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Vorstellung einer neuen Therapieoption
Jatros
Autor:
OA Dr. Raimund Lunzer
Abteilung für Innere Medizin, KH Barmherzige Brüder Graz
30
Min. Lesezeit
20.09.2018
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<p class="article-intro">Mit Lesinurad (Zurampic<sup>®</sup>) steht ein neues Urikosurikum zur Verfügung, das in Kombination mit Allopurinol verabreicht wird und laut Studiendaten die Harnsäurewerte in den Ziel­bereich bringen kann, wenn Allopurinol alleine nicht ausreicht. </p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Lesinurad ist ein Urikosurikum aus der Gruppe der URAT1-Inhibitoren, das in Kombination mit Allopurinol zur Behan­d­lung der Gicht zugelassen ist, wenn Patienten ihre Harnsäurespiegel unter Allopurinol alleine nicht unter 6mg/dl senken können.</li> <li>Die Wirkung beruht auf der Hemmung der Transporter OAT4 und URAT1, der für die Reabsorption von Harnsäure in der Niere verantwortlich ist.</li> <li>Zu den häufigsten Nebenwirkungen zählen Kopfschmerzen, grippale Beschwerden, erhöhte Kreatininwerte und gastrointestinale Refluxbeschwerden.</li> </ul> </div> <p>Hyperurikämie und die Arthritis urica werden weiterhin zunehmende klinisch relevante Beschwerdebilder sein. Die Gichtarthritis durch Ausfallen der Harnsäurekristalle stellt die häufigste destruktive entzündlich-rheumatische Systemerkrankung dar. Jahrelang stand mit Allopurinol in Österreich nur eine Therapie­option zur Harnsäuresenkung zur Verfügung, da die Alternativen entweder nicht verfügbar waren (Probenecid) oder vom Markt genommen wurden (Benzbromaron). Vor fünf Jahren wurde Febuxostat mit etwa doppelt so guter Wirksamkeit wie Allopurinol etabliert. Seit heuer steht mit Lesinurad eine neue effektive urikosurische Komponente als „Add-on“-Option zur Verfügung. <br />Zu Beginn ist festzuhalten, dass Lesinu­rad, wie auch die anderen beiden harnsäuresenkenden Medikamente, Allopurinol und Febuxostat, nur bei einer nachgewiesenen Gichtarthritis erstattet werden. Ohne Frage gibt es einen Zusammenhang zwischen der Höhe der Harnsäure und der Anfallswahrscheinlichkeit einer Gichtarthritis, und es sind auch andere Komorbiditäten wie arterieller Hypertonus, Niereninsuffizienz oder kardiale Ereignisse mit einer Hyperurikämie assoziiert. Die Datenlage ist allerdings bis dato nicht ausreichend, um eine harnsäuresenkende Therapie bei asymptomatischen Hyperurikämiepatienten zur Kardioprotektion zu empfehlen. International ist man sich über die zu erreichenden Zielwerte einig – bei Gicht: Harnsäure unter 6mg/dl, bei tophöser Gicht unter 5mg/dl.</p> <h2>Wirkprinzip</h2> <p>Lesinurad ist der aktive Metabolit aus der Gruppe der nicht nukleosidischen Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NNRTI). Seine harnsäuresenkende Wirkung beruht auf der Hemmung der Rückresorption der (Harn-)Säure in der Niere. Die molekularen Targets von Lesinurad sind der apikale Harnsäuretransporter URAT1 und der ebenfalls apikal exprimierte organische Anionentransporter 4 (OAT4). Während diese Targets potent gehemmt werden, werden die basolateralen Transporter Glut9 beziehungsweise OAT1 und OAT3 nicht inhibiert.