
Mit Antibiotika behandeln oder nicht?
Nicht jede Harnwegsinfektion (HWI) muss mit Antibiotika behandelt werden. Doch wie sieht es mit einer Antibiotikaprophylaxe bei urodynamischen Eingriffen aus? Diese Frage beantwortete Dr. med. Lionel A. Micol, Lausanne, in seinem Vortrag. Dr. med. Valentin Zumstein, St. Gallen, präsentierte ein neues Verfahren zur Abrasion von Biofilmen auf Harnleiterschienen.
Antibiotikaprophylaxe
vor Urodynamik
Micol erklärte, dass bei asymptomatischen Bakteriurien vor einer Urodynamik eine antibiotische Prophylaxe empfohlen wird. Zugleich wies er auf das Problem der zunehmenden Antibiotikaresistenzen aufgrund unnötiger Antibiotikagaben hin, weshalb die Behandlung einer asymptomatischen Bakteriurie kontrovers diskutiert werde. Micol und Kollegen untersuchten, ob sich die Häufigkeit von HWI bei Patienten mit und ohne Antibiotikaprophylaxe vor einer Urodynamik unterscheidet. Insgesamt wurden 151 Patienten in die Studie aufgenommen. Von allen wurde eine Woche und direkt vor der urodynamischen Untersuchung per Katheter eine Urinprobe entnommen, um eine Bakterienkultur anzulegen. Dann wurden die Probanden in zwei Gruppen eingeteilt. Gruppe A wurde nach dem empfohlenen Verfahren mit Antibiotika behandelt, sofern Bakterien im Urin vorhanden waren. Gruppe B wurde nur dann behandelt, wenn die Infektion symptomatisch verlief. In Gruppe A hatten 22 % der Patienten am Tag der Urodynamik eine asymptomatische HWI, in Gruppe B 29,5 % . Eine Woche nach der Untersuchung wurden die Patienten angerufen und gefragt, ob sie Symptome einer HWI wie Schmerzen, häufiges Wasserlassen, trüben oder übelriechenden Harn beziehungsweise Fieber hatten. Bei symptomatischen Patienten wurde eine weitere Urinprobe für ein Antibiogramm entnommen und anschliessend entsprechend behandelt. Obwohl die Prävalenz asymptomatischer Bakteriurien hoch war, war die Inzidenz symptomatischer HWI niedrig (Gruppe A 2,44 % , Gruppe B 1,06 % , n.s.). Keiner der Patienten litt an Fieber. Die prophylaktische Antibiotikagabe senkte die HWI-Rate nicht. Daher könne bei asymptomatischen Patienten vermutlich auf eine Antibiotikaprophylaxe verzichtet werden, folgerte Micol. Allerdings seien grössere Studien mit ausschliesslich asymptomatischen Patienten nötig, bevor eine definitive Empfehlung abgegeben werden könne, betonte er.
Bakterienfilme auf Harnleiterschienen
Biofilme, die sich innerhalb kurzer Zeit auf Harnleiterschienen oder -stents bilden, tragen zu einer erhöhten Morbidität bei. Wie Dr. med. Valentin Zumstein ausführte, war es bisher nur begrenzt möglich, diese Biofilme zu analysieren und entsprechend dagegen vorzugehen. Das Team aus St. Gallen entwickelte ein einfaches mechanisches Instrument, ein sogenanntes Pinhole, mit dem Biofilme nahezu vollständig entfernt werden können. Das Pinhole ist ein Loch in einer Stahlplatte, durch das der Stent gezogen wird, wobei sich die Biomasse rund um das Loch ablagert und analysiert werden kann. Das Verfahren wurde mit der Standardmethode Sonikation und Vortexing (Ablösen mittels Ultraschall und rigoroses Mischen in Flüssigkeit) verglichen. Dabei zeigte sich, dass die Pinhole-Methode (PM) grössere Mengen an Biofilm extrahieren konnte als die Standardvorgehensweise. Die Anzahl der kultivierbaren Bakterien war in den meisten Fällen gleich, jedoch wurde in einigen Proben nur mit der PM bakterielles Wachstum nachgewiesen. Diese Ergebnisse bestätigten sich auch unter dem Rasterelektronenmikroskop: Während nach Sonikation und Vortexing noch Bakterienreste zurückblieben, zeigte sich nach der PM eine saubere Oberfläche. Zumsteins Schlussfolgerung: Das Verfahren entfernt Biofilme auf Harnleiterschienen einfach, schnell und sehr effizient. Das so gewonnene Material kann für weitere Untersuchungen genutzt werden.
Quelle: 73. Jahresversammlung der Schweizerischen Gesellschaft für Urologie, 6.– 8. September 2017, Lugano
1 Micol LA et al.: M38: Comparison of urinary tract infection incidences after urodynamic examination with or without prior antibiotherapy of asymptomatic bacteriuria 2 Buhmann MT et al.: P07: Development and validation of a novel abrasion-based method to assess biofilms on ureteral stents
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