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Lebensstil urologischer Patienten

Gesunde Lebensführung: Mann & Ernährung

„Hearst, mei’ Bier is’ net deppert!“, befindet Karl Merkatz in der Rolle des Mundl. Dabei grenzt er genauso wenig wahrscheinlich Wiener Schnitzel, Extrawurstsemmeln und die abendliche Essigwurst aus. Doch ist dieses Klischeebild für ungesunde Ernährung der Wissenschaft letzter Schluss? Ernährung ist ein entscheidender Bestandteil, um gesund zu bleiben, auch für Männer.

Keypoints

  • Mann und Frau ernähren sich verschieden: Nahrungwahl, -beschaffung, -zubereitung sowie Essverhalten bzw. -strategien unterscheiden sich.

  • Schwächen in der männlichen Ernährung zeichnen sich in Ballaststoffzufuhr, Gemüse- und Obstverzicht und in Fettsäuremustern ab.

  • Rotes (verarbeitetes) Fleisch, Alkohol, Übergewicht, Bewegungsarmut und Tabakkonsum steigern das Krebserkrankungsrisiko.

  • 19% der Männer in Österreich weisen ein problematisches Trinkverhalten auf.

  • Gesunde Ernährung korreliert mit einer besseren Spermienqualität.

Umfangreiche Daten aus der im Lancet publizierten Studie „Global Burden of Disease“ legten bereits 2019 nahe, dass die Ernährung wesentlichen Einfluss auf das Erkrankungsrisiko und die Sterblichkeit hat. Weltweit sind schätzungsweise pro Jahr insgesamt 11 Mio. Todesfälle und 255 Mio. DALYs („disability-adjusted life years“) mit einer schlechten Ernährung assoziiert.

Unterschied zwischen Mann und Frau: „Mann“ ist anders

Geschlechtsspezifische Unterschiede zwischen Mann und Frau zeigen sich bei der Beschaffung und Zubereitung von Essen, dem Essverhalten, der Nahrungswahl und der verfolgten Ernährungsstrategie, was sowohl durch evolutionäre als auch intraindividuelle und extraindividuelle Faktoren bedingt ist. Im Vergleich zu Frauen präferieren Männer fetthaltige Mahlzeiten mit starkem Geschmack, wählen unkompliziert und genussorientiert ihre Speisen, nehmen häufiger Nahrungsergänzungsmittel zu sich (insbesondere Proteinsupplemente) und besuchen häufiger Fast-Food-Restaurants. Sie kontrollieren ihr Körpergewicht häufiger durch Sport als durch Ernährung, halten Diäten eher aus gesundheitlichen Gründen als aufgrund von ästhetischen Aspekten, sind mit dem eigenen Körpergewicht häufiger zufrieden als Frauen und konsumieren mehr rotes Fleisch, Wurst, Eier, Alkohol und Lebensmittel mit hohem Saccharosegehalt.

Körpergewicht

Bereits 2015 alarmierte die Deutsche Diabetesgesellschaft über die traurige globale Bilanz: Weltweit schlägt die Überernährung die Unterernährung. Nicht anders in Österreich. Hierzulande sind gemäß Statistik Austria 3,7 Millionen Menschen älter als 15 Jahre übergewichtig – Männer häufiger als Frauen – und rund 17% der Österreicher und Österreicherinnen sind bereits als adipös zu klassifizieren. Typischerweise ist das Körperfett bei Männern eher viszeral verteilt, was mit einem höheren Risiko für Begleiterkrankungen einhergeht.

Bewegung und Ernährung geben sich beim Gewichtsmanagement die Hand. Eine gesunde Ernährung sorgt für eine isokalorische Energieaufnahme und die Versorgung mit allen Nährstoffen, während Bewegung zahlreiche Vorgänge und Funktionen im Körper positiv beeinflusst.Die österreichischen Bewegungsempfehlungen raten, an zwei oder mehr Tagen pro Woche muskelkräftigende Übungen durchzuführen, bei denen alle großen Muskelgruppen berücksichtigt werden. Zusätzlich sollte mindestens 2½ bis 5 Stunden pro Woche ausdauerorientierte Bewegung mit mittlerer Intensität praktiziert werden. Erschreckend ist, dass nur 26% der Männer diese Empfehlung umsetzen.