<sup>1, 2</sup> Benzbromaron hemmt wie Lesinurad URAT1, nicht aber OAT4. Die maximalen Wirkstoffkonzentrationen von Lesinurad sind nach 1–4 Stunden erreicht. Die Halbwertszeit beträgt 4–5 Stunden. Metabolisiert wird Lesinurad zu >60 % renal, und es wird keine mitochondriale Hepatotoxizität induziert (wie z.B. bei Benzbromaron). <br />Lesinurad wird vor allem über CYP2C9 metabolisiert. Somit ergibt sich eine Wirkstoffverringerung mit z.B. Rifampicin und Carbamazepin bzw. eine Senkung der Plasmakonzentration von Sildenafil und Amlodipin.</p> <h2>Dosierung</h2> <p>Lesinurad wird in einer Dosis von 200mg morgens gemeinsam mit 300mg Allopurinol eingenommen. In den Studien wurde bei eingeschränkter Nierenfunktion Allopurinol in einer Dosis von 200mg verabreicht. Eine deutlich höhere Inzidenz von erhöhten Serumkreatininspiegeln und renalen Nebenwirkungen inklusive schwerwiegender unerwünschter Wirkungen wurde nach Gabe von 400mg Lesinurad, allein oder in Kombination mit Allopurinol, beobachtet. Die höchste Inzidenz der unerwünschten Wirkungen wurde bei Lesinurad als Monotherapie registriert, daher soll Lesinurad nicht als Monotherapie angewendet werden.</p> <h2>Studiendaten</h2> <p>Zusammengefasst zeigen alle drei großen Studien an 1500 Patienten, auch dann in den Verlängerungen, dass über 50 % der Patienten in den Zielbereich zu bringen sind (Abb. 1).<sup>3, 4</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Ortho_1805_Weblinks_s84_1.jpg" alt="" width="2150" height="909" /></p> <h2>Eingeschränkte Nierenfunktion</h2> <p>Funktionell bedingt spielt bei einem Urikosurikum die Nierenfunktion eine bedeutende Rolle. Lesinurad verursacht einen Anstieg der renalen Harnsäureexkretion, was zu einem (vorübergehenden) Anstieg des Serumkreatinins, renalen Nebenwirkungen und Nierensteinen führen kann. Diese renalen Nebenwirkungen traten häufiger bei Patienten auf, die mit 400mg Lesinurad behandelt wurden. Aus diesem Grund beträgt die empfohlene Maximaldosis 200mg einmal täglich in Kombination mit Allopurinol. Lesinurad darf nicht bei Patienten mit schwerer Nierenfunktionsstörung (CrCL <30ml/min), terminaler Niereninsuffizienz oder bei dialysepflichtigen Patienten eingesetzt werden. Bei Patienten mit leichter bis mäßiger Nierenfunktionsstörung (CrCL 30–89ml/min) ist keine Dosisanpassung erforderlich. Die Therapie mit Lesinurad sollte nicht bei einer CrCL <45ml/min begonnen werden. <br />Lesinurad wurde in den USA mit einer sogenannten „boxed warning“ versehen. Sie enthält Informationen über ein erhöhtes Risiko für akutes Nierenversagen, welches häufiger auftritt, wenn Lesinurad als Monotherapeutikum angewandt oder in höheren als den zugelassenen Dosen eingesetzt wird. <br />In Interaktionsstudien an gesunden Probanden und Gichtpatienten zeigte Lesinurad keine klinischen Interaktionen mit Colchicin, Naproxen, Indomethacin, Atorvastatin, Warfarin, Repaglinid, Tolbutamid oder Allopurinol. Bei den Interaktionsstudien zwischen Lesinurad und Allopurinol wurde nur die 300mg-Dosis Allopurinol untersucht.</p> <h2>Kardiale Diskussion</h2> <p>In klinischen Studien mit Lesinurad wurden schwerwiegende kardiovaskuläre unerwünschte Ereignisse (definiert als kardiovaskuläre Todesfälle, nicht tödlicher Myokardinfarkt oder nicht tödlicher Schlaganfall) beobachtet. Ein kausaler Zusammenhang mit Lesinurad wurde nicht hergestellt. Die FDA hat die Herstellerfirma beauftragt, diese Risikofaktoren gesondert zu untersuchen und verlangt Studien. Die kardiovaskulären Ereignisse in Zahlen: 3/100py für Placebo; 4/100py für 200mg Lesinurad + Allopurinol und 8/100py für 400mg Lesinurad + Allopurinol.