Peniskarzinom – how to treat?

In den letzten Jahren hat ein grundlegendes Umdenken in Bezug auf die Therapieansätze beim Peniskarzinom stattgefunden. Der Fokus der aktuellen Leitlinien richtet sich auf organerhaltende Maßnahmen und stellt die Lebensqualität der Patienten in den Vordergrund. Die frühe, invasive und korrekte Lymphknotendiagnostik bestimmt die Prognose.

Keypoints

  • Das Peniskarzinom ist eine seltene Erkrankung und sollte von Spezialisten therapiert werden.

  • Die Impfung ist eine sinnvolle Möglichkeit zur Prophylaxe.

  • So viel Organerhalt wie möglich, so radikal wie nötig.

  • Die frühe, invasive und korrekte Lymphknotendiagnostik bei >pT1a, G1 bestimmt die Prognose.

Epidemiologie und Risikofaktoren

Das Peniskarzinom stellt in Europa mit einer Inzidenz von unter 1/100000 Einwohnern eine der seltensten malignen Erkrankungen in der Urologie dar.

Das durchschnittliche Alter zur Zeit der Diagnose beträgt 70 Jahre, aber auch jüngere Männer unter 40 Jahren können betroffen sein. Die häufigste Lokalisation ist die Glans (48%), gefolgt von dem Präputium (21%), einer Kombination aus Präputium und Glans (9%), dem Sulcus coronarius (6%) und selten des Penisschafts alleine (<2%).1 Die häufigste histologische Form stellt das Plattenepithelkarzinom dar, das für über 95% aller Peniskarzinome verantwortlich ist.

Nach aktuellem Verständnis gibt es zumindest zwei unterschiedliche pathogenetische Wege, die zur Entstehung eines Peniskarzinoms führen.2,3 Einerseits wird hier die chronische Inflammation diskutiert, wobei chronische Balantiden sowie Lichen sclerosus zu präkanzerösen Läsionen führen können.4 Des Weiteren ist die Karzinogenese durch eine HPV-Infektion, insbesondere aufgrund von HPV Typ 16 und 18, beschrieben. In Europa sind etwa 50% aller Peniskarzinome mit einer HPV-Infektion assoziiert.5 Die sinnvollste Prophylaxe stellt daher die HPV-Impfung da.

Entsprechend dem österreichischen Impfplan 2021 gilt: „Die 9-valente Impfung gegen humane Papillomaviren (HPV9, Gardasil 9) ist im kostenfreien österreichischen Impfprogramm für Mädchen und Buben enthalten und wird ab dem vollendeten 9. Lebensjahr bis zum vollendeten 12. Lebensjahr nach dem Schema 0/6–12 Monate (1+1) geimpft. Ab dem vollendeten 15. Lebensjahr gilt ein 3-Dosen-Schema.“6

Weitere Risikofaktoren sind unter anderem mangelnde Genitalhygiene und das Vorliegen einer Phimose.7

Meistens eine Blickdiagnose

Das Peniskarzinom geht in den meisten Fällen mit morphologischen Hautveränderungen einher, jedoch ist eine klinische Abgrenzung zu entzündlichen Erkrankungen manchmal schwierig. Im frühen Stadium präsentiert sich das Peniskarzinom oft als eine flächige, erhabene Rötung. Fortgeschrittene Läsionen können als spürbar derbe Läsionen imponieren. Im Spätstadium beziehungsweise unbehandelt entwickelt sich das Peniskarzinom oftmals zu einem exophytisch wachsenden Tumor, seltener zu einer flächigen Ulzeration. Zur Diagnosestellung und Abgrenzung von anderen nichtepithelialen Neoplasien ist die histologische Sicherung entscheidend. Hierbei ist zu beachten, dass bei der Mehrheit der Patienten eine initiale Vorstellung aus Scham oder Verdrängung oft erst 6 Monate nach Beginn der Symptomatik stattfindet.8 Aus diesem Grund sollte bei unklaren Hautveränderungen eine frühzeitige Biopsie stattfinden, um ein weiteres Verzögern der Therapie zu verhindern.

