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Die transurethrale Prostataresektion bei Patienten unter Blutverdünnung
Urologik
Autor:
Prof. Dr. Hansjörg Danuser
Chefarzt Klinik für Urologie<br> Luzerner Kantonsspital, Luzern<br> E-Mail: hansjoerg.danuser@luks.ch
30
Min. Lesezeit
13.12.2018
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<p class="article-intro">Chirurgische Fachdisziplinen sind zunehmend mit Patienten unter oraler Antikoagulation (OAK) oder Thrombozytenaggregationshemmung (OAT) konfrontiert, bei denen ein Eingriff durchgeführt werden sollte. Dies trifft auch besonders auf ältere Patienten, die einer transurethralen Prostataresektion (TURP) zugeführt werden sollen, zu. Dabei fehlen datenbasierte Richtlinien, unter welchen Konzepten ein solcher Eingriff durchgeführt werden soll, ob die OAK oder OAT abgesetzt und mit niedrigmolekularem Heparin überbrückt oder ob unter laufender Antikoagulation operiert werden soll.</p>
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<p class="article-content"><h2>Einleitung</h2> <p>In den letzten Jahren ist die Anzahl älterer Patienten, die unter blutverdünnenden Medikamenten, entweder Cumarinen (OAK) oder Aspirin, Clopidogrel etc. (OAT) stehen, stetig angestiegen. <br />Dies kann gerade bei Patienten, die sich einer TURP unterziehen müssen, zu Problemen führen, indem nach Absetzen der OAK oder OAT das Thromboembolierisiko ansteigt oder aber bei Operation unter OAK/OAT ein erhöhtes Blutungsrisiko besteht.</p> <h2>Behandlungskonzepte</h2> <p>Je nach Indikation zur OAK/OAT gibt es verschiedene Ansätze zur Problemlösung. Ist die OAK/OAT zeitlich limitiert, kann die TURP verschoben werden, sofern der Patient gewillt ist, Beschwerden oder Dauerkatheter noch länger zu erdulden. Ist die Indikation zur OAK/OAT relativ, kann die Medikation unter Berücksichtigung des Thromboembolierisikos eventuell passager abgesetzt werden. Hingegen ist bei zwingender Indikation zur OAK/ OAT ein Absetzen riskant und es bieten sich grundsätzlich zwei mögliche Strategien an: Das „Bridging“, bei welchem perioperativ die OAK/OAT gestoppt und überlappend mit niedermolekularem Heparin überbrückt und unmittelbar perioperativ gestoppt wird, oder aber man operiert unter therapeutischer OAK/OAT. <br />Im Weiteren können auch verschiedene Resektionstechniken wie die monopolare oder bipolare Elektroresektion oder ablative/ enukleierende Lasertechniken die Blutungstendenz unterschiedlich beeinflussen.</p> <h2>Was sagt die Literatur?</h2> <p>Zu den Resektionstechniken gibt es keine Vergleichsstudien bei Patienten unter OAK/OAT. Bei der TURP von Patienten ohne OAK/OAT zeigen Metaanalysen, dass die bipolare im Vergleich zur monopolaren Resektion in Bezug auf Blutungskomplikationen geringe, aber signifikante Vorteile aufweist. Ebenso zeigen randomisierte Untersuchungen bei Patienten ohne OAK/ OAT einen Vorteil der Laser-Enukleationstechniken HoLEP und ThuLEP wie auch der Greenlight-Laser-Ablationstechnik im Vergleich mit der bipolaren Resektion. Die Frage ist: Sind diese Daten auf den Patienten unter OAK/OAT übertragbar? <br />In den europäischen Guidelines wird für Patienten unter OAK/OAT lediglich eine schwache Empfehlung für die Prostataenukleation oder -vaporisation mit dem Thulium- Laser abgegeben; die amerikanischen Guidelines empfehlen HoLEP, ThuLEP und Greenlight-Laser nur als „expert opinion“. <br />Die wenigen Studien zum Thema TURP unter OAK/OAT sind meistens retrospektiv, analysieren sehr heterogene Patientenpopulationen und sind deshalb von eingeschränkter Aussagekraft. <br />Aus der kardiologischen Literatur wissen wir, dass beispielsweise nach Absetzen von Aspirin bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit das Thromboembolierisiko 3-fach und bei Patienten nach Einsetzen von koronaren Stents 90-fach erhöht ist. <br />Auch der Stellenwert der TURP unter „Bridging“-Strategie ist unklar. Vergleichsdaten aus der kardiologischen Literatur zeigen, dass verschiedene Operationen unter dem „Bridging“-Konzept im Vergleich zu Operationen unter laufender Antikoagulation signifikant zu 2- bis 3-mal mehr Blutungskomplikationen führen. Natürlich können diese Daten nicht direkt auf einen Eingriff wie die TURP übertragen werden, aber man muss der „Bridging“-Strategie, einem häufig angewandten Konzept, mit einer gewissen Skepsis begegnen. <br />In einer französischen multizentrischen TURP-Studie, in welcher 406 Patienten ohne OAK/OAT 206 Patienten unter