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Prävention von Steinrezidiven

<p class="article-intro">Die weltweite Prävalenz von Nierensteinen wird aktuell mit einer Spanne von 0,2–26,1 % angegeben. Die Inzidenz in industrialisierten Ländern liegt derzeit bei ca. 4–10 % mit einer Geschlechterverteilung von 1,6:1 (♂:♀). Die Rezidivrate nach initialem Steinereignis liegt bei 50 % ohne Metaphylaxe und für Patienten nach eingeleiteter Therapie bei 10 % .<sup>1, 2</sup> In Konkordanz zu der hohen Rezidivrate steht eine niedrige Compliancerate der Patienten in Bezug auf die Metaphylaxe.<sup>3</sup></p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Die aktuellen Leitlinien zur Vorbeugung und Metaphylaxe der Urolithiasis sollten vom Arzt und vom Patienten verstanden werden, damit sie im t&auml;glichen Leben optimal umgesetzt werden k&ouml;nnen.</li> <li>Patienten mit Residualfragmenten &lt;1mm gelten nicht als steinfrei und haben ein deutlich erh&ouml;htes Risiko f&uuml;r ein Rezidiv.</li> <li>&bdquo;Stone MD: Nierensteine&ldquo; ist die erste App f&uuml;r Patienten mit Urolithiasis, welche die wichtigsten Aspekte der Steinmetaphylaxe in der Urologie erfasst sowie weitere n&uuml;tzliche Funktionen f&uuml;r Patienten mit Urolithiasis beinhaltet.</li> </ul> </div> <h2>Aktuelle Leitlinie</h2> <p>Die Leitlinien der EAU geben vor, dass bei jedem Patienten mit Urolithiasis eine Steinanalyse erfolgen sollte.<sup>4</sup> Aus den o.g. Zahlen ergibt sich, dass jedoch dadurch 50 % dieser Patienten &uuml;berdiagnostiziert w&auml;ren und bis zu 60 % &uuml;bertherapiert. Deshalb ist die Unterscheidung zwischen Patienten mit einem hohen und einem niedrigen Risiko f&uuml;r die Ausbildung eines Steinrezidivs notwendig. Risikofaktoren f&uuml;r eine rezidivierende Steinbildung sind ein fr&uuml;hes Auftreten der ersten Steinepisode, eine positive Familienanamnese, gastrointestinale Erkrankungen (z.B. Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa), Infektsteinbildung, Einnahme von speziellen Medikamenten (z.B. Indinavir), anatomische Besonderheiten (z.B. Hufeisennieren oder Ureterozelen) und Residualsteine nach vorausgegangener Therapie.<sup>4</sup> Die aktuellen Leitlinien zur metabolischen Diagnostik und Metaphylaxe zeigen &bdquo;Flowcharts&ldquo;, mit deren Hilfe die &Auml;rzte den Patienten eine optimale Metaphylaxe anbieten k&ouml;nnen. Allerdings st&uuml;tzt sich die Entscheidungsfindung auf klar definierte Steinzusammensetzungen, sodass es bei ver&auml;nderten Steinzusammensetzungen zu &Uuml;berschneidungen der Entscheidungsb&auml;ume kommt. Durch diese Komplexit&auml;t wird die leitliniengerechte Behandlung erschwert und ist f&uuml;r den Patienten h&auml;ufig undurchsichtig und unverst&auml;ndlich.</p> <h2>Risikofaktoren f&uuml;r ein Steinrezidiv</h2> <p>Eine aktuelle Studie von Hein et al. zeigt, dass die intraoperative &bdquo;Steinfreiheit&ldquo; einen entscheidenden Faktor f&uuml;r das Rezidivrisiko darstellt. Es konnte gezeigt werden, dass Patienten mit Residualsteinen &lt;1mm, welche zu klein sind, um mit dem K&ouml;rbchen entfernt zu werden, ein deutlich h&ouml;heres Risiko f&uuml;r ein Rezidiv nach 5 Jahren haben als die Patienten, welche intraoperativ komplett steinfrei waren (47,1 vs. 19,1 % ).<sup>5</sup> Patienten mit Residualfragmenten &lt;1mm sollten also nicht als &bdquo;steinfrei&ldquo; angesehen werden und m&uuml;ssen &uuml;ber ein m&ouml;gliches Rezidiv im weiteren Verlauf aufgekl&auml;rt werden.