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Leading Opinions
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08.12.2016
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<p class="article-intro">Neben Vorträgen zu aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen bot die diesjährige Tagung der Schweizerischen Gesellschaft für Urologie (SGU) den Teilnehmern wieder eine Gelegenheit, Erfahrungen und Meinungen auszutauschen. Besonders junge Mediziner schätzen die Möglichkeiten, ihre Arbeiten vorzustellen und Kontakte zu knüpfen oder zu pflegen.</p>
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<p class="article-content"><p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Leading Opinions_Uro_1602_Weblinks_seite6.jpg" alt="" width="1384" height="1081" /></p> <p>Die Teilnehmer der 72. Jahresversammlung der SGU erwartete ein vielfältiges Programm. Aktuelle Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung wurden ebenso präsentiert wie die State-of-the-Art-Therapien unterschiedlicher urologischer Krankheiten. In einer Videositzung wurden unter anderem roboterassistierte Eingriffe anschaulich vorgestellt. Vor allem die Posterdiskussionen boten dem wissenschaftlichen Nachwuchs eine gute Möglichkeit, ihre Arbeiten einem grösseren Publikum zu präsentieren und sie zu diskutieren.</p> <h2>State of the Art beim CRPC</h2> <p>Besonderes Interesse fanden auch die State-of-the-Art-Referate zu Krankheiten des äusseren Genitales und zu urologischen Tumoren. So gab Prof. Kurt Miller, Berlin, einen Überblick über die medikamentöse Therapie des kastrationsresistenten Prostatakarzinoms (CRPC).<sup>1</sup> Nach der Definition der EAU-Leitlinie zum Prostatakarzinom liegt eine Kastrationsresistenz vor, wenn ein Serumtestosteron-Spiegel von unter 50ng/dl (1,7nmol/l) gemessen wird und zusätzlich entweder eine biochemische oder eine radiologische Progression nachweisbar ist.<sup>2</sup> Miller ging auf die TERRAIN-Studie ein, in der Enzalutamid mit Bicalutamid beim frühen (nicht oder nur mild symptomatischen) CRPC verglichen wurde. Insgesamt nahmen 375 Patienten an der Studie teil, bei denen es unter der Antiandrogen-Therapie zur Progression gekommen war. Sie wurden in zwei Gruppen randomisiert und erhielten zusätzlich zur Antiandrogen-Behandlung entweder Enzalutamid oder Bicalutamid. Bei den Patienten in der Enzalutamid-Gruppe war das progressionsfreie Überleben (PFS) signifikant länger als bei Patienten der Bicalutamid-Gruppe (15,7 Monate vs. 5,8 Monate; p <0,0001; Abb. 1).<sup>3</sup> <br />Beim metastasierten CRPC, das nicht mit Chemotherapie vorbehandelt wurde, sollte bei einer Progression schon früh Abirateron gegeben werden, so Miller. Dies hätten die Resultate der COU-AA-302-Studie ergeben, sagte er. Darin wurde Abirateronacetat (AA) plus Prednisolon mit Prednison plus Placebo verglichen. Bei einer medianen Nachbeobachtungszeit von bis zu 49,2 Monaten verlängerte AA das Gesamtüberleben signifikant (34,7 Monate vs. 30,3 Monate; p=0,0033; Abb. 2).<sup>4</sup> Doch auch die Chemotherapie habe ihren Stellenwert, vor allem bei symptomatischen Patienten und/oder viszeralen Metastasen, betonte Miller.<sup>2</sup> So reduziere Docetaxel Schmerzen um etwa ein Drittel. Bei Patienten, die mit Abirateron vorbehandelt wurden, wirkt Docetaxel nicht schlechter als bei nicht vorbehandelten Patienten.<sup>4</sup> Bei Männern mit CRPC, symptomatischen Knochenmetastasen, aber ohne viszerale Metastasen kann in der Second-Line-Behandlung auch Radium-223 eingesetzt werden.