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Behandlung der erektilen Dysfunktion bei diabetischen Patienten
Urologik
Autor:
Univ.-Doz. Dr. Gerhard Theyer
Facharzt für Urologie und Allgemeinmediziner in freier Praxis<br> Wien, Bruckneudorf<br> E-Mail: gerhard@theyer.at
30
Min. Lesezeit
21.08.2019
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<p class="article-intro">Der Einsatz von fokussierter Stoßwellentherapie ist eine neue Möglichkeit in der prophylaktischen und ursächlichen Behandlung der erektilen Dysfunktion bei Diabetikern – Kalzifikationen werden aufgeweicht, die Durchblutung wird verbessert und Reparaturzellen werden herangeschwemmt.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Bis zu 80 % der männlichen Diabetiker leiden an einer Sexualstörung. Ein ausschlaggebender Faktor dafür ist die erhöhte Gefäßverkalkung, die sowohl bei Diabetes Typ 1 als auch Typ 2 auftritt. Damit die stärkeren Gefäßverkalkungen rechtzeitig erkannt werden, werden Diabetiker von ihrem Allgemeinmediziner oder Internisten zum Augenfacharzt überwiesen, der durch Beurteilung des Augenfundus diese Verkalkungen erkennen kann.<br /> Man kann die Verkalkungen in der Prostata im Ultraschall sehr gut erkennen. Nun gibt es mit der fokussierten Stoßwellentherapie (ESTW) ein wirksames Instrument, um solche Verkalkungen zu behandeln. Wissenschaftliche Ergebnisse bestätigen die Erfahrung aus der ärztlichen Praxis, zuletzt zusammengefasst in einem Review von Lee SY et al.<sup>1</sup> Das systemische Review zeigt Evidenz für die mittelfristige Wirksamkeit der Stoßwellentherapie bei der Schmerzreduktion und Verbesserung der Schulterfunktion bei Patienten mit chronischer Kalkschulter (Tendinosis calcarea).<sup>2</sup><br /> Die Stoßwellenbehandlung ist mittlerweile in der Urologie gut bekannt, 2013 wurde sie als Erstlinientherapie bei erektiler Dysfunktion in die Guidelines der EAU aufgenommen. In Studien wurde eine Wirksamkeit von bis zu 84 % gezeigt.<sup>3</sup></p> <h2>ESTW bei Diabetes und ED – zwei Aspekte der Wirksamkeit</h2> <p>In der Behandlung von Menschen mit Diabetes gibt es also zwei Aspekte der Wirksamkeit einer ESWT-Behandlung.</p> <p><strong>Wirksamkeit bei der Behandlung der ED</strong><br /> Der erste Aspekt ist die hohe Wirksamkeit der fokussierten STW-Behandlung bei ED insgesamt, die ich als Facharzt für Urologie aus der eigenen Praxis bestätigen kann. Bei Patienten, die auf orale PDE-5-Inhibitoren (Sildenafil, Tadalafil, Vardenafil etc.) gut reagieren, besteht eine klassische Indikation für die Durchführung der ESWT (Abb. 1). Als Wirkprinzip haben bei der vaskulären ED die Durchblutungssteigerung und die Neovaskularisation sicher besondere Bedeutung: durch Induktion der Ausschüttung von Wachstumsfaktoren wie TGF-β1 und VEGF, Anregung der mesenchymalen Stammzellenmigration, lokale Durchblutungsförderung und Unterdrückung der proinflammatorischen Prozesse; Neovaskulisation, den antibakteriellen Effekt und die Stimulation der Fibroblastenproliferation. Die extrakorporale Stoßwellentherapie ist eine nahezu nebenwirkungsfreie und risikoarme Therapieform, bei der es – insbesondere bei Anwendung der fokussierten Therapie – meist keine Hämatombildung gibt.