<p class="article-intro">Der elektive Organerhalt bei einem Low-Risk-Tumor des oberen Harntrakts hat heute bei richtiger Patientenselektion einen hohen Stellenwert. Dazu haben die Société Internationale d’Urologie (SIU) und die International Consultation on Urologic Diseases (ICUD) aktuell Leitlinien veröffentlicht.<sup>1</sup></p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Key Points</h2> <ul> <li>Urothelialkarzinome des oberen Harntrakts (UTUC) sind selten und etwa die Hälfte befindet sich bei der Diagnose in einem Low-Grade-Stadium.</li> <li>Die Standardbehandlung, die radikale Nephroureterektomie mit der Entfernung der Blasenmanschette (RNU), stellt eine potenzielle Übertherapie dar.</li> <li>Patienten mit Low-Grade-UTUC profitieren von einem elektiven Organerhalt, was auch die aktuellen SIU-ICUD-Leitlinien berück­sichtigen.</li> </ul> </div> <p>Das Urothelialkarzinom des oberen Harntrakts („upper tract urothelial carcinoma“, UTUC) ist eine seltene Tumor­erkrankung. Es repräsentiert lediglich 5–10 % der urothelialen Karzinome und weniger als 1 % der Tumoren des Urogenitalsystems.<sup>2</sup> Die Standardtherapie ist derzeit die radikale Nephroureterektomie mit der Entfernung der Blasenmanschette (RNU).<sup>3</sup> Schätzungsweise sind 50 % der UTUC zum Zeitpunkt der Erstdiagnose schon High-Grade-Tumoren. Bei den restlichen handelt es sich um Low-Risk-Karzinome und eine RNU stellt hierbei potenziell eine Übertherapie dar.<sup>4, 5</sup> Diese Patienten würden von einem Organerhalt („kidney preserving procedure“, KPP) profitieren.<br /> Die elektive Indikation ergibt sich in erster Linie daraus, dass die nicht betroffene Niere komplett gesund und funktionsfähig ist. Indikationen für ein organerhaltendes Konzept sind somit eine normal funktionierende kontralaterale Niere sowie ein Low-Risk-UTUC (pT0/pTa/pTis/pT1) der betroffenen Seite.</p> <h2>Warum Organerhalt?</h2> <p>Einerseits zeigt, wie bereits erwähnt, etwa die Hälfte der RNU-Präparate ein Low-Risk-UTUC (pT0, pTa-1, low grade); das tumorspezifische Überleben bei diesen Tumoren beträgt weit über 90 % . Andererseits ist das mediane Alter bei der Diagnosestellung rund 70 Jahre, sodass die Nierenfunktion bereits vor der Operation eingeschränkt sein kann. Weniger als die Hälfte der Patienten zeigen nach der RNU eine normale Nierenfunktion und wir wissen auch, dass sich die Nierenfunktion bei diesen Patienten im Laufe der Zeit nicht erholt.<sup>5–7</sup><br /> Die Arbeit von Fajkovic et al konnte bei der 5-Jahres-Überlebensrate zwischen RNU und endoskopischer UTUC-Therapie (Endo-UTUC) keinen signifikanten Unterschied zeigen. Die postoperative Nierenfunktion war hingegen bei den Endo-UTUC wesentlich besser.<sup>8</sup> Die chronische Niereninsuffizienz ist eines der Hauptprobleme der Patienten mit UTUC: Mehr als 50 % haben eine GFR >60ml/min vor RNU und die Rate erhöht sich auf über 75 % nach RNU, diese Tatsache macht Endo-UTUC zu einer effizienten Therapieoption für Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion.</p> <h2>Welche Methoden angewendet werden</h2> <p>Der Organerhalt wird in erster Linie endoskopisch durchgeführt. Die aktuellen Empfehlungen für die elektive Therapie umfassen unifokale Low-Grade-Tumoren mit einer Größe unter 2cm ohne Hinweis auf lokale Infiltration oder regionale bzw. systemische Ausbreitung (Tab. 1).<sup>1</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Urologik_Uro_1603_Weblinks_seite26.jpg" alt="" width="736" height="406" /></p> <p>Die URS (Ureterorenoskopie) kann sowohl in der Diagnostik zur Tumorlokalisation und zur Evaluierung der Anzahl, Größe und Form der Tumoren als auch in der Therapie (Holmium-Laser) eingesetzt werden.<sup>9</sup> Die Nutzung von „ureteral access sheaths“ kann gegebenenfalls die Effektivität der Methode, vor allem bei der flexiblen URS, erhöhen.<br /> Die Biopsie ist trotz vieler Schwächen die Methode der Wahl zum indirekten Staging von UTUC (Tab. 2). Es erfolgt ein Grading von G1–G3, bei G1- und G3-Tumoren spricht der positiv prädiktive Wert zwischen 80 und 90 % als Surrogatmarker dafür, dass es sich um ein Low- bzw. High-Risk-UTUC handelt. Bei den G2-Tumoren variieren die Ergebnisse zwischen 17 und 80 % , sodass diese Tumoren aufgrund der diagnostischen Unsicherheit oft keine idealen Kandidaten für die elektive Organerhaltung sind.<br /> Das Grading ist einer der wichtigsten Faktoren für die onkologischen Ergebnisse der endoskopischen Behandlung. High-Grade-UTUC haben ein schlechteres onkologisches Outcome (Abb. 1). Der Einsatz von URS kombiniert mit Biopsie und selektiver Zytologie zusammen mit der Bildgebung könnte helfen, jene Patienten zu identifizieren, die von einem endoskopischen Verfahren profitieren würden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Urologik_Uro_1603_Weblinks_seite27_2.jpg" alt="" width="758" height="586" /></p> <p>Neben endoskopischen Methoden gibt es noch andere chirurgische Verfahren. Diese sind die distale Ureterektomie mit Ureterozystoneostomie (Psoas-Hitch) oder die segmentale Ureterektomie weiter oben im Ureter mit einer direkten Anastomose zwischen den Harnleiterenden. Die distale Uretrektomie kann roboterassistiert, offen oder laparoskopisch durchgeführt werden und erzielt unter den richtigen Selektionskriterien (solitärer Tumor des unteren Drittels des Harntraktes, ≤pT2) die gleiche tumorfreie Überlebenszeit („cancer-specific survival“, CSS) wie eine RNU.