abdominelle Beschwerden und H&auml;maturie.<br /> Der Schweregrad der Verletzung wird nach AAST (American Association for Surgery of Trauma) klassifiziert (Tab. 1). Diese Einteilung bildet die Basis f&uuml;r den diagnostischen und therapeutischen Algorithmus. Gleichzeitig gibt sie eine Information f&uuml;r die Prognose, weil bei Grad 1 bis 3 praktisch nie, bei Grad 5 hingegen sehr oft mit dem Verlust der Niere gerechnet werden muss.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Urologik_Uro_1603_Weblinks_seite25.jpg" alt="" width="875" height="483" /></p> <h2>Methode der Wahl: Computertomografie</h2> <p>An eine Bildgebung ist nat&uuml;rlich nur bei h&auml;modynamisch stabilen Patienten zu denken. Sollte eine Stabilisierung nicht erreicht werden k&ouml;nnen, ist die sofortige chirurgische Exploration erforderlich. Interessanterweise wird die Frage, ob dabei eine Bildgebung quasi am Operationstisch (sog. &bdquo;one shot IVP&ldquo;) erfolgen soll, die Aufschluss &uuml;ber das Vorhandensein und die Funktionalit&auml;t der kontralateralen Niere gibt, von den einzelnen Fachrichtungen durchaus kontroversiell beantwortet. Einer Umfrage unter den Mitgliedern der GURS (Society of Genitourinary Reconstructive Surgeons) und der AAST (American Association for the Surgery of Trauma) zufolge empfehlen nur 34 % der Unfallchirurgen, aber 82 % der Urologen eine solche Untersuchung.<br /> Beim h&auml;modynamisch stabilen Patienten ist das diagnostische Mittel der Wahl die Computertomografie, die immer mit Kontrastmittel erfolgen muss und eine Ausscheidungsphase zwingend inkludiert. Bef&uuml;rchtungen betreffend eine passagere oder vielleicht sogar dauerhafte Verschlechterung der renalen Funktion spielen dabei eine v&ouml;llig untergeordnete Rolle.<br /> MRT und funktionelle Bildgebung wie Szintigrafie oder PET haben keinen Stellenwert bei der Evaluierung von Traumapatienten. Eine Angiografie ist nur dann indiziert, wenn eine gleichzeitige Intervention (Embolisation) als sinnvoll erachtet wird.<br /> W&auml;hrend die Bildgebung f&uuml;r die prim&auml;re Diagnostik in der Akutphase klar definiert ist, gibt es in der Literatur nur wenig Evidenz und sehr unterschiedliche Empfehlungen f&uuml;r die Verlaufsbildgebung, die sich im Wesentlichen am klinischen Verlauf und an auftretenden Komplikationen orientiert.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>&bull; Bent C et al: Urological injuries following trauma. Clin Radiol 2008; 63: 1361-71 &bull; Serafetinides E et al: Review of the current management of upper urinary tract injuries by the EAU Trauma Guidelines Panel. Eur Urol 2015; 67: 930-6 &bull; Morey AF et al: Urotrauma: AUA Guideline. J Urol 2014; 192: 327-35 &bull; Esparaz AM et al: Iatrogenic urinary tract injuries: etiology, diagnosis, and management. Semin Intervent Radiol 2015; 32: 195-208 &bull; Hardee MJ et al: Process improvement in trauma: compliance with recommended imaging evaluation in the diagnosis of high-grade renal injuries. J Trauma Acute Care Surg 2013); 74: 558-62 &bull; Dayal M et al: Imaging in renal trauma. World J Radiol 2013; 5: 275-84 &bull; Myers JB et al: High-grade renal injuries: radiographic findings correlated with intervention for renal hemorrhage. Urol Clin North Am 2013; 40: 335-41</p> </div> </p>
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