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Andrologie

Aktuelle Aspekte der Testosteronsubstitution

<p class="article-intro">Die erektile Dysfunktion, die Therapie des männlichen Hypogonadismus und verschiedene Aspekte der Testosteronsubstitution waren Themen zahlreicher Poster und Vorträge beim diesjährigen EAU-Kongress in London. Auch eine «Hot topics»-Sitzung widmete sich dem Thema Andrologie.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Die &laquo;hot topics in andrology&raquo; er&ouml;ffnete Dr. med. Peter B. &Oslash;stergren, Herlev/ D&auml;nemark. Er widmete sich in seinem State-of-the-Art-Vortrag der Testosterontherapie bei M&auml;nnern mit Prostatakrebs (PCa).<sup>1</sup> Hohe endogene Testosteronwerte seien nicht mit einem h&ouml;heren Risiko f&uuml;r Prostatakarzinome verbunden, erkl&auml;rte er. Auch steigere eine Testosteronsubstitution (TRT) nicht das Risiko, an einem aggressiven PCa zu erkranken. Allerdings komme es vermehrt zur Diagnose von Niedrigrisikokarzinomen, da die M&auml;nner intensiv &uuml;berwacht w&uuml;rden. Es gebe Hinweise darauf, dass die TRT selbst bei Patienten nach erfolgreich beendeter Therapie eines Niedrigrisiko- PCa sicher sei, sagte &Oslash;stergren, hob aber hervor, dass dazu bisher nur wenige Studien mit kleinen Patientenzahlen existieren. Patienten mit unbehandeltem PCa werde die TRT jedoch nicht empfohlen, betonte er.</p> <h2>TRT &ndash; wann und f&uuml;r wen?</h2> <p>Dass eine TRT die Beschwerden bei niedrigen Testosteronspiegeln bessern kann, ist bekannt. Doch nicht jeder Patient mit Testosteronmangel klagt &uuml;ber Symptome. Koreanische Wissenschaftler haben untersucht, ob eine Hormonsubstitution auch bei asymptomatischen M&auml;nnern sinnvoll ist. Insgesamt nahmen 70 beschwerdefreie M&auml;nner mit Testosteronspiegeln unter 300ng/dl an der Studie teil. Das Durchschnittsalter lag bei 56,2 Jahren. Alle Patienten erhielten am ersten Studientag 1000mg Testosteron- Undecanoat, gefolgt von weiteren Injektionen in der 6., 18. und 30. Studienwoche. Zu Beginn und nach 30 Wochen wurden Gesamttestosteron, Blutfett- und -glukosewerte sowie das PSA gemessen. Als weitere Parameter wurden der Body-Mass-Index (BMI), der International Index of Erectile Function (IIEF) Score, der International Prostate Symptom Score (IPSS), der &laquo;Aging Males&rsquo; Symptoms &raquo;(AMS)-Score und der &laquo;Global Assessment&raquo;-Fragebogen (GAQ) erfasst. W&auml;hrend des Behandlungszeitraums verbesserten sich IIEF, AMS und Gesamttestosteron signifikant. Dagegen gab es bei IPSS, BMI, PSA, Blutfetten und -zucker keine signifikanten Unterschiede. Insgesamt gaben 58,6 % der Patienten im GAQ Verbesserungen an. Aus diesen Ergebnissen schliessen die Wissenschaftler, dass auch bei subjektiv beschwerdefreien M&auml;nnern eine TRT erwogen werden kann, wenn sie einen Testosteronmangel aufweisen.<sup>2</sup><br /> Die Frage, anhand welches Parameters ein Testosteronmangel am besten bestimmt wird, versuchte eine italienische Arbeitsgruppe zu beantworten. Die Forscher verglichen die klinische Relevanz von Gesamttestosteron im Serum (TT) mit freiem Testosteron (cFT). Sie analysierten die Daten von 485 M&auml;nnern, die in vier Gruppen eingeteilt wurden. Als Kontrollgruppe (Gruppe 1, n=338) dienten M&auml;nner mit normalem TT (&gt;3ng/ml) und normalem cFT (&gt;0,065ng/ml). Gruppe 2 (n=44) hatte normales TT/niedriges cFT, Gruppe 3 (n=34) niedriges cFT/normales TT und Gruppe 4 (n=69) niedriges TT und cFT. Bei allen Patienten wurden Komorbidit&auml;ten anhand des Charlson Comorbidity Index (CCI) erfasst, zudem beantworteten sie den IIEF und das Beck&rsquo;s Depression Inventory (BDI). Im Vergleich zur Gruppe 1 waren die Teilnehmer in Gruppe 2 &auml;lter (p&lt;0,001), hatten einen h&ouml;heren BMI (p&lt;0,01) und mehr Begleitkrankheiten (CCI &ge;1, p=0,006). Daher waren auch die Werte des IIEF und des BDI schlechter. &Auml;hnliches beobachteten die Forscher bei den Patienten der Gruppe 4 im Vergleich zur Gruppe 1. Die Teilnehmer in der Gruppe 3 waren zwar &auml;lter als die der Gruppe 1, hatten aber vergleichbare Ergebnisse wie die j&uuml;ngeren M&auml;nner. In der Multivarianzanalyse stellte sich niedriges cFT als unabh&auml;ngiger Vorhersagefaktor f&uuml;r ung&uuml;nstige IIEF- und BDI-Scores heraus, selbst wenn das TT normal war. Dagegen war normales cFT unabh&auml;ngig von niedrigem TT nicht mit Symptomen eines Testosteronmangels verbunden.<sup>3</sup><br /> F&uuml;r eine Testosteronsubstitution stehen verschiedene Pr&auml;parate und Applikationsarten zur Verf&uuml;gung. Eine Arbeitsgruppe aus Deutschland testete die Akzeptanz und Sicherheit eines Testosterongels, das in den Achselh&ouml;hlen aufgetragen wird. Von 99 M&auml;nnern, die zwischen 2011 und 2016 eine TRT begannen, erhielten 36 ein Gel f&uuml;r die Achselh&ouml;hlen oder wechselten von einem anderen Pr&auml;parat zu dieser Anwendungsweise. Die Initialdosis betrug 60mg. Dokumentiert wurden Therapie&auml;nderungen oder -abbr&uuml;che, Dosis&auml;nderungen, Nebenwirkungen und die Testosteronspiegel zu Beginn, nach vier Wochen (T1) und nach drei Monaten (T2). In diesen Intervallen wurden auch H&auml;matokrit-, Blutfett- und PSA-Werte bestimmt. Die durchschnittlichen Testosteronwerte stiegen von initial 2,48mg/dl auf 4,9mg/dl (T1) und schliesslich 5,22mg/dl (T2). Nebenwirkungen traten selten auf (n=4), es handelte sich haupts&auml;chlich um Hautirritationen und Verf&auml;rbungen der Kleidung. H&auml;matokrit, Blutfette und PSA blieben w&auml;hrend der gesamten Nachbeobachtungszeit (im Mittel 5,2 Monate) unver&auml;ndert. Die Autoren werten die Ergebnisse als positiv, raten aber zu einer engmaschigen &Uuml;berwachung des Therapieerfolges. Sie wollen weitere Daten erheben und analysieren, um die Langzeiteffekte zu bewerten.<sup>4</sup></p> <h2>ED nach Operationen im Becken</h2> <p>Einen &Uuml;berblick &uuml;ber die wichtigsten Pr&auml;sentationen in der Andrologie gab Prof. Jens S&oslash;nksen, Herlev/D&auml;nemark.<sup>5</sup> Er hatte unter anderem ein Poster ausgew&auml;hlt, das sich mit der ED nach Operationen im Becken wie der radikalen Prostatektomie oder Zystektomie befasste. Leider gebe es keine Behandlungen, die bewiesen h&auml;tten, dass sie spontane Erektionen nach solchen Eingriffen verbessern k&ouml;nnten, sagte S&oslash;nksen. Daher bestehe grosser Bedarf an neuen Therapieans&auml;tzen, betonte er. Eine M&ouml;glichkeit stellte eine italienische Arbeitsgruppe vor. Sie untersuchte, ob Biomaterialien wie Chitosanmembranen (CM) die Regeneration der Nerven f&ouml;rdern k&ouml;nnen. Teilnehmer waren knapp 100 Patienten, die sich einer nervenschonenden Roboter-assistierten radikalen Prostatektomie (RARP) unterzogen. Sie hatten pr&auml;operativ einen IIEF (International Index of Erectile Function) von &gt;20. W&auml;hrend der Operation wurde die CM appliziert. Als Kontrolle dienten nach dem &laquo;Matched pair&raquo;-Verfahren ausgew&auml;hlte Patienten. In der Nachbeobachtungszeit von einem, zwei und drei Monaten zeigten sich jedoch keine Unterschiede zwischen den Gruppen.<sup>6</sup> &laquo;Dennoch glaube ich, dass es gut ist, auch Studien mit negativem Ergebnis zu haben, denn dies sind evidenzbasierte Resultate&raquo;, sagte S&oslash;nksen. Er ging auch auf die von Dr. med. Martha Haahr, Odense/D&auml;nemark, vorgestellte Studie zur Stammzelltherapie bei ED ein (siehe auch Leading Opinions Urologie 1/2017, S. 30).