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„To Stent or Not to Stent“ – Einsatz von Harnleiterschienen in der Steintherapie

<p class="article-intro">Das Setzen eines Harnleiter-Stents gehört zu den häufigsten urologischen Prozeduren überhaupt und ist aus der modernen Urologie nicht wegzudenken. Wir Urologen verwenden Stents für eine Vielzahl von rekonstruktiven Eingriffen, in Akutfällen bei Infektionen oder Traumata und eben auch in und vor einer Steintherapie. Unseren Patienten bereiten wir jedoch oftmals erhebliche Probleme damit.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Die Notwendigkeit eines Stents in der Steintherapie soll stets kritisch hinterfagt werden.</li> <li>Ein Routine-Stenting vor einer ESWL oder vor einer URS ist nicht empfohlen.</li> <li>Nach einer unkomplizierten URS kann auf das Setzen eines Stents verzichtet werden.</li> <li>Nach einer unkomplizierten PCNL kann in ausgew&auml;hlten F&auml;llen auf das Setzen eines Nephrostomas und evtl. auch eines Stents verzichtet werden.</li> <li>Alphablocker und Antimuskarinika reduzieren signifikant Stentbeschwerden.</li> </ul> </div> <p>Stent-bedingte Probleme In Untersuchungen geben 80 % der Patienten derart starke Schmerzen an, dass das t&auml;gliche Leben negativ beeinflusst wird, 78 % geben LUTS an, 58 % &uuml;berhaupt eine reduzierte Erwerbsf&auml;higkeit und 32 % eine sexuelle Dysfunktion.<sup>1</sup> Die Ursachen daf&uuml;r werden intensiv diskutiert, sind aber nicht restlos gekl&auml;rt. Die derzeit g&auml;ngigsten Erkl&auml;rungen beinhalten einen vesikoureterorenalen Reflux bedingt durch den Stent mit Druckerh&ouml;hung im Nierenbeckenkelchsystem bei Druckerh&ouml;hung intravesikal, Stentbewegungen von bis zu 2,5 cm bei Miktion oder k&ouml;rperlicher Aktivit&auml;t, eine direkte Blasenschleimhautreizung durch das distale Ende des Stents, eine suboptimale Positionierung des Stents mit Positionierung des proximalen Endes in einem Kelch statt im Nierenbecken oder mit einem zu langen Stent, der am distalen Ende &uuml;ber die Mittellinie auf die andere Seite ragt, sowie eine Unterbrechung der GAG-Schicht der Blasenschleimhaut durch mechanische Reizung.<sup>2</sup> Offensichtlich keinen Einfluss auf den Grad der Beschwerden hat der Durchmesser des Stents, d&uuml;nnere Stents verursachen demnach nicht weniger Beschwerden.<br /> Ein weiteres Problem sind Infektionen bei liegendem Stent, was im t&auml;glichen Leben immer wieder herausfordernd sein kann.<sup>3</sup> 20&ndash;45 % aller Patienten entwickeln einen Harnwegsinfekt. Innerhalb von Stunden wird der Stent von einem Biofilm &uuml;berzogen, der auch anhaftende Bakterien &uuml;berzieht. Die Bakterien sind kaum eradizierbar, da Antibiotika schwer in den Biofilm penetrieren. Zudem verharren Bakterien im Biofilm in einem metabolisch reduzierten Zustand und regeln Resistenzgene hoch.<br /> Inkrustationen treten bei 15 % aller Stenttr&auml;ger nach 4 Wochen auf und in 75 % nach 3 Monaten und k&ouml;nnen statt eines unkomplizierten Stentwechsels einen aufwendigen operativen Eingriff erforderlich machen.<sup>4</sup> Stentmigration und Stentbruch sind weitere m&ouml;gliche Probleme, Stentverknotungen wurden in der Literatur immer wieder beschrieben, stellen aber eher eine Rarit&auml;t dar. F&uuml;r Patienten ebenso bedeutsam ist die meist erforderliche sekund&auml;re Zystoskopie zur Entfernung.