
Triplettherapie beim mHSPC: Fiktion oder Fakt im klinischen Alltag?
Autorin:
Univ.-Prof. Dr. Isabel Maria Heidegger-Pircher, PhD, FEBU
Department für Urologie
Medizinische Universität Innsbruck
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Im Rahmen des ÖGU-Kongresses 2022 Anfang Oktober wurde die aktuelle Datenlage bezüglich Triplettherapie beim metastasierten hormonsensitiven Prostatakarzinom (mHSPC) von Isabel Maria Heidegger-Pircher aus Innsbruck vorgestellt.
Keypoints
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Bis dato gibt es in Österreich noch keine Zulassung für die Triplettherapie beim mHSPC.
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Synchrone „High volume“-Patienten scheinen am besten von der Triplettherapie zu profitieren.
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ADT plus Docetaxel wurde bis dato mit verschiedenen NHT (Abirateron, Darolutamid oder Enzalutamid) in Studien untersucht.
Die Therapielandschaft des fortgeschrittenen Prostatakarzinoms (PCa) hat sich in den letzten Jahren grundlegend geändert. Während bis vor wenigen Jahren die alleinige Androgendeprivationstherapie (ADT) der Goldstandard beim mHSPC war, ist mittlerweile die duale Kombinationstherapie Therapie der Wahl. Je nachdem, ob der Patient sychron oder metachron metastasiert ist, ob der Patient der „Low volume/risk“- oder „High volume/risk“-Risikoklasse angehört, bzw. je nach Patientenprofil (ECOG-Status, Vorerkrankungen etc.) sollte zusätzlich zur ADT eine neue hormonelle Therapie (NHT; Abirateron, Apalutamid, Enzalutamid), eine Chemotherapie mit Docetaxel oder eine Strahlentherapie der Prostata begonnen werden.
Biologische Rationale der Kombinationstherapie ADT, Docetaxel und NHT
Docetaxel hemmt den Abbau von Mikrotubuli und verringert die Expression von antiapoptotischen Molekülen wie Bcl-2. Ein Teil der Wirkung wird aber auch durch die Hemmung der Migration des aktivierten Androgenrezeptors (AR) zum Zellkern vermittelt. Eine AR-Inhibition blockiert die Kerntranslokation des AR und verhindert somit das Wachstum und fördert die Apoptose von PCa-Zellen. In präklinischen Modellen konnte gezeigt werden, dass eine Hemmung des AR mit einer gesteigerten Taxan-induzierten zellulären Apoptose assoziiert ist.
Studienüberblick
PEACE-1 ist eine „open label“ randomisierte multizentrische Phase-III-Studie mit einem sogenannten 2x2 „factorial design“ mit insgesamt 1173 Patienten und 4 Therapiearmen. Auf dem Kongress der American Society of Clinical Oncology (ASCO) 2021 wurde erstmals die Datenauswertung „Standard of Care“ vs. „Standard of Care plus Abiraterone“ vorgestellt. Wichtig zu wissen ist, dass sich der „Standard of Care“ während der Patientenrekrutierungsphase von ADT-Monotherapie zu ADT plus Docetaxel verändert hat.
Die derzeitige Auswertung der Studie basiert auf einer Triplettherapie (ADT plus Docetaxel plus Abirateron) in 347 Patienten vs. 350 Patienten (ADT plus Docetaxel). Interessanterweise verlängerte die Triplettherapie das radiografische progressionsfreie Überleben (rPFS) von 2 auf 4,5 Jahre im Median (HR: 0,50; 95% CI: 0,40–0,62; p<0,0001) und auch das Gesamtüberleben (OS) war unter zusätzlichem Abirateron signifikant verlängert (HR: 0,75; 95% CI: 0,59–0,95; p<0,017).1
Auch in der Phase-III-Studie ARASENS mit 1306 Patienten zeigte sich für die Dreifachkombination aus ADT plus Docetaxel plus Darolutamid ein klarer Überlebensvorteil gegenüber dem Placeboarm. Das Risiko, zu versterben, wurde um 32,5% gesenkt (HR: 0,675; 95% CI: 0,568–0,801; p<0,0001; Abb.1).2
Abb. 1: Überblick über Studien zur Triplettherapie. Cave: ENZAMET war nicht primär dafür ausgelegt, 45% der Patienten haben aber Triplettherapie erhalten (nach Smith MR et al. 2022)2
Nebenwirkungsprofil
Erfreulicherweise ist die Triplettherapie für die Patienten sehr gut tolerierbar. Ein Überblick über die häufigsten Grad-3–5-Nebenwirkungen ist in Tab. 1 illustriert.
