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Serologische Diagnostik der Myositis
Jatros
Autor:
Dr. Andreas Billich
30
Min. Lesezeit
13.02.2020
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<p class="article-intro">Einen wichtigen Beitrag für die Diagnose und Subtypisierung der Myositis liefert der Nachweis von Autoantikörpern. Fortschritte und Probleme – insbesondere der neuen Antikörper – auf diesem Gebiet wurden bei der Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Rheumatologie & Rehabilitation (ÖGR) diskutiert.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Die idiopathischen inflammatorischen Myopathien (IIM, Myositiden) sind eine Gruppe heterogener Erkrankungen, die die Muskulatur betreffen, jedoch häufig nicht auf diese beschränkt sind.<sup>1</sup> Es handelt sich um multisystemische Autoimmunerkrankungen. Allerdings machen ihre Seltenheit und Komplexität eine Abgrenzung von den häufigeren „Myositis Mimics“ oft schwierig. Die Identifikation von Patienten mit IIM ist jedoch wegen der durch Organkomplikationen bedingten hohen Morbidität und Mortalität äußerst wichtig. Bei Erstellung der Diagnose können krankeitsspezifische Autoantikörper sehr hilfreich sein. Über deren Verwendung referierte Prof. Dr. Günter Steiner, Medizinische Universität Wien.</p> <h2>Etablierte und neue Autoantikörper</h2> <p>Zu den Myositis-spezifischen Antikörpern (MSA) gehören Anti-Jo1-Antikörper (gerichtet gegen <sup>His</sup>tRNA-Synthetase), Antikörper gegen 7 andere tRNA-Synthetasen (PL7, PL12, EJ, OJ, KS, Ha, Zo) sowie anti-Mi-2 und anti-SRP; dazu kommt noch eine Gruppe von sogenannten „neuen MSA“, die in den letzten Jahren beschrieben worden sind. Hiervon unterscheidet man die Myositis-assoziierten Antikörper (MAA), wie anti-Ku, anti-PM/Scl, anti-Ro und anti-U1 snRNP, die bei IIM, aber auch bei anderen systemischen Autoimmunerkrankungen auftreten.<br /> Bis Mitte der 1990er-Jahre wurden für die Routinediagnostik der Myositiden nur 3 Markerantikörper eingesetzt:</p> <ul> <li>Anti-Jo1, Diagnose: Polymyositis (PM); Prävalenz: 20–30 % ;</li> <li>Anti-Mi-2, Diagnose: Dermatomyositis (DM); Prävalenz: 15–30 % ;</li> <li>Anti-PM/Scl, Diagnose: PM-Sklerodermie- Overlap; Prävalenz: 25–40 % .</li> </ul> <p>Diese Standardantikörper weisen allerdings eine relativ geringe Sensitivität auf; die Diagnose fußte daher in den meisten Fällen auf der Befundung durch Klinik und Pathologie. Für alle anderen bekannten Antikörper gab es nur umständliche Nachweismethoden (Immunpräzipitation, Immunoblotting).<br /> Bis 2013 wurden dann für insgesamt 16 MSA einfachere Nachweistechniken, wie z. B. multiparametrische Teststreifen, entwickelt.<sup>2, 3</sup> Heute kann daher ein klinischserologischer Diagnoseansatz verfolgt werden, um die 4 neu definierten Gruppen von Myositiden voneinander abzugrenzen:<sup>4</sup></p> <ul> <li>Dermatomyositis (DM)</li> <li>Overlap-Myositis inkl. Anti-Synthetase- Syndrom (ASS)</li> <li>immunvermittelte nekrotisierende Myopathie (IMNM)</li> <li>Einschlusskörper-Myositis („inclusion body myositis“, IBM).</li> </ul> <p>Folgende, heute einfach nachweisbare „neue“ Autoantikörper sind hervorzuheben:</p> <ul> <li>Anti-NXP2: Prävalenz bei adulter DM bis 5 % ; bei juveniler IIM bis 20 % . Bei Erwachsenen oft mit interstitieller Lungenerkrankung (ILD) bei DM und Malignomen (37,5 % ) assoziiert, bei juveniler IIM mit hohem Kalzinose-Risiko.