
Dr. Rudolf Puchner, Erstautor der Studie, im Gespräch
Wie viel Zeit muss pro Patient für die Akutbegutachtung eingerechnet werden?
R. Puchner: Erfahrungsgemäß können in 2 bis 3 Stunden 8 bis 10 Patienten begutachtet werden, das sind also etwa 15 Minuten pro Patient.
Worin unterscheidet sich die „Kurzbegutachtung“ von einem normalen Termin in der Rheumaambulanz?
R. Puchner: „Kurz“ heißt, wir machen keinen internistischen Status, wenn es nicht unbedingt nötig ist. Die Anamnese erfolgt symptombezogen, auch die Untersuchung konzentriert sich auf die Beschwerden und assoziierte Symptome.
Fast jeder zweite der begutachteten Patienten war ein Fall für die Rheumatologie. Welche Diagnosen wurden bei den anderen gestellt?
R. Puchner: Natürlich kommen auch Patienten mit degenerativen Erkrankungen, Fingerarthrosen oder Fibromyalgie in die Sprechstunde. Wichtig ist aber umgekehrt, dass wir keine entzündliche Neuerkrankung übersehen und Patienten mit Früharthritis zu 100 % erfassen.
Nicht wenige Patienten kamen als „Selbsteinweiser“ in die ABS. Wie hoch war hier die „Trefferquote“? Können Patienten ihre Symptome selbst richtig deuten?
R. Puchner: Sinn und Zweck einer ABS ist ja unter anderem der niederschwellige Zugang. Der Gang zum Rheumatologen soll leicht und rasch möglich sein. Knapp ein Drittel der Patienten kam ohne Zuweisung, und ich muss sagen, diese hatten eine relativ gute Selbsteinschätzung, insbesondere was die rheumatoide Arthritis betraf.
Das spricht dafür, dass man sich mit dieser Erkrankung zunehmend auch in der Allgemeinbevölkerung auseinandersetzt. Welchen Faktoren ist dies zu verdanken? Der Öffentlichkeitsarbeit oder dem Internet?
R. Puchner: Wahrscheinlich beidem. Awarenesskampagnen sind ganz wichtig, um Patienten für entzündliche Erkrankungen zu sensibilisieren. Es kommen aber auch viele Patienten, die sich aus dem Internet informiert haben.
Warum ist eine frühe Behandlung so wichtig?
R. Puchner: Weil die Erkrankung ab dem Symptombeginn fortschreitet und man weiß, dass eine Verzögerung des Therapiebeginns irreversible Schäden hinterlassen kann. Es sollte innerhalb von 3 Monaten mit der Behandlung begonnen werden.
Es gibt ja auch andere Ansätze in Österreich, die versuchen, die Diagnosestellung bei rheumatischen Erkrankungen zu beschleunigen. In Innsbruck wird z.B. ein Patientenfragebogen evaluiert, der die Dringlichkeit des Falles einschätzen soll. Ist das möglich, dass nur durch Fragen, ohne ärztliche Untersuchung, die Patienten mit dringendem Therapiebedarf von den weniger akuten Patienten unterschieden werden?
R. Puchner: Ich denke, das ist eine gute Idee für große Einrichtungen und Ambulanzen, wie z.B. an Universitätskliniken, um hier die Patientenströme in die richtige Richtung zu lenken. In kleineren Spitalsambulanzen oder in einer Praxis halte ich es nicht für den richtigen Weg, dass man dem Patienten als Erstes einen Fragebogen in die Hand drückt. Aber auch in unseren Ordinationen erfolgt eine Vorauswahl der Patienten, die für die Akutbegutachtung infrage kommen. Es sollten prinzipiell akute Beschwerden bzw. neu aufgetretene Schmerzen vorhanden sein. Das Ziel ist es, Patienten mit Früharthritis zu erfassen. Aber wir lehnen niemanden ab. Wenn ein Patient sagt: „Das ist für mich akut“, dann kommt er auch dran.
Vielen Dank für das Gespräch!
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