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Denosumab-Rebound-Risiko und was Osteoporose mit Immunologie zu tun hat
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28.11.2019
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<p class="article-intro">Denosumab ist ein gut wirksames und verträgliches Osteoporosemedikament. Doch zwischenzeitlich haben sich Hinweise auf einen Rebound-Effekt nach Absetzen der Therapie verdichtet. Am Symposium Rheuma Top ging KD Dr. med. Diana Frey, Zürich, auf das Problem näher ein. In einem anderen Vortrag erläuterte PD Dr. med. Daniel Aeberli, Bern, spannende Erkenntnisse aus der Osteoimmunologie über Zusammenhänge von Entzündung und Knochen. </p>
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<p class="article-content"><p>Denosumab ist in der Schweiz seit 2010 für die Behandlung der Osteoporose zugelassen. «Das Antiresorptivum unterdrückt den Knochenstoffwechsel so stark, dass Knochenabbaumarker wie die Beta-Cross-Laps (β-CTx) im Serum während der Therapie oft nicht nachweisbar sind», erklärte KD Dr. med. Diana Frey, Leiterin des Osteoporose-Zentrums am Universitätsspital in Zürich. Wird die Behandlung beendet, steigen die Knochenumbau-Marker rasch sehr stark an, die Knochendichte nimmt ab und das Frakturrisiko, insbesondere für Wirbelfrakturen, nimmt zu. «Wenn Denosumab nach sechs Monaten nicht wieder gespritzt wird, beginnt bereits etwa drei bis vier Wochen später der vermehrte Knochenabbau und die Knochendichte kann innert weniger Monate unter die Baseline sinken», so die Osteoporosespezialistin.</p> <h2>Risikofaktoren für einen Rebound</h2> <p>Einige Frauen haben ein besonders hohes Risiko für einen Rebound. Besonders gefährdet sind Patientinnen, die bereits vor Therapiebeginn Wirbelfrakturen hatten. «Bei diesen Frauen sollte Denosumab auf keinen Fall abgesetzt und auch nicht verzögert verabreicht werden», betonte Dr. Frey. Das Rebound-Risiko ist zudem deutlich erhöht bei Patientinnen, die vorbestehend eine sehr geringe Knochendichte hatten. <br /> Wird Denosumab nur einmal gespritzt, besteht gemäss Dr. Frey noch keine Rebound-Gefahr. Vermutlich hätten auch Patientinnen, die vor der Therapie mit Denosumab bereits mit einem Bisphosphonat behandelt worden seien, ein geringeres Risiko. «Allerdings wissen wir noch nicht, welches Bisphosphonat die Rebound-Gefahr tatsächlich senkt, wie lange es vorher gegeben werden muss und wie lange es vor der Behandlung mit Denosumab abgesetzt sein kann, damit es den Rebound verringert.»</p> <h2>Zoledronat wirkt Rebound entgegen</h2> <p>Wollen Patientinnen Denosumab ohne zwingenden medizinischen Grund absetzen, empfiehlt Dr. Frey, primär zu versuchen, die Patientin davon zu überzeugen, das Antiresorptivum einstweilen weiter zu nehmen. «Möglicherweise wissen wir in zwei Jahren besser als heute, wie wir mit dem Rebound-Problem umgehen sollen», begründete sie. Wird Denosumab aber abgesetzt, dann ist eine Anschlusstherapie mit einem Bisphosphonat zwingend nötig. «Möglicherweise schützt in dieser Situation Zoledronat am besten», erklärte Dr. Frey. Denn das intravenöse Ibandronat sei wohl zu schwach in der Wirkung und perorale Osteoporosemedikamente eigneten sich weniger, weil viele Patientinnen diese erfahrungsgemäss nicht korrekt einnähmen oder die Substanz nicht genügend resorbiert werde. Entscheidet man sich für eine perorale Therapie, kommt aber am ehesten Alendronat infrage. <br /> Wann nach einem Denosumab-Stopp das Zoledronat gegeben werden soll, ist noch unklar. «Vermutlich soll es nicht zu dem Zeitpunkt verabreicht werden, an dem jeweils die nächste Denosumab-Injektion fällig wäre», so Frey. Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass die Bisphosphonate an den Stellen am Knochen andocken, wo es Resorptionszonen und somit einen aktiven Knochenstoffwechsel habe. Weil dieser aber unter Denosumab unterdrückt sei, werde, wenn Zoledronat zu diesem Zeitpunkt gegeben würde, dieses ausgeschieden und sei, wenn der Rebound-Effekt in Gang käme, bereits vollständig eliminiert, so Dr. Frey. <br /> Soll nach dem Absetzen von Denosumab Zoledronat gegeben werden, empfiehlt Frey folgendes Vorgehen, wie es zum Beispiel im Osteoporose-Zentrum am USZ praktiziert wird. Hier wird 6 Monate nach der letzten Denosumab-Spritze erstmals das CTx bestimmt und danach ca. alle 4 Wochen erneut gemessen. «Sobald der Marker ansteigt und einen Wert von 30 % des prämenopausalen physiologischen Werts übersteigt, wird Zoledronat verabreicht», erklärte Dr. Frey. Danach werde das CTx alle 3 Monate kontrolliert. Steigt der Marker im Verlauf wieder an, wird erneut Zoledronat gegeben. «Ab der letzten Denosumab-Injektion dauert der Rebound-Effekt etwa 18 bis 24 Monate an», führte die Expertin aus. So lange sollte das CTx regelmässig kontrolliert werden.</p> <h2>Osteoporose ist auch eine Autoimmunerkrankung</h2> <p>In einem anderen Vortrag präsentierte PD Dr. med. Daniel Aeberli, Leiter der Osteoimmunologie am Inselspital in Bern, einige neue spannende Erkenntnisse aus dem jungen Forschungsgebiet der Osteoimmunologie. Er zeigte auf, warum es bei der rheumatoiden Arthritis (RA) zu Erosionen kommt, bei der Spondyloarthritis (SpA) zu Knochenneubildung und warum der systemische Lupus erythematodes (SLE) nie Erosionen zeigt, es sei denn, es besteht ein Overlap-Syndrom. Zudem beschrieb er die immunologischen Zusammenhänge bei der Menopause und wies darauf hin, dass die postmenopausale Osteoporose nicht einfach eine Alterserscheinung ist, sondern eine Autoimmunerkrankung. <br /> Dass eine niederschwellige Entzündung eine Osteoporose verursachen kann, belegte erstmals die 2006 veröffentlichte Bruneck-Studie.<sup>1</sup> 2 Jahre später zeigte eine andere Arbeit, dass unter Glukokortikoidnaiven Patienten mit einer frühen Arthritis bereits 25 % eine Osteopenie und 10 % eine Osteoporose haben.<sup>2</sup> «Diese Erkenntnisse führten schliesslich dazu, dass Frakturrisiko-Tools wie z.B. das FRAX-Tool die RA als unabhängigen Risikofaktor bei der Entstehung der Osteoporose berücksichtigen», erläuterte Aeberli.<br /> Beim Auf- und Abbau von Knochen spielen verschiedene Mechanismen eine Rolle. «Zusammen stellen sie sicher, dass bei einer gesunden prämenopausalen Frau ohne Entzündung, ohne Hyperparathyreoidismus und ohne Steroidtherapie gerade so viel Knochen auf- wie abgebaut wird», so Dr. Aeberli. Anders bei der RA: Hier wird aufgrund der chronischen Entzündung mehr Knochen ab- als aufgebaut und führt im Verlauf zu den RA-typischen radiologischen Erosionen. Nebst den typischen Erosionen verändert sich zudem auch die Geometrie des Knochens.<sup>3</sup> «Die metakarpalen Röhrenknochen beispielsweise verlieren mit der Krankheitsdauer ihre dreieckige Form und werden rund. Ausserdem nimmt die kortikale Dicke ab und die Markhöhle wird grösser», führte der Experte aus. Die typischen radiologischen Erosionen entstünden durch eine Aktivierung der Osteoklasten und Hemmung der Osteoblasten, was zu vermehrtem Knochenabbau und verminderten -aufbau führe.<br /> Ausgelöst werden diese Prozesse durch Zytokine, wie Tumornekrosefaktor alpha (TNF-α) und Interleukin-6 (IL6). «Durch die Behandlung mit einem TNF-α-Blocker wird die Hemmung der knochenaufbauenden Osteoblasten aufgehoben, was zu einem Healing-Effekt der erosiven Pits führen kann», so Dr. Aeberli. Ähnliche Veränderungen würden auch mit IL6-Rezeptor-Antagonisten, mit B-Zell-Depletion und mit der Hemmung des RANK-Liganden beobachtet.