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Aktuelles zur Bildgebung beim Harnblasenkarzinom
Urologik
Autor:
Prof. Dr. Peter J. Goebell
Leitender Oberarzt<br> Urologische und Kinderurologische Klinik<br> Friedrich-Alexander Universität, Erlangen<br> E-Mail: peter.goebell@uk-erlangen.de
30
Min. Lesezeit
21.08.2019
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<p class="article-intro">Seit den ersten Arbeiten des Mainzers Phillip Bozzini<sup>1</sup> ist das Bestreben des Urologen, sich ein Bild von der Harnblase und den inneren Oberflächen zu machen, ungebrochen. Auch wenn die Weiterentwicklung der optischen Endoskopie und die Erweiterungen durch die Innovationen im Bereich der Kamera- und Videotechnik sicher einen hohen Anteil an der Verbesserung der Diagnostik haben, sind im Wesentlichen die Prinzipien nach wie vor gültig, die mit einer solchen Untersuchung einhergehen: Der Untersucher bleibt mit seiner Subjektivität darauf angewiesen, dass er das, was er sieht, richtig deutet und in den Zusammenhang mit der Symptomatik des Patienten und den möglichen pathologischen Veränderungen bringt. Unbestritten geht es dabei längst nicht mehr um das Erkennen einer deutlich sichtbaren Veränderung, wie des papillären Urothelkarzinoms (Abb. 1).</p>
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<p class="article-content"><h2>Fluoreszenz-Zystoskopie</h2> <p>Die Erkenntnis, dass eine verbesserte Diagnostik auch einen therapeutisch relevanten Effekt hat, ist inzwischen im Klinikalltag in der Weise umgesetzt, dass in vielen Kliniken die Fluoreszenz-gestützte Zystoskopie mit dem Einsatz von Hexaminolevulinat- Instillationen im Rahmen der fotodynamischen Diagnostik (PDD) zur besseren Erkennung kleiner Harnblasenkarzinome und insbesondere der Carcinomata in situ (CIS) eingesetzt wird. Die Erkennungsrate gerade Letzterer ist mit der „Blaulicht- Methode“ deutlich höher. Exemplarisch sei hier auf eine Arbeit der Kollegen um Siamak Daneshmand verwiesen, die in einer prospektiven multizentrischen Kohorte mit 533 Patienten die Detektionsraten mit den unterschiedlichen Untersuchungsmethoden (Weißlichtzystoskopie, Fluoreszenz-Zystoskopie oder die Kombination) evaluiert haben.<sup>2</sup> Klar zeigt sich hierbei, dass sich die Sensitivität durch die Kombination bei den niedriggradigen und hochgradigen papillären Läsionen auf 99 %, viel relevanter aber beim CIS auf 98 % verglichen mit nur 55 % mit der alleinigen Weißlicht-Zystoskopie steigern lässt. Dass die Erkennung dann logischerweise auch zu einer „kompletteren“ Resektion führen muss, die sich ihrerseits wieder in eine deutlich verlängerte progressionsfreie Zeit übersetzt, geht mit dieser gesteigerten Detektionsrate einher.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Urologik_Uro_1903_Weblinks_uro_1903_s21_abb1buv_goebell.jpg" alt="" width="650" height="531" /><br /> Dass diese Erweiterung des diagnostischen Armentariums auch ökonomisch sinnhaft ist, zeigt eine sehr interessante Arbeit von Georgios Gakis und Kollegen,<sup>3</sup> die in einer Kosten-Effektivitäts-Analyse zeigen konnten, dass die Blaulicht-Zystoskopie (HAL+ BLC/WLC) „die dominante Strategie darstellt, da sie gleichzeitig den Nutzen in Form einer höheren Lebenserwartung (+0,04 Jahre) und QALYs [Anm. des Verfassers: qualitätsadjustierte Lebensjahre] (+0,07) steigert und dabei sogar noch Kostenersparnisse von 537 Euro ermöglicht. Entsprechend der realisierten Kosteneinsparung nahm die ICER [inkrementelles Kosten-Effektivitäts- Verhältnis] pro QALY für HAL+ BLC/WLC einen negativen Wert an (–7885 Euro).“ Übersetzt und verkürzt heißt das: Die Blaulicht-Zystoskopie spart Kosten und verlängert Leben. Wie von den Kollegen richtig und kritisch angemerkt, haben „diagnostische und therapeutische Fehlentscheidungen beim Harnblasenkarzinom erhebliche gesundheitsökonomische Konsequenzen“, weshalb Analysen wie diese auch gesundheits- und berufspolitisch Relevanz haben dürften.