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Pneumonie-Prophylaxe unter Rituximab

«Risiko differenziert beurteilen, Therapie individuell anpassen»

Immunmodulatorische Medikamente bergen das Risiko für eine Pneumocystis-jirovecii-Pneumonie (PJP). Für HIV-Patient:innen gibt es evidenzbasierte Empfehlungen zur Prävention mit Cotrimoxazol. Forscher aus Seoul zeigten: Der Benefit einer Cotrimoxazol-Prophylaxe überwiegt die Risiken für Nebenwirkungen auch bei Rheumapatient:innen, insbesondere bei hoch dosierter Glukokortikoidtherapie.1 PD Dr. med. Neumann erklärt, wie die Studie einzuordnen ist und wie er in der Praxis vorgeht.

Haben die Ergebnisse der Studie Sie überrascht?

T. Neumann: Rheumatologische Patient:innen mit einer B-Zell-depletierenden Therapie sind in unterschiedlichem Masse dem Risiko für eine PJP ausgesetzt. Dies ist unter anderem von der Grunderkrankung und weiteren Therapien abhängig, insbesondere einer höher dosierten Glukokortikoidtherapie. In etwa 25% der Fälle ist mit einem fatalen Ausgang der PJP zu rechnen. Insofern wundert es mich, dass eine Prophylaxe – sofern sie notwendig ist – nicht konsequent und standardmässig durchgeführt wird. Obwohl die Daten in Südkorea erhoben wurden, ist anzunehmen, dass sich die Praxis in Europa nicht grundsätzlich unterscheidet. Die Inzidenz der PJP in der Studie ist niedrig, liegt aber in der Grössenordnung früherer Untersuchungen. Es gibt offenbar auch krankheitsspezifische Unterschiede, worauf die Assoziation mit einer ANCA-assoziierten Vaskulitis (AAV) hindeutet.

Welche Konsequenzen ziehen Sie aus der Studie?

T. Neumann: Die Resultate ermöglichen eine differenzierte Risikobewertung und Therapieentscheidung im klinischen Alltag. Denn es flossen sowohl unterschiedliche entzündliche Erkrankungen als auch therapieassoziierte Effekte in die Auswertung ein. Nicht jede Therapie mit Rituximab erfordert aber eine PJP-Prophylaxe. Diese ist aus meiner Sicht insbesondere in der Induktionstherapie systemischer Autoimmunerkrankungen indiziert, vor allem der AAV. Das trifft besonders für Patient:innen mit vorbestehender interstitieller Lungenerkrankung (ILD) und/oder höher dosierten Glukokortikoidtherapien zu.

Welche Limitierungen sehen Sie?

T. Neumann: Die PJP ist eine seltene Komplikation und damit musste die Auswertung auf der Basis weniger Ereignisse durchgeführt werden. Dies birgt immer das Risiko für einen Bias. Eine weitere Limitation der Studie ist die ausschliesslich asiatische Studienpopulation, was möglicherweise die Übertragung der Ergebnisse auf kaukasische Patient:innen beeinträchtigt.

Ist die Beobachtungszeit von einem Jahr ausreichend?

T. Neumann: Ja, da insbesondere die frühe aktive Phase der Erkrankung und die intensive immunsuppressive Therapie von besonderem Interesse sind. Denn dann ist das Risiko für eine PJP am grössten.

Wie beurteilen Sie das Nebenwirkungsprofil von Cotrimoxazol?

T. Neumann: Die «number needed to treat» (NNT) ist 146, wenn man die gesamte Patientengruppe betrachtet, und 41, wenn man diejenigen, die älter als 60 Jahre alt sind, betrachtet. Eine NNT von 146 erscheint zunächst sehr hoch, insbesondere wenn man sie mit einer «number needed to harm» (NNH) von 86 ins Verhältnis setzt. Allerdings handelt es sich bei der PJP um eine schwerwiegende und möglicherweise fatale Komplikation, und die Nebenwirkungen der Prophylaxe sind mild bis moderat.

<< Die PJP-Prophylaxe ist insbesondere in der Induktionstherapie systemischer Autoimmunerkrankungen indiziert.>>

Ich blicke aus dem klinischen Kontext eher auf die NNT von 20 im Fall einer gleichzeitig bestehenden höher dosierten Glukokortikoidtherapie. Das ist eine realistische Therapiesituation für Patient:innen mit einer AAV in der Induktionstherapie.

Warum gibt es zur PJP-Prophylaxe in der Rheumatologie bisher keine generellen evidenzbasierten Empfehlungen?

T. Neumann: Für die meisten entzündlich-rheumatologischen Erkrankungen existieren Empfehlungen zum Management, die sich an der jeweiligen Evidenz orientieren. Wenn diese unzureichend vorhanden ist, dann ist eine Empfehlung entweder gar nicht möglich oder nur mit sehr geringer Stärke. Für das Management der AAV ist die Empfehlung zur PJP-Prophylaxe für Patient:innen, die mit Rituximab behandelt werden, in die EULAR-Empfehlungen von 2022 aufgenommen. Bei den übrigen Patientengruppen haben wir noch zu wenig Evidenz.

Welchen Patient:innen mit Rituximab verschreiben Sie eine Prophylaxe?

T. Neumann: Allen jenen, die mit einer AAV in der Induktionstherapie mit Rituximab behandelt werden. Dieses Konzept wende ich auch bei Patient:innen an, die mit anderen systemischen entzündlichen Erkrankungen mit Rituximab in der Induktion behandelt werden. Die Dauer mache ich individuell abhängig von der Höhe der Glukokortikoidtherapie (>20mg) und/oder dem Vorliegen einer ILD. In der Regel erfolgt die Prophylaxe 6–12 Monate lang mit Cotrimoxazol in der Dosis von 800/160mg an alternierenden Tagen oder 400/80mg täglich bei Vorliegen einer Niereninsuffizienz. Im Falle einer allergischen Reaktion kann eine Desensibilisierungsbehandlung versucht oder alternativ Atovaquon in der Dosis von 1500mg täglich eingesetzt werden. Das ist ein Arzneistoff aus der Klasse der Antiparasitika, der sonst gegen Malaria eingesetzt wird. Er kostet mit 24,50 Franken im Vergleich zu Cotrimoxazol mit 0,65 Franken pro Tag allerdings deutlich mehr.

Was sagen Sie Ihren Patient:innen bezüglich der Nebenwirkungen von Cotrimoxazol?

T. Neumann: Unter der Prophylaxe können allergische Hautreaktionen auftreten, worüber die Patient:innen aufgeklärt werden müssen. Leber- und Nierenwerte sowie Blutbild sollten alle paar Wochen kontrolliert werden. Hat jemand Sorge vor Nebenwirkungen, erkläre ich zum einen, dass diese beherrschbar sind, wenn sie überhaupt auftreten, und zum anderen, dass die Prophylaxe bei der AAV auch das Risiko für weitere schwerwiegende oder lebensbedrohliche Infektionen signifikant senkt, insbesondere weitere Infektionen des Respirationstraktes.

1 Park JW et al.: Risk–benefit analysis of primary prophylaxis against pneumocystis jirovecii pneumonia in patients with rheumatic diseases receiving rituximab. Arthritis Rheumatol 2023; 75(11): 2036-44

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