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Neues zum Urothelkarzinom
Urologik
Autor:
Prof. Shahrokh F. Shariat
Univ.-Klinik für Urologie<br> Medizinische Universität Wien<br> E-Mail: shahrokh.shariat@meduniwien.ac.at
Autor:
Dr. Irene Resch
Univ.-Klinik für Urologie<br> Medizinische Universität Wien<br> E-Mail: irene.a.resch@meduniwien.ac.at
30
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18.05.2017
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<p class="article-intro">Der alljährlich stattfindende Kongress der European Association of Urology (EAU) war wie immer geprägt von wichtigen Erkenntnissen und dem Bemühen, diese Neuerungen in Europa zu etablieren und Standards in der Betreuung der Patienten über den gesamten Kontinent zu generieren. Es steht außer Zweifel, dass mit der Einführung von neuen diagnostischen Tools und Therapeutika eine Revolution in der Therapie des Blasenkarzinoms stattgefunden hat. In diesem kurzen Überblick werden einige Abstracts betreffend das muskelinvasive und metastasierte Urothelkarzinom präsentiert. Der Fokus wird auf eine multidisziplinäre Betreuung von fortgeschrittenen Erkrankungen gelegt.</p>
<hr />
<p class="article-content"><h2>Muskelinvasives Urothelkarzinom der Harnblase</h2> <p><strong>Steigende Zahl der inkontinenten Harnableitung: eine Populationsanalyse von radikalen Zystektomien in Deutschland zwischen 2006 und 2013<sup>1</sup></strong><br /> Groeben et al aus Dresden versuchten Trends betreffend die Wahl der Harnableitung in Deutschland zu eruieren und Outcomes nach radikaler Zystektomie zu evaluieren. Anhand einer retrospektiven Analyse wurden alle Blasenkarzinomfälle untersucht, die im Zeitraum von 2006 bis 2013 einer radikalen Zystektomie zugeführt worden waren. Basierend auf dem Typ der Harnableitung (inkontinent versus kontinent) wurden die Kosten, die Krankenhausmortalität und die Zahl der Bluttransfusionen bewertet. Insgesamt 53 057 Fälle wurden inkludiert. Interessant war, dass die Zahl der radikalen Zystektomien im Laufe des Beobachtungszeitraumes gestiegen, die Anzahl der kontinenten Ableitungen jedoch gleich geblieben war. Die Zahlen der Untersuchung zeigen, dass Patienten, die eine Ureterokutaneostomie erhielten, älter waren (74,4 Jahre) als jene Patienten, für die die Entscheidung für ein Ileumconduit (71,3 Jahre), eine orthotope Neoblase (63,1 Jahre) oder einen kontinenten Pouch (61,1 Jahre) getroffen wurde. Die multivariate Analyse ergab, dass sowohl Alter als auch männliches Geschlecht die stärksten Prädiktoren dafür waren, dass Patienten eine kontinente Ableitung erhielten. Außerdem wurde in Krankenhäusern mit höheren Fallzahlen eher eine kontinente Harnableitung durchgeführt. Als sekundärer Endpunkt wurde die Krankenhausmortalität evaluiert. Ermittelt wurde sie anhand univariabler Analysen und sie ergab, dass die Rate der Krankenhausmortalität für Patienten mit inkontinenter Ableitung höher war als für Patienten mit kontinenter. Patienten mit inkontinenter Harnableitung erhielten eher Bluttransfusionen. Weitere multivariate Analysen zur genaueren Evaluierung wurden leider nicht durchgeführt. Zusammengefasst scheinen Patienten, bei denen eine inkontinente Harnableitung durchgeführt wurde, im Durchschnitt älter zu sein und mehr Komorbiditäten zu haben. Vermutlich sind die Mortalität und Zahl der Bluttransfusionen mehr eine Folge der Komorbiditäten und des Alters der Patienten als eine Folge der gewählten Harnableitung. Ein Anstieg der Zahl an inkontinenten Harnableitungen resultiert aus der steigenden Anzahl der radikalen Zystektomien bei älteren und tendenziell kränkeren Patienten.