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Kinderwunsch und Schwangerschaft mit rheumatischen Erkrankungen

<p class="article-intro">Die Diagnose einer entzündlichen Erkrankung fällt häufig in das gebärfähige und zeugungsfähige Alter. Die meisten entzündlichrheumatischen Erkrankungen treten bei Frauen häufiger auf als bei Männern.<sup>1</sup> Bei den Betroffenen bestehen viele Unsicherheiten bezüglich der Konzeption und Schwangerschaft, aber vor allem bei der Frage, ob und, wenn ja, welche Medikamente während der Schwangerschaft eingenommen werden können. Deshalb sollten Schwangerschaften geplant werden, um das Risiko für Mutter und Kind möglichst gering zu halten.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Obwohl heute eine erfolgreiche Schwangerschaft bei Frauen mit entz&uuml;ndlichrheumatischen Erkrankungen keine Seltenheit ist, ist die Geburtenrate geringer als bei gesunden Frauen. Dies hat mehrere Ursachen: Einerseits bef&uuml;rchten sie, sich nicht ausreichend um ihre Kinder k&uuml;mmern zu k&ouml;nnen, andererseits haben sie Angst, dass die medikament&ouml;sen Therapien negative Auswirkungen auf das ungeborene Kind haben k&ouml;nnen. Dies konnte in einer Umfrage, durchgef&uuml;hrt von Chakravarty et al., sehr eindrucksvoll bewiesen werden. Es berichteten 63 % der Patientinnen, dass sie sich vor Schwangerschaften f&uuml;rchten, und 30&ndash;55 % der Frauen f&uuml;hlten sich nicht ausreichend informiert.<sup>2</sup></p> <h2>Rheumatoide Arthritis, Psoriasisarthritis und axiale Spondyloarthritis</h2> <p>Schwangerschaften treten bei Frauen mit rheumatoider Arthritis (RA) und Kinderwunsch h&auml;ufig verz&ouml;gert auf. Urs&auml;chlich sind vor allem eine hohe Krankheitsaktivit&auml;t sowie die regelm&auml;&szlig;ige Einnahme von NSAR und/oder Kortisondosen &uuml;ber 7,5 mg Prednisolon/Tag. Das Risiko f&uuml;r Fehlbildungen ist mit dem in der Normalbev&ouml;lkerung vergleichbar: Auch bei gesunden Frauen ist mit angeborenen Fehlbildungen bei bis zu 3 % sowie Aborten im ersten Trimenon bei bis zu 15 % zu rechnen.<sup>3</sup> Es besteht jedoch bei RA ein erh&ouml;htes Risiko f&uuml;r eine Fr&uuml;hgeburt oder ein zu kleines Kind.<sup>4, 5</sup> Auch daf&uuml;r sind eine erh&ouml;hte Krankheitsaktivit&auml;t und Kortisongebrauch verantwortlich. Trotzdem tritt die H&auml;lfte der Schwangerschaften ungeplant auf.<sup>1</sup> Leider bekommen viele Frauen w&auml;hrend der Schwangerschaft noch immer keine optimale Behandlung oder sie nehmen Medikamente, die mit einer Schwangerschaft nicht vereinbar sind.<sup>1</sup> Bei der Planung der medikament&ouml;sen Therapie muss das Risiko von &bdquo;Nebenwirkungen&ldquo; einer &uuml;ber 9 Monate unbehandelten Krankheit bei der Mutter gegen das Risiko einer m&ouml;glichen Nebenwirkung der medikament&ouml;sen Behandlung f&uuml;r den Fetus abgewogen werden. Patientinnen vermeiden oft medikament&ouml;se Therapien, um das ungeborene Kind nicht zu sch&auml;digen. Dass eine hohe Krankheitsaktivit&auml;t vor oder w&auml;hrend der Schwangerschaft ein Risiko f&uuml;r Mutter und Kind darstellt, ist h&auml;ufig nicht bekannt.<sup>5</sup><br /> Vor Eintritt der Schwangerschaft soll im Idealfall eine Remission oder eine niedrige Krankheitsaktivit&auml;t bestehen. Ca. 50 % der Patientinnen mit einer RA erleben w&auml;hrend der Schwangerschaft eine Besserung der Krankheitsaktivit&auml;t. Bei einem Drittel ist es sogar m&ouml;glich, die Medikation zu beenden. Nach der Entbindung besteht ein erh&ouml;htes Risiko f&uuml;r einen entz&uuml;ndlichen Schub; ca. 75 % der Patientinnen sind davon in den ersten 6 Monaten betroffen,<sup>6</sup> vor allem stillende Frauen &ndash; wahrscheinlich deshalb, weil sie aus Angst vor Nebenwirkungen keine entsprechende Therapie durchf&uuml;hren.