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Harnwegsinfekte und negatives MCUG – what next?

<p class="article-intro">Das Miktionszystourethrogramm (MCUG) ist Standard in der Abklärung nach fieberhaften Harnwegsinfekten (HWI) bei pädiatrischen Patienten und sollte laut den aktuellen EAU/ESPUGuidelines bis auf wenige Ausnahmen nach jedem gesicherten ersten fieberhaften Harnwegsinfekt im Kindesalter durchgeführt werden. Bei einer Subgruppe von Kindern mit falsch negativem MCUG besteht dennoch ein erhöhtes Risiko für weitere Harnwegsinfekte. Dieser Beitrag beschäftigt sich mit möglichen weiteren Maßnahmen in dieser Patientengruppe.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Nach fieberhaften Harnwegsinfekten ist ein MCUG bei 10&ndash;20 % der Patienten falsch negativ.4 Diese Patientengruppe mit okkultem VUR ist besonders gef&auml;hrdet und ein &bdquo;&uuml;bersehener&ldquo; VUR in Kombination mit rezidivierenden fieberhaften HWI kann schwerwiegende Folgen haben.</li> <li>Weitere Untersuchungen sind bei nachfolgenden Harnwegsinfekten, aber auch bei zus&auml;tzlichen Risikofaktoren nach individueller Indikation sinnvoll.</li> <li>Eine differenzierte Aufkl&auml;rung der Eltern bez&uuml;glich der Wertigkeit einer negativen MCUGUntersuchung ist wesentlich f&uuml;r die Vermeidung unn&ouml;tiger Morbidit&auml;t.</li> </ul> </div> <h2>Einleitung</h2> <p>Harnwegsinfekte sind als die h&auml;ufigste bakterielle fieberhafte Erkrankung im Kindesalter verantwortlich f&uuml;r 5&ndash;8 % aller hochfieberhaften Zustandsbilder im ersten Lebensjahr.<sup>1</sup> Fieberhafte HWI sind nicht nur mit einer hohen Morbidit&auml;t verbunden, sondern k&ouml;nnen, vor allem wenn sie rezidivierend auftreten, Ursache f&uuml;r Nierennarben und einen irreversiblen Nierenfunktionsverlust sein. Die am h&auml;ufigsten mit rezidivierenden HWI assoziierte Fehlbildung ist der vesikoureterale Reflux (VUR). Dieser ist mit einer gesch&auml;tzten Inzidenz von 0,4&ndash;1,8 % bei nicht symptomatischen Kindern eine h&auml;ufige urogenitale Anomalie.<sup>2</sup> Bei Kindern, bei denen nach einem fieberhaften Harnwegsinfekt ein Miktionszystourethrogramm durchgef&uuml;hrt wird, ist &ndash; je nach Alter des Kindes und Anzahl der Infekte &ndash; in ca. 30(&ndash;70) % ein VUR nachweisbar,<sup>3, 4</sup> die Rate an negativen MCUG ist somit sehr hoch.<br /> Das MCUG kann jedoch falsch negativ sein und ein vorliegender VUR nicht dargestellt werden, also okkult sein. Kinder mit okkultem VUR sind besonders gef&auml;hrdet, da sich die Eltern bei fehlendem Bewusstsein dieser M&ouml;glichkeit in falscher Sicherheit wiegen und weitere Harnwegsinfekte mitunter gar nicht diagnostiziert und wenn, dann eventuell nicht weiter abgekl&auml;rt werden. Die Schwierigkeit liegt nun darin, zu entscheiden, welche Kinder bei Harnwegsinfekten und negativem MCUG keine weitere Abkl&auml;rung brauchen und bei welchen Kindern ein okkulter VUR oder eine andere nicht sicher mit dem MCUG diagnostizierbare Ver&auml;nderung, die das Risiko f&uuml;r weitere Probleme beeinflussen k&ouml;nnte, vorliegt.<br /> Ziel ist es, jene Kinder, die ein erh&ouml;htes Risiko f&uuml;r weitere Harnwegsinfekte und einen m&ouml;glichen Nierenfunktionsverlust haben, rasch und zuverl&auml;ssig zu identifizieren und gleichzeitig m&ouml;glichst viel unn&ouml;tige invasive Diagnostik zu verhindern.<br /> Dieser Artikel besch&auml;ftigt sich mit der interessanten Frage nach den Konsequenzen eines negativen MCUG &ndash; nicht nur in Hinblick auf den okkulten VUR, sondern auch bezogen auf technische Aspekte der Durchf&uuml;hrung des MCUG, m&ouml;gliche Alternativen und die Frage nach einer erg&auml;nzenden DMSA-Szintigrafie.