</p> <p><strong>Gebrauch von antibiotischer Prophylaxe im Rahmen von radikalen Zystektomien bei Patienten mit der Diagnose Harnblasenkarzinom<sup>2</sup></strong><br /> Anhand eines multiinstitutionellen Datasets analysierten Haider et al retrospektiv die Rolle der Antibiotikaprophylaxe. Patientendaten aus der Zeit zwischen 2009 und 2015 wurden erhoben und somit 217 Patienten inkludiert. Die mittlere Dauer der Hospitalisation nach radikaler Zystektomie lag bei 13 Tagen (IQR 11–20,5). Jedoch waren 9,2 % der Patienten auch nach 30 Tagen noch in stationärer Behandlung. 16,1 % der Patienten wurden vor Tag 30 nach Hause entlassen, mussten jedoch innerhalb von 30 Tagen postoperativ wieder stationär aufgenommen werden. 60 % der Patienten hatten bereits vor Durchführung der Operation eine liegende Drainage wie zum Beispiel einen transurethralen Dauerkatheter, eine innere Harnleiterschiene oder eine perkutane Nephrostomie. Ein Großteil der Patienten (95 % ) hatte präoperativ eine Darmvorbereitung erhalten. Die am häufigsten verwendete Antibiotikatherapie zur perioperativen Prophylaxe war eine Kombination aus Metronidazol (98,2 % ) mit einem Cephalosporin (89,9 % ), in den meisten Fällen Cefuroxim. Die Antibiose wurde im Durchschnitt bis zum 7. postoperativen Tag nach Zystektomie fortgesetzt (IQR 5–14). Nach Beendigung der initial begonnenen Antibiotikatherapie musste bei 51,6 % der Patienten ein weiteres Antibiotikum eingesetzt werden. Insgesamt hatten 42 Patienten (19,4 % ) einen Harnwegsinfekt, 9,7 % hatten eine Pyelonephritis, 7,8 % eine Urosepsis und bei 1,8 % wurde ein septischer Schock dokumentiert. Als die häufigsten Erreger wurden Enterococcus spp. sowohl in den Harn- als auch in den Blutkulturen nachgewiesen. Ergebnisse dieser Studie zeigten eine signifikante Resistenz gegen Cephalosporine und Ciprofloxacin. Die endgültige multivariate Analyse ergab, dass eine kontinente Harnableitung der einzige signifikante Prädiktor für das Vorliegen eines Harntraktinfektes war. Eine der Limitationen der Studie war, dass nur 6,9 % der Patienten eine neoadjuvante Chemotherapie erhielten, obwohl 68 % ein Tumorstadium von pT2+ hatten. Zusätzlich war die Wahl der perioperativen Antibiose abhängig vom vorliegenden Antibiogramm und dieses wiederum von Land und Region. Wichtigste Erkenntnis dieser Erhebung ist, dass man bisher fälschlicherweise annahm, Escherichia coli sei führender Verursacher von Harntraktinfekten in der untersuchten Patientenpopulation. Es war jedoch Enterococcus, der hauptsächlich zu perioperativen Infekten führte. Genau dieser Erreger wird jedoch von den gängigen antibiotischen Prophylaxeregimes nicht abgedeckt. „Take-home message“ ist schließlich zum einen, dass die Zahl der Harnwegsinfekte nach radikaler Zystektomie hoch war und die Dauer der Antibiose nicht das Risiko eines Infektes beeinflusste, weswegen eine kürzere Antibiotikagabe angestrebt werden sollte. Zum anderen wurde Enterococcus als führender Verursacher von Harntraktinfekten nach radikaler Zystektomie extrahiert, was in der Wahl der Antibiotika berücksichtigt werden sollte.