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Update – Urothelkarzinom des oberen Harntrakts (UTUC)

<p class="article-intro">Urothelkarzinome des oberen Harntrakts gehören zu den seltenen urologischen Krebserkrankungen. Jährlich sind in westlichen Ländern zwei von 100 000 Personen von dieser Erkrankung betroffen.<sup>1</sup> Die geringe Inzidenz des Urothelkarzinoms im oberen Harntrakt erschwert die Durchführung von randomisierten klinischen Studien. Nichtsdestoweniger wurden rezent insbesondere multizentrische und retrospektive Artikel veröffentlicht.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Auf der vergangenen &Ouml;GU-Tagung in Linz standen drei topaktuelle Themen im Fokus. Hierbei wurden zum einen Studien zu neuen Erkenntnissen in der medikament&ouml;sen und chirurgischen Therapie vorgestellt. Zum anderen wurde eine rezente experimentelle Untersuchung pr&auml;sentiert, welche die genetischen Eigenschaften von Urothelkarzinomen des oberen Harntrakts und der Harnblase miteinander verglich.</p> <h2>Medikament&ouml;se Therapie</h2> <p>Der aktuell empfohlene Behandlungsstandard f&uuml;r Patienten mit einem High- Risk-UTUC ist die radikale Nephroureterektomie (RNU) mit Exzision einer Blasenmanschette und anschlie&szlig;ender einmaliger intravesikaler Chemotherapie mit Mitomycin, gefolgt von Follow-up-Untersuchungen.<sup>1</sup> Bisher lagen nur wenige, retrospektive Daten vor, die den Nutzen einer adjuvanten Chemotherapie beim fortgeschrittenen UTUC untersuchten.<sup>2</sup> Hierbei zeigten sich bereits Hinweise f&uuml;r den positiven Nutzen einer postoperativen Chemotherapie. Der sogenannte POUT-Trial evaluierte als gr&ouml;&szlig;te (n=248, medianes Alter 69 Jahre) randomisierte, prospektive, multizentrische (57 britische Zentren) Phase-III-Studie die Wirkung einer adjuvanten Chemotherapie.<br /> In der Studie wurden 125 UTUC-Patienten (pT2&ndash;pT4 pN0 pM0 oder pT1&ndash;4 N1&ndash;3 M0), die eine adjuvante Chemotherapie innerhalb von 90 Tagen nach Operation erhielten, mit 129 Patienten unter Nachbeobachtung nach RNU verglichen. Patienten aus der Gruppe mit adjuvanter Chemotherapie erhielten entweder 4 Zyklen Gemcitabin/ Cisplatin (GFR &gt;50 ml/min) oder Gemcitabin/Carboplatin (GFR zwischen 30 und 49 ml/min). Prim&auml;rer Endpunkt war das krankheitsfreie &Uuml;berleben (DFS). Sekund&auml;re Endpunkte inkludierten metastasenfreies &Uuml;berleben (PFS), Gesamt&uuml;berleben (OS) und Toxizit&auml;t. Nach einer Zwischenanalyse im September 2018 wurde seitens der Studienkommission ein Rekrutierungsstopp ausgesprochen, da nach einem medianen Follow-up von 17,6 Monaten die klinischen Wirksamkeitskriterien erf&uuml;llt wurden. Eine adjuvante Chemotherapie f&uuml;hrte zu einer signifikanten Verl&auml;ngerung des krankheitsfreien &Uuml;berlebens (DFS). Im Chemotherapie-Arm hatten 29 von 124 Patienten ein Rezidiv, im Beobachtungs-Arm waren es 47 von 123 Patienten (HR: 0,47; p=0,0009). Das 2-Jahres-DFS betrug 70 % im Chemotherapie-Arm vs. 51 % im Beobachtungs- Arm. Beim sekund&auml;ren Endpunkt progressionsfreies &Uuml;berleben (PFS) war die Chemotherapie der Nachbeobachtung ebenfalls &uuml;berlegen (HR: 0,49; p=0,003).<br /> Nach 2 Jahren zeigte sich hinsichtlich des metastasenfreien &Uuml;berlebens (MFS) ebenfalls ein signifikanter Vorteil f&uuml;r die Chemotherapie-Gruppe. W&auml;hrend 74 % mit systemischer Therapie metastasenfrei waren, waren es hingegen 60 % in der Surveillance- Gruppe (Abb. 1). Die Rate an unerw&uuml;nschten Ereignissen der Schweregrade &ge;3 war im Pr&uuml;farm h&ouml;her (60 % vs. 24 % ). In der Subgruppenanalyse zeigte sich, dass u. a. N0-Patienten und Patienten unter Gemcitabin-Cisplatin-Therapie von einer adjuvanten Chemotherapie profitierten. Auswertungen betreffend das Gesamt&uuml;berleben sind noch nicht ausgereift und werden im Verlauf ver&ouml;ffentlicht.