Als erste Wahl empfiehlt sich in den meisten Fällen die Entnahme einer Hautstanze, einer sogenanten „punch biopsy“. Dies erfolgt nach vorheriger Lokalanästhesie entweder durch Kryoanästhesie, ein Lokalanästhetikum oder nach Durchführung eines Penisblocks. Als Alternative zur Punch-Biopsie besteht die Möglichkeit einer Shaving- beziehungsweise Inzisions-Biopsie. Entsprechend der S3-Leitlinie sollten zumindest zwei getrennte Biopsien aus dem Tumorzentrum beziehungsweise dem Tumorrand erfolgen. Die Biopsie dient rein der Tumordiagnostik, eine Beurteilung der Invasionstiefe und damit des weiteren Stagings ist aufgrund der oberflächlichen Gewebsentnahme meist nicht möglich. Die Biopsie sollte vor dem operativen Eingriff erfolgen, da die Schnellschnittdiagnostik – unter anderem aufgrund fehlender p16-Färbung – nur eingeschränkt beurteilbar ist. Eine Ausnahme hierzu sind kleine, auf die Vorhaut beschränkte Tumoren, da bei diesen eine kurative Zirkumzision ohne vorangegangene Biopsie durchführbar ist.

Vor dem operativen Eingriff

Zusätzlich zur histologischen Diagnostik und morphologischen Beschreibung der Primärläsion ist eine gründliche Untersuchung des Penis zur Einschätzung des klinischen T-Stadiums erforderlich. Hierbei stellt die Palpation die beste Möglichkeit zur Beurteilung der Tumorausdehnung dar, vor allem bei Verdacht auf eine Infiltration der Harnröhre, des Corpus spongiosum oder der Corpora cavernosa. Es sollten die Lokalisation, die Größe, das Wachstumsmuster sowie die Verschiebbarkeit des Tumors beschrieben werden. Eine weitere Bildgebung zur Beurteilung der Infiltrationstiefe mittels CT, MRT oder PET-CT ist aufgrund der eingeschränkten Auflösung in den allermeisten Fällen nicht sinnvoll und in der Aussagekraft einer klinischen Untersuchung unterlegen.9,10 Lediglich eine MRT nach artifizieller Erektion kann zur Einschätzung hilfreich sein, die Untersuchung ist für die Patienten jedoch oft schmerzhaft und wird derzeit nicht empfohlen.

Der nächste Schritt ist die sorgfältige Leistenpalpation. Der Lymphknotenstatus ist der bedeutsamste Prognosefaktor und stellt die Weichen für die weitere operative Entscheidungsfindung. Die Metastasierung des Peniskarzinoms erfolgt lymphogen und folgt daher vorhersehbar den anatomischen Lymphabflussstrukturen: Initial breitet sich der Tumor auf die inguinalen Lymphknoten aus, anschließend ipsilateral pelvin und in weiterer Folge retroperitoneal entlang der großen Gefäße.11 Falls Lymphknoten tastbar sind, sind die Anzahl, die Verschiebbarkeit sowie eine potenzielle Infiltration der Haut sowie des Gefäß-und Nervenbündels zu beschreiben. Hierbei ist zu beachten, dass ein einzelner vergrößerter Lymphnoten, der sogenannte Rosenmüller-Lymphknoten, physiologisch und vor allem symmetrisch vorkommt. Dieser befindet sich meistens medial der Vena femoralis unterhalb des Leistenbandes. Etwa 20% aller Patienten haben zum Zeitpunkt der ersten klinischen Vorstellung tastbare Leistenlymphknoten.12 Bei klinisch auffälligen Lymphknoten ist in weiterer Folge eine inguinale Lymphadenektomie empfohlen. Eine vorherige probatorische Behandlung von Lymphknotenvergrößerungen mittels Antibiotika sollte keinesfalls durchgeführt werden, da dies häufig eine Verzögerung des weiteren Prozederes mit sich zieht und damit einen negativen Einfluss auf das Überleben der Patienten hat.

Eine routinemäßige Staging-Untersuchung in Form eines CT von Thorax, Abdomen und Becken sollte erst bei cT3- und cT4-Tumoren bzw. bei klinisch tastbaren Leistenlymphnoten (cN+) erfolgen, da Fernmetastasen beim Peniskarzinom meistens erst in fortgeschrittenen Tumorstadien auftreten. Die häufigsten Lokalisationen von Fernmetastasen beim Peniskarzinom sind retroperitoneale und mediastinale Lymphknotenmetastasen sowie Absiedelungen in Lunge, Leber und Knochen.

