
Die chirurgische Therapie der postoperativen Inkontinenz des Mannes
Autoren:
Dr. Ghazal Ameli1
Prim. Univ.-Prof. Dr. Sascha Ahyai2
Univ.-Prof. Dr. Alexander Hübner1
1Urologieabteilung
Landesklinikum Korneuburg – Stockerau
2Universitätsklinik für Urologie
Medizinische Universität Graz
E-Mail: ghazal.ameli@korneuburg.lknoe.at
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Die postoperative Harninkontinenz wird von vielen Patienten bereits vor einem Eingriff gefürchtet, da diese die Lebensqualität stark beeinträchtigen kann. Falls diese auftritt, sind der erste Schritt konservative Maßnahmen. Wird so keine zufriedenstellende Besserung erreicht, steht eine Reihe von Verfahren zur Verfügung, die im Folgenden besprochen werden.
Keypoints
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Die Ursache der Belastungsinkontinenz des Mannes ist v.a. iatrogen und am häufigsten nach der radikalen Prostatektomie.
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Patienten mit postoperativer Inkontinenz sollten zunächst konservative Maßnahmen angeboten werden.
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Zur Behandlung der postoperativen Inkontinenz gibt es chirurgische Konzepte wie künstliche Schließmuskel, Schlingensysteme, Bulking Agents und Ballonsysteme.
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Die Auswahl sollte in erster Linie anhand von Limitationen bzw. Kontraindikationen der verschiedenen Verfahren erfolgen.
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Bei Indikationsstellung und Auswahl des Verfahrens sollte immer die Gesamtsituation des Patienten im Vordergrund stehen.
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Die gezielte Diagnostik und Abklärung der Inkontinenzursache sind die Schlüssel für die Therapieauswahl.
Die Belastungsinkontinenz (BI) des Mannes ist in den meisten Fällen iatrogen bedingt und tritt am häufigsten nach Eingriffen an der Prostata auf. Dabei stellt die Postprostatektomie-Inkontinenz (PPI) mit einer Prävalenz zwischen 5% und 57% die häufigste Form dar.1 Weniger häufig tritt die BI nach Unfällen wie z.B. Beckenfraktur mit Nervenverletzungen oder nach operativer Therapie einer gutartigen Prostatavergrößerung (TUR-P, Laser etc.) auf.
Eine Besserung der postoperativen Inkontinenz kann in den ersten 12 Monaten nach der Operation durch konservative Maßnahmen erreicht werden. Bei ausbleibendem Erfolg der nicht-invasiven Therapie, kann in schweren Fällen den Betroffenen bereits nach 6 Monaten die operative Therapie angeboten werden.2
Das Verständnis für die Pathophysiologie der männlichen Inkontinenz und die beteiligten Mechanismen sind für die Auswahl der operativen Therapie von großer Bedeutung. Anhand von histologischen Serienschnitten wird zwischen einem inneren Blasenhalssphinkter und einem äußeren urethralen Sphinkter unterschieden.3 Der für die Erhaltung der Kontinenz wichtigste Muskel ist dabei der äußere Harnröhrensphinkter (Raptus sphincter urethrae), dieser umfasst einen glatten und einen quergestreiften Muskel. Dabei ist der glatte Musculus sphincter urethrae glaber für die Ruhekontinenz und der quergestreifte Musculus urethrae transversostriatus mit seiner Kontraktionskraft für den Harnröhrenverschluss und somit die Belastungskontinenz zuständig.4
Im Falle der PPI liegt oft eine intraoperative Schädigung der autonomen Innervation des glattmuskulären Sphinkters und nicht eine direkte Schädigung der Muskulatur vor. Eine gleichzeitige Verletzung des N. pudendus und Beeinträchtigung der Innervation der quergestreiften Muskulatur im Rahmen der radikalen Prostatektomie (RP) ist sehr selten. Dieser Ansatz entspricht dem typischen klinischen Bild der Patienten mit einer Zunahme der Inkontinenz am Nachmittag, da der quergestreifte Sphinkter mit der Zeit ermüdet. PPI ist jedoch ein multifaktorielles Krankheitsbild und Umstände wie der maximale Ruheverschlussdruck oder die funktionelle Harnröhrenlänge und auch das Alter des Patienten spielen ebenfalls eine Rolle. Im Gegensatz zu PPI liegt bei einer Inkontinenz nach TURP oder Laserbehandlungen zumeist ein direkter Sphinkterschaden vor.
