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Komorbiditäten bei rheumatoider Arthritis

Regelmässig und richtig screenen, adäquat behandeln und Antirheumatika anpassen

<p class="article-intro">Immer wieder war es auf Rheumakongressen in der letzten Zeit zu hören: Bei rheumatoider Arthritis darf man die Komorbiditäten nicht vergessen. Man müsse regelmässig und systematisch danach suchen, so der Rheumatologe Prof. Krüger aus München, sie konsequent behandeln und gegebenenfalls die antirheumatische Therapie anpassen. Beim Screening helfen kann eine Checkliste der Europäischen Rheumaliga, EULAR.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Rheumatoide Arthritis (RA) bef&auml;llt zwar vor allem die Gelenke, aber direkt oder indirekt auch andere Bereiche des K&ouml;rpers. So kommen beispielsweise Infektionen<sup>1, 2</sup> und bestimmte Arten von Krebs3 bei Patienten mit RA h&auml;ufiger vor, und kardiovaskul&auml;re Krankheiten<sup>4, 5</sup> werden bis zu zweimal so oft beobachtet wie bei der Normalbev&ouml;lkerung. Dass die Patienten fr&uuml;her sterben, scheint zu einem grossen Teil durch diese Komorbidit&auml;ten bedingt zu sein, vor allem durch kardiovaskul&auml;re Krankheiten.<sup>4</sup> Experten vermuten, dass die Komorbidit&auml;ten eine Konsequenz der st&auml;ndigen Entz&uuml;ndung sind.<sup>6, 7</sup></p> <h2>Die 6 wichtigsten Komorbidit&auml;ten</h2> <p>Biologika k&ouml;nnen zwar die Krankheitsaktivit&auml;t deutlich senken und die Funktion verbessern, doch Komorbidit&auml;ten seien nach wie vor ein besonderes Problem, so eine Expertengruppe der Europ&auml;ischen Rheumaliga, EULAR:<sup>8</sup> Bei chronisch entz&uuml;ndlichen/ rheumatischen Krankheiten wie RA werde nach Komorbidit&auml;ten nicht gen&uuml;gend gescreent, es gebe zu wenig Pr&auml;ventionsmassnahmen und bestehende Komorbidit&auml;ten w&uuml;rden nicht gen&uuml;gend therapiert, so das Fazit der Experten. Die Gruppe hat deshalb 6 Komorbidit&auml;ten definiert, auf die man in der Routineversorgung systematisch screenen sollte: Infektionen, kardiovaskul&auml;re Erkrankungen, b&ouml;sartige Tumoren, gastrointestinale Krankheiten, Osteoporose und Depressionen. Ihre Empfehlungen teilte die EULAR wie &uuml;blich in &uuml;bergreifende Prinzipien und einzelne &laquo;Punkte, an die man denken sollte &raquo; (Tab. 1). Die Empfehlungen gelten nicht nur f&uuml;r RA, sondern auch f&uuml;r andere chronisch entz&uuml;ndliche/rheumatische Krankheiten wie Morbus Bechterew, autoimmune Bindegewebserkrankungen oder Kristallarthropathien.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Ortho_1901_Weblinks_lo_ortho_1901_s54_tab1_witte.jpg" alt="" width="800" height="1053" /></p> <h2>Checkliste zur Entdeckung von Komorbidit&auml;ten</h2> <p>Komorbidit&auml;ten sollten sorgf&auml;ltig bestimmt und behandelt werden, so das erste Prinzip.<sup>8</sup> Alle an der Behandlung Beteiligten &ndash; inklusive Patient &ndash; sind wichtig, um die Komorbidit&auml;ten zu entdecken (Prinzip B), und die Komorbidit&auml;ten sollten systematisch regelm&auml;ssig erhoben werden (Prinzip C). F&uuml;r die Praxis hat die EULAR-Arbeitsgruppe ein Formular erstellt, in das man alle erforderlichen Daten eintragen kann. Diesen Bogen k&ouml;nnte auch das Pflegepersonal ausf&uuml;llen. Das Dokument besteht aus 93 Fragen, ist auf Englisch und online als erg&auml;nzender Inhalt zum Artikel<sup>8</sup> erh&auml;ltlich.<br /> Daten zu anderen Komorbidit&auml;ten wie Fatigue, Fibromyalgie oder wiederholten nicht opportunistischen, nicht ernsthaften Infektionen zu sammeln w&auml;re auch wichtig, r&auml;umen die EULAR-Autoren ein. Doch das h&auml;tte das Formular, das ja jetzt schon umfangreich ist, gesprengt. Die Experten entschlossen sich zudem, manche Komorbidit&auml;ten aus den &laquo;Punkten, an die man denken sollte&raquo; herauszunehmen, weil nicht klar sei, wie effektiv ein Screening darauf sei. Dies betrifft zum Beispiel Prostatakrebs oder Divertikulitis. Falsch positive Ergebnisse k&ouml;nnten zu Angst beim Patienten und &Uuml;berbehandlungen f&uuml;hren und die Gesundheitsausgaben unn&ouml;tig erh&ouml;hen.