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Unkomplizierte Harnwegsinfekte und deren Therapie

Unkompliziert, aber nicht banal

<p class="article-intro">Unkomplizierte Infektionen der Harnwege gehören zu den häufigsten Infektionen überhaupt. Schätzungsweise erkrankt jede zweite Frau mindestens einmal im Leben an einer Harnwegsinfektion. Männer sind deutlich seltener betroffen, wobei die Inzidenz bei beiden Geschlechtern mit zunehmendem Alter ansteigt. Die Therapie ist aufgrund vermehrter Antibiotikaresistenzen schwieriger geworden. Worauf es dabei ankommt, erklärt Dr. Zorica Petrovic, Oberärztin an der urologischen Abteilung des Wilhelminenspitals, Wien.</p> <hr /> <p class="article-content"><p><strong>Unkomplizierte Harnwegsinfektionen (HWI) betreffen viele Patienten. Wann wird ein HWI als &bdquo;unkompliziert&ldquo; eingestuft, wann gilt sie als &bdquo;kompliziert&ldquo;?<br /> Z. Petrovic:</strong> Von einer unkomplizierten Harnwegsinfektion spricht man, wenn im Harntrakt keine relevanten funktionellen oder anatomischen St&ouml;rungen, keine relevanten Nierenfunktionsst&ouml;rungen und keine relevanten Begleiterkrankungen/Differenzialdiagnosen vorliegen, die einen Harnwegsinfekt bzw. gravierende Komplikationen beg&uuml;nstigen. <br />Hingegen sprechen wir von komplizierten Harnwegsinfektionen, wenn angeborene oder erworbene anatomische &Auml;nderungen und Begleiterkrankungen vorliegen.</p> <p><strong>Welches sind die h&auml;ufigsten Ursachen bzw. Erreger unkomplizierter HWI?<br /> Z. Petrovic:</strong> Der h&auml;ufigste Erreger ist Escherichia coli, gefolgt von Staphylococcus saprophyticus, Klebsiella pneumoniae und Proteus mirabilis. Andere Erreger sind selten. Enterokokken werden am h&auml;ufigsten bei Mischinfektionen gefunden. <br />Wenn aber beispielsweise das Immunsystem geschw&auml;cht ist, kann das Bakterium den Urogenitaltrakt besiedeln und dort Infektionen ausl&ouml;sen. Bei intaktem Immunsystem k&ouml;nnen weitere Faktoren eine Infektion beg&uuml;nstigen, zum Beispiel eine zu geringe Trinkmenge oder &ndash; vor allem im Sommer &ndash; das Tragen von nasser Badekleidung. Bei Frauen k&ouml;nnen die Keime zudem beim Geschlechtsverkehr &uuml;ber die Vagina in die Harnr&ouml;hre gelangen und von dort aufsteigen.</p> <p><strong>Gibt es abgesehen davon, dass Frauen h&auml;ufiger unter HWI leiden als M&auml;nner, weitere Unterschiede (andere Symptome, Schwere der HWI etc.)?<br /> Z. Petrovic:</strong> Auch bei M&auml;nnern unterscheiden wir, ob es sich um einen komplizierten oder einen unkomplizierten Harnwegsinfekt handelt.</p> <p><strong>Wie gehen Sie bei der Diagnose vor, um die optimale Therapie zu finden?<br /> Z. Petrovic:</strong> Die Diagnostik h&auml;ngt davon ab, welche Patientengruppe betroffen ist: schwangere oder nicht schwangere Frauen, j&uuml;ngere M&auml;nner ohne sonstige relevante Begleiterkrankungen, Patienten mit Diabetes mellitus und instabiler Stoffwechsellage. Die Diagnostik ausgehend von Harnstatus mit Uricult<sup>&reg;</sup>, klinischer Begutachtung und Ultraschallbefund von Niere und Blase geht bis zur Zystoskopie und weiterf&uuml;hrenden Untersuchungen.</p> <p><strong>Wegen der zunehmenden Antibiotikaresistenzen wird vor einer unkritischen Gabe der Medikamente gewarnt. Wie gehen Sie bei der Therapie vor?<br /> Z. Petrovic:</strong> Laut &bdquo;EAU Guidelines on urological infections (update March 2017)&ldquo; sind als erste Wahl Fosfomycin (3g/1d), Nitrofurantoin (100mg/5d) oder Pivmecillinam (400mg/3&ndash;5d) anzuwenden. Als Alternativen stehen Cephalosporine (500mg/3d) und Trimethoprim (200mg/5d) zur Verf&uuml;gung. Bei rezidivierenden Harnwegsinfekten sollte man auf alle F&auml;lle das Ergebnis der Urinkultur ber&uuml;cksichtigen.</p> <p><strong>Es kommen auch Bakteriurien vor, die keine Symptome verursachen. M&uuml;ssen sie trotzdem behandelt werden?