<sup>5</sup> Die Erfahrungen damit seien aber gemischt, sagte Miller. Schliesslich ging er noch auf die FIRSTANA-Studie ein. Sie untersuchte, ob Cabazitaxel 20mg/m² (C20) oder 25mg/m² (C25) der Standardtherapie mit Docetaxel 75mg/m² (D75) bei Patienten mit metastasiertem CRPC überlegen sind. Dies konnte jedoch nicht gezeigt werden.<sup>6</sup> Millers Fazit lautete daher: Beim CRPC sollten Abirateron und Enzalutamid früh gegeben werden. Radium-223, Docetaxel und Cabazitaxel können in Betracht gezogen werden. <img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Leading Opinions_Uro_1602_Weblinks_seite7_1.jpg" alt="" width="731" height="553" /> <img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Leading Opinions_Uro_1602_Weblinks_seite7_2.jpg" alt="" width="731" height="529" /></p> <h2>Immer wieder ein Thema: Testosteronsubstitution</h2> <p>Prof. Anton Ponholzer, Wien, befasste sich in seinem Vortrag mit aktuellen Empfehlungen zur Testosterontherapie.<sup>7</sup> Mit zunehmendem Alter lässt die Testosteronproduktion allmählich nach. Von einem Hypogonadismus spricht man bei Werten von unter 12,1nmol/l (Serumtes­tosteron) bzw. 234pmol/l (freies Testosteron).<sup>8</sup> Dabei nimmt das freie Testosteron stärker ab als das Gesamttestosteron. Die Veränderungen sind bei übergewichtigen Männern ausgeprägter als bei normalgewichtigen. Dies sei jedoch erst dann wirklich relevant, wenn der Testosteronmangel zu Beschwerden führe, die die Gesundheit und die Lebensqualität der Betroffenen beeinträchtigen, so Ponholzer. Für die meisten Menschen sei Tes­tosteron gleichbe­­deutend mit Männlichkeit, sagte er. Doch das Hormon habe vielfältige Wirkungen und ein Mangel könne unterschiedliche Symptome verursachen. Zum Beispiel gehe mit niedrigen Testosteronwerten ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko einher, betonte Ponholzer. Neben einer nachlassenden Libido und einer erektilen Dysfunktion litten betroffene Männer zudem unter anderem an Stimmungsschwankungen, Schlafstörungen, mangelnder Ausdauer und schwindender Muskelkraft. <br />Eine Therapie ist laut Ponholzer gerechtfertigt, wenn der Testosteronmangel zu Beschwerden führt. Man solle aber in einem ausführlichen Gespräch mit dem Patienten den Nutzen abwägen und herausfinden, warum er diese Therapie wünscht. Denn man dürfe nicht vergessen, dass viele ältere Patienten an weiteren Krankheiten leiden und/oder übergewichtig sind. Deshalb sei es sinnvoll, mit ihnen auch über die Behandlung der anderen Krankheiten und eine Lebensstiländerung zu sprechen. <br />Für die Substitution wird derzeit am häufigsten Testosteronundecanoat eingesetzt, da seine Wirksamkeit und Sicherheit durch Studien gut belegt ist.<sup>8</sup> Es kann oral, transdermal oder alle drei Monate als Injektion verabreicht werden. In Form von Tabletten oder transdermal als Pflas­ter bzw. Gel ist das Mittel gut steuerbar, was bei der Injektion nicht der Fall ist. Allerdings schwankt bei oraler Einnahme die Wirkung je nach der Nahrungszusammensetzung. Bei transdermalen Anwendungen, besonders beim Gel, kann es durch Hautkontakt zur ungewollten Übertragung der Substanz auf andere Personen kommen. Kontraindiziert ist eine Testosteronsubstitution bei Männern mit Prostata- oder Mammakarzinom, bei gutartigen Prostatahyperplasien, Unfruchtbarkeit, hämatologischen Störungen, schweren Herzkrankheiten sowie obstruktiver Schlafapnoe.<sup>8</sup> Es gebe keine Hinweise, dass die Hormongabe beim gesunden Mann Prostatakrebs auslöse, betonte Ponholzer. Zur Substitution nach einer vollständigen Prostatektomie existierten nur wenige Studien, diese sei aber nach derzeitigen Erkenntnissen erlaubt.