<br /> Systematisch nach Komorbidit&auml;ten zu screenen, so sch&auml;tzen die EULAR-Autoren, k&ouml;nnte bis zu einer Stunde dauern, insbesondere wenn man es zum ersten Mal macht. Die darauf folgenden Untersuchungen gehen dann aber schneller vonstatten, vor allem wenn man die bisher erhobenen Daten idealerweise elektronisch sauber dokumentiert hat.<br /> &laquo;Hat man erst einmal die Komorbidit&auml;ten beziehungsweise Risikofaktoren entdeckt, ist schon ein grosser Schritt getan&raquo;, sagt Prof. Dr. med. Klaus Kr&uuml;ger, Ludwig- Maximilians-Universit&auml;t, M&uuml;nchen. &laquo;Dann gilt es, die Begleitkrankheiten auch korrekt zu behandeln, damit sie nicht noch schlimmer werden.&raquo;</p> <h2>TNF-Hemmer senken das kardiovaskul&auml;re Risiko</h2> <p>Besonderes Augenmerk solle man auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen legen, denn diese tragen zu einem erheblichen Teil zur erh&ouml;hten Mortalit&auml;t bei. &laquo;Das Risiko l&auml;sst sich aber deutlich senken, wenn es gelingt, die entz&uuml;ndliche Krankheitsaktivit&auml;t zu reduzieren beziehungsweise zu eliminieren &raquo;, sagt Kr&uuml;ger. Der intensivste Effekt ist f&uuml;r TNF-&alpha;-Inhibitoren belegt. Das Risiko l&auml;sst sich damit je nach Studie um zwischen 30 und 70 % verringern.<sup>9</sup> Zu beachten ist dabei, dass TNF-&alpha;-Hemmer bei h&ouml;hergradiger Herzinsuffizienz, also NYHA 3 oder 4, als kontraindiziert gelten. &laquo;Diese Kontraindikation kann man aber anzweifeln &raquo;, sagt Kr&uuml;ger. &laquo;Denn sie beruht nur auf einer einzigen Studie von 2003,<sup>10</sup> in der Infliximab in &Uuml;berdosis bei herzinsuffizienten Patienten zu einem ung&uuml;nstigen Verlauf f&uuml;hrte.&raquo; Vermutlich wirken auch die nicht TNF-&alpha;-basierten bDMARDs kardioprotektiv, dies ist allerdings noch nicht gut untersucht.<br /> Hydroxychloroquin hat eine eher schwache entz&uuml;ndungshemmende Wirkung, kann aber &uuml;ber Lipidsenkung, Regulierung des Glukosestoffwechsels und Blutdrucksenkung ebenfalls Herz und Gef&auml;sse sch&uuml;tzen.<sup>11</sup> Von den sonstigen konventionell- synthetischen DMARDs wurde ein risikoreduzierender Effekt bisher nur f&uuml;r Methotrexat gezeigt.<sup>9</sup> Aufmerksam Herz und Gef&auml;sse im Blick haben sollte man bei einer Behandlung mit nichtsteroidalen Antiphlogistika (NSAR) und Kortison. &laquo;Unter NSAR ist das erh&ouml;hte kardiovaskul&auml;re Risiko entgegen fr&uuml;heren Ansichten allerdings &uuml;berschaubar&raquo;, sagt Kr&uuml;ger. In einer Metaanalyse aus 754 Studien ging eine NSAR-Behandlung im Vergleich zur Nichteinnahme mit einem relativen Risiko von 1,37 bis 1,44 einher &ndash; das entspricht einer Rate von drei NSAR-bedingten kardiovaskul&auml;ren Ereignissen pro 1000 Patientenjahre.<sup>12</sup> &laquo;Will man NSAR verschreiben, muss man aber beachten, dass bei Herzinfarkt, Schlaganfall oder einer koronaren Herzerkrankung in der Anamnese eine Kontraindikation f&uuml;r Coxibe besteht&raquo;, so Kr&uuml;ger.<br /> Die Langzeit-Glukokortikoidgabe geht indes im Vergleich zu NSAR mit einem deutlich erh&ouml;hten kardiovaskul&auml;ren Risiko einher, vor allem ab einer Tagesdosis von 5 mg. Die urspr&uuml;ngliche Annahme, dies sei durch ein Studien-Bias bedingt, n&auml;mlich dass vor allem Patienten mit schwererer RA und entsprechend erh&ouml;htem kardiovaskul&auml;rem Risiko einer Glukokortikoidtherapie unterzogen wurden, wurde durch neuere Studien widerlegt.<sup>9</sup> Nat&uuml;rlich m&uuml;ssen ein Diabetes mellitus, eine arterielle Hypertonie und andere Risikofaktoren, die per se zu einem erh&ouml;hten kardiovaskul&auml;ren Risiko f&uuml;hren, ad&auml;quat und konsequent behandelt werden. Hierzu geh&ouml;rt zum Beispiel auch, den Patienten zu k&ouml;rperlicher Bewegung anzuregen, seine Lipide im Blick zu haben und ihm vorzuschlagen, mit dem Rauchen aufzuh&ouml;ren.