<br /> Z. Petrovic:</strong> Das kommt auf die Begleitumst&auml;nde an. Eine reine Bakteriurie bei ansonsten gesunden Personen wird nicht behandelt, aber es gibt Ausnahmen. Dazu z&auml;hlen geplante urologische Eingriffe, bei welchen mit Schleimhautblutungen zu rechnen ist, wie Prostatabiopsie oder TUR/P. Weiterhin sollte die Bakteriurie bei schwangeren Frauen behandelt werden sowie bei Patienten nach einer Nierentransplantation ein bis sechs Monate nach der OP. <br />Dauerkathetertr&auml;ger, die keine Beschwerden haben, ben&ouml;tigen keine Therapie. Man wei&szlig;, dass der Katheter innerhalb von 24 Stunden von Bakterien besiedelt ist. Bei Harnuntersuchungen werden daher immer Keime nachgewiesen. Eine Behandlung ist jedoch nur dann erforderlich, wenn die Patienten unter Fieber leiden oder man ein erh&ouml;htes CRP&ndash; oder einen Leukozytenanstieg feststellt. Ansonsten ist die Antibiotikagabe nicht erforderlich.</p> <p><strong>Sind alle symptomatischen HWI behandlungsbed&uuml;rftig oder besteht die M&ouml;glichkeit, dass sie von selbst ausheilen?<br /> Z. Petrovic:</strong> Diese M&ouml;glichkeit besteht vor allem bei unkomplizierten Harnwegsinfekten. Es gibt Studien, die eine Antibiotikatherapie mit der symptomatischen Behandlung mit nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) verglichen haben. Dabei war die Krankheitsdauer unter der schmerz- und entz&uuml;ndungshemmenden Therapie nur geringf&uuml;gig l&auml;nger als unter Antibiotikaeinnahme. Solche Ma&szlig;nahmen m&uuml;ssen aber immer unter &auml;rztlicher Kontrolle erfolgen. Unterst&uuml;tzend rate ich den Patienten immer zu reichlicher Fl&uuml;ssigkeitsaufnahme.</p> <p><strong>Welche Alternativen gibt es zur Antibiotikatherapie, zum Beispiel pflanzliche Mittel?<br /> Z. Petrovic:</strong> In vielen F&auml;llen ist die derzeitige Studienlage f&uuml;r solche Mittel nicht ausreichend belegt. Angewendet werden zum Beispiel Cranberryprodukte, D-Mannose, Utipro<sup>&reg;</sup>Plus sowie Spasmo Urgenin.</p> <p><strong>Bei HWI kommt es oft zu Rezidiven. Wie k&ouml;nnen sie verhindert werden?<br /> Z. Petrovic:</strong> Das ist ein sehr wichtiges Thema, denn abgesehen von der Behandlung der akuten Infektionen ist es unser Ziel, weitere HWI zu verhindern. Inzwischen gibt es zahlreiche Verfahren und Ma&szlig;nahmen, die man einsetzen kann. Sehr wirksam ist zum Beispiel die Instillation von Glykosaminoglykanen. Diese Substanzen werden von der gesunden Blase selbst produziert und bilden eine Schutzschicht auf der Schleimhaut. Infektionen, Umweltgifte oder eine Bestrahlung k&ouml;nnen diese Schicht zerst&ouml;ren. F&uuml;hrt man dann Glykosaminoglykane in Form einer Instillation wie Gepan<sup>&reg;</sup> instill, Cystistat<sup>&reg;</sup> oder Ialuril<sup>&reg;</sup> zu, werden die Beschwerden reduziert. Zus&auml;tzlich muss man immer untersuchen, ob eventuell das Immunsystem geschw&auml;cht ist oder die Infektionen durch andere Krankheiten beg&uuml;nstigt werden. Ein Beispiel ist ein schlecht eingestellter Blutzucker bei Diabetikern. <br />Derzeit wird die Wirkung von Vitamin D diskutiert, welches f&uuml;r das Immunsystem sehr wichtig ist. Wir beobachten, dass es vermehrt Patienten mit einem Vitamin-D-Mangel gibt &ndash; vermutlich aufgrund der Empfehlung, die Sonne zu meiden. Ich rate diesen Patienten immer dazu, sich mit unbedecktem Gesicht und entbl&ouml;&szlig;ten Armen zwei bis drei Mal pro Woche kurz in der Sonne aufzuhalten, damit der Vitamin-D-Spiegel wieder ansteigt. Au&szlig;erdem k&ouml;nnen wir eine prophylaktische Therapie in Form von Tabletten oder Injektionen anbieten, zum Beispiel Uro-Vaxom<sup>&reg;</sup> oder StroVac<sup>&reg;</sup>.</p> <p><strong>Und wenn es doch zum Rezidiv kommt, wie wird es behandelt?<br /> Z. Petrovic:</strong> Beim ersten Rezidiv wird wieder eine Urinkultur angelegt und dann auf Basis der Resultate gezielt behandelt. Bei wiederholten Infektionen ist eine erweiterte Untersuchung notwendig, um zu kl&auml;ren, ob es eine Ursache gibt, die diesen Infekt unterh&auml;lt. Das kann beispielsweise ein Infektstein sein, ein Blasentumor oder eine Verengung der Harnr&ouml;hre.</p> <p><strong>Vielen Dank f&uuml;r das Gespr&auml;ch!</strong></p></p>
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