Die Studie „Global Burden of Disease“ lässt wissen, dass Ernährungsrisiken mit dem größten Gesundheitsrisiko in einer hohen Natriumaufnahme, einem geringen Verzehr von Vollkornprodukten, geringerem Obstkonsum, in einer ungenügenden Aufnahme von Nüssen, Samen und zu wenig Gemüse bzw. kaum Hülsenfrüchten und in zu wenig Omega-3-Fettsäuren liegen (Abb. 1). Passend dazu deckt der österreichische Ernährungsbericht der Universität Wien (Abb. 2) die Probleme in der Männerwelt hierzulande genauer auf: Mankos gibt es bei Fettsäuremustern, Ballaststoffzufuhr, Obst- und Gemüseverzehr. Überfluss zeigt sich bei Energieaufnahme, tierischen Produkten, Alkohol, Softdrinks und Süßigkeiten. Hülsenfrüchte verzehren beide Geschlechter gleichermaßen unzureichend.

Abb. 1:Gesundheitsrisiko durch ausgewogene Ernährungsgewohnheiten und Lifestyle senken

Abb. 2: Tatsächlicher Verzehr von Lebensmitteln gemäß der österreichischen Ernährungspyramide (A: Soll, B: Männer, C: Frauen)

Mut zu Pflanzen

Ob Männer mehr Pflanzen essen sollten, fragte sich eine Gruppe an Forschern rund um Feiertag N. Anfang dieses Jahres. Anhand eines systematischen Reviews wurde der Zusammenhang von pflanzenbasierter (veganer) und pflanzenorientierter (vegetarischer, mediterraner) Ernährung und dem Risiko für Prostatakarzinom, erektile Dysfunktion und benigne Prostatahyperplasie untersucht. Dabei deutet die Literatur darauf hin, dass eine pflanzliche Ernährung eine schützende Wirkung auf den Gesundheitszustand der untersuchten Männer hat. 11 von 12 der eingeschlossenen Studien deuten hinsichtlich der Entstehung eines Prostatakarzinoms, 5 von 8 Studien hinsichtlich erektiler Dysfunktion und 5 von 6 Studien hinsichtlich der Entstehung einer benignen Prostatahyperplasie auf eine protektive Wirkung von pflanzlichen Diäten hin.

Wenngleich die derzeitig verfügbaren Daten aus Kohorten- und Beobachtungsstudien stammen und Limitierungen aufweisen, ermutigen diese, vor allem im Hinblick auf die Vorteile einer pflanzenreichen Ernährung auf die Prävention zahlreicher Erkrankungen, zur Pflanze zu greifen.

Assoziationen Krebs und Ernährung

Der „World Cancer Research Fund“ zeigt, dass Männer durch einen gesunden Lebensstil auch zur Prävention von Prostata-, Lungen-, Kolon- und Blasenkrebs beitragen können. So erhöhen beispielsweise rotes Fleisch, verarbeitetes rotes Fleisch, Alkohol, Übergewicht, Bewegungsarmut und Tabakkonsum das Erkrankungsrisiko, während Vollkornprodukte, Ballaststoffe, Obst und Gemüse und körperliche Aktivität protektiv wirken.

Alkohol

„Ein Achterl in Ehren, und dann noch ein zweites und drittes“: keine andere psychoaktive Substanz wird mehr banalisiert als Alkohol im Konsummekka Österreich, was die weltweite Top-10-Reihung der Konsummengen unterstreicht. Rund 370000 Österreicherinnen und Österreicher gelten als alkoholkrank. Zudem konsumiert weitere 1 Million Menschen Alkohol in einem gesundheitsgefährdenden Ausmaß. In Summe haben 15 Prozent der Wohnbevölkerung ein problematisches Trinkverhalten – Männer mit 19% im Vergleich zu Frauen mit 11% häufiger.

