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Macht die Fokusgröße bei extrakorporaler Stoßwellenlithotripsie einen Unterschied?
Urologik
Autor:
Dr. Julian Veser
Medizinische Universität Wien<br> Abteilung Urologie<br> Währinger Gürtel 18–20<br> 1090 Wien<br> E-Mail: julian.veser@meduniwien.ac.at
30
Min. Lesezeit
13.12.2018
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<p class="article-intro">Unterschiedliche technische Weiterentwicklungen der ersten Generation an Lithotriptern führten unter anderem zu einer großen Varianz der jeweiligen Fokuszone (Tab. 1). Die zusätzliche Einführung verschiedener Fokusgrößen in einem Gerät bietet zudem weiteren Behandlungsspielraum. Der Effekt verschiedener Fokusse auf die Effizienz und den Schmerzlevel bei der Therapie von Nieren- und Harnleitersteinen mit extrakorporaler Stoßwellenlithotripsie (ESWL) wird derzeit in klinischen Studien analysiert.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Die Fokusgröße hat bislang keinen nachgewiesenen Effekt auf die Steinfreiheitsrate, endgültige Studienergebnisse sind abzuwarten.</li> <li>Ein großer Fokus ist mit weniger Schmerzen, aber tendenziell mehr Reinterventionen assoziiert.</li> <li>Es gibt eine Vielzahl an unterschiedlichen Geräten mit diversen Fokusgrößen und Stoßwellentechnologien, ein systematischer Vergleich ist noch ausständig.</li> </ul> <h2>Einleitung</h2> <p>Die Prävalenz und die Inzidenz von Nieren- und Harnleitersteinen zeigen sich weltweit steigend mit einer globalen Prävalenz von zuletzt 5,6 % und einer innerhalb von 20 Jahren fast verdreifachten Inzidenz von 1,47 % (1979: 0,54 % ).<sup>1</sup> Zeitgleich hat sich auch die Therapie der Urolithiasis innerhalb der letzten drei Jahrzehnte stark gewandelt. Nach Einführung der Schockwellentherapie 1980 und einer darauf folgenden Dekade der Dominanz in der Behandlung von Steinen im Harnsystem nahm durch die Verbesserung der endourologischen (URS) und perkutanen (PCNL) Therapiemethoden und die höhere Wahrscheinlichkeit einer vollständigen Steinsanierung bereits beim Ersteingriff die Bedeutung der ESWL sukzessive ab.<sup>2</sup> <br />Erst durch die Einführung neuer technischer Innovationen bei der Schockwellenapplikation und -erzeugung mit verbessertem Outcome sowie vereinfachtem Handling konnte die extrakorporale Schockwellentherapie zuletzt eine Renaissance im Sinne einer nicht invasiven Steintherapie erfahren. <br />Drei Neuerungen sind dabei hervorzuheben:</p> <ul> <li>Der Kopplungsmechanismus hat sich von einem Wasserbad (Dornier HM4) zu einem deutlich praktikableren Wasserkissen mit Ultraschallgel entwickelt.</li> <li>Die Schallwellengenerierung hat sich von einer elektrohydraulischen und elektrokonduktiven Schallwellenerzeugung mit großer Variabilität zwischen einzelnen „Schüssen“ zu einer stabileren elektromagnetischen und piezoelektrischen Generierung von Schallwellen gewandelt. Vor allem Letztere konnte mit einer doppelschichtigen Konfiguration der piezoelektrischen Elemente im PiezoLith-3000-Lithotripter eine gesteigerte Schallwellenenergie erzeugen.</li> <li>Eine zeitliche Synchronisierung der beiden Wellen führte dann zu der dritten Neuerung, die die variablen Fokusgrößen betrifft. Dabei lässt sich beispielsweise die Fläche, auf welche die Stoßwellen fokussiert werden, an den jeweiligen Stein oder die patienteneigene Anatomie bzw. Physiologie (z.B. Atembewegungen) anpassen.