Spondyloarthritis: Schäden sind bei frühzeitiger Therapie reversibel
Bericht:
Reno Barth
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Das alte Konzept der nichtradiografischen axialen Spondyloarthritis und der radiografischen ankylosierenden Spondylitis wird zunehmend verlassen und in der Diagnose axiale Spondyloarthritis vereinheitlicht. Dies ist auch insofern relevant, als durch eine frühe Diagnose und Behandlung bei der Mehrzahl der Betroffenen das Auftreten von im Röntgen sichtbaren Schäden verhindert werden kann.
Das Konzept der Spondyloarthritis (SpA) wurde vor etwas mehr als 50 Jahren erstmals publiziert, als eine britische Gruppe den Morbus Bechterew (ankylosierende Spondylitis; AS) mit anderen Formen der SpA sowie der Psoriasisarthritis in Verbindung brachte.1 Seitdem haben die Entwicklungen sowohl in der Bildgebung als auch in der Immunologie entscheidend zu einem tieferen Verständnis der Erkrankung wie auch zu besseren diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten beigetragen, wie Prof. Dr. Helena Marzo-Ortega, University of Leeds, England, in ihrem Vortrag erläuterte.
Das Konzept der ankylosierenden Spondylitis wird heute zunehmend verlassen, da die AS eine Manifestation der axialen SpA ist und der Unterschied zur nichtradiografischen axSpA lediglich im Krankheitsstadium liegt. Die Assessment of Spondyloarthritis International Society (ASAS) empfiehlt, nur noch von axialer SpondyloArthritis zu sprechen, da dieser Terminus das gesamte Spektrum der axialen Erkrankung umfasst.2
Klinische Daten verbessern Aussagekraft der Bildgebung
Die MRT ist heute essenziell für die Diagnose der SpA, da sie die Krankheit sichtbar machen kann, bevor Schäden im Röntgen auffällig werden. Marzo-Ortega betonte, dass die MRT trotz all ihrer bekannten Schwierigkeiten das beste bildgebende Verfahren ist, das aktuell in der Diagnostik der SpA realistisch zur Verfügung steht. Weitere Methoden wie PET-CT gewinnen im akademischen Kontext an Bedeutung. Klinische Informationen verbessern die Aussagekraft der Bildgebung jedoch entscheidend.
Fallstricke lauern sowohl in der Klinik als auch in der Bildgebung. Es sei wichtig, so Marzo-Ortega, bei der Zuweisung die radiologischen Abteilungenausreichend mit klinischen Informationen zu versorgen. Auf der radiologischen Seite müssen die Fähigkeiten vorhanden sein, die Befunde adäquat an die Klinik zu berichten. Sowohl für die Zuweisung an die Radiologie als auch für das Abfassen von Befunden in Zusammenhang mit SpA wurden kürzlich Empfehlungen publiziert.3, 4 An die Radiologie sollten unter anderem gemeldet werden: demografische Daten, Anamnese, Krankengeschichte, HLA-B27-Status, ältere radiologische Befunde, Verdachtsdiagnosen, Grund für die Zuweisung sowie Kontraindikationen (z.B. gegen Kontrastmittel). Marzo-Ortega: „Ich empfehle, an Ihrem Zentrum ein Audit auf Basis dieser Empfehlungen durchzuführen. Wir haben das gemacht und wir haben dabei leider gar nicht gut ausgesehen.“
Der Befund der Radiologie soll Angaben zu Osteitis, Erosionen und anderen Läsionen in den Iliosakralgelenken und der Wirbelsäule enthalten und deren Kompatibilität mit der Diagnose einer axSpA bewerten. Mögliche alternative Diagnosen sollten ebenso angeführt werden wie Empfehlungen für weitere bildgebende Untersuchungen. Niemals sollte allerdings vergessen werden, so Marzo-Ortega, dass die Diagnose einer SpA immer eine klinische Diagnose ist und nicht allein anhand der Bildgebung gestellt werden kann.