<br /> Ein Problem dürfte dennoch in der Umsetzung dieser Technik „in die Breite“ bestehen, da hier gerade in der Nachsorge die flexible Zystoskopie einen sehr hohen Stellenwert hat und validierte Verfahren zum Einsatz mit Hexaminolevulinat mit dieser Form der Zystoskopie fehlen.</p> <h2>Narrow Band Imaging</h2> <p>Eine weitere Entwicklung, die helfen soll, die Detektion relevanter – im Weißlicht nicht gut sichtbarer Läsionen – zu verbessern, stellt das Narrow Band Imaging (NBI) dar. Es ist ebenfalls ein optisches Diagnoseverfahren und beruht auf einer Einengung des sichtbaren Lichts in einen Wellenlängenbereich zwischen 415 und 550 nm. Da in diesem Bereich beispielsweise Hämoglobin sehr stark absorbiert wird, nimmt der Kontrast zwischen Blasenschleimhaut mit vermehrten Blutgefäßen (z. B. beim Vorliegen von Tumoren) und normaler Schleimhaut deutlich zu.<br /> Die Untersuchungen, die seit den ersten Studien von Richard T. Bryan und Kollegen 2008<sup>4</sup> publiziert worden sind, hatten unterschiedliche Fragestellungen und sind in der Summe eher kleinere Studien mit Ausnahme einiger randomisierter Studien. Die Ergebnisse sind letztlich uneinheitlich und eine abschließende Bewertung fehlt.<sup>5</sup><br /> Exemplarisch zeigt eine aktuellere zusammenfassende systematische Arbeit von Weiting Kang und Mitarbeitern<sup>6</sup> zwar den Wert des Einsatzes der Narrow-Band- Imaging-Technik vor allem im Hinblick auf die signifikante Senkung der 3-Monats-, der 1-Jahres- und der 2-Jahres-Rezidivraten auf, legt aber auch gleichzeitig dar, dass das Verfahren Limitationen hat. Diese liegen vor allem in der Tatsache begründet, dass das Verfahren per se keine Tumor-spezifischen Änderungen erfasst und letztlich nur morphologische Veränderungen suspekter Läsionen hervorhebt, was das Risiko birgt, zu einer erhöhten Rate falsch-positiver Befunde zu führen. Die fehlenden Validierungsstandards könnten zu einer erhöhten Anzahl unnötiger Biopsien führen und die Tatsache, dass vor allem die Hämoglobin-Absorption gesteigert ist, macht den Einsatz der Technik bei Blutungen oder Entzündungen schwierig.<br /> Ein direkter randomisierter Vergleich von NBI, Blaulicht-Zystoskopie und Weißlicht- Zystoskopie liegt bisher nur als Kongressbericht vor.<sup>7</sup> In dieser Phase-III-Studie an 220 Patienten, die 2014 auf dem Jahreskongress der Europäischen Urologen von Christian Doehn vorgetragen wurde, konnte eine Überlegenheit der NBI-Technik gegenüber der Weißlicht- Zystoskopie nicht gesehen werden. Zusammenfassend kommt auch die deutsche S3- Leitlinie zum Schluss: „Das fast völlige Fehlen von Daten zu Progress- und Rezidivraten lässt derzeit eine generelle Empfehlung der Technik nicht zu.“</p> <h2>Multiparametrische Zystoskopie</h2> <p>Die multiparametrische Zystoskopie brachte eine spannende Weiterentwicklung der kombinierten Technik der Nutzung der Detektion der Autofluoreszenz (AFI)<sup>8</sup>, der verstärkten Kontrast-Darstellung der Gefäße („enhanced vascular contrast“, EVC), die ähnlich wie das Narrow Band Imaging funktioniert, die Fluoreszenz- gestützte Zystoskopie und die konventionelle Weißlichtzystoskopie vereint. Mit dieser Hybrid-Technik, die Christian Bolenz auf dem Jahrestreffen des International Bladder Cancer Network in Rotterdam 2018 vorstellte (http://ibcnweb.net), ist im Vergleich zu den Einzelkomponenten eine gesteigerte Detektion maligner Läsionen möglich. Die nächsten Schritte liegen in der Validierung und Optimierung dieser Technik.