</li> </ul> <h2>Prospektive Studie</h2> <p>Die Möglichkeit der Auswahl mehrerer unterschiedlicher Fokusgrößen bei dem PiezoLith 3000 wird derzeit in unserer Klinik genutzt, um eine prospektiv randomisierte doppelblinde Studie durchzuführen. Hierbei wird der Einfluss der verschiedenen Fokusse auf die Effizienz und den Schmerzlevel in der SWL-Therapie bei Nieren- und Harnleitersteinen evaluiert. <br />Dabei wird eine standardisierte ESWL mit Fokus 1 (2,1mm) oder Fokus 3 (8,1mm) durchgeführt und die Schmerzempfindung mittels visueller Analogskala (VAS) ermittelt. Die angegebenen Fokusgrößen werden standardmäßig als lateraler Durchmesser bei –6dB definiert. Der Therapieerfolg wird am Tag 1 (Uretersteine) bzw. am Tag 14 (Nierensteine) mittels Ultraschall und Abdomen-Leerröntgen reevaluiert. Bei Restfragmenten (>4mm bei Nierensteinen) wird direkt eine Re- ESWL durchgeführt. Nach insgesamt 4 Wochen wird die Steinfreiheitsrate (SFR) mittels Nativ-CT-Scan überprüft. <br />Die Ergebnisse der Interimsanalyse wurden im September beim Deutschen Urologiekongress in Leipzig vorgestellt. Hierbei zeigte sich bei den insgesamt 78 untersuchten Patienten eine Steinfreiheitsrate von jeweils 66 % (Fokus 1) und 71 % (Fokus 3), welche keine statistische Signifikanz erreichte. Auch bei den Schmerzen (VAS ≥8) zeigte sich mit 41 % vs. 35 % bislang kein eindeutiger Unterschied. Die Reinterventionsrate lag bei kleinem Fokus 1 bei 40 % gegenüber 48 % bei Fokus 3.</p> <h2>Schlussfolgerung</h2> <p>Bislang zeigte sich kein signifikanter Unterschied in der Steinfreiheitsrate zwischen den getesteten Fokusgrößen. Mit kleinerem Fokus wurden zwar weniger SWL-Sitzungen benötigt, jedoch assoziiert mit einem gesteigerten Schmerzempfinden und damit verknüpft zusätzlich benötigter Schmerzmedikation. <br />Diese Ergebnisse sind bislang auch konklusiv mit einer japanischen Studie von Suzuki et al., welche die beiden Fokusgrößen des Storz Modulith SLX-F2 einander gegenüberstellte. Hierbei konnte bei vergrößertem Fokus lediglich bei Uretersteinen eine leicht verbesserte Steinfreiheit erzielt werden.<sup>3</sup><br />Zusammenfassend lässt sich sagen, dass mit der derzeitigen Datenlage noch keine endgültige Aussage getroffen werden kann. Vor allem im Vergleich der Komplikationsraten werden bei einem komplikationsarmen Eingriff wie der ESWL größere Studienpopulationen benötigt, um die suszipierte bessere Verträglichkeit des vergrößerten Fokus nachzuweisen. Bei den Lithotriptern mit variabel einstellbaren Fokusgrößen gibt es zudem die Möglichkeit, das fokussierte Areal im Verlauf der Untersuchung anzupassen, d.h. mit einem kleinen Fokus und hoher Energiedichte zu starten und im Verlauf auf einen größeren Fokus zu wechseln. Ob sich das in einer besser verträglichen Therapie mit erhöhter Steinfreiheitsrate widerspiegelt, gilt es jedoch noch zu beweisen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Urologik_Uro_1804_Weblinks_s30_tab1.jpg" alt="" width="1420" height="735" /></p> </div></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Romero V et al.: Kidney stones: a global picture of prevalence, incidence, and associated risk factors. Rev Urol 2010; 12(2-3): e86-96 <strong>2</strong> Rassweiler JJ et al.: Shock wave technology and application: an update. Eur Urol 2011; 59(5): 784-96 <strong>3</strong> Suzuki K et al.: [A single center experience with a lithotripsy machine „Modulith SLX-F2“: evaluation of dual focus system and clinical results]. Hinyokika Kiyo 2010; 56(2): 81-6</p>
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