Tab. 1: Grad-3–5-Nebenwirkungen in PEACE-1 und ARASENS (nach Fizazi et al. 2022 und Smith et al. 2022)1, 2
Personalisierte Triplettherapie
Es ist wichtig zu erwähnen, dass im Unterschied zur PEACE-1-Studie, bei der 100% de novo Patienten eingeschlossen wurden, in die ARASENS-Studie 12,9% der Patienten eine metachrone Erkrankung aufwiesen, sodass bis dato der Stellenwert der Triplettherapie beim metachronen mHSPC nur mit Darolutamid gezeigt werden konnte.
Eine rezente Subgruppenanalyse der PEACE-1-Studie hat gezeigt, dass der Überlebensvorteil nur für Patienten der „High volume“-Gruppe (HR: 0,72; 95% CI: 0,55–0,95; p=0,019) gezeigt werden konnte. Solch eine Auswertung der ARASENS-Studie ist bis dato noch ausständig. Jedoch konnte eine am ASCO-Kongress 2022 gezeigte Auswertung der ENZAMET-Studie zeigen, dass synchrone de novo Patienten am besten von der Triplettherapie profitieren. Mittels einer Metaanalyse konnten wir selbst kürzlich zeigen, dass es keinen Altersvorteil bzw. -nachteil für ältere oder jüngere Patienten gibt.3 Dennoch sollte ein geriatrisches Assessment (z.B. G8-Score) vor allem zur Evaluierung bzgl. Chemotherapietauglichkeit vor Einleitung der Triplettherapie durchgeführt werden.
Zudem muss erwähnt werden, dass keine prospektiven Studien zur Triplettherapie vs. ADT plus NHT vorhanden sind, lediglich eine Metaanalyse, die zeigt, dass ADT plus Chemotherapie plus NHT besser als ADT plus NHT (Abirateron) in Hinblick auf das rPFS ist.4
Offene Fragen
Triplettherapie ADT plus Docetaxel plus NHT (Abirateron, Darolutamid) ist besser als ADT plus Docetaxel
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Ist die Dreifachkombination aber auch besser als ADT plus NHT?Es sind keine prospektiven Studien vorhanden.
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Können wir als NHT auch Enzalutamid oder Apalutamid einsetzen?
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Kann auch eine sequenzielle Therapie sinnvoll sein v.a. in Hinblick auf Nebenwirkungen und „quality of life“ (QoL)?
PEACE-1-Studie: OS-Vorteil nur bei „High volume“-Patienten
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Für Darolutamid gibt es bis dato keine Statifizierung nach Tumorlast. Soll die Kombination mit Darolutamid auch nur bei „High volume“-Patienten eingesetzt werden?
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Liegen zu wenige Ereignisse in der „Low volume“ -Gruppe in der PEACE-1-Studie vor?
PEACE-1-Studie (100%) und ARASENS-Studie (86%) de novo mHSPC-Evidenz für beide Therapien
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Müssen/sollen alle metachronen Patienten nach ARASENS-Schema behandelt werden?
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Können wir NHT deeskalieren oder beenden, wenn nach einem guten Ansprechen keine Progression eintritt?
Was machen wir mit dem Primärtumor? Ist eine metastasengerichtete Therapie sinnvoll?
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Wie kann das PSMA-PET-CT in die Entscheidungsfindung einbezogen werden?
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Muss es immer Chemotherapie als Kombinationspartner sein?
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Was wirkt noch im metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinom (mCRPC)?
Literatur:
1 Fizazi K et al.: Abiraterone plus prednisone added to androgen deprivation therapy and docetaxel in de novo metastatic castration-sensitive prostate cancer (PEACE-1): a multicentre, open-label, randomised, phase 3 study with a 2×2 factorial design. Lancet 2022; 399(10336): 1695-1707 2 Smith MR et al.: Darolutamide and survival in metastatic, hormone-sensitive prostate cancer. N Engl J Med 2022; 386(12): 1132-42 3 Rajwa P et al.: Association between age and efficacy of combination systemic therapies in patients with metastatic hormone-sensitive prostate cancer: a systematic review and meta-analysis. Prostate Cancer Prostatic Dis 2022 4 Yanagisawa T et al.: Androgen receptor signaling inhibitors in addition to docetaxel with androgen deprivation therapy for metastatic hormone-sensitive prostate cancer: a systematic review and meta-analysis. Eur Urol 2022; S0302-2838(22)02551-9
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