</p> <h2>Vorbestehende kardiovaskuläre Erkrankung</h2> <p>Lesinurad wird aufgrund unzureichender Daten nicht empfohlen bei Patienten mit instabiler Angina pectoris, Herzinsuffizienz (NYHA III–IV), unkontrolliertem Bluthochdruck sowie bei Patienten mit einem Herzinfarkt, Schlaganfall oder einer tiefen Venenthrombose innerhalb der letzten 12 Monate.</p> <h2>Akute Gichtanfälle unter Therapie</h2> <p>Nach Beginn einer harnsäuresenkenden Therapie – und dies ist nicht speziell nur für Lesinurad anzuführen – können aufgrund der Senkung des Serumharnsäurespiegels und der darauffolgenden Mobilisation von Uratablagerungen im Gewebe Gichtanfälle auftreten, besonders dann, wenn der Patient keine entsprechende Harnsäurerestriktion einhält bzw. keine Anfallsprophylaxe durchgeführt wird. Eine Gichtanfallsprophylaxe wird empfohlen ab Beginn der Hyperurikämietherapie, gemäß Empfehlungen z.B. mit Colchicin (Colctab<sup>®</sup>) oder einer niedrigen Glukokortikoiddosis (Aprednislon<sup>®</sup> 5mg).</p> <h2>Nebenwirkungspotenzial</h2> <p>Unter der Behandlung mit Lesinurad können grippale Symptome, Kopfschmerzen, gastroösophagealer Reflux, Nierenversagen, eingeschränkte Nierenfunktion, Nephrolithiasis (wie oben angeführt) und Kreatininerhöhung auftreten. Renale Nebenwirkungen führten bei 1,2 % der Patienten, die mit Lesinurad und Allopurinol behandelt wurden, zum Abbruch der Therapie. In der Gruppe, die mit 400mg Lesinurad und Allopurinol behandelt wurden, waren es 3,3 % (Tab. 1).<sup>5</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Ortho_1805_Weblinks_s84_2.jpg" alt="" width="2151" height="1112" /></p> <h2>Zusammenfassung</h2> <p>Mit Lesinurad steht ein neues Urikosurikum zur Verfügung, das potent scheint, die Patienten in den Zielbereich von unter 6mg/dl Harnsäure im Serum zu bringen, wenn Allopurinol alleine nicht ausreicht. Voraussetzung für den Einsatz ist eine weitgehend normale Nierenfunktion, die regelmäßig kontrolliert werden muss. Derzeit wird Lesinurad nur in Kombination mit Allopurinol erstattet. Der Hersteller hat aber auch eine Studie aufgelegt, in der die Kombination mit Lesinurad und Febuxostat sehr erfolgreich war. Nicht zu vergessen: Derzeit wird eine harnsäuresenkende Therapie nur bei Gichtarthritis empfohlen (mit Betonung auf „derzeit“). Große Studien zu kardiovaskulären Endpunkten laufen und sollten demnächst Ergebnisse liefern. <br />Eine Fixkombination von Lesinurad mit Allopurinol (Duzallo<sup>®</sup>) ist seit Kurzem auch in Europa erhältlich. Die Zulassung erstreckt sich auf die Behandlung von Hyperurikämie bei Erwachsenen, bei denen das angestrebte Harnsäureniveau mithilfe des Wirkstoffs Allopurinol allein nicht erreicht werden konnte.</p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Keenan RT et al. In: Firestein GS et al. (eds): Kelley’s Textbook of Rheumatology. 9<sup>th</sup> edition. Philadelphia: Elsevier Saunders, 2013; Chapter 94 <strong>2</strong> Tan PK et al.: EULAR 2011; Poster THU0025 <strong>3</strong> Saag KG et al.: Arthritis Rheumatol 2017; 69: 203-12 <strong>4</strong> Bardin T et al.: Ann Rheum Dis 2016; 76: 811-20 <strong>5</strong> Fachinformation Zurampic<sup>®</sup></p>
</div>
</p>