</p> <p><strong>Reine histologische Varianten sind mit kurzem Überleben nach radikaler Zystektomie bei Patienten mit Harnblasenkarzinom assoziiert<sup>3</sup></strong><br /> Die Gruppe von Vita Salute aus Mailand präsentierte ihre retrospektiv im Zeitraum von 1990 bis 2013 erhobenen Daten von 1067 Patienten, die eine radikale Zystektomie mit pelviner Lymphadenektomie (PLND) erhalten hatten. Die Patientenkohorte wurde basierend auf ihrem pathologischen Befund in drei Gruppen aufgeteilt: reine histologische Variante (Urothelkarzinom), gemischte Variante (Urothelkarzinom) und variante Histologie (basierend auf dem pathologischen Befund des Zystektomiepräparates). Aus der Gesamtpopulation der Patienten wurden insgesamt 19 % mit gemischter und 13 % mit purer Variante nach Zystektomie ermittelt. Patienten mit einer Mischform hatten hauptsächlich sarkomatoide, lymphoepitheliale, Plattenepithel- und glanduläre Varianten. Jene Patienten mit einer gemischten Variante hatten eher Tumoren im Stadium pT3+, zeigten eher eine lymphovaskuläre Invasion und positive Resektionsränder. Innerhalb einer mittleren Follow-up-Zeit von 6,5 Jahren hatten Patienten mit „pure variant“ Histologie eine höhere Rezidivrate, krebsspezifische Mortalität und Gesamtmortalität (HR: 2,04, 1,48 und 1,40 retrospektiv). Das Vorliegen einer gemischten histologischen Variante erbrachte im Vergleich zu reinen Varianten keinen signifikanten Risikounterschied. Die Autoren postulieren, dass das Wissen über den vorliegenden histologischen Befund und somit über die histologische Variante eine gewichtige Rolle hinsichtlich weiterer klinischer Entscheidungen spielt. Ähnlich wie bei vielen retrospektiven Studien gab es keine Validierung oder Erhebung eines Interrater-Agreements. Eine weitere Studienlimitation ergibt sich dadurch, dass die Anteile der einzelnen histologischen Varianten bei gemischten histologischen Befunden nicht angegeben wurden. Die endgültigen histologischen Befunde nach radikaler Zystektomie für retrospektive Studien zu verwenden ist zwar möglich, im klinischen Alltag werden jedoch die pathologischen Befunde nach transurethraler Resektion der Blase als Entscheidungsgrundlage herangezogen.</p> <p><strong>Verwendung der 20-Gen-Expressions- Signatur, um positive Lymphknoten bei Zystektomie aufgrund eines muskelinvasiven Harnblasenkarzinoms vorherzusagen: bisher nicht validiert<sup>4</sup></strong><br /> Im Zeitalter der Präzisionsmedizin sind klinische Entscheidungen, die auf der Analyse von entsprechenden Biomarkern basieren, essenziell. Bereits im Jahr 2011 demonstrierten Smith et al, dass eine 20-Gen-Expression mit einer Genauigkeit von 0,67 (95 % CI: 0,44–0,65) ein lymphknotenpositives Stadium vorhersagen konnte. Auf Basis dieser Studie untersuchten Van Kessel et al aus Rotterdam retrospektiv die 20-Gen-Expression nach transurethraler Resektion der Harnblase von insgesamt 139 Patienten, die später eine radikale Zystektomie und pelvine Lymphadenektomie erhielten (91 LN negativ, 48 LN positiv). Anhand der Analysen konnten die Autoren keinen prädiktiven Wert für das 20-Gen-Modell evaluieren. Die errechnete AUC für den anhand des 20-Gen- Modells errechneten Risikoscore lag bei 0,54 (95 % CI: 0,44–0,65). Diese Studie spiegelt die Schwierigkeit wider, reproduzierbare Biomarker zu finden, deren Anwendung man aus einem theoretischen und wissenschaftlichen Setting in die klinische Arbeit umsetzen kann. Die Studie von Smith et al verwendete Zystektomiepräparate, während die Untersuchung von Van Kessel auf Samples der transurethralen Resektion basierte, was im klinischen Alltag sinnvoller erscheint.