</p> <h2>Besonderes Vorgehen bei interstitieller Lungenerkrankung</h2> <p>Ein Problem, das die EULAR-Autoren offenbar in ihrer Empfehlung vernachl&auml;ssigt haben, sind interstitielle Lungenerkrankungen. &laquo;Sie sind die einzige Systemmanifestation der RA mit unver&auml;ndert zunehmender H&auml;ufigkeit und schlechter Prognose&raquo;, sagt Kr&uuml;ger. Die 5-Jahres-&Uuml;berlebensrate liegt bei 60 % .<sup>13</sup> Rituximab und Abatacept k&ouml;nnten sich m&ouml;glicherweise positiv auf den Verlauf der Lungenkrankheit auswirken.<sup>14</sup> Unter einer Therapie mit TNF-&alpha;-Hemmern wurden sowohl Verschlechterungen als auch Verbesserungen der Lungenkrankheit beobachtet. Methotrexat wurde fr&uuml;her wegen eines m&ouml;glichen erh&ouml;hten Risikos einer allergischen Alveolitis als kontraindiziert betrachtet. &laquo;Inzwischen wissen wir aber, dass Methotrexat die Prognose der Lungenkrankheit verbessert &raquo;, so Kr&uuml;ger. Als optimale Behandlungsm&ouml;glichkeiten bei RA und interstitieller Lungenkrankheit bieten sich somit die Kombinationen Abatacept + Methotrexat oder Rituximab + Methotrexat an.<br /> Hat der Patient eine Niereninsuffizienz, muss man bei der Verschreibung von Antirheumatika aufmerksam sein. So muss etwa die Dosis von Methotrexat und Sulfasalazin ab einer GFR von weniger als 60 ml/min halbiert werden, und ab einer GFR von weniger als 30 ml/min sind die Pr&auml;parate kontraindiziert. &laquo;Es stehen aber selbst bei starker Niereninsuffizienz gen&uuml;gend Alternativen zur Verf&uuml;gung&raquo;, sagt Kr&uuml;ger. So sind beispielsweise bei den Biologika keine Einschr&auml;nkungen bekannt, allerdings weisen die Hersteller in der Fachinformation darauf hin, dass hierzu Untersuchungen fehlen (Tab. 2).<br /> Noch einige Komorbidit&auml;ten gilt es zu beachten. Wie man dabei vorgeht, l&auml;sst sich gut in einer &Uuml;bersichtsarbeit der Canadian Dermatology-Rheumatology Comorbidity Initiative nachlesen.<sup>15</sup> Hier geht es nicht nur um das Vorgehen bei RA, sondern auch bei Psoriasis und Psoriasisarthritis. 407 Artikel identifizierte die Arbeitsgruppe und teilte ihre Empfehlungen in 19 Kapitel ein, in denen detailliert das jeweilige Vorgehen beschrieben ist. &laquo;Wer RA-Patienten behandelt, muss immer die Komorbidit&auml;ten im Blick haben, denn in 80 % der F&auml;lle liegen solche vor&raquo;, so das Fazit von Kr&uuml;ger. &laquo;Man muss systematisch und regelm&auml;ssig danach suchen, ad&auml;quat therapieren und gegebenenfalls die Antirheumatika anpassen &ndash; dann hat der Patient die Chance, dass er &auml;hnlich lange lebt wie jemand ohne RA.&raquo;</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Ortho_1901_Weblinks_lo_ortho_1901_s55_tab2_witte.jpg" alt="" width="550" height="500" /></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Doran MF et al.: Arthritis Rheum 2002; 46(9): 2294-300 <strong>2</strong> Keyser FD: Curr Rheumatol Rev 2011; 7(1): 77-87 <strong>3</strong> Wolfe F, Michaud K: Arthritis Rheum 2004; 50(6): 1740-51 <strong>4</strong> Avina-Zubieta JA et al.: Ann Rheum Dis 2012; 71(9): 1524-9 <strong>5</strong> del Rincon ID et al.: Arthritis Rheum 2001; 44(12): 2737-45 <strong>6</strong> Greenberg JD et al.: Nat Rev Rheumatol 2012; 8(1): 13-21 <strong>7</strong> Baecklund E et al.: BMJ 1998; 317(7152): 180-1 <strong>8</strong> Baillet A et al.: Ann Rheum Dis 2016; 75(6): 965-73 <strong>9</strong> Kr&uuml;ger K: Z Rheumatol 2016; 75: 173-80 <strong>10</strong> Chung ES et al.: Circulation 2003; 107: 3133-40 <strong>11</strong> Rempenault C et al.: Ann Rheum Dis 2018; 77: 98-103 <strong>12</strong> Coxib and traditional NSAID Trialists&rsquo; (CNT) Collaboration, Bhala N et al.: Lancet 2013; 382: 769-79 <strong>13</strong> Hyldgaard C et al.: Ann Rheum Dis 2017; 76: 1700-6 <strong>14</strong> Johnson C et al.: Curr Opin Rheumatol 2017; 29: 254-9 <strong>15</strong> Roubille C et al.: J Rheumatol 2015; 42 (10): 1767-80</p> </div> </p>
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