
©
Getty Images/iStockphoto
EULAR-Spotlights
Jatros
30
Min. Lesezeit
21.09.2017
Weiterempfehlen
<p class="article-intro">Mit mehr als 14 000 Teilnehmern, 180 Sitzungen und über 2000 Postern feierte die EULAR bei ihrem diesjährigen Kongress ihr 70-jähriges Bestehen. Im Rahmen der Rheumatologischen Fortbildungstagung in Saalfelden präsentierte Dr. Andrea Studnicka-Benke, Salzburg, ihre ganz persönlichen Highlights aus Madrid.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Das Jahr 2017 ist für die Rheumatologie ein besonderes: Die erfolgten Neuzulassungen der JAK-Inhibitoren Baricitinib und Tofacitinib, des IL-6-Hemmers Sarilumab sowie diverser Biosimilars haben das Spektrum der Therapieoptionen bereichert. „Hinsichtlich Sicherheit und Effizienz sind die Unterschiede zwischen den einzelnen biologischen DMARDs marginal“, berichtet Studnicka-Benke vom EULAR 2017. „Immer noch ist die Kombination mit Methotrexat reinen Monotherapien überlegen. Niedrigere Dosierungen von Methotrexat sind jedoch möglich.“<br /> Zum IL-6-Rezeptor-Blocker Tocilizumab wurden am EULAR neue Sicherheitsdaten aus zwölf klinischen Studien, deren Verlängerungsstudien und Postmarketinganalysen präsentiert (Moham S et al., OP0105). „Die neuen Daten haben keine neuen Sicherheitssignale geliefert und bestätigen das bekannte Sicherheitsprofil von Tocilizumab“, so Studnicka-Benke.</p> <h2>Kampagnen und Fortbildungsangebot</h2> <p>Während des Kongresses in Madrid startete die EULAR ihre neue Kampagne „Don’t delay, connect today“, deren Ziel es ist, Betroffene zu animieren, mit ersten Symptomen einer rheumatischen Erkrankung möglichst frühzeitig medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Die europäische Patientenorganisation PARE („People with Arthritis and Rheumatism in Europe“) trägt zur Kampagne bei, indem z.B. leicht verständliches Informationsmaterial erstellt wird. Mit Öffentlichkeitsarbeit sollen Früherkennung und Selbstmanagement der Patienten gefördert werden.<br /> Ebenso gelauncht wurde die EULAR School of Rheumatology: Diese wird alle Fortbildungsangebote vereinen, inklusive derer, die via neue Medien angeboten werden, wie Online-Kursen und Webinares. Mitglieder werden regelmäßig über EULAR- Kurse, Bücher, Trainingsmaterialien etc. informiert werden. (Nähere Informationen und Registrierung unter: www. eular.org/school_of_rheumatology.cfm)</p> <h2>Schmerz bei Arthrose und PsA</h2> <p>Weniger als zwei Drittel aller Patienten mit Knie- oder Hüftarthrose nehmen analgetisch wirkende Medikamente ein – zumindest in den Niederlanden (Knoop J et al., SAT0517). Das Autorenteam wollte den Ursachen dafür auf den Grund gehen. Schmerzintensität, Krankheitsdauer und -schwere sowie psychische Belastung konnten die Varianz in der Analgetikaeinnahme aber nur zu einem kleinen Teil erklären. Die Verordnung von Schmerzmedikamenten sollte sich möglicherweise mehr an den klinischen Symptomen und an den Patientenbedürfnissen orientieren, und die Entscheidung sollte jeweils mit dem Patienten gemeinsam gefällt werden, meinen die Studienautoren.<br /> Dass Schmerz noch immer ein „unmet need“ bei Psoriasisarthritis (PsA) darstellt, hat eine multinationale Studie festgestellt (Conaghan P et al., OP0107). „Auch unter Biologikatherapie leidet jeder dritte Patient an starken Schmerzen, nur ein Drittel ist schmerzfrei“, berichtet Studnicka-Benke. „Mit Schmerz assoziiert waren verringerte Lebensqualität, Angst, Depression und vor allem: Arbeitslosigkeit!