</li> <li>Anti-TIF1γ: Prävalenz bei adulter DM bis 23 % , bei juveniler IIM bis 25 % ; ist bei anderen Myositiden nicht nachweisbar. Bei Erwachsenen und Juvenilen mit schwerer kutaner Symptomatik assoziiert, bei Erwachsenen auch mit gehäuftem Auftreten von Malignomen (in bis zu 50 % der Fälle).</li> <li>Anti-SAE: Prävalenz bei adulter DM bis 8 % . Typisch für Adult-onset-DM; Beginn oft als klinisch-amyopathische DM (CADM), dann Entwicklung voll ausgeprägter Myositis; Dysphagie.</li> <li>Anti-MDA5: Prävalenz 50–70 % bei adulter CADM, 13 % bei adulter DM, 38 % bei juveniler IIM. Bei Erwachsenen assoziiert mit Hautausschlägen und hoher ILD-Rate.</li> <li>Anti-HMGCR: Prävalenz 6 % aller IIMPatienten, 20–30 % der IMNM-Patienten. Das klinische Bild ist das einer nekrotisierenden Myopathie. Die gegen das Enzym HMG-CoA-Reduktase gerichteten Antikörper sind stark mit der Anwendung von Statinen assoziiert.</li> <li>Anti-cN1A (=5NT1A): Diese Autoantikörper sind ein Marker für IBM (40–50 % Prävalenz); sie fehlen bei DM und PM, können aber auch bei SLE und Sjögren-Syndrom auftreten.</li> </ul> <h2>Neue Autoantikörper – erweiterteMöglichkeiten</h2> <p>Nimmt man alle heute zur Verfügung stehenden Autoantikörper-Nachweise zusammen, so erreicht man damit eine Gesamtsensitivität von ca. 60–70 % für den serologischen Nachweis der Myositis. Im Falle der Adult-onset-Myositis konnten mithilfe der bis 2005 zur Verfügung stehenden Autoantikörper 45 % der Fälle diagnostiziert werden, aber weitere 20 % mit den seitdem gefundenen „neuen“ Autoantikörpern. Noch deutlicher wird der Fortschritt bei den Juvenile-onset-Myositiden: Hier war vor 2005 ein Nachweis von Autoantikörpern in nur 15 % der Fälle möglich, danach von weiteren 55 % . Jedoch ergibt sich in beiden Patientengruppen immer noch eine serodiagnostische Lücke von 30–35 % , d. h., bei diesem Prozentsatz der Patienten ist eine serologische Diagnose der Erkrankung nicht möglich.<sup>5</sup> Hier stellt sich die Frage, ob diese Patienten bislang noch nicht identifizierte Autoantikörper aufweisen oder ob eine seronegative Form der IIM existiert.<br /> Wichtig ist, dass der Nachweis von MSA oder MAA nicht nur die Diagnose „Myositis“ etabliert, sondern auch eine Zuordnung zu den Subtypen ermöglicht und auf potenziell assoziierte klinische Bilder und die damit verbundene Prognose verweist.<sup>5</sup> So zeigen z. B. Patienten mit Antisynthetase-Antikörpern häufig ein Erscheinungsbild, das als Anti-Synthetase-Syndrom (ASS) bezeichnet wird und u. a. durch „Mechanikerhände“, Raynaud-Syndrom und Arthritis charakterisiert ist. Antikörper gegen PM/Scl-100, Ku, snRNP, Ro und La weisen auf das Vorliegen eines Overlap-Syndroms hin; anti-SRP auf eine schwere muskuläre Symptomatik usw.<br /> Um den Nutzen der erweiterten Möglichkeiten der serologischen Diagnostik der IIM zu bestätigen, untersuchte eine rezente Studie 1637 Patienten mittels Radioimmunpräzipitation auf MSAs und MAAs.