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Highlights vom Michael J. Marberger Annual Meeting
Urologik
30
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21.03.2019
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<p class="article-intro">Bereits zum vierten Mal waren Urologen, Onkologen und Spezialisten aus anderen Fachgebieten der Einladung der Klinik für Urologie der Medizinischen Universität gefolgt. Unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Shahrokh F. Shariat wurden hochkarätige Vorträge von erstklassigen internationalen Experten präsentiert und aktuelle Themen – u. a. die Behandlung von Blasen-, Prostata- und Nierenkrebs – diskutiert. Eine kleine Auswahl der spannenden Vorträge bietet der folgende Bericht.</p>
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<p class="article-content"><h2>Aktuelle Fortschritte in der Therapie beim Blasenkrebs</h2> <p>PD Dr. Roland Seiler vom Inselspital Bern gab einen Überblick über die Therapie beim Blasenkrebs. Gemäß den Richtlinien der EAU, der AUA und der ASCO ist der Therapiestandard beim muskelinvasiven Blasenkrebs die neoadjuvante Cisplatinbasierte Chemotherapie (NAC) gefolgt von radikaler Zystektomie. Mehrere klinische Studien haben allerdings nachgewiesen, dass nur ein Teil der Patienten einen Vorteil von dieser Behandlung hat. Darüber hinaus kommt die NAC in der täglichen klinischen Praxis oftmals nicht zum Einsatz. Aus diesem Grund sind neue Modelle und neue Therapien für die Behandlung des muskelinvasiven Blasenkrebses dringend nötig.</p> <p><strong>Auswahl der Patienten</strong><br />Eine deutliche Verbesserung im Management des Therapiestandards könnte eine Selektion jener Patienten sein, die auf die NAC ansprechen. Auf der einen Seite könnten dies mittels DNA-Sequenzierung identifizierte genomische Alterationen sein, welche Gene betreffen, die in die DNA-Reparatur involviert sind. Als Beispiel führte Seiler das Gen <em>ERCC2</em> („Excision Repair Cross-Complementing Rodent Repair Deficiency, Complementation Group 2“) an, das – wenn es durch Mutationen beeinträchtigt ist – dazu führt, das die Zelle empfänglicher für Cisplatin ist. Dies konnte bereits durch eine klinische Studie vom Memorial Sloan Kettering Cancer Center belegt werden, die Patienten untersuchte, die entweder auf eine Ciplatin-basierte NAC ansprachen oder nicht. Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass Patienten, die auf die Therapie ansprachen, häufig Mutationen im <em>ERCC2</em>-Gen hatten.<br /> Ein anderer Biomarker für das Therapienansprechen könnten molekulare Subtypen sein. Aktuelle Ansätze teilen muskelinvasiven Blasenkrebs anhand genetischer Expressionsprofile in einen luminalen und einen basalen Typ ein. Mehrere klinische Studien konnten belegen, dass Patienten mit einem basalen Tumortyp eine günstige Prognose für ein Ansprechen auf NAC aufweisen.</p> <p><strong>Molekulare Subtypen</strong><br />Seiler ging auf das vor zwei Jahren von Robertson AG et al. im Journal „Cell“ publizierte Paper zur molekularen Charakterisierung von Blasenkrebspatienten ein und schlussfolgerte, dass es bei den 400 untersuchten Blasentumoren 400 molekulare Subtypen gibt. Auch aus diesem Grund wird der derzeitige Therapiestandard, der für alle Patienten gleich ist, nicht bei allen Patienten zu einem Ansprechen führen. In Zukunft muss der Tumor jedes einzelnen Patienten untersucht und eine speziell darauf abgerichtete Therapie ausgewählt werden, so Seiler.</p> <p><strong>NEXUS – Algorithmus zur Auswahl der optimalen Therapie</strong><br />Dies hat Seiler mit seinem Team im vergangenen Jahr bereits gemacht. Sie verwendeten den Algorithmus NEXUS, der für den Einsatz bei Brustkrebs und Melanom entwickelt wurde. Mithilfe des Algorithmus können DNA-Alterationen identifiziert werden, gegen welche zielgerichtete Therapien verfügbar sind. Unter Einbeziehung verschiedener Datenbanken wie FDA, ClinicalTrials. gov oder Swissmedic kann so die beste individuelle Therapie identifiziert werden. Mit diesem System konnten anhand von DNA-Sequenzierung 44 Gene mit geschädigten Varianten gefunden werden, die in zumindest 10 % der analysierten Proben vorhanden waren. Insgesamt 88 Wirkstoffe stehen für die Patienten zur Verfügung, individuell nach der jeweils vorliegenden Mutation ausgewählt. Unter Verwendung von RNA-Sequenzierung wurden darüber hinaus lineare Modelle für 89 Wirkstoffe entwickelt.<br /> Die optimale Behandlung von Patienten mit muskelinvasivem Blasenkrebs sollte künftig also auf der Wahrscheinlichkeit des Ansprechens basieren, so Seiler: Für die Behandlung basaler Tumoren oder Tumoren mit Mutationen in DNA-Reparatur- Genen ist die Cisplatin-basierte NAC am besten geeignet, für infiltrierte Tumoren mit einer hohen Mutationslast Checkpoint- Inhibitoren und für luminale Tumoren sind dies zielgerichtete Therapien. Darüber hinaus wird es neue Strategien, neue Targets, neue Modelle und neue Biomarker für neue Therapien geben.