<br /> Anders als bei der RA kommt es bei der SpA erst zur Osteitis und später zur Ausbildung von Syndesmophyten und – sofern nicht behandelt – zur SpA-typischen Bambusstab-Wirbelsäule. Studien konnten zeigen, dass die vermehrte Knochenbildung im Wesentlichen durch eine fehlende Osteoblasten-Hemmung zustande kommt.<sup>4,5</sup> Hier setze denn auch die Therapie mit dem IL17-Antagonisten an. «IL17 fördert die Reifung der Präosteoklasten zu Osteoklasten wie auch der Präosteoblasten zu Osteoblasten. Die Neutralisierung von IL17 mit beispielsweise Secukinumab führt bei der SpA zu verminderten osteitischen Veränderungen und zu weniger Syndesmophytenbildung», erklärte Aeberli.<br /> Mit dem aktuell vorhandenen Verständnis in der Osteoimmunologie kann erklärt werden, warum es beim SLE nicht zu erosiven Knochenveränderungen kommt, obschon die Erkrankung auch mit entzündlichen Arthralgien und Arthritiden einhergehen kann und sich die Hände klinisch unwesentlich von denen von RA-Patienten unterscheiden. Gemäss Dr. Aeberli ist der SLE eine durch Interferon (Typ Iα und β) getriebene Erkrankung, bei der sowohl die Osteoklasten als auch die Osteoblasten gehemmt werden:<sup>6</sup> «Durch diese doppelte Hemmung kommt es beim SLE weder zu Erosionen noch zur Knochenneubildung – dies trotz vorhandener humoraler Entzündungsaktivität.»<br /> Ein Knochendichteverlust ohne das Auftreten von Erosionen und Knochenneubildung ist auch typisch für die postmenopausale Osteoporose. Eine kleine Studie konnte zeigen, dass der Knochenabbau bei der primären Osteoporose mit Anti-IL1R und Anti-TNF gehemmt werden kann.<sup>7</sup> «Diese Daten zeigen, dass der postmenopausalen Osteoporose ein autoimmunes Geschehen zugrunde liegt», so Aeberli. Die Triggerung dieses Prozesses entsteht durch einen Östrogenmangel, welcher über Aktivierung von T-Zellen zu vermehrter Sekretion von osteoklastenstimulierenden und osteoblastenhemmenden Faktoren führt. So konnte bereits 2007 aufgezeigt werden, dass das Estrogendefizit über direkte und indirekte Mechanismen, beispielsweise via RANKL, IL7 und TNF zu einer Aktivierung von Präosteoklasten und Osteoklasten führe. Aeberli: «Unter dem Strich wird dadurch am ganzen Skelett mehr Knochen ab- als aufgebaut, was im Verlauf zu einer systemischen Osteoporose führt.»</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: Rheuma Top. Symposium für die Praxis, 22. August 2019, Pfäffikon
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<p><strong>1</strong> Schett G et al.: High-sensitivity C-reactive protein and risk of nontraumatic fractures in the Bruneck study. Arch Intern Med 2006 ; 166(22): 2495-501 <strong>2</strong> Güler-Yuksel et al.: Changes in bone mineral density in patients with recent onset, active rheumatoid arthritis. Ann Rheum Dis 2008; 67(6): 823-8 <strong>3</strong> Aeberli D et al.: Abnormal bone geometry at the metacarpal bone shaft of rheumatoid arthritis patients with maintained muscle-bone relationship. Arthritis Care Res 2011; 63(3): 383-9 <strong>4</strong> Appel H et al.: Rheumatoid arthritis and ankylosing spondylitis - pathology of acute inflammation. Clin Exp Rheumatol 2009; 27(4 Suppl 55): S15-19 <strong>5</strong> Heiland GR et al.: High level of functional dickkopf-1 predicts protection from syndesmophyte formation in patients with ankylosing spondylitis. Ann Rheum Dis 2012; 71(4): 572-4 <strong>6</strong> Teo BH et al.: Complement C1q production by osteoclasts and its regulation of osteoclast development. Biochem J 2012; 447(2): 229-37 <strong>7</strong> Charatcharoenwitthaya N et al.: Effect of blockade of TNF-alpha and interleukin-1 action on bone resorption in early postmenopausal women. J Bone Miner Res 2007; 22(5): 724-9</p>
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