<sup>6</sup> Autoantikörper wurden bei 61,5 % der Patienten gefunden, wobei in den meisten Fällen (84,7 % ) nur eine einzige Spezifität vorlag; nur in 3 Fällen hatten Patienten mehr als einen MSA. Die schon durch frühere Studien bekannten Assoziationen der Antikörper mit den verschiedenen klinischen Manifestationen der IIM wurden vollauf bestätigt, z. B. war eine Reihe von Antikörpern stark (p<0,001) mit kutaner Symptomatik assoziiert. In Summe bestätigte die Studie, dass Myositis- Autoantikörper bei der Mehrheit der Patienten mit IIM zu finden sind und klinische Subtypen identifizieren können. MSA schließen sich fast immer gegenseitig aus, treten also isoliert auf, was ihre Nützlichkeit als wertvolle Biomarker der IIMSubklassen bestätigt.</p> <h2>„Schnelltests“ problematisch</h2> <p>Heute stehen verschiedene Line-Immunoassays (LIAs) zur parallelen Bestimmung von Myositis-Autoantikörpern zur Verfügung, bei denen 15 Antikörper mit nur einem Teststreifen nachgewiesen werden können. Sie ermöglichen Diagnose, Subklassifikation und Prognose der Myositiden im Schnellverfahren. Aber bei der Interpretation der Resultate ist Vorsicht geboten, denn die Probleme der Bestimmung von Myositis-Autoantikörpern durch LIAs sind vielfältig. Es handelt sich um semiquantitative Tests, bei denen Cut-off-Werte nicht exakt definierbar sind. Auch werden bei solchen Assays im Allgemeinen keine Referenzseren mitgeführt. Zudem können diskrepante Resultate auftreten. Eine rezente Studie verglich LIAs von 3 Anbietern: Für einige der nachgewiesenen Antikörper ergab sich eine deutliche Varianz der Ergebnisse.<sup>7</sup> Aufgrund solcher Untersuchungen sind die Hersteller aufgerufen, ihre Assays fortlaufend zu optimieren, um falsch positive wie falsch negative Resultate zu verhindern.<br /> Eine Studie der Arbeitsgruppe von Prof. Martin Stradner, Medizinische Universität Graz, untersuchte die diagnostische Genauigkeit eines Myositis-LIAs in der klinischen „Real-life“-Anwendung (Poster bei der ÖGR-Jahrestagung 2018 und beim Annual Meeting des American College of Rheumatology 2018). Von über 1118 Tests ergaben 45 ein richtig positives, d. h. durch klinische IIM-Diagnose bestätigtes Resultat. Dies waren 61 % aller IIM-Fälle. Allerdings lieferten 204 Assays ein falsch positives Ergebnis, entsprechend 19 % aller Proben von Patienten ohne klinische IMM. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass LIAs zwar eine passende Alternative zu aufwendigeren Nachweismethoden sind, dass jedoch für die meisten Antikörper der positive prädiktive Wert niedrig ist, bedingt durch die niedrige Vortest-Wahrscheinlichkeit für IIM.<br /> Ein weiteres Problem der LIA ist, dass bestätigende Tests kaum möglich sind. Infrage kämen nur Immunpräzipitation, Immunoblot oder LIAs anderer Hersteller. Ein Vergleich von LIA mit der Immunpräzipitation, die eigentlich als der Goldstandard beim Antikörpernachweis gilt, ergab zudem nur bei 3 von 11 Myositis-Antikörpern eine gute Übereinstimmung.<sup>8</sup> Die indirekte Immunfluoreszenz als Bestätigungstest sollte positiv sein, doch ist das nicht zwingend geboten.<br /> Um diesen Problemen zu begegnen, wurde bereits eine Arbeitsgruppe der European Autoimmunity Standardisation Initiative (EASI) gegründet. Eine Zusammenarbeit mit den Herstellern der Assays (die in anderen Fällen erfolgreich war) sowie eine Kooperation mit spezialisierten Kliniken und Myositis-Initiativen sind geboten, um letztlich bestehende technische Mängel der Tests zu beheben. Zudem regte Prof. Steiner multizentrische Studien in diesem Feld an sowie die Einrichtung eines österreichischen Myositis-Registers.