</p> <p><strong>Vergleich der Effektivität von trimodaler Therapie versus radikale Zystektomie in der Therapie von lokal fortgeschrittenem muskelinvasivem Urothelkarzinom der Harnblase<sup>5</sup></strong><br /> In den letzten Jahren hat das Interesse an der Durchführung einer trimodalen Therapie (TMT) in der Behandlung des lokal fortgeschrittenen muskelinvasiven Harnblasenkarzinoms zugenommen (TMT: transurethrale Resektion der Harnblasentumoren, Radiatio und Chemotherapie). Seisen et al extrahierten aus der US National Cancer Database (NCDB) 12 843 Patienten mit cN0M0-Harnblasenkarzinom, die entweder eine TMT (n=1257, 9,8 % ) oder eine radikale Zystektomie (n=11 586, 90,2 % ) erhalten hatten. Sie berechneten das Gesamtüberleben („overall survival“, OS) anhand von Kaplan-Meier-Analysen und fanden zwischen den beiden Gruppen keinen signifikanten Unterschied im mittleren Gesamtüberleben (TMT 39,6 Monate versus 43,0 Monate, p=0,29). Obwohl sich anhand einer Cox-Regressions-Analyse ein kürzeres Gesamtüberleben mit TMT zeigte (HR: 1,37; 95 % CI: 1,16–1,59), erbrachten ergänzend durchgeführte Subgruppenanalysen unter Berücksichtigung der Faktoren Alter der Patienten (HR: 1,21; 95 % CI: 0,83– 1,60), weibliches Geschlecht (HR: 1,28; 95 % CI: 0,83–1,74), Charlson Comorbidity Index ≥1 (HR: 1,10; 95 % CI: 0,83–1,38) oder ≥cT3-Stadium (HR: 1,16; 95 % CI: 0,80– 1,52) keinen signifikanten Unterschied zwischen den beiden Gruppen. Als gewichtigste Limitation dieser Erhebung kann die Verwendung der NCDB angesehen werden, die keine Auskunft über das krankheitsspezifische Outcome liefert. Mangels detaillierter Informationen kann man anhand der Daten dieser Studie annehmen, dass TMT kein schlechteres Outcome für Patienten mit muskelinvasivem Urothelkarzinom der Harnblase in einem gut selektierten Patientenkollektiv ergibt. Ob diese Erkenntnis nun in Bezug auf alle Patienten im Stadium einer muskelinvasiven Erkrankung angewendet werden kann, ist fraglich.</p> <p><strong>Bringt eine neoadjuvante Chemotherapie vor radikaler Zystektomie einen Überlebensvorteil? SWOG-8710 Trial<sup>6</sup></strong><br /> Die neoadjuvante cisplatinbasierte Chemotherapie (NAC) vor radikaler Zystektomie (RC) in der Behandlung des muskelinvasiven Urothelkarzinoms der Harnblase ist eine etablierte Behandlungsstrategie mit Level-1-Evidenz, ohne dass dabei außer Acht gelassen werden darf, dass diese Empfehlung anhand von Erhebungen aus einem ideal vorselektierten Patientenkollektiv im Rahmen von klinischen Studien getroffen wurde. Ziel dieser am EAU präsentierten Studie war es, anhand eines großen Patientenkollektivs den Nutzen der NAC zu evaluieren. Die verwendeten Daten stammen aus der National Cancer Database (NCDB). Es wurden Daten von Patienten mit nicht metastasiertem muskelinvasivem Blasenkarzinom aus dem Zeitraum zwischen 2004 und 2012 extrahiert, die eine NAC erhielten (in den Stadien cT2N0M0 bis cT4aN0M0). Die Daten ergaben, dass insgesamt 8732 der Patienten radikal zystektomiert wurden, jedoch nur 19 % eine neoadjuvante Chemotherapie erhielten. Diese Daten entsprechen den aktuellen Trends, die bereits mehrfach in der Literatur diskutiert wurden, nämlich der Tatsache, dass die neoadjuvante Chemotherapie im klinischen Alltag viel zu selten Anwendung findet. Besonders erwähnenswert ist, dass Patienten in der