“</p> <h2>RA: Komorbiditäten und Mortalität</h2> <p>Die Entwicklung der Mortalität bei rheumatoider Arthritis (RA) hat ein Team aus Schweden untersucht (Holmqvist M et al., OP0149). Studnicka-Benke: „In den Jahren 1997 bis 2015 hat sich gezeigt, dass die Erkrankung noch immer mit einer erhöhten 10-Jahres-Mortalität verbunden ist, obwohl die Therapien im Vergleich zu früheren Jahren intensiviert wurden und der durchschnittliche DAS28 niedriger ist.“<br /> Ein französisches Autorenteam untersuchte das kardiovaskuläre Risiko bei RAPatienten und verglich die Ergebnisse mit denen vom Jahr 2000 (Filhol E et al., OP0146). Hier konnte eine Verbesserung festgestellt werden. Maßnahmen der intensiveren Überwachung des kardiovaskulären Status und die bessere Kontrolle der Inflammation scheinen also Wirkung zu zeigen. Dennoch ist das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse bei RA-Patienten im Vergleich zur Gesamtbevölkerung noch immer ein erhöhtes.<br /> Bei RA-Patienten, die in der Anamnese eine Krebsdiagnose aufweisen, wird derzeit von einer Therapie mit TNF-Blockern abgeraten. Eine schwedische Studie untersuchte, ob das Risiko für ein Tumorrezidiv unter TNF-Inhibitoren tatsächlich höher ist (Raaschou P et al., OP0308). Das Ergebnis: Es wurde kein Unterschied in der Rezidivrate von zehn verschiedenen Tumoren gefunden. „Das Intervall zwischen der Krebsdiagnose und dem Start der Anti-TNF-Therapie war allerdings mit durchschnittlich 9,9 Jahren sehr lang“, sagt Studnicka-Benke.<br /> Einen paradoxen Effekt bei übergewichtigen RA-Patienten, die mit Biologika behandelt wurden, hat eine niederländische Studie gesehen (de Jonge AV et al., OP0150): Ein höherer BMI war einerseits assoziiert mit geringeren Remissionsraten, andererseits zeigten übergewichtige Patienten weniger Gelenksdestruktionen.<br /> Zu Kinderwunsch und Schwangerschaft bei Frauen mit rheumatologischen Erkrankungen gab es eine Reihe von Präsentationen. Unter anderem wurde berichtet, dass für Kinder von Patientinnen mit Autoantikörpern gegen Ro/SS-A und einer hohen SIGLEC1-Expression ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines kongenitalen Herzblocks besteht (Lisney AR et al., OP0311). Diese Frauen würden möglicherweise von einer Therapie gegen INF-a, wie z.B. Hydroxychloroquin, profitieren, schlussfolgern die Autoren.</p> <h2>Rehabilitation</h2> <p>Mit einem intensivierten Rehabilitationsprogramm wollte ein norwegisches Team die positiven Effekte der Reha bei Rheumapatienten verstärken und verlängern (Berdal G et al., OP0255-HPR). Die Zusatzangebote beinhalteten eine strukturierte individualisierte Therapiezielplanung, motivierende Gespräche, schriftliche Unterlagen und vier Telefonanrufe in den ersten 5 Monaten nach der Entlassung. Kurzfristig zeigte die Intervention Erfolg, nach 6 und 12 Monaten war der Lebenqualitätsparameter HR-QoL jedoch bei beiden Gruppen auf ähnlichem Niveau.<br /> Auch eine andere Studie kam zu dem Schluss, dass ein intensives multidisziplinäres Reha-Programm zwar sehr gute Kurzzeiteffekte bringt, die meisten Paramater jedoch innerhalb eines Jahres auf die Ausgangswerte zurückkehren, insbesondere jene für Schmerz und Gelenksteifigkeit (Jarret G, Orpana A, THU0731- HPR). Die Autoren plädieren dafür, Reha- Angebote für Rheumapatienten in kürzeren Intervallen anzubieten, um die positiven Effekte aufrechtzuerhalten.<br /> Den Effekt von physikalischer Therapie und Rehabilitationsmaßnahmen auf die Thoraxexkursion bei Patienten mit ankylosierender Spondylitis untersuchte Slavica Jandric aus Banja Luka (THU0390). Gemessen wurde die respiratorische Umfangdifferenz. Sie konnte von durchschnittlich 1,98cm auf 3,01cm signifikant verbessert werden, wobei die Dauer der stationären Rehabilitation mit der Verbesserung der Umfangdifferenz korrelierte.