Methoden zur operativen Behandlung
Zur operativen Therapie der männlichen Belastungsinkontinenz steht eine Reihe von Verfahren zur Verfügung, die sich in der Komplexität, Kosten und Langzeiterfahrungen unterscheiden. Aufgrund dieser Vielfalt können in einigen Fällen für einzelne Patienten sogar mehrere Therapieoptionen angeboten werden.
Bei der Auswahl des geeigneten Verfahrens spielt nicht allein der Grad der Inkontinenz, sondern auch die verbliebene Sphinkterdynamik und seine Funktion eine wesentliche Rolle. Der entscheidenste Faktor bei der Indikationsstellung und Auswahl des Verfahrens ist jedoch die Gesamtsituation des Patienten. So kann manchmal in Fällen, bei denen aufgrund der Sphinkterfunktion ein artifizieller Sphinkter indiziert wäre, das Implantat wegen manueller oder kognitiver Einschränkungen nicht implantiert werden. In diesem Fall kann z.B. durch ein Schlingensystem als Alternative eine Besserung der Inkontinenz und eine Minderung des Leidensdrucks erreicht werden.
Nachfolgend werden die heute kommerziell erhältlichen Implantate und die gängigen Implantationstechniken beschrieben. Die Beschreibung der Methoden basiert auf relevanten und aktuellen Publikationen sowie natürlich auf„experts’ opinions“. Bulking Agents haben sich trotz der minimal invasiven Methode nicht durchsetzen können und werden hier nicht besprochen.
Künstliche Harnröhrensphinkter (hydraulische Sphinktersysteme)
Aufgrund der langen Erfolgsgeschichte spielen hydraulische Sphinktersysteme („artificial urinary sphincter“; AUS) eine zentrale Rolle in der Therapie der männlichen Belastungsinkontinenz.5 Seit der Markteinführung des ersten modernen Sphinkters durch Scott et al. sind mehrere Modifikationen und unterschiedliche Modelle auf dem Markt gekommen.6–8
Alle Modelle haben eine urethrale Manschette für den zirkumferenziellen Verschluss der Harnröhre sowie eine Pumpe, welche im Skrotum platziert wird. Eine weitere Komponente ist das Reservoir für die hydraulische Funktion, entweder als druckregulierender Ballon oder als zusätzliches Kompartiment in der Pumpe.9Die Funktion dieser Systeme entspricht den Prinzipien der Hydraulik. Das Betätigen der Pumpe führt dazu, dass Flüssigkeit aus der Manschette entweicht.Als Folge entfällt der Druck auf die Urethra und die Harnwege werden freigegeben. Das Wiederfüllen der Manschette erfolgt durch den Widerstandsregler bzw. ein Rückschlagventil automatisch (Abb. 1).
Abb. 1: Video zur chirurgischen Therapie der postoperativen Inkontinenz (Dr. G. Ameli)
Die Indikation für die Implantation eines AUS-Systems stellt sichbei Patienten mit moderater und schwerer Inkontinenz, weiters eignet sich AUS bei einer Sphinkterinsuffizienz, nach Radiotherapie, bei Neoblasen oder auch als Second-Line-Therapie bei Versagen anderer Methoden. Im Rahmen der präoperativen Diagnostik sollte besonderes Augenmerk auf die manuellen und kognitiven Fähigkeiten des Patienten gelegt werden. Das biologische Alter allein ist aber keine Kontraindikation für die Implantation eines hydraulischen Sphinkters.
AMS 800TM (American Medical System, USA)
Das heutige AMS 800TM System ist seit 1982 auf dem Markt und wird mit weit über 100000 Implantationen in den meisten Studien als Referenzverfahrenherangezogen. Das System ist mit Manschetten in unterschiedlichen Längen und Druckballons in verschiedenen Druckbereichen erhältlich.