<sup>7</sup> Er wies darauf hin, dass es sich dabei um eine Phase-I-Studie mit sehr wenigen Patienten gehandelt hatte. Daher k&ouml;nne man aus den Ergebnissen lediglich schliessen, dass die Methode keine schwerwiegenden Nebenwirkungen hat und einfach zu handhaben ist. &laquo;Ich bin sehr gespannt auf die Zukunft und hoffe, die Arbeitsgruppe initiiert eine kontrollierte Studie, um evidenzbasierte Ergebnisse zu erhalten&raquo;, schloss er. Sein Fazit zu diesem Themenbereich lautete, dass es noch immer keine wirksame Behandlung gibt, dass jedoch die Stammzelltherapie einen Beitrag zu einer besseren Versorgung der Patienten leisten k&ouml;nnte.</p> <h2>Induratio penis plastica (Peyronie-K rankheit)</h2> <p>Die Peyronie-Krankheit war S&oslash;nksens n&auml;chstes Thema. Die Behandlung mit oralen Medikamenten sei bisher nicht erfolgreich gewesen, w&auml;hrend die Injektion von Kollagenase signifikante Verbesserungen gebracht habe, erkl&auml;rte er. Dagegen w&uuml;rden die optimale chirurgische Behandlung und das f&uuml;r die Grafts zu verwendende Material kontrovers diskutiert, sagte er und stellte eine Untersuchung zum Thema vor. Es handelt sich um eine Langzeitstudie &uuml;ber einen Zeitraum von durchschnittlich 141 Monaten. Bei 204 Peyroniepatienten wurde eine einfache Plikation der Tunica albuginea vorgenommen. In der Nachbeobachtungszeit wurden neben dem Therapieerfolg auch Komplikationen und Zufriedenheit der Patienten erfasst. Die h&auml;ufigste Komplikation war eine Penisverk&uuml;rzung: bei 150 M&auml;nnern um &le;1,5cm, bei 37 M&auml;nnern zwischen 1,5 und 3cm. Allerdings kam es nur bei 15 Patienten zur erneuten Peniskr&uuml;mmung. Insgesamt gaben 77 % der Patienten und ihrer Partnerinnen an, mit dem Ergebnis der Operation vollkommen zufrieden zu sein, 14 % waren teilweise zufrieden und 9 % gar nicht.<sup>8</sup><br /> Eine andere Arbeitsgruppe untersuchte die Behandlung mit t&auml;glicher Einnahme von PDE-5-Inhibitoren. Es handelte sich um eine kleine Studie mit 66 Teilnehmern, die in drei Gruppen randomisiert wurden. Gruppe 1 (n=20) erhielt eine Verapamilinjektion direkt in die L&auml;sion, Gruppe 2 (n=23) einmal t&auml;glich 5mg Tadalafil und Gruppe 3 (n=23) erhielt &uuml;ber 12 Wochen t&auml;glich Verapamil und Tadalafil. Die M&auml;nner, die t&auml;glich Tadalafil bekommen hatten, zeigten eine deutlichere Verbesserung als die Patienten, die Verapamil allein erhalten hatten.<sup>9</sup> S&oslash;nksen stellte jedoch die Frage, ob dies auch klinisch relevant sei. Bei einer chronischen Peyronie-Krankheit k&ouml;nne man die bestehenden Plaques damit nicht entfernen. Es k&ouml;nnte aber eine Therapie in der akuten Phase der Krankheit sein, sagte er.</p> <h2>Infektionen bei Penisprothesen</h2> <p>Die am meisten gef&uuml;rchteten Komplikationen nach Einsetzen einer Penisprothese seien Infektionen, erkl&auml;rte S&oslash;nksen. Die Antibiotikaprophylaxe sei daher aggressiver geworden. Man m&uuml;sse sich jedoch die Konsequenzen dessen bewusst machen und auch die zunehmenden Resistenzen der Erreger ber&uuml;cksichtigen, betonte er. Eine retrospektive Untersuchung analysierte die Erregerkulturen, die beim Entfernen infizierter Implantate angelegt worden waren. Gleichzeitig wurde die Antibiotikagabe beim Implantieren, bei der station&auml;ren Aufnahme und der Entfernung der Prothese erfasst. In den insgesamt 227 Kulturen konnten in 33 % der F&auml;lle keine Erreger nachgewiesen werden, grampositive Keime wurden bei 73 % der positiven Kulturen gefunden, gramnegative bei 39 % . Etwa ein Drittel der 153 positiven Kulturen wies Candida ssp. (11,1 % ), anaerobe Keime (10,5 % ) und MRSA (9,2 % ) auf. In einem Viertel der positiven Kulturen fanden sich Mischinfektionen. Bei der Implantation folgten die Antibiotikaregime den Leitlinien von EAU und AUA. Allerdings decken diese nur etwa zwei Drittel der in dieser Untersuchung gefundenen Keime ab.<sup>10</sup> Daraus schloss S&oslash;nksen, dass die entsprechenden Leitlinien ge&auml;ndert werden m&uuml;ssten, gab aber zu bedenken, dass die vermehrte Resistenz gegen Antibiotika weitere Probleme verursachen k&ouml;nnte.