Untersuchungskohorte älter und eher Frauen waren und sich in einem klinisch weiter fortgeschrittenen Tumorstadium befanden. Um die Komorbiditäten und beeinflussenden Faktoren zu berücksichtigen, verwendeten die Autoren „propensity scores“. Es wurden NAC und RC sowie RC alleine verglichen. Der primäre Endpunkt war das Gesamtüberleben. NAC war assoziiert mit einem Überlebensvorteil (HR: 0,88, p=0,017) und mit einer höheren Downstaging-Rate (13,3 % bei NAC und RC versus 2,3 % bei RC) sowie einer geringeren Mortalität 90 Tage postoperativ. Limitation der Studie war, dass lediglich Patienten mit einem Charlson Comorbidity Index von 0, also ansonsten gesunde Patienten, inkludiert wurden. Daten dieser Studie unterstreichen erneut, dass die neoadjuvante Chemotherapie in der Behandlung von Patienten mit muskelinvasivem lokal fortgeschrittenem Harnblasenkarzinom zu selten durchgeführt wird. Dieser Tatsache und der Sensibilisierung für dieses Thema soll im Allgemeinen mehr Beachtung geschenkt werden.</p> <p><strong>Vergleich der Effektivität zwischen neoadjuvanter und adjuvanter Chemotherapie bei Patienten mit muskelinvasivem Urothelkarzinom der Harnblase<sup>7</sup></strong><br /> Seisen et al verglichen anhand von Daten aus der National Cancer Database den Nutzen von neoadjuvanter Chemotherapie im Vergleich zu adjuvanter Chemotherapie. Sie extrahierten Daten von insgesamt 10 056 Patienten, die aufgrund eines cT24- N0M0-Tumors radikal zystektomiert wurden. 8312 (82,7 % ) Patienten erhielten eine adjuvante und 1744 (17,3 % ) eine neoadjuvante Chemotherapie. Das mittlere Gesamtüberleben war im adjuvanten Therapiesetting signifikant länger, nämlich 42,0 (95 % CI: 39,5–44,6) vs. 33,7 (95 % CI: 29,4–38,1) Monate (p=0,001). Zusätzliche Analysen zeigten, dass der deutlichste Benefit für die Durchführung einer adjuvanten Therapie im klinischen Stadium T2 lag. Patienten im T3-Stadium hatten ein schlechteres Outcome. Eine Limitation der Studie war, dass der Zeitpunkt der adjuvanten Chemotherapie so gewählt war, dass nicht genau eruiert werden kann, inwiefern die Durchführung der Therapie noch als adjuvant bezeichnet werden konnte und nicht eher auch Patienten mit Salvage-Chemotherapie inkludiert wurden, denn das gewählte Therapieregime wurde nicht exakt erwähnt. Schließlich geht man davon aus, dass Patienten im klinischen Stadium T2 in den meisten Fällen keine ungünstigen endgültigen histologischen Befunde haben, sodass sie per definitionem keine adjuvante Therapie erhielten. In diesem Fall wäre der klinische Verlauf auch ohne adjuvante Chemotherapie prognostisch günstig. Patienten im klinischen Stadium T2 profitierten jedoch am meisten von der adjuvanten Chemotherapie, sodass man anhand der Daten eine Empfehlung hinsichtlich adjuvanter Therapie im T2-Stadium geben kann und danach eine neoadjuvante Chemotherapie nicht mehr indiziert ist.</p> <h2>Metastasiertes Urothelkarzinom</h2> <p><strong>Kann eine radikale Zystektomie bei metastasierten Patienten ohne zusätzliche Risiken durchgeführt werden? Auswirkungen der Lokalisation von Metastasen eines Blasenkarzinoms auf die Krankenhausmortalität<sup>8</sup></strong><br /> Zaffuto et al aus Montreal untersuchten die Krankenhausmortalität von Patienten, die eine Zystektomie erhielten, bezogen auf das Vorhandensein und die Lokalisation von Metastasen. Über die „US Inpatient Sample“(NIS)-Datenbank konnten 25 004 Patienten identifiziert werden, die