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Urologik_Uro_1903_Weblinks_uro_1903_s38_abb1_theyer.jpg" alt="" width="1463" height="1023" /></p> <p><strong>Wirksamkeit in Bezug auf Kalzifikation</strong><br /> Der zweite Aspekt ist die Wirksamkeit in Bezug auf Kalzifikation. Meiner Erfahrung nach sind Patienten, die eine erhöhte Empfindungsreaktion aufweisen – sodass man die Therapiestärke der ESWTBehandlung reduzieren muss –, immer auch von Verkalkungen betroffen! Diese Patienten profitieren besonders, da die Behandlung normalerweise völlig schmerzfrei verläuft und nur Verkalkungen der Arterien im Penis ein Schmerzempfinden bei der ESWT hervorrufen. Treffen die Stoßwellen auf Verkalkungen, kommt ein Prozess in Gang, der als „Aufweichen“ bezeichnet werden kann; wobei fokussierte Stoßwellen sich im Unterschied zu radialen Stoßwellen erst innerhalb des Körpers aufteilen – daher findet an vorgelagerten Schichten oder der Haut keine Belastung statt und es wird auch kein Schmerzreiz gesetzt.<br /> In den aktuellen Schmerznachrichten ist der Vorgang so beschrieben:<sup>2</sup> Fokussierte Stoßwellen sind gekennzeichnet durch einen kräftigen, sich räumlich ausbreitenden akustischen Impuls mit einem raschen Druckanstieg.</p> <h2>Fokussierte Stoßwellen</h2> <p>Die fokussierten Stoßwellen bündeln ihre Energie auf eine Fokuszone in der Tiefe des Gewebes. Mit dieser Methode können mit maximaler Energie im Fokuspunkt bis zu zehn Zentimeter tief liegende Gewebeschichten erreicht werden. Es ist eine nicht invasive Behandlungsmethode, die bei einer Reihe von schmerzhaften Beschwerden des Bewegungsapparates eingesetzt werden kann und immer häufiger auch in der Urologie verwendet wird.<br /> Der mechanische Reiz der Stoßwellen wird lokal im lebenden Gewebe in biochemische Prozesse umgewandelt, die den körpereigenen Heilungsprozess verstärken. Es scheint durch die Stoßwellentherapie nicht nur Gewebereparatur, sondern tatsächlich auch Geweberegeneration stattzufinden. Die schmerzreduzierende Wirkung basiert wahrscheinlich auf der Blockierung von Schmerzrezeptoren oder auch auf der Veränderung von Zellmembranen, die die Weiterleitung des Schmerzes verhindern.<sup>2</sup><br /> Die Behandlung mit fokussierter Stoßwelle ist auch bei Bluthochdruck oder koronaren Herzkrankheiten möglich. Im Unterschied zur Behandlung mit PDE-Inhibitoren können also auch Patienten, die blutverdünnende Medikamente einnehmen oder an Bluthochdruck oder koronaren Herzkrankheiten leiden, behandelt werden.</p> <h2>Prostatitisbehandlung ist ebenfalls ED-Vorbeugung</h2> <p>Der vorbeugende Einsatz der STWBehandlung ist bei Diabetikern aus einem weiteren Grund sinnvoll: Bei Diabetikern tritt häufig eine Prostatitis auf, die in der Folge zu Verkalkungen in der Prostata führt. Diese Verkalkungen können dann eine bakterielle Prostatitis hervorrufen, und zwar trotz konkordanter antibiotischer Therapie. Auch bei lang andauernder antibiotischer Behandlung verbleiben immer einige Bakterien in den Verkalkungen der Prostata, sodass es nach einiger Zeit zu einem Wiederauftreten der Symptomatik kommt. Das macht im Normalfall eine neuerliche antibiotische Therapie erforderlich. Diese kann durch die mithilfe einer STW-Behandlung erzielte Aufweichung der Verkalkungen abgewendet werden.<br /> Bei Diabetikern empfiehlt sich daher die Anwendung der STW vorbeugend, entsprechend der Empfehlung der Behandlung von CPPS mit einer kreisenden Bewegung, um die Energie in die Prostata zu applizieren.<br /> Der richtige Zeitpunkt für den Beginn der Behandlung scheint also jedenfalls schon vor der Sichtbarkeit von Verkalkungen im Ultraschall zu sein, da diese oft schon in Ansätzen vorhanden sind, obwohl sie im Ultraschall noch nicht erkennbar sind.