Stadienabhängige Lokaltherapie

Abb. 2: Nach Glansresurfacing, 75-jähriger Patient

In den letzten Jahren erfolgte bezüglich der Lokaltherapie des Peniskarzinoms ein völliges Umdenken. Der nun gültige Grundsatz der Lokaltherapie lautet: so viel Organerhalt wie möglich, so radikal wie nötig. Dabei werden – differenziert nach T-Stadium und Differenzierungsgrad – Sicherheitsabstände von einem bis wenigen Millimeter als ausreichend angenommen. Mutilierende Penisoperationen bedeuten eine enorme psychosexuelle Belastung für die betroffenen Patienten. Dementsprechend entspricht die Lokaltherapie einer individuellen Kompromissfindung zwischen einem in Form und Funktion zufriedenstellenden Operationsergebnis und einer ausreichenden Tumorkontrolle. Der Organerhalt und die damit verbundene Lebensqualität des Patienten stehen im Vordergrund, gestützt von der Tatsache, dass Lokalrezidive keinen wesentlichen Einfluss auf das tumorspezifische Überleben haben (Abb. 1).14 Bei oberflächlichen, auf das Epithel beschränkten Tumoren stehen grundsätzlich mehrere Therapieoptionen offen. Ist der Tumor auf das innere Vorhautblatt beschränkt, stellt eine radikale Zirkumzision die Therapie der Wahl dar. Eine topische Therapie mit 5-Fluoruracil-Salbe beziehungsweise Imiquimod kann zur Behandlung von intraepithelialen Neoplasien (Cis) und fallweise bei Ta-Tumoren der Glans verwendet werden. Hiermit kann in bis zu 57% der Fälle eine komplette Remission erreicht werden.15 Alternativ können oberflächige Peniskarzinome mit Lasertherapie (z.B. CO2- oder Nd:YAG-Laser) behandelt werden. Bei beiden Therapiearten sollte eine Kontrollbiopsie erfolgen, um den Therapieerfolg zu sichern. Eine weitere Therapieoption bei flächigen Läsionen der Glans (max. T1a, G1) stellt die komplette chirurgische Deepithelialisierung der Eichel da, das sogenannte Glansresurfacing (Abb. 2). Nach Entfernung der obersten Epithelschicht erfolgt hierbei die Deckung mittels Spalthaut. Damit können auch bei ausgedehnten Läsionen kosmetisch ansprechende Ergebnisse erreicht werden. Lokalrezidive treten hier meist in den ersten zwei Jahren auf. Die Wahrscheinlichkeit für ein Auftreten ist abhängig von der jeweiligen Therapieoption. Es existieren dazu aber keine prospektiven randomisierten Studien.16 Bei invasiven Glanstumoren (T1 über T2 bis T3) sollte abhängig von der Lokalisation eine partielle oder komplette Glansektomie durchgeführt werden. Hierbei kann durch eine Glansrekonstruktion mit Spalt- oder Mundschleimhaut in den meisten Fällen ein kosmetisch zufriedenstellendes Ergebnis erzielt werden. Bei fortgeschrittenen Läsionen (T3+) ist je nach Größe und Infiltration der Urethra die partielle oder totale Penektomie die Therapie der Wahl. Noch weiter fortgeschrittene Stadien benötigen interdisziplinäres Management und sind mit einer schlechten Prognose vergesellschaftet.

Abb. 1: Therapieoptionen zum Organerhalt

Das primäre Lymphknotenmanagement ist entscheidend für das Überleben

Aufgrund der ungünstigen Prognose des regionären Lymphknotenrezidivs ist das primäre Lymphknotenmanagement der entscheidende Faktor für das Überleben des Patienten (Abb.3). Bei klinisch unauffälligem Leistenstatus sind in bereits 10–25% der Fälle inguinale Mikrometastasen zum Zeitpunkt der Diagnose vorhanden. Eine weitere Abklärung durch bildgebende Verfahren wird derzeit nicht empfohlen, da Lymphknotenmetastasen erst ab einem Durchmesser von ca. 10 Millimetern radiologisch sinnvoll detektierbar sind. Aus diesem Grund sollte bei allen Peniskarzinomen mit dem Stadium >T1a, G1 bei klinisch unauffälligem Leistenstatus eine invasive Diagnostik mittels dynamischer Sentinel-Lymphknotenbiopsie oder diagnostisch modifizierter inguinaler Lymphknotendissektion nach Catalona (modifizierte ILA) stattfinden. Die hierfür verantwortliche Rationale ergibt sich aus zwei unabhängigen Studien, welche zeigen, dass das Langzeitüberleben sich von ca. 90% auf 40% verringert, wenn inguinale Lymphknoten nicht bereits im okkulten Stadium entfernt werden.17,18

