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Drastische Verbesserung der Prognose nach jahrelanger unbefriedigender systemischer Therapie
Urologik
Autor:
Univ.-Prof. Dr. Shahrokh F. Shariat
E-Mail: shahrokh.shariat@meduniwien.ac.at <br>Universitätsklinik für Urologie<br>Medizinische Universität Wien
Autor:
Dr. Kilian M. Gust
E-Mail: kilian.gust@meduniwien.ac.at
Autor:
Dr. David D’Andrea
E-Mail: david.dandrea@meduniwien.ac.at
30
Min. Lesezeit
15.03.2018
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<p class="article-intro">Mit der Zulassung von Checkpoint-Inhibitoren in der systemischen Therapie vieler Tumorarten, so auch des Urothelkarzinoms, haben sich diese als revolutionäre Medikamentenklasse erwiesen, nachdem in den vorangegangenen drei Jahrzehnten nur geringe Fortschritte in der Therapie des lokal fortgeschrittenen und des metastasierten Urothelkarzinoms beobachtet werden konnten. </p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Checkpoint-Inhibitoren bringen neue Möglichkeiten in der Therapie des fortgeschrittenen und metastasierten Urothelkarzinoms sowohl in der Erst- als auch in der Zweitlinie.</li> <li>Die PD-L1-Expression ist – zumindest wie sie aktuell in klinischen Studien genutzt wurde – kein zuverlässiger Biomarker für das Therapieansprechen.</li> </ul> </div> <p>Fünf Checkpoint-Inhibitoren sind aktuell von der US-amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) als Zweitlinientherapie zugelassen: Atezolizumab, Nivolumab, Pembrolizumab, Durvalumab und Avelumab, wobei die drei erstgenannten Substanzen ebenso in Europa die Zulassung in der Zweitlinientherapie erhalten haben (Abb. 1). Atezolizumab und Pembrolizumab sind zusätzlich als Erstlinientherapien bei Cisplatin-untauglichen Patienten zugelassen.<br />Bis 2017 war Vinflunin die einzige in Europa zugelassene Zweitlinien-Chemotherapie, welche in einer Phase-III-Studie eine Verlängerung des Gesamtüberlebens um 2,3 Monate im Vergleich zu „best supportive care“ gezeigt hatte.<sup>1</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Urologik_Uro_1801_Weblinks_s20_1.jpg" alt="" width="1419" height="990" /></p> <h2>Pembrolizumab</h2> <p>In der Phase-III-Studie KEYNOTE-045 wurden Patienten mit Progression eines Urothelkarzinoms nach platinhaltiger Chemotherapie eingeschlossen und zur Therapie mit Pembrolizumab oder Zweitlinien-Chemotherapie mit Paclitaxel, Docetaxel oder Vinflunin randomisiert. Im Pembrolizumab-Arm zeigte sich ein Gesamtüberleben von 10,3 Monaten (95 % CI: 8,0–11,8) im Vergleich zu 7,4 Monaten (95 % CI: 6,1–8,3) im Chemotherapie-Arm, unabhängig vom PD-L1-Status. Die Patienten, die mit Chemotherapie behandelt wurden, hatten mehr unerwünschte Nebenwirkungen im Vergleich zu jenen, die mit Pembrolizumab behandelt wurden (90,2 vs. 60,9 % ), sowie dreimal so viele klinisch relevante Grad-3- und -4-Nebenwirkungen. Diese Studie führte zur Zulassung von Pembrolizumab als Zweitlinientherapie für die Behandlung des fortgeschrittenen und metastasierten Urothelkarzinoms.<sup>2</sup></p> <h2>Atezolizumab</h2> <p>Die Phase-II-Studie IMvigor210 zu Atezolizumab evaluierte in der Kohorte 2 ebenso Patienten mit Progression eines Urothelkarzinoms nach platinhaltiger Chemotherapie. Das mediane Gesamtüberleben für die gesamte Kohorte betrug 7,9 Monate (95 % CI: 6,6–9,3). Interessanterweise zeigten Patienten mit höherer PD-L1-Expression ein verlängertes medianes Gesamtüberleben von 11,4 Monaten sowie eine hohe Rate an Langzeitansprechen. Atezolizumab wurde von den Patienten gut vertragen und Grad-3/4-Nebenwirkungen bei lediglich 16 % der Patienten beobachtet.