Die Harmlosigkeitsgrenze wird bei Männern mit weniger als 24g Alkohol pro Tag angegeben, was 0,6l Bier oder 0,3l Wein entspricht. Eine eben erst erschienene Metaanalyse aus Italien, welche die Auswirkung von Alkohol auf Hypertension untersucht, widerlegt den angeblich die Blutgefäße entspannenden Effekt von Alkohol und erkennt einen direkten linearen Zusammenhang. Selbst geringe konsumierte Mengen fördern Hypertonie, was zusammenfassend bedeutet: Es gibt keinen gesunden Alkoholkonsum. Eine nebenwirkungsfreie Zufuhr von Resveratrol kann beispielsweise über heimische Lebensmittel wie Johannisbeeren, Heidelbeeren, rote Weintrauben, Himbeeren und Zwetschgen erfolgen.

Männliche Ernährung und Fruchtbarkeit

Ist eine wahrscheinlich längere Lebenserwartung bei besserer Gesundheit noch nicht genug Motivation für eine ausgewogene Ernährung, dann inspiriert womöglich eine bessere Fruchtbarkeit zur Lebensstiländerung. Eine gesunde Ernährung korreliert mit besserer Spermienqualität und einem geringeren Risiko für Anomalien bei Parametern wie Spermienzahl, -konzentration und -beweglichkeit. Die Spermienqualität wird durch ein gesundes Ernährungsmuster, das wenig gesättigte Fettsäuren, ausreichend mehrfach ungesättigte Fettsäuren, antioxidative Vitamine, Zink, Selen und Carnitin liefert, positiv beeinflusst. Supplemente in Form von Nahrungsergänzungsmitteln sind hierfür nicht notwendig. Ein Überschuss an einfachen Kohlenhydraten, wie Saccharose, wirkt sich hingegen negativ auf die Spermienfunktion aus. Aufmerksamkeit gezollt werden sollte ebenso der Tatsache, dass täglicher Alkoholkonsum eine Verschlechterung der Samenqualität, insbesondere in Bezug auf das Samenvolumen und die Spermienmorphologie, bedingt.

Superfoods – gibt es so etwas?

Ausgewogene Ernährung bedeutet, mehr als 40 verschiedene Nährstoffe regelmäßig zuzuführen. Kein einzelnes Lebensmittel enthält alle von ihnen – eine Vielzahl von Nahrungsmitteln wird benötigt, um den Körper mit dem nötigen Nährstoffspektrum zu versorgen. Verleiten vorhandene Daten zum Lobesgesang einzelner Lebensmittel – wie die Senkung des Prostatakarzinomrisikos durch das in Tomaten enthaltene Lycopin durch einen erhöhten Paradeiserkonsum oder die wahrscheinliche Fähigkeit des in Petersilie enthaltenen Apigenins, das Fortschreiten von Prostatakrebs wirksam zu unterdrücken –, so zeigt sich in der Zusammenschau, dass es auf die Abwechslung in der Ernährung ankommt.

Fazit

Sicher ist: Ernährung ist effekt- und wirkungsvoll. Der bekannte Spruch „der Blick über den Tellerrand“ rät nicht umsonst zu abwechslungsreicher Ernährung mit großem Effekt: mehr Pflanzliches, weniger Tierisches, bessere Fette, aber nicht zu viel davon, Essenspausen schaffen und je weniger (hoch-)verarbeitet, desto besser. Ob Hülsenfrüchte, Kohl- und Kraut, Brokkoli, Zwiebeln, Beeren, Kürbiskerne, Kräuter, Kurkuma und vieles mehr, integriert in eine bunte Vielfalt im Bereich der individuellen Präferenzen wirken sie als Gesamtpaket als Gesundheitsboost durch ausgewogene Ernährung, jedoch keines von ihnen für sich alleine. Und nein: Wiener Schnitzel, Extrawurstsemmel und die abendliche Essigwurst sind nicht „deppert“, aber: Sola dosis facit venenum. In diesem Sinne: „Bon appétit!“

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