<br /> Interessanterweise scheint sich die Aktivit&auml;t einer Psoriasisarthritis oder axialen Spondyloarthritis in der Schwangerschaft und nach der Geburt nicht zu ver&auml;ndern, weshalb hier in den meisten F&auml;llen eine medikament&ouml;se Therapie notwendig ist.<sup>7</sup></p> <h2>Systemischer Lupus erythematodes</h2> <p>Patientinnen mit einem systemischen Lupus erythematodes (SLE) ben&ouml;tigen eine besonders intensive Betreuung. Sie scheinen im Vergleich zu Frauen mit RA leichter schwanger zu werden, ihr Risiko f&uuml;r Fr&uuml;hgeburten, Pr&auml;eklampsie und vorzeitigen Blasensprung ist jedoch deutlich erh&ouml;ht. Etwa 40 % der Patientinnen haben Antiphospholipid-Antik&ouml;rper, die in der Schwangerschaft mit geh&auml;uften Aborten und Fr&uuml;hgeburten assoziiert sind. Zur Therapie werden w&auml;hrend der Schwangerschaft Thrombozytenaggregationshemmer und niedermolekulare Heparine eingesetzt. Die Einnahme von Antimalaria-Medikamenten vor und w&auml;hrend der Schwangerschaft hat bei Vorliegen von SS-A(Ro)- und SS-B(La)-Antik&ouml;rpern nicht nur einen guten Effekt auf den Krankheitsverlauf, sondern auch auf das Kind.<sup>8&ndash;10</sup> Diese Antik&ouml;rper liegen bei 30 % der SLE-Patientinnen vor. Sie k&ouml;nnen durch den diaplazentaren Transport zur Entwicklung eines neonatalen Lupussyndroms beim Kind f&uuml;hren. Dieses manifestiert sich 4&ndash;6 Wochen nach der Geburt mit Exanthemen, Zytopenien und Transaminasenanstieg. Eine gef&uuml;rchtete kardiale Komplikation ist der kongenitale AVBlock beim Kind. Ab der 16. Woche sind ein Bradykardie-Screening und fetale Echokardiografien in w&ouml;chentlichen Abst&auml;nden empfohlen. Aus diesem Grund gelten diese Schwangerschaften als Risikoschwangerschaften und sollten engmaschig durch Gyn&auml;kologen und Rheumatologen betreut werden.<sup>11</sup></p> <h2>Medikamente in Schwangerschaft und Stillzeit</h2> <p>Ziel einer medikament&ouml;sen Therapie ist es, eine Remission oder zumindest eine niedrige Krankheitsaktivit&auml;t zu erreichen. Bei der Mehrzahl der Frauen ist eine medikament&ouml;se Therapie notwendig. Eine Arbeitsgruppe der EULAR hat Empfehlungen zum Einsatz von Medikamenten in Schwangerschaft und Stillzeit ver&ouml;ffentlicht.<sup>12</sup> Die Therapie sollte fr&uuml;hzeitig geplant werden, deshalb sollten wir Frauen im geb&auml;rf&auml;higen Alter direkt auf einen m&ouml;glichen Kinderwunsch ansprechen.<br /> Die neuen Empfehlungen basieren auf einer umfangreichen Datenrecherche und lauten wie folgt:<br /> csDMARDs (konventionelle synthetische Basistherapeutika) wie Hydrochloroquin, Chloroquin, Sulfasalazin, Azathioprin, Cyclosporin, Tacrolimus und Colchicin sollten in einer Schwangerschaft fortgesetzt oder zur Therapie eines Schubes verwendet werden.<br /> Die csDMARDs Methotrexat, Mycophenolat- Mofetil und Cyclophosphamid sind teratogen und sollten vor einer Schwangerschaft abgesetzt werden.<br /> Der Einsatz von nicht selektiven COXInhibitoren (nichtsteroidale Antiphlogistika, NSAR) und Prednison soll erwogen werden, wenn sie zur Kontrolle von aktiven Krankheitssymptomen notwendig sind. NSAR sollten nur im 1. und 2. Trimenon eingesetzt werden. Im 3. Trimenon sind sie wegen des Risikos des vorzeitigen Verschlusses des Ductus arteriosus kontraindiziert. Selektive COX-2-Hemmer d&uuml;rfen in der Schwangerschaft nicht eingenommen werden.<br /> Bei schwerer, refrakt&auml;rer m&uuml;tterlicher Erkrankung in der Schwangerschaft sollten eine Methylprednisolon-Puls-Therapie, intraven&ouml;se Immunglobuline oder im 2. oder 3. Trimenon auch die Gabe von Cyclophosphamid in Betracht gezogen werden.<br /> csDMARDs, tsDMARDs (zielgerichtete synthetische DMARDs) und antiinflammatorische Therapien mit unzureichender Dokumentation im Hinblick auf den Einsatz in der Schwangerschaft sollten bis zum Vorliegen einer besseren Evidenz vermieden werden. Dies trifft auf Leflunomid, Mepacrin, Tofacitinib, sicherlich auch auf Baricitinib und selektive COX-2-Hemmer zu.