</p> <h2>MCUG</h2> <p>Das MCUG ist nach wie vor trotz Invasivit&auml;t und Strahlenbelastung &ndash; auch wenn diese sehr gering ist &ndash; der Goldstandard zur Diagnose bzw. zum Ausschluss eines VUR im Kindesalter.<br /> Der VUR ist jedoch per se ein intermittierendes Ph&auml;nomen und kann oft nicht w&auml;hrend der kurzen Untersuchungszeit dargestellt werden. Die Sensitivit&auml;t des MCUG wird weiter vermindert durch technische Einflussfaktoren wie eine m&ouml;glicherweise nicht ausreichende Blasenf&uuml;llung (gerade bei Kindern mit VUR liegt die Blasenkapazit&auml;t deutlich h&ouml;her als altersabh&auml;ngig zu erwarten), durch die Verwendung von nicht vorgew&auml;rmtem Kontrastmittel, die Durchf&uuml;hrung von zu wenigen F&uuml;llungen (dies ist v.a. bei kleinen Kindern von Bedeutung) und stark dilatierte Harnleiter, bei denen durch einen Verd&uuml;nnungseffekt des Kontrastmittels ein vorliegender VUR m&ouml;glicherweise nicht dargestellt werden kann. Gerade bei &auml;lteren Kindern ist das MCUG oft weniger aussagekr&auml;ftig: Eine Miktion w&auml;hrend der Untersuchung ist h&auml;ufig nicht m&ouml;glich, bei &auml;lteren M&auml;dchen ist der Miktionsdruck unter Untersuchungsbedingungen m&ouml;glicherweise nicht ausreichend, um einen vorliegenden VUR darstellen zu k&ouml;nnen, und nat&uuml;rlich ist auch die Compliance der jungen Patienten ein Faktor, der die Sensitivit&auml;t des MCUG beeinflussen kann.<br /> Wichtig ist zun&auml;chst die Suche nach Risikofaktoren: Hierzu dienen die Anamnese (Alter, Geschlecht, Anzahl der bislang aufgetretenen fieberhaften Harnwegsinfekte, Familienanamnese ...) sowie sonografische Kriterien: Das Vorliegen einer Hydronephrose, eines Megaureters, einer Nierenbeckenwandverdickung oder eines Doppelhohlsystems kann ein Hinweis auf das Vorliegen eines VUR sein. Die gr&ouml;&szlig;te Bedeutung in der weiteren Abkl&auml;rung hat definitiv die DMSA-Szintigrafie.</p> <h2>DMSA-Szintigrafie</h2> <p>Die DMSA-Szintigrafie ist der Goldstandard zur Detektion von akuten pyelonephritischen Ver&auml;nderungen sowie von Nierennarben bei Kindern und kann in der Regel ambulant und ohne Sedierung durchgef&uuml;hrt werden. Die Strahlenbelastung liegt bei ca. 1mSv. Etwa die H&auml;lfte der akuten pyelonephritischen Ver&auml;nderungen bleibt als Nierennarbe bestehen und bedeutet einen Nierenfunktionsverlust f&uuml;r den jungen Patienten. Bei der Erstabkl&auml;rung von Kindern mit febrilen HWI bestehen bei etwa 40 % bereits irreversible Nierensch&auml;den.<sup>5</sup> Es konnte gezeigt werden, dass neue Nierennarben in jedem Alter und bereits nach einem einzigen kurzen fieberhaften HWI auftreten k&ouml;nnen.<sup>6, 7</sup> Sowohl akute DMSA-Ver&auml;nderungen als auch persistierende postpyelonephritische Ver&auml;nderungen korrelieren stark mit dem Vorhandensein eines (hochgradigen) VUR und mit dem Risiko f&uuml;r weitere Durchbruchsinfekte.<sup>8</sup> Bei bis zu der H&auml;lfte der Kinder mit DMSA-Ver&auml;nderungen kann aber kein VUR nachgewiesen werden.<br /> DMSA-Ver&auml;nderungen bei Kindern mit fieberhaften Harnwegsinfekten und negativem MCUG k&ouml;nnen somit ein Hinweis auf einen okkulten VUR sein (Abb. 1). Diese Kinder bed&uuml;rfen eines genauen Followups und ggf. &ndash; insbesondere bei weiteren HWI &ndash; sollte eine weiterf&uuml;hrende Diagnostik erfolgen. Daf&uuml;r gibt es zwei M&ouml;glichkeiten:</p> <h2>Sono-MCUG</h2> <p>Das Sono-MCUG wurde 1998 erstmals beschrieben.