<sup>3</sup><br /> Mit den bisherigen Ergebnissen der POUT-Studie sollte die adjuvante cisplatinbasierte Kombinationschemotherapie als Standard f&uuml;r Chemotherapie-geeignete Patienten mit pT2 oder h&ouml;herem Stadium eines Urothelkarzinoms im oberen Harntrakt gesehen werden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Urologik_Uro_1901_Weblinks_uro_1901_s33_abb1.jpg" alt="" width="550" height="323" /></p> <h2>Lymphknotendissektion</h2> <p>Nach aktueller EAU-Guideline wird die Lymphknotendissektion (LND) f&uuml;r Patienten mit invasivem UTUC mit einem Evidenzgrad C empfohlen.<sup>1</sup> Immunhistochemische Studien beschreiben bei 10&ndash;14 % der UTUCPatienten positive pathologische Lymphknoten, welche im radiologischen Staging einen cN0-Status aufwiesen. F&uuml;r Patienten mit High-Stage-UTUC (&ge; pT2) schwankt die Rate pathologisch positiver Lymphknoten in der Literatur zwischen 14 und 40 % . Die exakte Inzidenz pathologisch negativer Lymphknoten bei Patienten mit cN0-Status ist bislang allerdings noch unklar.<sup>4</sup><br /> Dominguez-Escrig et al. ver&ouml;ffentlichten als EAU-Leitlinien-Gremium im November 2017 ein systematisches Review, welches die Rolle einer Routine-Lymphknotendissektion bei UTUC-Patienten untersuchte.<sup>5</sup> Das Review zeigt deutlich, dass bisher robuste Daten, Standardisierungen und prospektive Untersuchungen fehlen. Die Durchf&uuml;hrung einer LND bleibt damit kontrovers. Die Autoren analysierten anhand der PRISMA-Review-Guidelines insgesamt neun retrospektive Studien aus 3094 Artikeln, welche zwischen 1998 und 2014 ver&ouml;ffentlicht wurden. Es konnten anhand der vorhandenen Daten drei Kernergebnisse festgehalten werden. Zum einen erh&ouml;ht die LND die Genauigkeit des Tumorstagings und optimiert dieses dadurch. Einige Studien konnten zeigen, dass Patienten mit einem pN0-Stadium signifikant l&auml;nger lebten als Patienten mit positiven Lymphknoten (pN+). Roscigno et al. verglichen das krebsspezifische 5-Jahres-&Uuml;berleben (CSS) von pNx- und pN0-Patienten und konnten eine signifikant geringere &Uuml;berlebensrate der pNx-Patienten konstatieren (48 % vs. 73 % ; p=0,001).<br /> Des Weiteren profitierten Patienten mit einem &ge; pT2-Stadium-UTUC, welche eine LND erhielten, von einem signifikant l&auml;ngeren krankheitsspezifischen &Uuml;berleben. Allerdings gilt dies in dieser Analyse nur f&uuml;r Patienten mit einem Urothelkarzinom des Nierenbeckens, nicht der Ureteren. Sechs der gr&ouml;&szlig;ten inkludierten Studien des Reviews best&auml;tigen dies. So berichteten Brausi et al., dass pT2-UTUC-Patienten in 40 % der F&auml;lle einen positiven Lymphknotenstatus aufwiesen. Von diesen Patienten, welche keine LND erhielten, zeigten 44,8 % ein 5-Jahres-CSS, wohingegen von den lymphadenektomierten pT2-Patienten noch 81,6 % lebten (p=0,007). In der Studie von Roscigno et al. wiesen 27 % der pT2-UTUC-Patienten ein pN+ auf. Patienten ohne LND zeigten ein 5-Jahres-CSS von 48 % , pN0-Patienten von 73 % und Patienten mit pN+ lediglich von 39 % . In der Analyse war die intraoperative Lymphknotendissektion ein unabh&auml;ngiger Faktor f&uuml;r das krebsspezifische &Uuml;berleben nach statistischer Adjustierung der Faktoren Alter, Tumorstadium, Carcinoma in situ und lymphovaskul&auml;re Infiltration.<br /> Als weitere Schlussfolgerung des Reviews sollte die LND anhand eines anatomischen Templates durchgef&uuml;hrt werden. Auszugsweise soll eine Studie von Kondo et al. erw&auml;hnt werden, welche eine Template- orientierte Lymphadenektomie und eine nicht Template-gest&uuml;tzte LND bei Patienten mit einem pT2cN0M0-UTUC des Nierenbeckens miteinander verglich. Die nach einem Template lymphadenektomierte Gruppe zeigte ein 3-Jahres-CSS von 89,9 % im Vergleich zu 51,7 % der Gruppe der ohne Template Lymphadenektomierten (HR: 0,23; p=0,01). Wiederum sollte an dieser Stelle betont werden, dass derzeit keine evidenzbasierten Templates zur Verf&uuml;gung stehen. Somit sind die bekannten Vorlagen, insbesondere bei UTUC im oberen Anteil des Ureters, in Frage zu stellen.