<br /> Der richtige Zeitpunkt für den Beginn der ESWT-Therapie im Rahmen der EDBehandlung ist grundsätzlich gegeben, wenn der Einsatz von PDE-5-Inhibitoren in Erwägung gezogen wird. Die Behandlung der ED mit fokussierter Stoßwelle verursacht im Normalfall keine Schmerzreaktion. Zeigt sich eine solche, ist von Verkalkungen mit Sicherheit auszugehen.</p> <h2>Fallbericht</h2> <p>Ein Patient im Alter von 66 Jahren, seit meheren Jahren Typ-2-Diabetiker, kam aufgrund von Potenzstörungen in meine Praxis. Der Patient nahm blutverdünnende Medikamente ein, ihm war bereits der linke Vorfuß wegen Durchblutungsstörungen amputiert worden. Er hatte mehrere koronare Stents. Der Zucker schien gut eingestellt, die Diabetesbehandlung erfolgte oral. Er verspürte bei der ESWT-Therapie im Penisbereich mäßige Schmerzen, sodass ich die Intensität der Therapie um 20 % reduzieren musste. Daraufhin tolerierte er die Therapie ohne Analgetikagabe und kam regelmäßig zur ESWT-Therapie. Nach fünfmaliger Behandlung zeigte sich als dauerhaftes Ergebnis: Die Einnahme von Tadalafil war nicht mehr nötig, um eine normale Erektion beim Geschlechtsverkehr zu haben. Die Behandlung ist nun sechs Monate her und der Erfolg hält immer noch an. <br />Ein weiterer Vorteil der ESWT-Behandlungen ist, dass sie im Lauf des Lebens beliebig oft wiederholt werden können. Üblicherweise kommen die Patienten nach 1–2 Jahren wieder. Allerdings muss die Therapie von einer Urologin oder einem Urologen durchgeführt werden (DKS oder Helfer/innen sollten die Behandlung nicht durchführen, da der Patient sehr genau beobachtet werden muss, z. B. hinsichtlich einer Pulmonalembolie).</p> <h2>Induratio penis plastica</h2> <p>Eine neue Therapiemöglichkeit bietet die fokussierte ESWT auch bei der Induratio penis plastica. Hierbei dürfte die Wirksamkeit der Stoßwelle auf die Faszien ausschlaggebend sein und die Erweichung der Plaques ist ein Nebeneffekt.</p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Lee SY et al.: The midterm effectiveness of extracorporeal shockwave therapy in the management of chronic calcific shoulder tendinitis. J Shoulder Elbow Surg 2011; 20(5): 845-54 <strong>2</strong> Schmerznachrichten, Zeitschrift der Österreichischen Schmerzgesellschaft 2019; 2a <strong>3</strong> De Oliveira PS et al.: Low-intensity shock wave therapy for erectile dysfunction and the influence of disease duration. Arch Ital Urol Androl 2019; 90(4): 276-82</p> <p><strong>Weiterführende Literatur:</strong></p> <p>• EAU Guidelines: Edn. presented at the EAU Annual Congress Barcelona 2019. ISBN 978-94-92671-04-2. https:// uroweb.org/guideline/male-sexual-dysfunction • Hausner T et al.: Improved rate of peripheral nerve regeneration induced by extracorporeal shock wave treatment in the rat. Exp Neurol 2012; 236(2): 363-70 7 • Motil I et al.: Treatment of vasculogenic erectile dysfunktion with Piezowave<sup>2</sup> device. Application of low intensity shockwaves using novel linear shockwave tissue coverage (LSTC-ED<sup>®</sup>) technique. A prospective, multicentric, placebo-controlled study. Adv Sex Med 2016; 6: 15-8 • Zimmermann R et al.: Extracorporeal shock wave therapy for the treatment of chronic pelvic pain syndrome in males: a randomised, double-blind, placebo- controlled study. Eur Urol 2009; 56: 418-24</p>
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