<sup>9</sup> Mittels transurethralen Katheters wird ein Sono-Kontrastmittel mit Schwefelhexafluorid-Mikrobl&auml;schen (SonoVue<sup>&reg;</sup>) in die Blase instilliert, sowohl w&auml;hrend der F&uuml;llung als auch w&auml;hrend der Miktion k&ouml;nnen Blase und Nieren kontinuierlich sonografiert und auf das Vorliegen eines VUR gescannt werden. Im Vergleich zum konventionellen MCUG ist die Sensitivit&auml;t des Sono-MCUG h&ouml;her,<sup>10</sup> ein Vorteil ergibt sich vor allem bei ausgepr&auml;gt dilatierten Ureteren und Nierenbecken, da auch einzelne &bdquo;microbubbles&ldquo; nachgewiesen werden k&ouml;nnen, w&auml;hrend beim konventionellen MCUG ein Verd&uuml;nnungseffekt den Nachweis eines VUR erschweren oder unm&ouml;glich machen kann (Abb. 2).<br /> Das Sono-MCUG ist geeignet zur Erstabkl&auml;rung von M&auml;dchen (eine Darstellung der Harnr&ouml;hre ist nur erschwert m&ouml;glich), zum Follow-up von Jungen und M&auml;dchen und ggf. bei negativem konventionellem MCUG, v.a. bei Megaureteren.</p> <h2>PIC -Zystogramm (&bdquo;positioning instillation of contrast&ldquo;)</h2> <p>Die Technik wurde erstmals 2003 von Rubenstein beschrieben.<sup>11</sup> In Narkose erfolgt eine Zystoskopie und nach Entleerung der Blase eine Kontrastmittelirrigation direkt vor den Harnleiterostien. Zeigt sich in der danach durchgef&uuml;hrten Durchleuchtung ein sogenannter PIC-VUR, kann dieser gleich mittels endoskopischer Ostienunterspritzung therapiert werden. Weiters kann w&auml;hrend der Zystoskopie die Aufsp&uuml;lbarkeit der Harnleiterostien beurteilt werden. Diese kann nach der HITKlassifikation von Grad 0 bis Grad 3 eingeteilt werden und korreliert mit dem Grad des PIC-VUR (Tab. 1).<sup>12</sup> In der Arbeit von Rubenstein konnte bei allen Kindern, die rezidivierende Harnwegsinfekte und ein negatives MCUG hatten, ein PIC-VUR nachgewiesen werden. Der Grad des PICVUR korreliert signifikant mit dem Schweregrad von ipsilateralen DMSA-Ver&auml;nderungen,<sup>13</sup> au&szlig;erdem konnte gezeigt werden, dass die endoskopische Therapie eines PIC-VUR die Rate an Harnwegsinfekten deutlich senken kann.<sup>14</sup><br /> Der Nachteil liegt in der Notwendigkeit einer Allgemeinnarkose, daher ist eine genaue Indikationsstellung unumg&auml;nglich.</p> <h2>Harnr&ouml;hrenklappe</h2> <p>Das MCUG wird nicht nur zur Diagnose eines VUR verwendet, auch die m&auml;nnliche Harnr&ouml;hre kann beim Verdacht auf eine posteriore Harnr&ouml;hrenklappe dargestellt werden. Besonders bei Jungen mit unilateralem, h&ouml;hergradigem VUR (sog. VURDSyndrom, &bdquo;posterior urethral valves, unilateral vesicoureteral reflux and renal dysplasia&ldquo;) und/oder einer unilateral kleineren Niere (sog. &bdquo;Pop-off&ldquo;-Niere) ist die Harnr&ouml;hrenklappe immer eine wesentliche Differenzialdiagnose, die den weiteren Verlauf entscheidend beeinflusst. Das MCUG eignet sich jedoch nicht zum sicheren Ausschluss einer Harnr&ouml;hrenklappe, selbst bei unauff&auml;lliger Harnr&ouml;hrendarstellung k&ouml;nnen endoskopisch eindeutige und urodynamisch hochrelevante Klappen vorhanden sein (Abb. 3). Indirekte Zeichen einer Harnr&ouml;hrenklappe im MCUG k&ouml;nnen eine trabekuliert erscheinende Blase, eine Blasenhalshypertrophie sowie ein hypertrophierter M. interuretericus sein. Die letztlich einzige sichere M&ouml;glichkeit, eine Harnr&ouml;hrenklappe auszuschlie&szlig;en bzw. zu diagnostizieren und zu behandeln, besteht in einer Urethrozystoskopie.