<sup>9</sup></p> <h2>Panoramazystoskopie</h2> <p>Eine weitere relevante Entwicklung stellt die Panoramazystoskopie dar.10 Hierbei werden einzelne Bilder einer Videosequenz mithilfe eines Framegrabbers von der Kamera am Zystoskop erfasst. Nach Kalibrierung des Endoskopiesystems mithilfe eines Schachbrettmusters, um die Abbildungs- und Verzerrungsparameter von Kamera und Endoskop zu ermitteln, lassen sich die radialen und tangentialen Verzerrungen korrigieren (Abb. 2).<br /> So soll es zukünftig möglich sein, die gesamte Schleimhaut der Blase abzubilden. Die eigentliche Innovation liegt aber weniger in der technischen Umsetzung, sondern vielmehr in der Tatsache, dass hierdurch endlich dem hohen diagnostischen und therapeutischen Stellenwert der Zystoskopie Rechnung getragen werden kann: So ist die digitale Dokumentation intraoperativ erhobener Befunde bisher häufig unzureichend und vor allem noch wenig standardisiert.<br /> Die Objektivierbarkeit und die Möglichkeit der Reproduzierbarkeit liefern einen bisher fehlenden wichtigen Baustein in der Verbesserung der Zystoskopie, der Befundübermittlung, der Erstellung repräsentativer Übersichtsbilder und der Erfassung von Verläufen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Urologik_Uro_1903_Weblinks_uro_1903_s22_abb2_buv_goebell.jpg" alt="" width="650" height="510" /></p> <div id="fazit"> <h2>Fazit für die Praxis</h2> <ul> <li>Die Fluoreszenz-Zystoskopie ist ein relevanter Bestandteil der Diagnostik und sollte bei Verdacht auf TIS und im Rahmen der Erstdiagnose genutzt werden.</li> <li>Die Technik des Narrow Band Imaging steht weiter auf dem Prüfstand.</li> <li>Multiparametrische Zystoskopie- Verfahren liefern mit der Hybrid-Technik einen spannenden Ansatz zur Verbesserung der Zystoskopie.</li> <li>Die Panorama-Zystoskopie hätte das Potenzial, die Objektivierbarkeit und die Dokumentation dieser zentralen Untersuchung in der Urologie zu verbessern.</li> </ul> </div></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Bozzini P: Der Lichtleiter oder Beschreibung einer einfachen Vorrichtung und ihrer Anwendung zur Erleuchtung innerer Höhlen und Zwischenräume des lebenden animalischen Körpers. Verlag des Landes-Industrie- Comptoirs, Weimar, 1807 <strong>2</strong> Daneshmand S et al.: Blue light cystoscopy for the diagnosis of bladder cancer: Results from the US prospective multicenter registry. Urol Oncol 2018; 36(8): 361.e1-361.e6 <strong>3</strong> Gakis G et al.: Costeffectiveness analysis of blue light cystoscopy with hexylaminolevulinate in transurethral resection of the bladder. Urologe A 2019; 58(1): 34-40 <strong>4</strong> Bryan RT et al.: Narrow-band imaging flexible cystoscopy in the detection of recurrent urothelial cancer of the bladder. BJU Int 2008; 101(6): 702-5 <strong>5</strong> Doehn C: Endourological imaging with narrow band imaging. Urologe A 2012; 51(6): 784- 90 <strong>6</strong> Kang W et al.: Narrow band imaging-assisted transurethral resection reduces the recurrence risk of nonmuscle invasive bladder cancer: a systematic review and meta-analysis. Oncotarget 2017; 8(14): 23880-90 <strong>7</strong> Doehn C et al.: Comparison of white-light, photodynamic diagnosis and narrow-band imaging for the detection of non-muscle invasive bladder cancer: results from a randomized multicenter diagnostic phase-III study. Eur Urol Suppl 2014; 13: e23 <strong>8</strong> Kriegmair MC et al.: Widefield autofluorescence-guided TUR-B for the detection of bladder cancer: a pilot study. World J Urol 2018; 36(5): 745-51 <strong>9</strong> Bolenz C et al.: Multispectral imaging enables multiparametric (mp) cystoscopy and transurethral resection of bladder cancer. 2018; http://ibcnweb.net/wpcontent/ uploads/2018/12/IBCN-2018-Program-Book.pdf<strong> 10</strong> Wittenberg T et al.: Panoramabildgebung der Blase. Vom Phantom zu präklinischen Experimenten. Endoskopie heute 2014; 27: 146-50</p>
</div>
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