Abb. 3: Das primäre Lymphknotenmanagement ist entscheidend für das Überleben des Patienten

Bei klinisch auffälligem Lymphknotenstatus ist die radikale inguinale Lymphadenektomie (ILA) indiziert. Allerdings sollte zuerst eine histologische Sicherung in Form einer Biopsie erfolgen. Durch diese Vorgangsweise kann in bis zu 90% der Fälle trotz okkulter Mikrometasasen ein kuratives Ergebnis erzielt werden.19 Sollten bei der inguinalen Lymphadenektomie mehr als zwei Lymphknoten einer Seite positiv sein oder extranodales Wachstum histologisch nachgewiesen werden, ist in der Folge eine zusätzliche ipsilaterale pelvine Lymphadenektomie durchzuführen.

S3-Leitlinien des AMWF unter der Leitung der Deutschen Gesellschaft für Urologie (auf Deutsch). Abrufbar unter: www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/peniskarzinom/

EAU Guidelines on Penile Cancer (Englisch). Abrufbar unter: https://uroweb.org/guideline/penile-cancer/

Beide Leitlinien sind als App im Appstore von Apple bzw. im Google Play Store gratis verfügbar.

1 Mosconi AM et al.: Cancer of the penis. Critical Reviews in Oncology/Hematology 2005; 53: 165-77 2 Rubin MA et al.: Detection and typing of human papillomavirus DNA in penile carcinoma: Evidence for multiple independent pathways of penile carcinogenesis. Am J Pathol 2001; 159: 1211-18 3 Mentrikoski MJ et al.: Histologic and immunohistochemical assessment of penile carcinomas in a north american population. Am J Surg Pathol 2014; 38:(10): 1340-8 4 Velazquez EF, Cubilla AL: Lichen sclerosus in 68 patients with squamous cell carcinoma of the penis: frequent atypias and correlation with special carcinoma variants suggests a precancerous role. Am J Surg Pathol 2003; 27(11): 1448-53 5 Miralles-Guri C et al.: Human papillomavirus prevalence and type distribution in penile carcinoma. J Clin Pathol 2009; 62: 870-8 6 Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK) (Hg.): Impfplan Österreich 2021 7 Chaux A et al.: Epidemiologic profile, sexual history, pathologic features, and human papillomavirus status of 103 patients with penile carcinoma. World J Urol 2013; 31: 861-67 8 Skeppner E et al.: Initial symptoms and delay in patients with penile carcinoma. Scand J Urol Nephrol 2012; 46: 319-25 9 Lont AP et al.: A comparison of physical examination and imaging in determining the extent of primary penile carcinoma. BJU International 2003; 91: 493-95 10 Hanchanale V et al.: The accuracy of magnetic resonance imaging (MRI) in predicting the invasion of the tunica albuginea and the urethra during the primary staging of penile cancer. BJU International 2016; 117: 439-43 11 Wood HM, Angermeier KW: Anatomic considerations of the penis, lymphatic drainage, and biopsy of the sentinel node. Urol Clin North Am 2010; 37: 327-34 12 Kirrander P et al.: Swedish National Penile Cancer Register: incidence, tumour characteristics, management and survival. BJU International 2016; 117: 287-92 13 S H et al.: Squamous cell carcinoma of the penis: accuracy of tumor, nodes and metastasis classification system, and role of lymphangiography, computerized tomography scan and fine needle aspiration cytology. J Urol 1991; 146: 1279-83 14 LeijteJAP et al.: Recurrence patterns of squamous cell carcinoma of the penis: recommendations for follow-up based on a two-centre analysis of 700 patients. Eur Urol 2008; 54; 161-9 15 Manjunath A et al.: Topical therapy for non-invasive penile cancer (tis)—updated results and toxicity. Transl Androl Urol 2017; 6: 803 16 Chipollini J et al.: Surgical management of penile carcinoma in situ: results from an international collaborative study and review of the literature. BJU International 2018; 121: 393-98 17 Kroon BK et al.: Patients with penile carcinoma benefit from immediate resection of clinically occult lymph node metastases. J Urol 2005; 173: 816-19 18 McDougal WS: Carcinoma of penis: improved survival by early regional lymphadenectomy based on histological grade and depth of invasion of primary lesion. J Urol 1995; 154: 1364-66 19 McDougal WS et al.: Treatment of carcinoma of the penis: the case for primary lymphadenectomy. J Urol 1986; 136: 38-41

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