</p> <h2>Verbesserung der Stents</h2> <p>Die genannten Probleme haben dazu gef&uuml;hrt, dass in der Vergangenheit und auch gegenw&auml;rtig immer wieder Anstrengungen unternommen wurden und werden, um Stents zu verbessern.<sup>5</sup> Selbstzersetzende Stents sind f&uuml;r den kurzzeitigen Gebrauch gedacht und sollen, da sie nicht entfernt werden m&uuml;ssen, die Patientenbelastung vermindern. Trotz jahrelanger Forschung vor allem am Schweinemodell ist noch kein Produkt am Markt, da vor allem die Kontrollierbarkeit der Zersetzung und der m&ouml;gliche Abgang von Fragmenten noch nicht ganz gekl&auml;rt sind, wobei einem solchen Produkt sicher Potenzial zuzutrauen ist. Drug-Eluting Stents und beschichtete Stents sollen durch antiadh&auml;sive Technologien und antimikrobielle Beschichtungen wie Silber, Antibiotika und Detergentien Infektionen und Inkrustationen vorbeugen, wobei viele der getesteten Materialien in Studien nicht imstande waren, Bakterienwachstum und Proliferation signifikant zu vermindern. Ein neuerer Ansatz ist daher, zersetzende Polymerbeschichtungen mit anhaltender Antibiotikafreisetzung herzustellen, beispielsweise mit Ciprofloxacin, was sicher vielversprechend, aber noch experimentell ist. Metallstents sind schon l&auml;ngere Zeit am Markt und stellen eine Option bei Langzeitableitung dar, vor allem bei extrinsischer Kompression.</p> <h2>Stenting vor ESWL</h2> <p>Allgemeiner Konsens ist, dass Routine- Stenting vor einer ESWL nicht empfohlen ist, da weder die Steinfreiheitsrate erh&ouml;ht noch die begleitende Schmerztherapie reduziert werden kann. Dies ist ebenso in den aktuellen Empfehlungen der EAU, der AWMF und der AUA abgebildet, auch wenn durch ein Stenting vor der ESWL eventuell die Bildung einer Steinstra&szlig;e reduziert werden kann.<sup>6&ndash;8</sup></p> <h2>Stenting vor URS</h2> <p>Ebenso ist ein Routine-Stenting vor einer URS nicht notwendig und demnach auch nicht empfohlen.<sup>6&ndash;8</sup> Wenn die Patienten dennoch zuvor mit einem Stent versorgt worden sind, entweder durch zwingende Indikationen wie infizierte Harnstauungsniere, steigende Retentionswerte oder medikament&ouml;s nicht beherrschbare Koliken, oder wenn bei einer geplanten URS ein Entrieren in den Harnleiter nicht m&ouml;glich war, dann ist die nachfolgende URS technisch einfacher, die OP-Zeit k&uuml;rzer, die Steinfreiheitsrate erh&ouml;ht und die Rate an intraoperativen Komplikationen reduziert.<sup>9, 10</sup> Das Hauptproblem im Alltag stellen dabei jedoch Infektionen bei Stents dar, wie auch eine Arbeit aus Italien von 2017 zeigen konnte.<sup>11</sup> In deren Patientenkollektiv waren bis zu 68 % der Patienten vor einer URS mit einem Stent versorgt. Das Risiko f&uuml;r eine postoperative Sepsis lag bei pr&auml;operativ ungestenteten Patienten bei 1,2 % versus 4,7 % bei gestenteten Patienten, wobei die Rate auf 9,2 % anstieg, wenn der Stent mehr als 3 Monate vor OP gesetzt wurde.<br /> Einen Sonderfall stellt sicherlich die flexible ureterenoskopische Steinentfernung dar, bei der viele Operateure routinem&auml;s&szlig;g eine Ureterschleuse verwenden. Die Verwendung einer solchen ist mit einer Vielzahl an Vorteilen verbunden, wie einfaches Wiedereinf&uuml;hren der Ger&auml;te, verbesserter Flow und bessere Sicht, verminderter intrarenaler Druck, verminderte OP-Zeit und h&ouml;here Steinfreiheitsraten. Zu erw&auml;hnende Nachteile sind ein eventuell erforderliches Prestenting, eine Isch&auml;mie im Ureter w&auml;hrend des Eingriffs und ein erh&ouml;htes Risiko f&uuml;r Harnleiterverletzungen. Eine Arbeit von Olivier Traxer aus Paris aus dem Jahr 2013 untersuchte 359 konsekutive Patienten nach flexibler ureteroenoskopischer Steinentfernung unter Verwendung eines &bdquo;access sheath&ldquo;, bei denen am Ende der OP der Ureter optisch begutachtet wurde.