Verzögerte Diagnosen erhöhen Kosten beträchtlich
Verzögerte Diagnosen stellen allerdings nach wie vor ein erhebliches Problem im Management der SpA dar. Dies liegt nicht zuletzt an extramuskuloskelettalen Manifestationen (EMM), die im Diagnoseprozess Verwirrung stiften können. Dies umso mehr, als EMM bereits vor der Erkrankung von Gelenken auftreten können. Uveitis in Zusammenhang mit SpA ist in 40% der Fälle bereits vor dem Gelenksbefall vorhanden.6 Dies zeige, so Marzo-Ortega, dass die Rheumatologie nicht auf die Gelenke fixiert sein dürfe, sondern den Kontakt mit Ophthalmologie, Gastroenterologie und Dermatologie pflegen müsse.
Verzögerte Diagnosen sind nicht nur für die Betroffenen nachteilig, sondern tragen auch erheblich zur Erhöhung der Behandlungskosten bei. Schätzungen aus Großbritannien beziffern die zusätzlichen Kosten, die durch eine verzögerte Diagnose einer axSpA entstehen, mit fast 200000 Pfund.7 Eine wichtige Maßnahme zur Beschleunigung von Diagnosen ist die verbesserte Aufklärung der Bevölkerung sowie der Allgemeinmediziner:innen. Im UK sei es gelungen, durch Plakate und Inserate zum Thema entzündlicher Rückenschmerz die Zahl früher SpA-Diagnosen zu steigern. Eine britische Medienkampagne konnte 6,15 Millionen Menschen erreichen, von denen 39000 einen Symptom-Checker ausfüllten.8
Frühe Diagnose muss zu früher Behandlung führen
Frühe Diagnose ist jedoch nur dann sinnvoll, wenn auch früh therapiert werden kann. Die entsprechenden Empfehlungen wurden im vergangenen Jahr von der ASAS mit der Definition der frühen axialen Spondyloarthritis publiziert.9 Epidemiologische Daten zeigen, dass frühe Diagnosen mittlerweile deutlich häufiger erreicht werden als noch vor zehn Jahren.10
Rezente Daten legen auch nahe, dass bei frühem Therapiebeginn im MRT sichtbare Erosionen reversibel sind. So zeigen Analysen einer Studie mit Ixekizumab, dass es bereits zu Woche 16 zu einem „Auffüllen“ von Erosionen kommt, das über 52 Wochen zunimmt (Abb.1).11 Auch Adalimumab modifiziert strukturelle Läsionen, sofern sie nur mit MRT, nicht jedoch im Röntgen sichtbar sind.11 Marzo-Ortega betont, dass es lange Zeit benötigt, bis die irreversiblen Schäden am Knochen eintreten, die im Röntgen dargestellt werden können. Ähnliches sei bereits vor Jahren für die rheumatoide Arthritis gezeigt worden, so Marzo-Ortega.
Abb. 1: Regeneration („backfill“) von Läsionen unter Biologikatherapie (modifiziert nach Maksymowych WP et al. 2025)11
Was mit früher Behandlung erreicht werden kann, zeigen auch Daten zur Progression von der nichtradiografischen zur radiografischen axSpA. Gemäß Befunden an den Iliosakralgelenken tritt diese über zehn Jahre lediglich bei 5,8% der Betroffenen ein. Auch wenn bereits im Röntgen sichtbare Erosionen vorhanden sind, kommt es über zehn Jahre mit den heute verfügbaren Biologika nur bei rund 10% der Patient:innen zu Verschlechterungen. Allerdings zeigt sich in derselben Kohorte auch, dass ein hohes Maß an Entzündung bei Einschluss in die Studie nach wie vor mit einem höheren Risiko für Progression verbunden ist.12 Dies passe sehr gut zu älteren Daten, denen zufolge sowohl Entzündungszeichen in der Bildgebung als auch erhöhte Inflammationsmarker im Serum (CRP) mit Progression assoziiert sind, erläutert Marzo-Ortega.