</p> <h2>Chronische Skrotumschmerzen</h2> <p>Zuletzt widmete S&oslash;nksen sich dem schwierigen Thema der akuten und chronischen Schmerzen des Skrotums &ndash; schwierig deshalb, weil es dazu kaum Evidenz gibt. Dr. med. Yacov Reisman, Amstelveen/ Niederlande, hatte einen State-of-the-Art- Vortrag zu diesem Thema gehalten.<sup>11</sup> Laut Reisman kommen akute Schmerzen nur selten vor, sind aber ein urologischer Notfall. Die Ursache muss rasch gekl&auml;rt und behoben werden. M&ouml;glich sind zum Beispiel Torsionen, Entz&uuml;ndungen/Abszesse, Traumata, Neoplasien oder Infektionen, die jeweils ad&auml;quat behandelt werden sollten. Schwieriger sind chronische Schmerzen zu behandeln, da die Patienten oft einen langen Leidensweg hinter sich haben (Abb. 1). Reisman pl&auml;dierte f&uuml;r grosse multizentrische Studien, die helfen, entsprechende Leitlinien aufzustellen. S&oslash;nksen unterst&uuml;tzte dies und forderte dazu auf, bei chronischen Skrotumschmerzen multidisziplin&auml;r zu arbeiten. Sexualmediziner, Psychologen und Psychotherapeuten sowie Physiotherapeuten sollten in die Behandlung eingebunden werden, schloss S&oslash;nksen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Uro_1702_Weblinks_lo_uro_1702_s25_abb1.jpg" alt="" width="1081" height="865" /></p></p> <p class="article-quelle">Quelle: State-of-the-art lecture «Testosterone therapy in men with prostate cancer». Plenary Session 2: Hot topics in andrology, State-of-the-art lecture «Scrotal pain: the optimal treatment algorithm». Plenary Session 2: Hot topics in andrology, Souvenir Session «Andrology», EAU 2017 </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> &Oslash;stergren PB: State-of-the-art lecture &ldquo;Testosterone therapy in men with prostate cancer&rdquo;. Plenary Session 2: Hot topics in andrology, EAU 2017 <strong>2</strong> Park HJ et al.: Which patients with non-symptomatic late onset hypogonadism are suitable for testosterone replacement therapy? Poster 254, EAU 2017 <strong>3</strong> Boeri L et al.: Does calculated free testosterone overcome total testosterone in protecting from sexual symptoms impairment? Findings of a cross-sectional study. u 258, EAU 2017 <strong>4</strong> Probst KA et al.: Acceptance and safety of axillary testosterone gel (Axiron&reg;) in patients with symptomatic hypogonadism. Abstract 257, EAU 2017 <strong>5</strong> S&oslash;nksen J: Souvenir Session &ldquo;Andrology&rdquo;, EAU 2017 <strong>6</strong> Porpiglia F et al.: The role of chitosan membranes application on the neurovascular bundles during robot-assisted radical prostatectomy: Preliminary results of a phase II study. Poster 249, EAU 2017 <strong>7</strong> Haahr M et al. Safety and potential effect of a single intracavernous injection of autologous adipose-derived regenerative cells in patients with erectile dysfunction following radical prostatectomy: 12-month follow-up. Abstract 368, EAU 2017 <strong>8</strong> Seveso M et al.: Surgical correction of Peyronie&rsquo;s disease via tunica albuginea plication &ndash; longterm follow-up. Abstract 375, EAU 2017 <strong>9</strong> Park HJ et al.: Daily tadalafil therapy: a new treatment option for Peyronie&rsquo;s disease? Abstract 378, EAU 2017 <strong>10</strong> Gross M et al.: Multicenter investigation of the microorganisms involved in penile prosthesis infection: an analysis of the efficacy of the AUA and EAU guidelines for penile prosthesis prophylaxis. Abstract 370, EAU 2017 <strong>11</strong> Reisman Y: State-of-the-art lecture &ldquo;Scrotal pain: The optimal treatment algorithm&rdquo;. Plenary Session 2: Hot topics in andrology, EAU 2017</p> </div> </p>
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