<br /> Ein wesentlicher Punkt wäre auch die Erarbeitung von Einsendekriterien (wie sie z. B. für die ANCA-Diagnostik existieren), um die Vortest-Wahrscheinlichkeit zu erhöhen. Die LIAs sollten auf keinen Fall als Screening-Test für Myositis eingesetzt, um nicht zu sagen „missbraucht“ werden. Beispielsweise sollte darauf bestanden werden, dass nur Proben von Patienten eingewiesen werden, bei denen das klinische Erscheinungsbild und Laborwerte einen Verdacht auf IIM nahelegen. Zumindest eine Erhöhung der Kreatinkinase, wie für IIM charakteristisch, sollte gegeben sein. Auch antinukleäre Antikörper sind bei einem Großteil der IIM-Patienten positiv. Eine Muskelbiopsie ist dagegen keine Voraussetzung, um die serologische Diagnostik zu beginnen.<br /> Schließlich ist angesichts der Problematik der LIAs zu empfehlen, im Falle eines positiven Befundes Rücksprache mit dem Einsender der Patientenprobe zu halten, da die Diagnose natürlich nur unter Einbeziehung des klinischen Erscheinungsbildes erfolgen sollte.<br /> Die ACR/EULAR-Klassifikationskriterien für IIM von 2017 empfehlen nur die Verwendung von anti-Jo1 in der Diagnostik.<sup>9</sup> 4 weitere Antikörper-Nachweise wurden untersucht, aber verworfen. Diese Empfehlungen ergeben sich aus einer ungenügenden Datenlage für den Großteil der Antikörper zum Zeitpunkt der Erstellung der Kriterien. Für die Diagnose der IMNM lautet die Empfehlung des ENMC, dass die Bestimmung von anti-SRP und anti-HMGCR in Kombination mit klinischen Befunden ausreichend ist.<sup>10</sup></p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Insgesamt stellen sich die neuen Antikörper als eine Bereicherung der Diagnostik der Myositiden dar. Einschränkend ist zu betonen, dass bei der Interpretation der Ergebnisse die derzeit noch bestehenden Schwächen der Nachweissysteme berücksichtigt werden müssen. Die diagnostische Wertigkeit wird auch stark durch die Vortest-Wahrscheinlichkeit bestimmt, die jedoch durch Beachtung angemessener Einsendekriterien zu erhöhen ist.</p> <p> </p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2020_Jatros_Ortho_2001_Weblinks_jat_ortho_2001_s73_info_billich.jpg" alt="" width="225" height="330" /></p> </div></p>
<p class="article-quelle">Quelle: ÖGR-Jahrestagung 2019, 28.–30. November 2019, Wien
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<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Lundberg JE et al.: Nature Rev Rheumatol 2018; 14: 269-78 <strong>2</strong> Schmidt J: J Neuromuscul Dis 2018; 5: 109-29 <strong>3</strong> Kastrati K, Steiner G: Wien Med Wochenschr Skriptum 11/2019; 10-13 <strong>4</strong> Mariampillai K et al.: JAMA Neurol 2018; 75: 1528-37 <strong>5</strong> McHugh NJ, Tansley SL: Nat Rev Rheumatol 2018; 14: 290-302 <strong>6</strong> Betteridge Z et al.: J Autoimmun 2019; 101: 48-55 <strong>7</strong> Vulsteke JB et al.: Ann Rheum Dis 2019; 78: e7 <strong>8</strong> Cavazzana I et al.: J Immunol Methods 2016; 433: 1-5 <strong>9</strong> Lundberg IE et al.: Ann Rheum Dis 2017; 76: 1955-64 <strong>10</strong> Allenbach Y et al.: Neuromuscul Disord 2018; 28: 87-99</p>
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