<br /> Ein weiterer wichtiger Aspekt zur Absch&auml;tzung des Rezidivrisikos ist die Steinlast/ Verkalkung der Papillen. Hierf&uuml;r haben Borofsky et al. eine Klassifikation entwickelt, die das Auftreten und das Ausma&szlig; papill&auml;rer Verkalkungen bei Patienten mit Nephrolithiasis beschreibt.<sup>6</sup> Hierbei wird jeder Papille eine Punktzahl zu folgenden Bereichen zugeordnet: Verstopfung, Erosion, Konturenverlust und Anzahl der Randall-Plaques. Verstopfung, Erosion und Konturenverlust werden mit den Punktzahlen 0, 1 oder 2 bewertet. Die Anzahl an Randall-Plaques wird mit a, b oder c eingestuft. Das Ergebnis setzt sich aus beiden Punktzahlen zusammen. So w&uuml;rde eine vollkommen unauff&auml;llige Papille die niedrigste m&ouml;gliche Punktzahl von 0(a) erhalten. Die auff&auml;lligste Papille erh&auml;lt die h&ouml;chstm&ouml;gliche Punktzahl von 6(c). Durch diese Einteilung soll das Bewusstsein f&uuml;r die Bedeutung von auff&auml;lligen Papillen geschaffen werden, da die betreffenden Patienten von der Einleitung einer Nierensteinmetaphylaxe profitieren w&uuml;rden.</p> <h2>Soziale Medien zur Unterst&uuml;tzung der Compliance</h2> <p>Das Wachstum der mobilen Gesundheitstechnologie schreitet rasant voran. Um das Bewusstsein f&uuml;r die metabolische Abkl&auml;rung von Patienten mit Nierensteinen zu sch&auml;rfen, hat die Endourological Society eine neue Aufkl&auml;rungskampagne initiiert, in der monatlich Themen von gesellschaftlichem Interesse als Podcasts im Internet hochgeladen werden (Audiodatei 1/18 &bdquo;Medical Management of Kidney Stones&ldquo;).<br /> Dank des technischen Fortschritts und der breiten Anwendung von Smartphones verschiebt sich die Metaphylaxe zunehmend auch in die Verantwortung des Patienten. Aktuell existieren jedoch keine wissenschaftlichen Standards oder unabh&auml;ngigen Regulatoren dazu, welche Gesundheit- Apps ver&ouml;ffentlicht werden. Pereira- Azevedo et al. sowie Stevens et al. postulieren, dass bis zu 62 % der aktuell erh&auml;ltlichen urologischen Apps erhebliche M&auml;ngel aufweisen und nur bei 13,4 % der Apps Fachleute an der Erstellung mitgearbeitet haben.<sup>7, 8</sup> Einen wichtigen Beitrag zur digitalen Pr&auml;vention und Metaphylaxe von Urolithiasis wird von den Entwicklern der mobilen App &bdquo;Stone MD: Nierensteine&ldquo; geleistet (Abb. 1). Die App enth&auml;lt relevante wissenschaftlich fundierte Funktionen, um Patienten mit Nierensteinen zus&auml;tzlich zu regelm&auml;&szlig;igen Arztbesuchen zu unterst&uuml;tzen.<br /> Unter der Men&uuml;option &bdquo;Test&ldquo; haben die Patienten die M&ouml;glichkeit, ihr individuelles Risiko f&uuml;r eine erneute Nierensteinbildung zu berechnen. Diese Kalkulation basiert auf dem wissenschaftlich anerkannten ROKS-Nomogramm, welches im Jahr 2014 publiziert wurde.<br />9 Anhand der Angaben zu Alter, Geschlecht, Gr&ouml;&szlig;e, Gewicht, k&ouml;rperlicher Aktivit&auml;t, Art des Nierensteins und f&uuml;nf weiteren Fragen zur Anamnese des Patienten wird das Rezidivrisiko nach 2, 5 und 10 Jahren berechnet.<br /> Unter der Men&uuml;option &bdquo;Wasserbilanz&ldquo; wird den Patienten die empfohlene Trinkmenge pro Tag angezeigt. Bei Eingabe der getrunkenen Menge wird gleichzeitig die prozentuale Verteilung zwischen der bereits getrunkenen und der noch zu trinkenden Menge aufgef&uuml;hrt. Au&szlig;erdem haben die Patienten die M&ouml;glichkeit, &bdquo;Push-Benachrichtigungen&ldquo; als Erinnerung zur Fl&uuml;ssigkeitsaufnahme einzustellen, um eine ausreichende Fl&uuml;ssigkeitszufuhr &uuml;ber den Tag zu gew&auml;hrleisten. Bereits 1996 konnten Borghi et al. zeigen, dass eine erh&ouml;hte Fl&uuml;ssigkeitsaufnahme (&gt;2 Liter/Tag vs. &lt;2 Liter/ Tag) zu einer Senkung der Rezidivrate um 50 % f&uuml;hrt.