in den Jahren von 2004 bis 2013 einer radikalen Zystektomie unterzogen worden waren. Bei insgesamt 5049 Patienten lag zum Zeitpunkt der Operation eine Metastasierung vor. Die Patienten wurden weiter aufgeteilt in eine Gruppe mit nicht regionalen Lymphknotenmetastasen (n=1726) und eine ohne (n=3323) Organmetastasen. Die assoziierte Krankenhausmortalität war jeweils 1,5 % , 3,5 % und 2,0 % für Patienten mit nicht regionalen Lymphknotenmetastasen alleine, Patienten mit Organmetastasen und nicht metastasierte Patienten. In der multivariaten Regressionsanalyse waren Organmetastasen signifikant mit einer erhöhten Krankenhausmortalität assoziiert (OR: 1,68; 95 % CI: 1,26–2,20), wohingegen bei Patienten mit nicht regionalen Lymphknotenmetastasen keine Assoziation bestand (OR: 0,84; 95 % CI: 0,62–1,11). Einschränkungen der Studie sind in erster Linie auf die NIS-Datenbank zurückzuführen, die keinerlei Auskunft über den weiteren Verlauf der Patienten nach der Entlassung gibt. Die Ergebnisse der Untersuchung unterstützen den Trend, jene Patienten, die wahrscheinlich davon profitieren, trotz Metastasierung des Urothelkarzinoms einer Zystektomie zuzuführen. Aufgrund dieser Daten scheint die radikale Zystektomie für diese Patienten eine sichere Behandlungsoption zu sein. Es sind jedoch weitere Studien mit weniger Einschränkungen notwendig, um dies zu bestätigen.</p> <p><strong>Pembrolizumab hat einen klinisch signifikanten Effekt als Erstlinientherapie bei Patienten mit fortgeschrittenem Urothelkarzinom, die nicht für eine Chemotherapie mit Cisplatin geeignet sind – Ergebnisse einer Subgruppenanalyse der KEYNOTE-052-Studie<sup>9</sup></strong><br /> Die Anwendung von Immuntherapeutika hat einen immer größer werdenden Stellenwert in der Behandlung des metastasierten Urothelkarzinoms (mUC). Das Urothelkarzinom scheint aufgrund seiner hohen Mutationslast auf Immuntherapeutika sehr gut anzusprechen. Bei Pembrolizumab handelt es sich um einen PD-1-Rezeptorblocker, dessen Wirksamkeit bereits in der Zweitlinientherapie nach Cisplatin bestätigt wurde. Ziel dieser Studie war es, den potenziellen Nutzen von Pembrolizumab als Erstlinientherapie zu untersuchen, mit besonderem Augenmerk auf Patienten, die nicht geeignet für eine Chemotherapie sind. In eine randomisierte, kontrollierte Studie wurden 370 Patienten eingeschlossen. Bei 24 % zeigte sich ein objektives Ansprechen des Tumors auf die Therapie mit Pembrolizumab. Bei den Patienten, die für mindestens 4 Monate an der Studie teilnahmen, waren es insgesamt 27 % . Die untersuchte Patientenpopulation war eine Hochrisikogruppe, 42 % der Patienten präsentierten sich mit zumindest ECOG 2 und 85 % hatten Organmetastasen. Insgesamt zeigte sich bei 58 % der Patienten eine Reduktion der Tumorgröße, mit einer medianen Zeit bis zum Ansprechen von zwei Monaten. Der Median der Dauer des Ansprechens wurde nicht erreicht, da bei 83 % der Patienten zum Ende der Studie immer noch ein Behandlungserfolg gegeben war. Ein komplettes Ansprechen konnte bei 6 % verzeichnet werden, einen Vorteil gab es jedoch in allen untersuchten Untergruppen. Der „combined positive score“ (CPS) wurde als Biomarker für die PD- 1-Expression auf Tumor- und Immunzellen bestimmt. Bei Patienten mit einem CPS >10 % lag die objektive Ansprechrate bei 44 % (34–55) und 10 % hatten ein komplettes Ansprechen. Lediglich 19 Patienten mussten die Therapie aufgrund von Nebenwirkungen beenden. Diese Ergebnisse sind hochinteressant und Teil einer neuen Ära in der Behandlung des Urothelkarzinoms.