Der operative Zugangsweg ist perineal für die Platzierung der Manschette, mit zusätzlich einem suprapubischen Wechselschnitt zur Platzierung des Ballons und der Pumpe. Der penoskrotale Zugang wird von einigen Operateuren aufgrund der „Single incision“-Technik und der damit verbundenen Zeitersparnis angewandt. Auch wenn die Autoren sich bei den Infektions- und Revisionszahlen der verschiedenen Zugänge nicht einig sind, gab es in allen Studien keine Unterschiede bzgl. der Kontinenzergebnisse.10,11
In der Ära der minimal invasiven Techniken wird das System auch in einigen Zentren robotisch assistiert implantiert.Diese Methode wird vorwiegend bei der Platzierung der Manschette im Blasenhalsbereich und vor allem bei Frauen angewandt.12
Die Revisionsrate aufgrund mechanischer Probleme liegt zwischen 2 und 13%, andere Komplikationen wie Arrosion, Infektion oder Harnröhrenatrophie führen in bis zu 30% zu einer Revision.13,14 Bei Patienten nach einer Strahlentherapie sind die Erfolgsraten niedriger bei höheren Komplikationsraten.15,16
Bezüglich der Lebensqualität finden sich in der Literatur hohe Zufriedenheitsraten bis über 90%.17,18 Zusätzlich scheinen Revisionen bzw. Folgeeingriffe keinen wesentlichen Einfluss auf die Lebensqualität bzw. Zufriedenheitsrate der Patienten zu haben, vorausgesetzt die Funktion des Sphinktersystems ist nicht beeinträchtigt.19,20
Beim Versagen einzelner Teile gibt es Korrekturmöglichkeiten: Manschettentausch, Reservoir mit höherem Druck oder die Implantation einer zweiten Manschette. Die Implantation eines Doppel-Cuff-Systems wird jedoch nicht standardmäßig in der Primäroperation empfohlen, da dies mit einem höheren Risiko für Komplikationen ohne signifikante Verbesserung der Erfolgsrate verbunden ist.21 Diese Techniken sollten bei komplexen Fällen und in erfahrenen Zentren angewandt werden.
Victo-System (Promedon, Argentinien)
In den letzten Jahren ist ein adjustierbarer AUS mit weiteren Modifikationen auf den Markt gekommen. Dazu gibt es allerdings derzeit nur retrospektive Studien ohne entsprechende Langzeitergebnisse.22 Die aktuell präsentierten Ergebnisse versprechen jedoch gute Kontinenzergebnisse mit hoher Patientenzufriedenheit nach einem FU von ≥12 Monaten.23 Es handelt sich um ein vorkonnektiertes Implantat (mit unterschiedlichen Manschettengrößen verfügbar) mit der Möglichkeit der postoperativen Adjustierung (Abb. 2). Die Adjustierung ist minimal invasiv und kann jederzeit ohne Anästhesie durchgeführt werden. Für die Adjustierung wird der Port mit einer Nadel punktiert und das System mit Flüssigkeit (Aqua dest.) gefüllt.
Abb. 2: Funktionsweise eines automatischen Sphinkters mit Druckballon als Reservoir: a) Durch Druck auf die Pumpe wird die Flüssigkeit aus der Manschette in die Pumpe transferiert und dadurch entleert. b) Automatisches Wiederauffüllen der Manschette
Zephyr 375 (Zephyr Surgical Implants, Schweiz)
Zephyr 375 ist die neueste verbesserte Version des Zephyr-Systems. Die Prothese enthält eine Manschette sowie eine Pumpe mit druckregulierendem Tank, der gleichzeitig als Reservoir fungiert. Das System wird vorkonnektiert geliefert und hat eine adjustierbare Manschette, die um die Harnröhre gelegt wird. Die Adjustierung erfolgt über den in der Pumpe integrierten Tank (Abb. 3). Die Implantation erfolgt mittels perinealen Zugangs, ohne dass eine abdominelle Inzision für das Reservoir gebraucht wird.
Die Arbeitsgruppe von Ostrowski et al. hat in einer multizentrischen retrospektiven Studie eine Erfolgsrate von 78% und eine Revisionsrate von 22% beschrieben.24 In einer anderen multizentrischen Studie wird die Kontinenzrate (0-1 Vorlagen in 24 Stunden)mit 16% bei höheren Komplikationsraten angegeben.25
Der Einsatz neuer Technologien wie die Entwicklung von elektromechanischen Systemen solleine individuellere Behandlung und eine leichtere Handhabung ermöglichen. Auch wenn diese Systeme noch nicht erhältlich sind, sind die In-vitro- und In-vivo-Tests vielversprechend.26,27
Fazit AUS-Systeme
Sie haben eine zentrale Bedeutung als Goldstandard der PPI-Therapie. Hohe Erfolgs- und Zufriedenheitsraten der Systeme stehen Revisionsraten von bis zu 38% gegenüber.19,28 Limitierend wirken manuelle und/oder geistige Einschränkungen, zusätzlich stellt oft die Betätigung der Pumpe für viele Patienten eine persönliche Hürde dar, die jedoch mit ausreichender Aufklärung und Einschulung meistens überwunden werden kann.
Suburethrale und retrourethrale Schlingen
Schlingen für Männer beruhen auf dem Prinzip der Kompression bzw. Reposition der Harnröhre. Es wird zwischen den fixierten und den adjustierbaren Schlingensystemen unterschieden, dabei werden sowohl retropubische als auch transobturatorische Systeme verwendet.29 In den letzten Jahren wurden verschiedene moderne Schlingensysteme entwickelt.30 Im Gegensatz zu den AUS müssen die Schlingen nach der Implantation nicht aktiviert werden und wirken bei richtiger Indikation und Positionierung sofort postoperativ.