<sup>3</sup> In der Phase-III-Studie IMvigor211 verfehlte Atezolizumab jedoch den primären Endpunkt, sodass hier kein signifikanter Vorteil gegenüber einer Zweitlinien-Chemotherapie gezeigt werden konnte.<sup>4</sup></p> <h2>Nivolumab</h2> <p>Im Februar 2017 führten die Ergebnisse der CheckMate-275-Studie zur Zulassung von Nivolumab für die Therapie von Patienten mit Progression eines Urothelkarzinoms während oder nach einer platinhaltigen Chemotherapie. In dieser Phase-II-Studie betrug das mediane Gesamtüberleben 8,74 Monate. Ein komplettes Ansprechen wurde bei 2 % , ein partielles Ansprechen bei 17 % und eine stabile Erkrankung bei 23 % der Patienten beobachtet. Grad-3- und -4-Nebenwirkungen traten bei 18 % der Patienten auf, aber nur 5 % der Patienten mussten die Therapie abbrechen.<sup>5</sup></p> <h2>Durvalumab</h2> <p>Im Mai 2017 erfolgte die FDA-Zulassung des PD-L1-Inhibitors Durvalumab. In der klinischen Studie zeigte sich eine Ansprechrate von 17 % (95 % CI: 11,9–23,3). Bei Patienten mit einer PD-L1-Expression von ≥25 % zeigte sich eine um 22 % höhere Ansprechrate im Vergleich zu den Patienten mit niedriger PD-L1-Expression. Im Vergleich zu den anderen Präparaten entwickelten 43 % der Patienten unerwünschte Nebenwirkungen 3. und 4. Grades.<sup>6</sup></p> <h2>Avelumab</h2> <p>Der zuletzt von der FDA zugelassene Checkpoint-Inhibitor ist Avelumab. In der Phase-Ib-Studie JAVELIN zeigten 18,2 % der Patienten ein Ansprechen mit deutlich besseren Raten bei denjenigen, die PD-L1-positiv waren (53,8 % vs. 4,2 % ). Die häufigsten unerwünschten Nebenwirkungen waren Reaktion auf die Infusion (29 % ) und Fatigue (16 % ). Grad-3- und -4-Nebenwirkungen traten in 8 % der Fälle auf.<sup>7</sup></p> <h2>Pembrolizumab in der Erstlinie</h2> <p>Über 50 % der Patienten mit fortgeschrittenem oder metastasiertem Blasenkarzinom können aufgrund eines schlechten Allgemeinzustandes, ihres Alters und eingeschränkter Nierenfunktion bereits in der Erstlinie keine Cisplatin-haltige Chemotherapie bekommen. In diesem Szenario spielen Checkpoint-Inhibitoren deshalb eine wichtige Rolle.<br />Die Ergebnisse der KEYNOTE-052-Studie führten im Mai 2017 zur Zulassung von Pembrolizumab in der Erstlinientherapie. In dieser Phase-II-Studie wurden Cisplatin-untaugliche Patienten mit Pembrolizumab behandelt. Nach einem medianen Follow-up von 5 Monaten zeigten 29 % der Patienten ein Ansprechen auf die Therapie und davon 78 % ein Ansprechen für ≥6 Monate. Bei 6 % der Patienten konnte ein komplettes Ansprechen nachgewiesen werden. Eine PD-L1-Positivität von ≥10 % war prädiktiv für ein Therapieansprechen. Bezüglich der Metastasierung hatten Patienten mit lediglich Lymphknotenmetastasen ein besseres Ansprechen als jene mit Viszeralmetastasen (40 vs. 21 % ). Insgesamt wurde die Therapie von den Patienten gut vertragen, mit einem geringen Nebenwirkungsprofil. Die häufigste Nebenwirkung war Fatigue, und lediglich 10 % der Patienten wiesen schwere Nebenwirkungen (Grad 3 oder 4) auf.<sup>8</sup></p> <h2>Atezolizumab in der Erstlinie</h2> <p>Gleich nach Pembrolizumab wurde im Mai 2017 Atezolizumab zugelassen. In der Kohorte 1 der Phase-II-Studie IMvigor210 zeigten sich nach einem medianen Follow-up von 17,2 Monaten eine Ansprechrate von 23 % (95 % CI: 16–31) und ein komplettes Ansprechen bei 9 % der Patienten. Das mediane Gesamtüberleben war 15,9 Monate (95 % CI: 10,4–nicht erreicht). Hier war Fatigue (8 % ) auch die häufigste Nebenwirkung.