</p> <h2>Indikationen zur weiteren Abkl&auml;rung nach negativem MCUG:</h2> <ul> <li>weitere fieberhafte Harnwegsinfekte</li> <li>Hochrisikopatienten</li> <li>Z.n. Urosepsis</li> <li>bekannte urogenitale Fehlbildung (z.B. Hydronephrose, Megaureter, Ureterozele)</li> <li>weitere &bdquo;Verdachtsmomente&ldquo; wie zum Beispiel Ver&auml;nderungen in der DMSA-Szintigrafie, Nierenbeckenwandverdickung, Harnleiterdilatation, Doppelhohlsysteme oder ein wenig aussagekr&auml;ftiges MCUG</li> </ul> <h2><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Urologik_Uro_1802_Weblinks_urologik_1802_s37_abb1+tab1.jpg" alt="" width="1416" height="1016" /></h2> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Urologik_Uro_1802_Weblinks_urologik_1802_s38_abb2+3.jpg" alt="" width="1419" height="2178" /></p> <h2>Zusammenfassung</h2> <p>Die Abkl&auml;rung von Kindern mit fieberhaften Harnwegsinfekten ist nach wie vor nicht einheitlich. Beim Auftreten weiterer fieberhafter Harnwegsinfekte oder beim Vorhandensein anderer Verdachtsmomente nach prim&auml;r negativem MCUG sollte an die M&ouml;glichkeit eines okkulten VUR gedacht werden und nach genauer Abw&auml;gung ggf. eine weitere Diagnostik erfolgen. Wichtig ist auch eine differenzierte Aufkl&auml;rung der Eltern: Bei Fieber sollte nach wie vor rasch eine Urinuntersuchung durchgef&uuml;hrt werden und beim Auftreten weiterer Harnwegsinfekte eine Wiedervorstellung beim Kinderurologen erfolgen. Zur weiteren Abkl&auml;rung dienen in erster Linie DMSA-Szintigrafie, Sono-MCUG und PIC-Zystogramm, wobei die Entscheidung hierzu stets individuell getroffen werden muss.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Shaikh N et al.: Prevalence of urinary tract infection in childhood. Pediatr Infect Dis J 2008; 27: 302-8 <strong>2</strong> Bailey R: Vesicoureteric reflux in healthy infants and children. Hodson J, Kincaid-Smith P: Reflux Nephropathy. New York: Masson, 1979. 59-61 <strong>3</strong> Jacobson SH et al.: Vesicoureteric reflux: occurrence and long-term risks. Acta Paediatr Suppl 1999; 133: 22-30 <strong>4</strong> Kass EJ et al.: Paediatric urinary tract infection and the necessity of complete urological imaging. BJU Int 2000; 86: 94-6 <strong>5</strong> Downs SM: Technical report: urinary tract infections in febrile infants and young children. The Urinary Tract Subcommittee of the American Academy of Pediatrics Committee on Quality Improvement. Pediatrics 1999; 103: e54 <strong>6</strong> Ransley PG, Risdon RA: Reflux nephropathy: effects of antimicrobial therapy on the evolution of the early pyelonephritic scar. Kidney Int 1981; 20: 733-42 <strong>7</strong> Coulthard MG, Keir MJ: Reflux nephropathy in kidney transplants, demonstrated by dimercaptosuccinic acid scanning. Transplantation 2006; 82: 205-10 <strong>8</strong> Zhang X et al.: Accuracy of early DMSA scan for VUR in young children with febrile UTI. Pediatrics 2014; 133: e30-8 <strong>9</strong> Bosio M: Cystosonography with echocontrast: a new imaging modality to detect vesicoureteric reflux in children. Pediatr Radiol 1998; 28: 250-5 <strong>10</strong> Darge K: Voiding urosonography with US contrast agents for the diagnosis of vesicoureteric reflux in children: II. Comparison with radiological examinations. Pediatr Radiol 2008; 38: 54-63 <strong>11</strong> Rubenstein JN et al.: The PIC cystogram: a novel approach to identify &bdquo;occult&ldquo; vesicoureteral reflux in children with febrile urinary tract infections. J Urol 2003; 169: 2339-43 <strong>12</strong> Kirsch AJ et al.: Dynamic hydrodistention of the ureteral orifice: a novel grading system with high interobserver concordance and correlation with vesicoureteral reflux grade. J Urol 2009; 182: 1688-92 <strong>13</strong> Berger C et al.: Positioning irrigation of contrast cystography for diagnosis of occult vesicoureteric reflux: association with technetium- 99m dimercaptosuccinic acid scans. J Pediatr Urol 2013; 9: 846-50 <strong>14</strong> Hagerty J et al.: Treatment of occult reflux lowers the incidence rate of pediatric febrile urinary tract infection. Urology 2008; 72: 72-6</p> </div> </p>
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