</p> <h2>Immuntherapie beim metastasierten Nierenzellkarzinom</h2> <p>Univ.-Prof. Dr. Manuela Schmidinger, Universitätsklinik für Innere Medizin, Medizinische Universität Wien, berichtete in ihrem Vortrag über die Optimierung der Therapie beim metastasierten Nierenzellkarzinom (mRCC). Die Einführung der Kombination des PD-1-Inhibitors Nivolumab mit dem CTLA-4-Inhibitor Ipilimumab in die Erstlinienbehandlung von Patienten mit intermediärem/ungünstigem Risikoprofil stellen einen neuen Standard in der Behandlung des fortgeschrittenen Nierenzellkarzinoms dar. Die Ergebnisse der CheckMate-214-Studie, die im „New England Journal of Medicine“ publiziert wurden, führten im Jänner 2019 auch in Europa zur Zulassung der Kombinationstherapie. Die Studie ergab ein komplettes Ansprechen von bis zu 16 % und ein bis dahin noch nie beim mRCC boebachtetes Gesamtüberleben (OS): Das mediane OS war unter der Checkpoint-Inhibitor-Kombination noch nicht erreicht und betrug unter Sunitinib 26 Monate (HR: 0,63; 99,8 % CI: 0,44–0,89; p <0,001). Sogar nach Therapieabbruch konnten Verbesserungen bei Patienten beobachtet werden. Auch bei Patienten mit sarkomatoider Differenzierung kam es zu deutlichen Fortschritten.</p> <p><strong>Verbesserungen sind nötig</strong><br /> Aber es gibt noch Raum für Verbesserung, denn nicht jeder Patient profitiert von der Checkpoint-Inhibitor-Kombination, so Schmidinger. In der CheckMate-214-Studie (Nivolumab + Ipilimumab) zeigten 51 % der Patienten kein Ansprechen, in der IMmotion- 151-Studie (Atezolizumab + Bevazizumab) ebenfalls 51 % und in der JAVELIN- 101-Studie (Avelumab + Axitinib) waren es 38 % . Dazu kommt, dass bei den letzten beiden genannten Studien das progressionsfreie Überleben (PFS) in einem Bereich liegt, der auch mit einem Tyrosinkinase- Inhibitor (TKI) ohne Checkpoint-Inhibitor erreicht werden kann, so Schmidinger.</p> <p><strong>Optimierung der Immuntherapie</strong><br />Für Schmidinger gibt es vier Wege, um die Immuntherapie zu optimieren. Als Erstes muss vor der Therapie der primäre Treiber der Krankheit jedes einzelnen Patienten identifiziert werden. Mittels Transkriptomanalyse kann die passende Therapie gewählt werden. So wäre für Patienten mit einer Angiogenese-Signatur eine TKI-Therapie alleine ausreichend. Patienten mit einer hohen T-Effektor-Signatur hingegen benötigen eine Therapie mit einem Checkpoint- Inhibitor. Haben Patienten eine hohe Signatur an myeloider Inflammation, ist eine Kombination aus TKI und Checkpoint- Inhibitor am besten. Als zweiten Weg für die Optimierung der Immuntherapie führte Schmidinger die Miteinbeziehung der Heterogenität der Population an, denn Gensignaturen sind in den verschiedenen Risikogruppen unterschiedlich. Der dritte Weg ist das Verständnis des Escape-Mechanismus des Tumors beim jeweiligen Patienten. Je nach Escape-Mechanismus gibt es unterschiedliche Therapieansätze. Die gestörte Erkennung des Tumors durch das Immunsystem könnte durch den Einsatz von Chemotherapie, CAR-T-Zellen oder Histon-Deacetylase-Inhibitoren verbessert werden. Bei gestörtem T-Zell-Metabolismus könnte der Einsatz von IDO-Inhibitoren von Vorteil sein. Monoklonale Antikörper gegen IL-10, COX2-Inhibitoren oder VEGF-Inhibitoren könnten bei T-Zell-Dysregulation angezeigt sein. Denkbare Therapieansätze für Immunzellen, die vom Tumor für sich genutzt werden, sind VEGFInhibitoren, Radiotherapie oder Metformin. Induziert der Tumor T-Zell-Apoptose oder führt zur Hochregulierung von inhibitorischen Molekülen, könnte ein Ipilimumab- Boost helfen. VEGF-Inhibitoren könnten auch zum Einsatz kommen, wenn der Zugang der T-Zellen zum Tumor gestört ist. Probiotika können bei einem falschen/ unerwünschten Mikrobiom eingesetzt werden.<br /> Als letzten Punkt zur Optimierung der Immuntherapie führt Schmidinger das Timing der Kombinationstherapie an. Demnach wäre es sinnvoller, TKI und Checkpoint- Inhibitor nicht gleichzeitig zu verabreichen, sondern den Tumor mit dem TKI zuerst zu primen, bevor die Immuntherapie zum Einsatz kommt.<br /> Die Anwendung dieser wichtigen Erkenntnisse bei künftigen Therapien wird das Outcome bei dieser Erkrankung für immer verändern, so Schmidinger abschließend.</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: 4<sup>th</sup> Michael J. Marber (MJM) Annual Meeting – Frontiers in
Urology. 14. Dezember 2018, Medizinsche Universität
Wien
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