<sup>10</sup> Nierenteilentfernungen oder Autotransplantationen können in Einzelfällen auch durchgeführt werden, sind aber der imperativen Indikation vorbehalten.<br /> Die perkutane Nephrolithotomie (PERK) eignet sich als Verfahren bei Low-Risk-Tumoren mit großer Masse, die anatomisch mit URS nicht gut zugänglich sind. Sie erlaubt außerdem eine antegrade Installation von adjuvanten topischen Mitteln.<sup>11</sup> Wagenheim et al haben in ihrem Review verdeutlicht, dass die adjuvante topische Chemotherapie bei Patienten mit UTUC als Erhaltungstherapie (mittels perkutaner Nephrostomie oder Katheter) eine praktische und gut tolerierbare Methode in der Behandlung von Low-Risk- und möglicherweise auch High-Risk-Tumoren ist.<sup>12</sup> Aufgrund der besseren, flexiblen Geräte spielt die perkutane Therapie eine immer geringere Rolle, zugunsten der flexiblen URS.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Urologik_Uro_1603_Weblinks_seite27_1.jpg" alt="" width="735" height="393" /></p> <h2>Die Problematik</h2> <p>Die prätherapeutische Abklärung mittels URS und Biopsie beinhaltet viele Unsicherheiten und die Rate an lokalen Rezidiven beträgt 30–50 % . Ungünstige Prognosefaktoren sind multifokale oder High-Grade-Tumoren sowie eine Tumorgröße ≥1cm oder ein Blasenkarzinom in der Anamnese.<sup>13</sup><br /> Die endoskopische Therapie ist aufwendig. Es sind meist multiple Eingriffe notwendig und die Nachsorge gestaltet sich sehr intensiv. Sie erfordert ein hohes Maß an Compliance, da die Follow-ups engmaschig erfolgen und zudem invasiv sind.</p> <h2>Zukunft der ENDO-UTUC</h2> <p>Auch wenn die Chirurgie mit RNU immer noch den Goldstandard in der Behandlung von UTUC darstellt, wächst das Interesse an weiteren Therapieoptionen stetig. Der Erhalt der Nierenfunktion und die minimal invasiven Eingriffsmethoden führen dazu, dass eine Nierenteilresektion, die Teil­ureterektomie und endoskopische Verfahren immer häufiger angewendet werden.<br /> Ein einheitliches und strukturiertes Management von UTUC im präoperativen Setting kann helfen, die Patienten zu selektieren, die von einem elektiven Nierenerhalt (KPP) profitieren könnten, und somit bessere onkologische Outcomes zu erzielen und längeres CSS zu ermöglichen. Eine prätherapeutische Selektion und Abwägung der Vor- und Nachteile beider Verfahren stehen dabei an erster Stelle.</p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Mandalapu RS et al: Update of the ICUD-SIU consultation on upper tract urothelial carcinoma 2016: treatment of low-risk upper tract urothelial carcinoma. World J Urol May 2016 <strong>2</strong> Rouprêt M et al: European guidelines on upper tract urothelial carcinomas: 2013 update. Eur Urol 2013; 63: 1059-71 <strong>3</strong> Rouprêt M et al: Upper urinary tract transitional cell carcinoma: recurrence rate after percutaneous endoscopic resection. Eur Urol 2007; 51: 709-13 <strong>4</strong> Cha E et al: Predicting clinical outcomes after radical nephroureterectomy for upper tract urothelial carcinoma. Eur Urol 2012; 61: 818-25 <strong>5</strong> Margulis V et al: Outcomes of radical nephroureterectomy: a series from the Upper Tract Urothelial Carcinoma Collaboration. Cancer 2009; 115: 1224-33 <strong>6</strong> Lane BR et al: Active treatment of localized renal tumors may not impact overall survival in patients aged 75 years or older. Cancer 2010; 116: 3119-26 <strong>7</strong> Kaag MG et al: Changes in renal function following nephroureterectomy may affect the use of perioperative chemotherapy. Eur Urol 2010; 58: 581-7 <strong>8</strong> Fajkovic H et al: Results and outcomes after endoscopic treatment of upper urinary tract carcinoma: the Austrian experience. World J Urol 2013; 31: 37-44 <strong>9</strong> Rouprêt M et al: European Association of Urology Guidelines on Upper Urinary Tract Urothelial Cell Carcinoma: 2015 Update. Eur Urol 2015; 68: 868-79 <strong>10</strong> Jeldres C et al: Segmental ureterectomy can safely be performed in patients with transitional cell carcinoma of the ureter. J Urol 2010; 183: 1324-9 <strong>11</strong> Lucas MS et al: Conservative management in selected patients with upper tract urothelial carcinoma compares favourably with early radical surgery. BJU Int 2008; 102: 172-6 <strong>12</strong> Wagenheim GN et al: Mitomycin-C induction and maintenance topical therapy for upper tract urothelial carcinoma. J Clin Oncol 2016; 34 (suppl 2S; abstr 411) <strong>13</strong> Thompson RH et al: Elective endoscopic management of transitional cell carcinoma first diagnosed in the upper urinary tract. BJU Int 2008; 102: 1107-10</p>
</div>
</p>