</p> <p><strong>Aktuelle Metaanalyse der Salvage- Therapie für metastasiertes Urothelkarzinom: Vergleich zwischen Immuntherapie und Einzel- bzw. Doppel-Agens- Chemotherapie<sup>10</sup></strong><br /> Necchi et al führten eine Metaanalyse von verschiedenen aktuellen Behandlungsoptionen für mUC (metastasiertes Urothelkarzinom) nach dem PICO-Schema durch, bei der acht immunonkologische (IO) Studien (n=1311), 22 Einzel-Agens-Chemotherapie( CT)-Studien (n=1202) und 24 Double-Chemotherapie-Studien (n=708) analysiert wurden. Es zeigte sich, dass IO und Double-Chemotherapie der Einzel- Agens-Chemotherapie hinsichtlich der Rate für objektives Ansprechen (ORR) überlegen waren. Das progressionsfreie Überleben (PFS) war sowohl bei Einzel- als auch Double-CT länger als bei IO. Das Gesamtüberleben war bei IO und Double-CT gleich lang und dem von Einzel-Agens-CT überlegen. Bei einer Subgruppenanalyse wurde die einzige doppelblinde Phase-III-Studie aus den Daten entfernt. Danach zeigten sich die Ergebnisse zu ORR als gleich, aber die Unterschiede hinsichtlich des PFS und OS waren nicht mehr statistisch signifikant. Double-CT hatte die höchste ORRund PFS-Rate, während IO bei PD-L1-positiven Patienten die höchste OS-Rate zeigte. In einer weiteren Untergruppe wurden die Wahrscheinlichkeit für Therapieansprechen, PFS und OS bei PD-L1-positiven Patienten mit dem von jenen Patienten, die IO erhielten, verglichen. PFS und OS waren etwas länger in der PD-L1-positiven Gruppe. Aufgrund des Studiendesigns ist die Möglichkeit eines Publikationsbias zu bedenken. Diese Studie zeigt die Komplexität des mUC hinsichtlich seiner möglichen Behandlungsstrategien. Zum jetzigen Zeitpunkt bleibt die Standardtherapie bis zum Einlangen der Ergebnisse der aktuell laufenden randomisierten Phasen-III-Studien nach wie vor unverändert.</p> <p><strong>Perioperative Chemotherapie hat keinen Einfluss auf das krankheitsfreie Überleben beim Urothelkarzinom des oberen Harntraktes (UTUC): eine bevölkerungsbasierte Studie<sup>11</sup></strong><br /> Goldberg et al aus Toronto untersuchten den Einfluss einer perioperativen Chemotherapie bei nicht metastasiertem UTUC (nmUTUC). Über das SEER(„Surveillance, Epidemiology and End Results“)-Krebsregister wurde eine Kohorte von 10 000 Patienten angelegt, die zwischen 2004 und 2013 aufgrund eines nmUTUC behandelt worden waren. Von diesen erhielten lediglich 16 % eine Chemotherapie und nur 35 % der Patienten waren Hochrisikopatienten (>pT2 oder N1). Die Zahlen zeigen, dass über die Jahre die Durchführung von Chemotherapien langsam angestiegen war. Patienten, die chemotherapiert wurden, waren charakterisiert durch ureterale Tumoren sowie ein höheres Tumorstadium und Tumorgrading. Die krebsspezifische Mortalität (CSM) war assoziiert mit höherem Alter sowie mit Tumorstadium, Tumorgrading und Chemotherapie (HR: 1,151; 95 % CI: 1,003–1,32, p=0,044). Die Gesamtmortalität (OM) war assoziiert mit männlichen Geschlecht, höherem Alter, Stadium, Tumorgrading und ureteralen Tumoren, aber nicht mit der Durchführung einer Chemotherapie. Eine Subgruppenanalyse von Patienten unter 65 Jahren zeigte ähnliche Ergebnisse, während bei Hochrisikopatienten die Chemotherapie keinen Einfluss auf CSM oder OM hatte. Die Aussagekraft der Studie wird durch das retrospektive Design sowie die mangelnde Angabe über den Zeitpunkt der Chemotherapie (adjuvant/neoadjuvant) limitiert, auch wenn bei einem Großteil der Patienten von einem adjuvanten Setting ausgegangen werden kann. Zusammenfassend kann man sagen, dass die Durchführung einer Chemotherapie bei Patienten mit nmUTUC nach wie vor zu selten Anwendung findet.