<sup>12</sup> Bei 46,5 % konnten Harnleiterverletzungen nachgewiesen werden, 13 % davon schwerwiegend. Wenn die Patienten zuvor mit einem Stent versorgt waren, dann konnte das Risiko einer Harnleiterverletzung bei OP um das 7-Fache reduziert werden.</p> <h2>Stenting nach URS</h2> <p>Das routinem&auml;&szlig;ige Setzen eines Stents nach einer URS war viele Jahre die g&auml;ngige Praxis und ist auch heute noch an vielen Abteilungen Standard. Die traditionelle Rationale f&uuml;r dieses Vorgehen lautete Reduktion von Schmerzen, Reduktion von Obstruktion bei Schleimhaut&ouml;dem, Erleichterung der Passage von kleinen Steinfragmenten und eventuell auch Reduktion von Harnleiterstrikturen. Seit der Durchf&uuml;hrung der ersten ureterorenoskopischen Steinentfernungen in den 1980er-Jahren gab es jedoch eine deutliche Weiterentwicklung durch Einsatz d&uuml;nnerer Ureterorenoskope, mehr Erfahrung der Operateure und durch effizientere und weniger traumatische Steinfragmentierung. Im Jahre 1999 wurde folglich die erste Arbeit zu Verzicht auf Stent nach einer komplikationslosen URS publiziert.<sup>13</sup> Es folgte eine Vielzahl von prospektiv randomisierten Arbeiten zu diesem Thema, die in einer Metaanalyse von 2012 zusammengefasst sind.<sup>14</sup> Im Vergleich zwischen Stent vs. kein Stent zeigte sich dabei kein Unterschied bei der Steinfreiheitsrate, beim Risiko einer Harnleiterstriktur und bei ungeplanten Wiedervorstellungen. Die gestentete Gruppe hatte jedoch deutlich mehr &bdquo;stent-related symptoms&ldquo;, mehr Schmerzen insgesamt, mehr Infektionen, die OP-Dauer war l&auml;nger und die Kosten waren h&ouml;her. Einigen Arbeitsgruppen ging dieser Ansatz zu weit und so wurde 2007 eine Arbeit ver&ouml;ffentlicht, in der ein Ureterkatheter f&uuml;r 24 h nach einer unkomplizierten URS gesetzt wurde.<sup>15</sup> Die Argumentation lautete, dass Probleme nach einer URS vor allem in den ersten 24 Stunden auftreten, bedingt durch ureterale Spasmen und Koliken durch Blutkoageln und Steinfragmente, und in dem betreffenden Kollektiv bewirkte dieses Vorgehen weniger Schmerzen sowohl in den ersten 24 Stunden als auch in den Tagen danach, wobei als weiterer Vorteil die einfache Entfernung und die geringeren Kosten erw&auml;hnt wurden. Die Fachgesellschaften empfehlen, nach unkomplizierten ureterorenoskopischen Steinentfernungen auf einen postoperativen Stent zu verzichten.<sup>6&ndash;8</sup> Die Indikationen f&uuml;r das Setzen eines Stents nach einer URS sind Harnleiterverletzungen oder gar Perforationen, anatomische Besonderheiten oder Harnleiterengen, zur&uuml;ckgelassene Residualfragmente oder Blutungen, bei Einzelniere oder reduzierter Nierenfunktion oder wenn ein zweiter Eingriff geplant ist.