<br /> Von den bDMARDs (biologischen DMARDs) k&ouml;nnen Tumor-Nekrose-Faktor( TNF-)Inhibitoren im ersten Teil der Schwangerschaft eingesetzt werden. Die meisten Erfahrungen gibt es f&uuml;r Infliximab, Etanercept, Adalimumab und Certolizumab. F&uuml;r Golimumab liegen keine ausreichenden Daten vor, deshalb sollte eine Alternative bevorzugt werden.<br /> Im Rahmen der CRIP-Studie wurde der Plazentatransfer von Certolizumab von Schwangeren auf ihre Kinder untersucht. Die Studie zeigte, dass die Spiegel von Certolizumab unmittelbar nach der Geburt sowie 4 und 8 Wochen nach der Geburt bei allen Proben unter der Nachweisgrenze lagen. Certolizumab kann aufgrund der Studienlage w&auml;hrend der ganzen Schwangerschaft und auch in der Stillperiode verabreicht werden.<sup>13</sup><br /> Zu den bDMARDs Rituximab, Anakinra, Tocilizumab, Abatacept, Belimumab und Ustekinumab existiert nur eine limitierte Dokumentation in Hinblick auf einen sicheren Einsatz in der Schwangerschaft. Sie sollten deshalb vor der Konzeption durch eine andere Therapie ersetzt werden. In der Schwangerschaft sollten sie nur dann eingesetzt werden, wenn die Erkrankungsaktivit&auml;t durch keine andere Therapie ausreichend kontrolliert werden kann.</p> <p>Nicht in den EULAR-Empfehlungen angef&uuml;hrt wurde Secukinumab. F&uuml;r diese Substanz liegen keine ausreichenden Daten zur Anwendung bei Schwangeren vor. Tierexperimentelle Studien ergaben keine Hinweise auf direkte oder indirekte gesundheitssch&auml;dliche Wirkungen in Bezug auf Schwangerschaft, embryonale/fetale Entwicklung, Geburt oder postnatale Entwicklung. Aus Gr&uuml;nden der Vorsicht soll eine Anwendung in der Schwangerschaft derzeit vermieden werden.<sup>14</sup></p> <p>Auch Stillen ist, wie bereits angef&uuml;hrt, m&ouml;glich. Mit dem Stillen vereinbar sind Therapien mit Hydroxychloroquin, Chloroquin, Sulfasalazin, Azathioprin, Ciclosporin, Tacrolimus, Colchicin, Prednisolon, Immunglobulin, nicht selektiven COX-Inhibitoren und Celecoxib, vorausgesetzt es bestehen keine kindlichen Kontraindikationen.<br /> Stillende Frauen sollen keine Therapien mit Methotrexat, Mycophenolat-Mofetil, Cyclophosphamid, Leflunomid, Tofacitinib und anderen COX-2-Inhibitoren als Celecoxib durchf&uuml;hren.<br /> Eine geringe &Uuml;bertragung in die Muttermilch wurde f&uuml;r Infliximab, Adalimumab, Etanercept und, wie bereits erw&auml;hnt, f&uuml;r Certolizumab gezeigt. Das Fortsetzen einer Therapie mit diesen TNF-Inhibitoren sollte als mit dem Stillen vereinbar angesehen werden.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Kavanaugh A et al.: Arthritis Care Res 2015; 67: 313-25 <strong>2</strong> Chakravarty E et al.: BMJ Open 2014; 4: e004081 <strong>3</strong> Brouwer J et al.: Arthritis Rheumatol 2015; 67: 1738-43 <strong>4</strong> Ince-Askan H et al.: Best Pract Res Clin Rheumatol 2015; 29: 580-96 <strong>5</strong> de Man YA et al.: Arthritis Rheumatol 2009; 60: 3196-206 <strong>6</strong> de Man YA et al.: Arthritis Rheumatol 2008; 59: 1241-8 <strong>7</strong> Ursin K et al.: Rheumatology 2018; 57(6): 1064-71 <strong>8</strong> G&ouml;testam Skorpen C et al.: Rheumatology 2018; 57(6): 1072-9 <strong>9</strong> Simard JF et al.: Paediatr Perinat Epidemiol 2017; 31(1): 29-36 <strong>10</strong> Cevera R: Autoimmun Rev 2008; 7(3): 174-8 <strong>11</strong> Andreoli L et al.: Ann Rheum Dis 2017; 76(3): 476-85 <strong>12</strong> G&ouml;testam Skorpen C et al.: Ann Rheum Dis 2016; 75: 795-810 <strong>13</strong> Mariette X et al.: Ann Rheum Dis 2018; 77: 228-33 <strong>14</strong> Warren RB et al.: Br J Dermatol 2018; 179(5): 1205-7</p> </div> </p>
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