Selbstmanagement: Patient:innen können das
Nicht zuletzt wies Marzo-Ortega auf ein im klinischen Alltag hochrelevantes Problem hin: die akute Überlastung rheumatologischer Zentren und die resultierenden langen Wartezeiten für Patient:innen. Eine Lösung könnte Remote Monitoring (telemedizinische Patientenüberwachung) bieten, wie eine randomisierte Studie aus Norwegen nahelegt. In einer Population von axSpA-Patient:innen, die unter Therapie mit einem TNF-Inhibitor gut kontrolliert waren, wurden drei Interventionen verglichen: die übliche Betreuung („usual care“) mit festgelegten ärztlichen Kontrollen, Telemonitoring, für das die Patient:innen monatlich „patient-reported outcomes“ an die Behandler:innen meldeten, sowie „patient-initiated care“, was bedeutete, dass die Patient:innen selbst entschieden, wann sie Kontakt zum behandelnden Zentrum aufnehmen, wobei sie angewiesen wurden, dies bei Symptomverschlechterung oder dem Auftreten unerwünschter Ereignisse zu tun. Primärer Endpunkt war niedrige Krankheitsaktivität definiert durch einen Axial Spondyloarthritis Disease Activity Score (ASDAS) <2,1 nach 6, 12 und 18 Monaten. Die Auswertung zeigte keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen. Numerisch schnitt Telemonitoring etwas schlechter ab als „usual care“ und „patient-initiated care“, während „usual care“ und „patient-initiated care“ gleichauf lagen.13
Quelle:
„What’s new in: spondyloarthritis“, wissenschaftliche Sitzung im Rahmen des EULAR 2025 am 13. Juni 2025 in Barcelona
Literatur:
1 Moll JM et al.: Associations between ankylosing spondylitis, psoriatic arthritis, Reiter’s disease, the intestinal arthropathies, and Behcet’s syndrome. Medicine 1974; 53(5): 343-64 2 van der Heijde D et al.: Goodbye to the term ‚ankylosing spondylitis‘, hello ‚axial spondyloarthritis‘: time to embrace the ASAS-defined nomenclature. Ann Rheum Dis 2024; 83(5): 547-49 3 Diekhoff T et al.: Reporting sacroiliac joint imaging performed for known or suspected axial spondyloarthritis: assessment of SpondyloArthritis International Society recommendations. Radiology 2024; 311(3): e231786. 4 Diekhoff T et al.: Clinical information on imaging referrals for suspected or known axial spondyloarthritis: recommendations from the Assessment of Spondyloarthritis International Society (ASAS). Ann Rheum Dis 2024; 83(12): 1636-43 5 Bray TJP et al.: Evaluation of the current use of MRI to aid the diagnosis of axial spondyloarthritis in the UK: results from a freedom of information request. Clin Radiol 2024; 79(2): 107-16 6 Michelena X et al.: Diagnostic delay is associated with uveitis and inflammatory bowel disease in AS: a study of extra-musculoskeletal manifestations in SpA. Rheumatology 2024; 63(2): 430-5 7 Zanghelini F et al.: What is the economic burden of delayed axial spondyloarthritis diagnosis in the UK? Rheumatology 2025; online ahead of print 8 Eddison J et al.: Empowering people to take control of their persistent low back pain through public awareness campaigning. Rheumatology 2025; 64(4): 2306-8 9 Navarro-Compán V et al.: ASAS consensus definition of early axial spondyloarthritis. Ann Rheum Dis 2024; 83(9): 1093-9 10 Perez-Alamino R et al.: Trends to shorter diagnostic delay in spondyloarthritis patients during the last decades and association with clinical presentation: data from ASAS-COMOSPA study. RMD Open 2025; 11(1): e004756 11 Maksymowych WP et al.: The effect of ixekizumab treatment on MRI sacroiliac joint structural lesions in patients with radiographic axial spondyloarthritis: post-hoc analysis of a 52-week, randomised, placebo-controlled trial with an active reference arm. Lancet Rheumatol 2025; 7(5): e314-22 12 Molto A et al.: Sacroiliac radiographic progression over 10 years in axSpA: data from the DESIR inception cohort. Ann Rheum Dis 2024; 83(7): 858-64 13 Berg IJ et al.: Remote monitoring or patient-initiated care in axial spondyloarthritis: a 3-armed randomised controlled noninferiority trial. Ann Rheum Dis 2025; 84(7): 1140-50
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