</p> <h2>Vorgehen nach PCNL</h2> <p>Nach Abschluss einer PCNL erfolgt typischerweise die Einlage einer Nephrostomie. Seit einigen Jahren wird jedoch auch diese Routinema&szlig;nahme zunehmend hinterfragt. Viele Autoren konnten zeigen, dass nach einem unkomplizierten Eingriff eine sogenannte &bdquo;tubeless procedure&ldquo; m&ouml;glich ist. Allerdings erfolgt in diesem Rahmen eine antegrade HL-Schienenanlage, sodass der Begriff &bdquo;tubeless&ldquo; im Grunde inkorrekt ist. 1997 wurde die erste Serie von &bdquo;tubeless&ldquo; PCNL ver&ouml;ffentlicht und es wurden von den Arbeitsgruppen verschiedene Voraussetzungen definiert, die f&uuml;r eine &bdquo;tubeless&ldquo; PCNL gegeben sein m&uuml;ssen.<sup>16</sup> Heute wird je nach postoperativer Ableitung zwischen Standard-PCNL, &bdquo;smallbore&ldquo; PCNL mit d&uuml;nnerem Nephrostoma, &bdquo;tubeless &ldquo;PCNL und &bdquo;total tubeless&ldquo; PCNL, bei der auch auf das Setzen einer postoperativen Harnleiterschiene verzichtet wird, unterschieden. Hier sind die Leitlinienempfehlungen etwas unterschiedlich.<sup>6&ndash;8</sup> W&auml;hrend die EAU in unkomplizierten F&auml;llen die &bdquo;tubeless&ldquo; und auch die &bdquo;total tubeless&ldquo; PCNL empfiehlt, sind die AWMF und die AUA deutlich zur&uuml;ckhaltender und meinen, dass der Verzicht auf ein NS bei unkomplizierten F&auml;llen eine Option ist.</p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Die beste Strategie, um &bdquo;stent-related symptoms&ldquo; vorzubeugen, ist sicherlich, die Notwendigkeit eines Stents vor und nach einer Steintherapie kritisch zu hinterfragen.<sup>2</sup> Simpel, aber wirkungsvoll ist es auch, den Stent richtig zu positionieren und die richtige L&auml;nge zu w&auml;hlen.<sup>2</sup> Alphablocker wirken durch Relaxation des Harnleiters sowie durch eine Reduktion des Miktionsdrucks durch ihre Wirkung auf Blasenhals und prostatische glatte Muskelfasern. Es konnte eine signifikante Reduktion von LUTS und Schmerzen in randomisierten Studien nachgewiesen werden.<sup>2</sup> Antimuskarinika reduzieren Blasenkontraktionen. Es existieren randomisiert kontrollierte Daten vor allem f&uuml;r Solifenacin, wobei ebenso LUTS und Schmerzen signifikant reduziert werden konnten.<sup>2</sup></p> </div></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Keeley FX et al.: Eur Urol 2007; 52(3): 642-4 <strong>2</strong> Fischer KM et al.: Curr Urol Rep 2018; 19(8): 64 <strong>3</strong> Klis R et al.: J Endourol 2009; 23(6): 1015-9 <strong>4</strong> Byrne RR et al.: J Endourol 2002; 16(1): 9-13 <strong>5</strong> Wiesinger CG et al.: Curr Opin Urol 2019; 29(2): 124-8 <strong>6</strong> T&uuml;rk C et al.: EAU Guidelines 2019 - Urolithiasis; online search 1.5.2019 <strong>7</strong> Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften. S2k-Leitlinie: Urolithiasis: Diagnostik, Therapie und Metaphylaxe. Stand: 10.03.2015 (in &Uuml;berarbeitung), g&uuml;ltig bis 31.03.2018 <strong>8</strong> Assimos D et al.: AUA Guidlines 2016 - Surgical Management of Stones; online search 1.5.2019 <strong>9</strong> Assimos D et al.: BJU Int 2016; 117: 648 <strong>10</strong> Jessen JP et al.: J Endourol, 2016.30:268. <strong>11</strong> Nevo A et al.: BJU Int. 2017; 120(1): 117-22 <strong>12</strong> Traxer O. et al.: J Urol 2013; 189(2): 580-4 <strong>13</strong> Hosking et al.: J Urol 1999; 161(1): 48-50 <strong>14</strong> Song T et al.: Urol Res 2012; 40(1): 67-77 <strong>15</strong> Djaladat H et al.: Eur Urol 2007; 52(3): 836- 41 <strong>16</strong> Bellman GC et al.: J Urol 1997; 157(5): 1578-82</p> </div> </p>
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