OAK oder OAT gegenübergestellt wurden und in welcher es zu 65 % ein „Bridging“ gab, bei 30 % die OAK/OAT abgesetzt wurde und lediglich bei 5 % eine OAT belassen wurde, stiegen die Raten an Blasentamponaden 3-fach, an Transfusionen 2-fach, an Späthämaturien 2-fach und zudem auch die Thromboembolien 3-fach an. Eine weitere retrospektive Studie zeigte nach Absetzen der OAK/OAT vor TURP im Vergleich zur Kontrollgruppe ohne OAK/OAT eine Verdoppelung der Blutungskomplikationen, aber auch einen Anstieg der Thromboembolierate und bei Belassen der OAK/OAT einen erheblichen Anstieg der Blutungskomplikationen. In einer anderen Arbeit zur TURP nach „Bridging“ der OAK und Beibehalten(1/3), resp. Absetzen (2/3) der OAT fand man 10 % Blutungskomplikationen und 2 % Thromboembolien. Die Subgruppenanalyse fand nach „Bridging“ der OAK einen Anstieg der Blutungen und nach Absetzen der OAK einen Anstieg der Thromboembolien, nach Absetzen der OAT vergleichbare Resultate wie bei den Patienten ohne OAT und bei Beibehalten der OAT einen Anstieg der Blutungskomplikationen.</p> <h2>Eigene Untersuchungen</h2> <p>Wir haben im Rahmen einer prospektiven Studie über mehrere Jahre die TURP unter laufender OAK/OAT durchgeführt, also ohne dass die OAK/OAT-Medikation reduziert, abgesetzt oder mit niedrigmolekularem Heparin überbrückt wurde. Die Daten dieser 203 Patienten – 130 Patienten unter Aspirin, 57 Patienten unter Marcumar und 16 Patienten unter Clopidogrel- Monotherapie oder dualer OAT mit zusätzlich Aspirin – wurden prospektiv gesammelt, analysiert und einer Kontrollgruppe von 73 Patienten mit TURP ohne OAK/OAT gegenübergestellt. <br />Die vier Gruppen zeigen präoperativ vergleichbare Daten. Die drei Gruppen unter OAK/OAT zeigten postoperativ im Vergleich mit der Kontrollgruppe keine signifikanten Unterschiede in Bezug auf Operationsdauer, Gewicht des Prostataresektats, erhöhten postoperativen Restharn und die funktionellen Resultate (Beschwerdeindex, Restharn, Urinfluss 3 und 12 Monate postoperativ). <br />Bemerkenswert ist, dass wir zwischen der Aspirin- und der Kontrollgruppe in sämtlichen postoperativen Parametern keine signifikanten Unterschiede erheben konnten. Hingegen waren in der Marcumar-Gruppe die Rate postoperativer Harnverhalte mit 18 % versus 6 % (p=0,04) und die mediane Hospitalisationszeit mit 4 versus 3 Tage (p=0,008) signifikant höher als in der Kontrollgruppe. <br />Bei den Blutungsparametern konnten wir bei allen Gruppen im Vergleich mit der Kontrollgruppe keine signifikanten Unterschiede feststellen in Bezug auf Hämoglobinverlust bis 6 Stunden postoperativ und bis zur Spitalentlassung sowie das Volumen an Spüllösungen. Wir fanden aber in der Marcumar-Gruppe eine signifikant längere Katheterverweildauer mit 42 versus 24 Stunden (p=0,03) und im Trend mehr Blasentamponaden mit 18 % versus 8 % (p=0,1), Bluttransfusionen mit 9 % versus 1 % (p=0,09), Rehospitalisationen wegen Blutungskomplikationen mit 9 % versus 3 % (p=0,2) und Reoperationen wegen Blutungen mit 5 % versus 0 % (p=0,08). <br />Vergleichen wir die Clopidogrel-Gruppe mit der Kontrollgruppe, so finden wir eine signifikant längere Spüldauer mit 24 versus 22 Stunden (p=0,006), mehr Bluttransfusionen mit 19 % versus 1 % (p=0,02) und mehr Reoperationen wegen Blutungen mit 19 % versus 3 % (p=0,04). Deutlich höher, aber ohne Erreichen einer statistischen Signifikanz war die Rate an Blasentamponaden mit 19 % versus 8 % (p=0,2). <br />Bei keinem der Patienten traten im berücksichtigten Follow-up von 12 Monaten thromboembolische Komplikationen auf. Zusammenfassend darf man aus den Daten unserer Studie und der Literaturanalyse festhalten: Eine TURP unter Aspirin scheint möglich zu sein, wir konnten keine statistisch signifikanten Unterschiede zur Kontrollgruppe erheben. Eine TURP unter oraler Antikoagulation mit Cumarinen oder Thrombozytenaggregationshemmung mit Clopidogrel ist möglich, aber es ist mit vermehrten Blutungskomplikationen zu rechnen.</p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> Die TURP unter Aspirin kann bedenkenlos durchgeführt werden mit vergleichbaren Ergebnissen wie bei Patienten ohne Aspirin.<br /> Die TURP bei Patienten unter OAK mit Cumarinen und unter OAT mit Clopidogrel ist möglich, aber es muss mit vermehrten Blutungskomplikationen gerechnet werden.</div></p>
<p class="article-footer">
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<p>beim Verfasser</p>
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