<sup>10</sup><br /> Unter der Funktion &bdquo;Nahrungsmittelbilanz&ldquo; haben die Patienten die M&ouml;glichkeit, von &uuml;ber 800 verschiedenen Lebensmitteln den Gehalt von Kalzium, Proteinen, Kalorien, Oxalaten, Zitraten und Purinen einzusehen. Durch das Hinzuf&uuml;gen zum &bdquo;pers&ouml;nlichen Warenkorb&ldquo; (inkl. Gewicht) wird die t&auml;gliche Aufnahme der Inhaltsstoffe aufsummiert.<br /> Unter dem Punkt &bdquo;pH-Tagebuch&ldquo; k&ouml;nnen die Patienten die selbst gemessenen Urin-pH-Werte sowie ein eventuell eingenommenes Medikament zur Alkalisierung/ Ans&auml;uerung des Urins direkt in das Smartphone eingeben. Durch die Eingabe und die grafische Darstellung der Werte mit Markierung des Zielbereichs k&ouml;nnen die Patienten und die behandelnden &Auml;rzte den pH-Wert des Urins &uuml;ber den Verlauf verfolgen, auswerten und die Therapie so optimieren.<br /> In einem zus&auml;tzlichen Bereich &bdquo;Stent Radar&ldquo; k&ouml;nnen die Patienten die Seite der Harnleiterschiene sowie das Datum der Einlage und der geplanten Entfernung bzw. des Wechsels der DJ-Harnleiterschiene notieren. Mit dieser Funktion werden die Patienten durch Push-Benachrichtigungen an die Entfernung bzw. den Wechsel erinnert, sodass im Falle einer vergessenen DJ-Harnleiterschiene der Arzt zeitgerecht aufgesucht werden kann.<br /> &bdquo;Stone MD: Nierensteine&ldquo; ist die erste mobile App in der Steinmetaphylaxe. Diese App k&ouml;nnte die Compliance der Patienten signifikant erh&ouml;hen und dadurch das Risiko f&uuml;r ein Rezidiv senken.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Urologik_Uro_1802_Weblinks_urologik_1802_s20_abb1.jpg" alt="" width="1417" height="1058" /></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Neisius A, Preminger GM: Stones in 2012: epidemiology, prevention and redefining therapeutic standards. Nat Rev Urol 2013; 10: 75-7 <strong>2</strong> Kruck S et al.: Interventional stress in renal stone treatment. J Endourol 2011; 25: 1069-73 <strong>3</strong> Ather MH et al.: Tailored metabolic workup for urolithiasis &ndash; the debate continues. J Coll Physicians Surg Pak 2017; 27: 101-4 <strong>4</strong> T&uuml;rk C et al.: EAU Guidelines on Diagnosis and Conservative Management of Urolithiasis. Eur Urol 2016; 69: 468-74 <strong>5</strong> Hein S et al.: Endoscopically determined stone clearance predicts disease recurrence within 5 years after retrograde intrarenal surgery. J Endourol 2016; 30: 644-9 <strong>6</strong> Borofsky MS et al.: A proposed grading system to standardize the description of renal papillary appearance at the time of endoscopy in patients with nephrolithiasis. J Endourol 2016; 30: 122-7 <strong>7</strong> Pereira-Azevedo N et al.: mHealth in urology: a review of experts&rsquo; involvement in app development. PloS One 2015; 10: e0125547 <strong>8</strong> Stevens DJ et al.: Smartphone apps for urolithiasis. Urolithiasis 2015; 43: 13-9 <strong>9</strong> Rule AD et al.: The ROKS nomogram for predicting a second symptomatic stone episode. J Am Soc Nephrol JASN 2014; 25: 2878-86 <strong>10</strong> Borghi L et al.: Urinary volume, water and recurrences in idiopathic calcium nephrolithiasis: a 5-year randomized prospective study. J Urol 1996; 155: 839-43</p> </div> </p>
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