AdVanceTM-Schlinge (Boston Scientific, USA)
AdVance ist die am häufigsten verwendete retrourethrale transobturatorische Schlinge. Sie besteht aus einem Netz aus Polypropylen und wird über einen perinealen Zugang implantiert. Das Netz wird im Bereich der membranösen Harnröhre positioniert und mithilfe von Trokaren durch eine „Outside-In“-Technik fixiert. Das Nachfolgemodell XPTM ist seit 2010 erhältlich und bietet durch kleine Ankerhäkchen eine bessere Fixierung und eine verbesserte Form der Trokare.31 AdVance XPTM zeigte in einer prospektiven Studie mit einem FU von 48 Monaten eine hohe Kontinenzrate von 72% mit einer signifikanten Verbesserung der Lebensqualität.32 In einer rezenten Evaluierung der Langzeitergebnisse von AdVance und AdVanceXP lag die Kontinenzrate (0–1 Vorlage in 24Std.) nach einem Beobachtungszeitraum von 5 Jahren bei 66%, hier waren sowohl Patienten mit Voroperationen als auch Patienten nach Radiotherapie eingeschlossen.33
Voraussetzung für den Behandlungserfolg ist wie bei jedem der hier erwähnten Systeme eine adäquate Selektion der Patienten durch entsprechende präoperative Diagnostik. Im Rahmen der Voruntersuchungen sollten ein zystoskopischer „Elevationstest“ zum Nachweis einer ausreichenden mobilen hinteren Harnröhre sowie ein „Repositionierungstest“ zur Begutachtung der Residualfunktion des Sphinkters durchgeführt werden.34 Mögliche Komplikationen sind Retention bei Überkorrektur, Infektionen, seltener sind persistierende Schmerzen. Die Erfolgsaussichten sind bei Patienten nach einer Radiotherapie oder Patienten mit einer starken Belastungsinkontinenz eingeschränkt.35,36
Seltener verwendete fixierte Schlingen sind die I-Stop TOMSTM und die VirtueTM. Beide Schlingen zeigten jedoch sowohl bei den Kontinenzraten als auch bei den Langzeitkomplikationen schlechtere Ergebnisse im Vergleich zur AdVance-Schlinge.37,38
ArgusTM (Promedon, Argentinien)
Das Argus-System besteht aus einem Silikonpolster, zwei daran fixierten Silikonbändern und Silikonscheiben (Abb. 4). Mittels perinealen Zugangs wird das Polster unter der bulbären Urethra platziert und über die Bänder an den Silikonscheiben („Washer“) befestigt.
Argus classicTM (retropubisch) und Argus TTM (transobturatorisch) unterscheiden sich durch die Implantationstechnik und die Position der Washers. Entscheidend für das Ergebnis ist die richtige intraoperative Einstellung der Schlinge. Eine Überkorrektur bzw. starke Druckerhöhung können zu einer Retention bzw. Restharnbildung führen.
Die initialen Ergebnisse mit über 70% Erfolgsrate konnten in weiteren Studien mit längerem FU bestätigt werden. Es handelt sich zwar meist um retrospektive Analysen, jedoch liegen Erfahrungen mit über 10 Jahren FU vor, welche den Erfolg dieses Systems bestätigen.39–41 Die Notwendigkeit einer Adjustierung liegt bei bis zu 40%, diese ist jedoch minimal invasiv und kann in Lokalanästhesie durchgeführt werden.42
ATOMSTM (A.M.I., Österreich)
Die ATOMSTM-Schlinge, besteht aus ein mit Kochsalzlösung gefülltem Silikonkissen, polyprophylen Netzarme und einem Port. Die Befestigung mittels Netzarme erfolgt um die Rami inferiores des Os pubis. Der Port wird skrotal (früher inguinal) platziert. Die Adjustierung kann postoperativ jederzeit erfolgen (Abb.5). In einer multizentrischen Studie mit einem medianen FU von 31 Monaten, zeigte die Schlinge eine Kontinenzrate von über 60% bei einer Explantationsrate von 20%.43 In weiteren Studien mit kleineren Kohorten werden ebenfalls gute Ergebnisse und eine hohe Patientenzufriedenheit beschrieben.44,45
RemeexTM (Remeex Neomedic, Spanien)
Bei diesem Schlingensystem kommt das Polypropylennetz suburethral zu liegen und wird über zwei Prolenefäden (retropubisch) mit dem sog. „Varitensor“ verbunden. Der Varitensor wird suprapubisch platziert, der Zug am Netz kann durch einen Drehmechanismus adjustiert werden.Die erste Adjustierung erfolgt am ersten postoperativen Tag. Weitere Adjustierungen können bei Bedarf unter Lokalanästhesie durchgeführt werden.40
Die Kontinenzergebnisse sind zwar bei diesem System mit denen anderer Schlingen vergleichbar, jedoch werden im Vergleich mehr Komplikationen und Explantationen verzeichnet.46 Insbesondere werden starke postoperative Schmerzen berichtet, die jedoch zumeist nicht persistierend und konservativ zu beherrschen sind.