<sup>9</sup></p> <div id="keypoints"> <h2>Fazit</h2> <p>In diesem sich rasch entwickelnden Bereich gibt es mehrere Faktoren, die Kliniker bedenken müssen. Checkpoint-Inhibitoren sind unumstritten eine revolutionäre Medikamentenklasse, die in Zeiten der personalisierten Medizin entstanden ist. Sie bringen aber auch neue akute und Langzeitnebenwirkungen, mit denen man sich bisher nicht konfrontiert sah. Die Früherkennung und die Therapie dieser möglichen Komplikationen sind eine große Herausforderung in der täglichen Routine. Neue Medikamente verlangen auch neue prädiktive und prognostische Marker. Die Expression von PD-L1, die in allen zitierten Studien evaluiert wurde, erwies sich nicht als idealer Marker, da auch Patienten mit niedriger oder keiner Expression ein Ansprechen auf den jeweiligen Checkpoint-Inhibitor gezeigt haben. Das peritumorale Stroma unterliegt dynamischen Veränderungen, vor allem was das Immunsystem betrifft. Es ist somit verständlich, dass der PD-1-/PD-L1-Status lediglich eine Momentaufnahme ist und nicht die Komplexität der Zellinteraktion widerspiegeln kann. Neue Studien fokussieren sich auf die Entwicklung von Biomarkern wie TCGA-Typisierung, die Mutationslast des Tumors und das Genexpressionsprofil der Immunzellen.<sup>10</sup></p> </div></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Bellmunt J, Petrylak DP: New therapeutic challenges in advanced bladder cancer. Semin Oncol 2012; 39: 598-607 <strong>2</strong> Bellmunt J et al.: Pembrolizumab as second-line therapy for advanced urothelial carcinoma. N Engl J Med 2017; 376: 1015-26 <strong>3</strong> Rosenberg JE et al.: Atezolizumab in patients with locally advanced and metastatic urothelial carcinoma who have progressed following treatment with platinum-based chemotherapy: a single-arm, multicentre, phase 2 trial. Lancet 2016; 387: 1909-20 <strong>4</strong> Powles T et al.: Atezolizumab versus chemotherapy in patients with platinum-treated locally advanced or metastatic urothelial carcinoma (IMvigor211): a multicentre, open-label, phase 3 randomised controlled trial. Lancet 2017; doi: 10.1016/S0140-6736(17)33297-X. [Epub ahead of print] <strong>5</strong> Sharma P et al.: Nivolumab in metastatic urothelial carcinoma after platinum therapy (CheckMate 275): a multicentre, single-arm, phase 2 trial. Lancet Oncol 2017; 18: 312-22 <strong>6</strong> Massard C et al.: Safety and efficacy of durvalumab (MEDI4736), an anti-programmed cell death ligand-1 immune checkpoint inhibitor, in patients with advanced urothelial bladder cancer. J Clin Oncol 2016; 34: 3119-25 <strong>7</strong> Patel MR et al.: Avelumab in metastatic urothelial carcinoma after platinum failure (JAVELIN Solid Tumor): pooled results from two expansion cohorts of an open-label, phase 1 trial. Lancet Oncol 2018; 19: 51-64 <strong>8</strong> Balar AV et al.: First-line pembrolizumab in cisplatin-ineligible patients with locally advanced and unresectable or metastatic urothelial cancer (KEYNOTE-052): a multicentre, single-arm, phase 2 study. Lancet Oncol 2017; 18(11): 1483-92 <strong>9</strong> Balar AV et al.: Atezolizumab as first-line treatment in cisplatin-ineligible patients with locally advanced and metastatic urothelial carcinoma: a single-arm, multicentre, phase 2 trial. Lancet 2017; 389: 67-76 <strong>10</strong> Aggen DH, Drake CG: Biomarkers for immunotherapy in bladder cancer: a moving target. J Immunother Cancer 2017; 5: 94</p>
</div>
</p>
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