</p> <h2>Molekulares Profiling</h2> <p>Eine experimentelle Studie, welche im Oktober 2018 von Audenet et al. im &bdquo;Clinical Cancer Research&ldquo; ver&ouml;ffentlicht wurde, untersuchte die genomischen Unterschiede zwischen Urothelkarzinomen des oberen Harntrakts (UTUC) und der Blase (UCB). Ein Untersuchungsschwerpunkt lag hierbei auf der klonalen Verwandtschaftsanalyse von Tumoren, die zeitlich versetzt bei einer Person auftraten.<sup>6</sup><br /> Mithilfe des sogenannten &bdquo;next generation sequencing&ldquo; (NGS) kann eine sehr gro&szlig;e Anzahl von DNA-Molek&uuml;len parallel sequenziert werden. Hierbei werden klonale Amplifikationen eingesetzt, um Millionen von DNA-Fragmenten gleichzeitig zu vervielf&auml;ltigen (&bdquo;massively parallel&ldquo;). Bisher wurden mit der NGS-Methode nur wenige Untersuchungen mit UTUC-Gewebe durchgef&uuml;hrt. Mit dieser Technik sequenzierten Audenet et al. insgesamt 195 UTUC-Tumoren und verglichen die Ergebnisse mit 454 Urothelkarzinomen der Harnblase. Bei 29 Patienten, die sowohl ein UTUC als auch ein UCB entwickelten, wurden beide Tumoren einer Person analysiert und miteinander verglichen. Ein Blasenkarzinomrezidiv nach UTUC zu erleiden war signifikant mit Mutationen in <em>FGFR3, KDM6A, CCND1</em> und <em>TP53</em> assoziiert. Urothelkarzinome im oberen Harntrakt wiesen signifikant weniger genetische Ver&auml;nderungen in <em>TP53, RB1</em> und <em>ERBB2</em> auf als jene von UCB-Patienten (26 % vs. 46 % ; 3 % vs. 20 % ; 8 % vs. 19 % ; p &lt;0,001). Ein zentrales Ergebnis der Studie war, dass das Tumorgewebe von Patienten, die im Verlauf an einem UCB und UTUC erkrankten, stets eine klonale Verwandtschaft aufwies. Mit einer gezielten NGS konnten verl&auml;sslich UTUC-Patienten mit sowohl Mikrosatelliteninstabilit&auml;ten als auch Reparier-Defiziten identifiziert werden. Diese Ver&auml;nderungen zeigen sich insbesondere bei Patienten mit Lynch-Syndrom.<br /> Das molekulare Profiling von Urothelkarzinomen ist eine vielversprechende Methode, welche das Potenzial hat, das individuelle Risikoprofil eines UTUC-Patienten und die individuelle Reaktion auf eine gezielte Tumortherapie vorherzusagen. Die molekularen Analysen k&ouml;nnten somit die neo- und adjuvante Therapieentscheidung beeinflussen und Patienten identifizieren, welche eine Keimzellenanalyse eines Lynch-Syndroms ben&ouml;tigen. Folglich ist NGS ein aussichtsreiches Tool f&uuml;r die Routinediagnostik, das in prospektiven Studien evaluiert werden sollte.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Roupr&ecirc;t M, Babjuk M, Comp&eacute;rat E, Zigeuner R, Sylvester RJ, Burger M et al.: European Association of Urology Guidelines on upper urinary tract urothelial carcinoma: 2017 Update. Eur Urol 2018; 73(1): 111-22 <strong>2</strong> Kwak C, Lee SE, Jeong IG, Ku JH: Adjuvant systemic chemotherapy in the treatment of patients with invasive transitional cell carcinoma of the upper urinary tract. Urology 2006; 68(1): 53-7 <strong>3</strong> Birtle A, Johnson M, Kockelbergh R, Keeley F, Catto J, Bryan R et al.: Results of POUT &ndash; a phase III randomised trial of peri-operative chemotherapy versus surveillance in upper tract urothelial cancer (UTUC). Eur Urol Suppl [Internet] 2018; 17(2): e1431-2 <strong>4</strong> Hutchinson R, Haddad A, Sagalowsky A, Margulis V: Upper tract urothelial carcinoma: special considerations. Clin Adv Hematol Oncol 2016; 14(2): 101-9 <strong>5</strong> Dominguez- Escrig JL, Peyronnet B, Seisen T, Bruins HM, Yuan CY, Babjuk M et al.: Potential benefit of lymph node dissection during radical nephroureterectomy for upper tract urothelial carcinoma: a systematic review by the European Association of Urology Guidelines Panel on non-muscle-invasive bladder cancer. Eur Urol Focus 2017; pii: S2405- 4569(17)30236-56 <strong>6</strong> Audenet F, Isharwal S, Cha EK, Donoghue MTA, Drill E, Ostrovnaya I et al.: Clonal relatedness and mutational differences between upper tract and bladder urothelial carcinoma. Clin Cancer Res 2018; doi: 10.1158/1078-0432.CCR-18-2039</p> </div> </p>
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