Fazit Schlingen
Im Gegensatz zu den AUS müssen die Schlingen nach der Implantation nicht aktiviert werden und wirken sofort postoperativ. Weitere Vorteile sind die Einsatzmöglichkeiten bei fehlenden manuellen Fähigkeiten (z.B. nach Insult) und die geringeren Kosten gegenüber AUS. Auch wenn laut Literatur die besten Ergebnisse bei Patienten mit milder und moderater Inkontinenz ohne vorangegangene Bestrahlung oder Inkontinenzoperationen zu erzielen sind, können Schlingensysteme – v.a. adjustierbare – bei Inkontinenz aller Schweregrade eingesetzt werden. Der Einsatz der Schlingen bei Patienten mit einer Detrusorschwäche wird kontrovers diskutiert.47
AdjustierbareSilikonballons
Die periurethralen adjustierbaren Ballons (ProACTTM) sind eine weniger invasive Technik für die Behandlung der Patienten mit einer milden Belastungsinkontinenz. Über einen perinealen Zugang werden zwei adjustierbare Ballons am Blasenhals platziert. Diese bewirken eine Kompression der bulbären Harnröhre, die entsprechenden Adjustierungsports werden ins Skrotum verlagert und ermöglichen so jederzeit eine einfache Volumenadjustierung der Ballons (Abb. 6). Die Erfolgsrate des Verfahrens variiert je nach Studie und Patientenkollektiv und liegt bei bis zu 68% mit einer Explantationsrate von 18%.48 Die Ballons zeigten bei längeren FU hohe Revisionsraten und sind bei bestrahlten Patienten kontraindiziert, sie können jedoch in speziellen Indikationen als weniger invasive Option gut eingesetzt werden, z.B. als Second-Line-Therapie in Kombination oder nach Versagen von Schlingensystemen.49
Fazit für die Praxis
Die postoperative Harninkontinenz wird von vielen Patienten bereits vor dem Eingriff besonders gefürchtet.Die Kontinenz des Mannes kann schon unmittelbar nach minimalinvasiven Eingriffen wiederhergestellt sein. Die meisten Patienten können ein bis zwei Wochen nach einer unkomplizierten Inkontinenztherapie ihre normalen täglichen Aktivitäten wiederaufnehmen. Deshalb sollte bei starker persistierender Inkontinenz nach Ausschöpfen der konservativen Maßnahmen zeitnah auch an eine operative Therapie gedacht und diese mit den Patienten besprochen werden.
In der täglichen Praxis können im Rahmen der Anamnese viele wichtige und ausschlaggebende Punkte erhoben werden, zusätzlich empfiehlt sich die Zuhilfenahme von validierten Fragebögen, um die Symptome zu objektivieren. Die Wünsche und Erwartungen des Patienten müssen ebenfalls vor der Operation erfragt und ausführlich besprochen werden, um eine unrealistische Erwartungshaltung und die daraus resultierende Unzufriedenheit zu vermeiden.
Da alle genannten Methoden potenziell gute Ergebnisse erzielen, kann für kein Verfahren eine absolute Empfehlung gegeben werden. Der Schlüssel ist in erster Linie die Kenntnis der idealen Indikationen und Kontraindikationen der einzelnen Methoden. Allerdings gibt es prognostisch begünstigende oder ungünstige Faktoren, die eine Entscheidung erleichtern können (Tab. 1).
Die Indikationsstellung sollte nicht nur auf die Präferenzen bzw. Erfahrungen einzelner Behandler oder Zentren gestützt werden. Bei nicht eindeutigen Indikationen sollte die Zuweisung der Patienten an Behandler/Zentren mit Expertise für zumindest zwei bis drei Implantationstechniken erfolgen. Die Behandlung von Patienten mit vorangegangenen Inkontinenzoperationen sollte dabei vorzugsweise High-Volume-Zentren überlassen werden. Diese Aussagen stützen sich nicht nur auf persönliche Erfahrungen, sondern auch auf rezent publizierte Analysen.50
Literatur:
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