</p></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Groeben C et al: Increasing use of incontinent urinary diversion: a total population analysis of radical cystectomies in Germany from 2006 to 2013. EAU 2017, Session: BLEXIT – best perioperative outcomes from cystectomy, Abstr. 267 <strong>2</strong> Haider M et al: The use of antibiotic prophylaxis in patients undergoing radical cystectomy for bladder cancer. EAU 2017, Session: BLEXIT – best perioperative outcomes from cystectomy, Abstr. 265 <strong>3</strong> Moschini M et al: Pure histological variants are associated with poor survival at radical cystectomy in patients with bladder cancer. Session: BLEXIT – best perioperative outcomes from cystectomy, Abstr. 273 <strong>4</strong> Van Kessel K et al: 20-gene expression signature to predict lymph node positive disease at radical cystectomy for muscle-invasive bladder cancer: not validated. EAU 2017, Session: BLEXIT – best perioperative outcomes from cystectomy, Abstr. 264 <strong>5</strong> Seisen T et al: Comparative effectiveness of trimodal therapy versus radical cystectomy for localized muscle-invasive urothelial carcinoma of the bladder. EAU 2017, Session: BLEXIT – best perioperative outcomes from cystectomy, Abstr. 274 <strong>6</strong> Hanna N et al: Is neoadjuvant chemotherapy beneficial before radical cystectomy? Examining the external validity of the SWOG-8710 trial. EAU 2017, Session: Perioperative chemotherapy and advanced disease – increasing experience and new aspects. Abstr. 175 <strong>7</strong> Seisen T et al: Comparative effectiveness of selective adjuvant versus systematic neoadjuvant chemotherapybased strategy for muscle-invasive urothelial carcinoma of the bladder. EAU 2017, Session: Perioperative chemotherapy and advanced disease – increasing experience and new aspects. Abstr. 173 <strong>8</strong> Zaffuto E et al: Can radical cystectomy be performed safely in the metastatic setting? Location of metastatic bladder cancer as a determinant of inhospital mortality. Session: BLEXIT – best perioperative outcomes from cystectomy, Abstr. 266 <strong>9</strong> Powles T et al: Pembrolizumab produces clinically meaningful responses as first-line therapy in cisplatin-ineligible advanced urothelial cancer: results from subgroup analyses of KEYNOTE- 052. Session: Perioperative chemotherapy and advanced disease – increasing experience and new aspects. Abstr. 170 <strong>10</strong> Necchi A et al: Updated meta-analysis (MA) of salvage therapy for metastatic urothelial cancer (mUC): comparing outcomes of immunotherapy (IT) vs. single agent and doublet chemotherapy (CT). Session: Perioperative chemotherapy and advanced disease – increasing experience and new aspects. Abstr. 171 <strong>11</strong> Goldberg H et al: Perioperative chemotherapy does not improve disease free survival in upper tract urothelial carcinoma: a population based analysis. EAU 2017, Session: Upper urinary tract tumour: Outcomes after radical surgery & peri-operative chemotherapy. Abstr. 1160</p>
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