</p> <h2>ED richtig behandeln</h2> <p>Die erektile Dysfunktion (ED) war das Thema von Prof. Andrea Salonia, Mailand. Er wies ausdrücklich darauf hin, dass eine ED weniger eine Krankheit als vielmehr ein Warnzeichen sei, etwa für kardiovaskuläre Krankheiten. Daher müssen betroffene Männer gründlich klinisch untersucht werden.<sup>9</sup> Häufig treten Erektionsstörungen auch als Folge einer Prostatakrebstherapie auf. Prostataverletzungen und psychische Belastungen können ebenfalls zu einer ED führen. <br />Für die Behandlung stehen verschiedene Methoden zur Verfügung. Dazu gehören stets die Therapie eventueller Grundkrankheiten und ein gesunder Lebensstil.<sup>9</sup> Medikamentös sind PDE5-Inhibitoren Mittel der Wahl. Die derzeit auf dem Markt befindlichen Präparate wirken laut Salonia alle gleich gut. Unterschiede gebe es lediglich bei der Zeit bis zum Eintritt der Wirkung und der Wirkungsdauer. Als Zweitlinientherapie sind intrakavernöse Injektionen mit vasoaktiven Substanzen wie Alprostadil möglich. Als letzter Ausweg, wenn andere Therapien nicht zum Erfolg führen, bietet sich eine Penisprothese an. Neuerdings wird eine Stosswellenbehandlung (low-intensity extracorporal shock wave therapy) untersucht. Allerdings sei es noch zu früh, um Empfehlungen auszusprechen, da es noch zu wenige Daten zu dem Verfahren gebe, sagte Salonia. In seiner Zusammenfassung hob er nochmals hervor, dass die ED die Lebensqualität der Betroffenen erheblich einschränkt, sie aber eher ein Symptom als eine Krankheit ist und vor allem als Warnsignal für kardiovaskuläre Störungen angesehen werden sollte.</p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Miller K: State-of-the-Art-Lecture: Medikamentöse Therapie des kastrationsresistenten Prostatakarzinoms – was kann und soll der Urologe wissen und machen? 72. Jahresversammlung der SGU, 7.–9. September, Interlaken <strong>2</strong> Heidenreich A (Chair) et al: Guidelines on prostate cancer. European Association of Urology 2012; <a href="http://uroweb.org/guideline/prostate-cancer" target="_blank">http://uroweb.org/guideline/prostate-cancer</a> <strong>3</strong> Shore ND et al: Efficacy and safety of enzalutamide versus bicalutamide for patients with metastatic prostate cancer (TERRAIN): a randomised, double-blind, phase 2 study. Lancet Oncol 2016; 17: 153-63 <strong>4</strong> Ryan CJ et al: Abiraterone acetate plus prednisone versus placebo plus prednisone in chemotherapy-naive men with metastatic castration-resistant prostate cancer (COU-AA-302): final overall survival analysis of a randomised, double-blind, placebo-controlled phase 3 study. Lancet Oncol 2015; 16: 152-60 <strong>5</strong> Parker C et al: Alpha emitter radium-223 and survival in metastatic prostate cancer. N Engl J Med 2013; 369: 213-23 <strong>6</strong> Sartor AO et al: Cabazitaxel vs docetaxel in chemotherapy-naive (CN) patients with metastatic castration-resistant prostate cancer (mCRPC): a three-arm phase III study (FIRSTANA). J Clin Oncol 2016; 34: suppl; abstr 5006 <strong>7</strong> Ponholzer A: State-of-the-Art-Lecture: Testosteron: Therapie aktuell. 72. Jahresversammlung der SGU, 7.–9. September, Interlaken <strong>8</strong> Dohle GR (Chair) et al: Guidelines on male hypogonadism. European Association of Urology 2015; <a href="http://uroweb.org/guideline/male-hypogonadism" target="_blank">http://uroweb.org/guideline/male-hypogonadism</a> <strong>9</strong> Hatzimouratidis K (Chair) et al: Guidelines on male sexual dysfunction: erectile dysfunction and premature ejaculation. European Association of Urology 2014; <a href="http://uroweb.org/guideline/male-sexual-dysfunction" target="_blank">http://uroweb.org/guideline/male-sexual-dysfunction</a></p>
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