<br /> Ein türkisches Team fand einen signifikanten Effekt einer Peloidtherapie bei Handarthritis (Kasapoglu Aksoy M et al., SAT0525). „Die Peloidtherapie wurde über zwei Wochen insgesamt zehnmal angewendet“, so Studnicka-Benke. Verbesserungen konnten in allen untersuchten Parametern (Schmerz, Funktion, Griffstärke und Lebensqualität) nach 2 und nach 6 Wochen gefunden werden.<br /> Umfangreiche Rehabilitationsmaßnahmen können für Patienten mit Kniearthrose kurzfristig sehr hilfreich sein. In der Schweiz ist nun analysiert worden, wie es den Patienten 5 Jahre danach geht (Angst F et al., THU0708). „Geringe bis moderate Verbesserungen bezüglich Schmerz, Funktion und psychosozialem Status waren auch nach fünf Jahren noch nachweisbar“, berichtet Studnicka-Benke. Trotzdem musste sich fast jeder vierte Patient in der Zwischenzeit einer Knietotalendoprothetik unterziehen. Der WOMAC-Score erwies sich in dieser Studie als Prädiktor für die Notwendigkeit eines Gelenksersatzes. Hoher Bildungsgrad, weibliches Geschlecht, wenige Komorbiditäten und Probleme beim Stufensteigen waren weitere Risikofaktoren für die Wahrscheinlichkeit einer Arthroplastie.<br /> Mittels 3D-Printings maßgeschneiderte Devices für RA-Patienten testete eine italienische Studie (Sandri G et al., THU0705). Folgende Behelfe wurden nach Bedarf und Absprache mit den Patienten produziert: jeweils ein Haltegriff für Kreide, eine Zahnbürste, ein Zündschlüssel, ein Löffel, ein Bügeleisen und ein Hilfsmittel zum Öffnen von Kaffeekannen. Die Zufriedenheit der Patienten mit den Devices war sehr hoch. Die Produktion von Hilfsmitteln in Zusammenarbeit mit den Patienten ist also zu befürworten, schlussfolgern die Autoren. Zudem ermöglicht die 3D-Printing-Technologie die Herstellung von Behelfen aus kostengünstigen Materialien.</p> <h2>SpA-Diagnostik</h2> <p>Den Nutzen einer Low-Dose-Computertomografie der gesamten Wirbelsäule im Vergleich zu konventioneller Radiografie untersuchte eine niederländisch-deutsche Studie (de Koning A et al., OP0114). Bei SpA-Patienten erwies sich die Methode als sensitiver, um Syndesmophyten zu entdecken. Mittels CT wurde bei 30 % der Patienten eine Knochenproliferation festgestellt, unter Röntgenkontrolle waren es nur 6 % .</p> <h2>Pneumokokkenimpfung</h2> <p>Patienten unter immunsuppressiver Therapie haben u.a. ein erhöhtes Risiko für invasive Pneumokokkeninfektionen. Die Pneumokokkenimpfung wird daher für Rheumapatienten empfohlen, dennoch ist die Impfrate in dieser Population oft gering. Am Hôpital Bichat in Paris ist deshalb ein Programm gestartet worden, in dessen Rahmen Kandidaten für diese Impfung intensiv über Benefit und Risiken aufgeklärt werden. Die Impfrate konnte dadurch von 17,1 auf 77,6 % gesteigert werden (Goulenok T et al., OP0065).</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: 36. Rheumatologische Fortbildungstagung, 24. Juni 2017,
Saalfelden
</p>
Das könnte Sie auch interessieren:
Bedeutung pulmonaler Symptome zum Zeitpunkt der Erstdiagnose
Bei der Erstdiagnose von entzündlich-rheumatischen Erkrankungen können bereits pulmonale Symptome vorliegen, dies muss jedoch nicht der Fall sein. Eine Studie des Rheumazentrums Jena hat ...
Betroffene effektiv behandeln und in hausärztliche Betreuung entlassen
Bei bestimmten Patientinnen und Patienten mit Gicht ist eine rheumatologisch-fachärztliche Betreuung sinnvoll. Eine im August 2024 veröffentlichte S3-Leitlinie zur Gicht macht deutlich, ...
Gezielte Therapien bei axSpA – und wie aus ihnen zu wählen ist
Nachdem 2003 der erste TNF-Blocker zugelassen wurde, existiert heute für die röntgenologische (r-axSpA) und die nichtröntgenologische axiale Spondyloarthritis (nr-axSpA) eine ganze Reihe ...