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Das breite Spektrum der Basistherapeutika optimal nutzen
Leading Opinions
Autor:
Dr. med. Adrian Forster
Rheumatologie und muskuloskelettale Rehabilitation, Kantonsspital Winterthur <br> E-Mail: adrian.forster@stgag.ch
30
Min. Lesezeit
06.10.2016
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<p class="article-intro">Bei der rheumatoiden Arthritis (RA) beginnt die entzündungsbedingte Gelenkzerstörung sehr früh im Krankheitsverlauf, nämlich meistens schon in den ersten Monaten. Die Gelenkschäden bzw. Sekundärarthrosen (Abb. 1, 2) sind irreversibel; sie lassen sich medikamentös nicht mehr rückgängig machen. Das Ansprechen auf Basistherapeutika ist umso besser, je früher diese eingesetzt werden. Insbesondere kann das heute durchaus realistische Ziel einer Vollremission leichter früh als spät im Verlauf erreicht werden. </p>
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<p class="article-content"><p>Idealerweise wird die Basistherapie innerhalb der ersten drei Monate nach Symptombeginn eingeleitet. Eine frühzeitige Diagnose ist deswegen wichtig. Sie wird aufgrund des Zusammentreffens der typischen Symptome, des Gelenkbefallsmusters und der Zusatzuntersuchungen (Labor mit Autoantikörpern, Arthrosonografie, Röntgenaufnahmen) gestellt, was zu Beginn der Erkrankung viel Erfahrung erfordert. Trotz der grossen Fortschritte in der medikamentösen Therapie sind für ein gutes Management oft die Physio- und Ergotherapie und gelegentlich auch die Rheumachirurgie erforderlich. Auf eine gute interdisziplinäre Abstimmung der Behandlungsmassnahmen ist zu achten, insbesondere in der Zusammenarbeit von Grundversorger und Facharzt für Rheumatologie.</p> <h2>Glukokortikoide</h2> <p>Ihre rasche und stark entzündungshemmende Wirkung verleitet dazu, sie längerfristig in höherer Dosierung anzuwenden, was aber mit einer hohen Toxizität (z.B. Osteoporose als Folgeerkrankung) verbunden ist. Deswegen gilt eine Monotherapie mit Glukokortikoiden heute als obsolet. Diese sind nur indiziert für die kurzfristige Überbrückung bis zum Wirkungseintritt der Basismedikamente und für einen langfristigen niedrig dosierten Einsatz (z.B. Prednison ≤7,5mg/d), falls die Basistherapeutika ungenügend wirken. Dominieren einzelne Gelenke, sind intraartikuläre Steroidinjektionen sinnvoll. <img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Leading Opinions_Ortho_1603_Weblinks_seite44_1.jpg" alt="" width="" height="" /> <img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Leading Opinions_Ortho_1603_Weblinks_seite44_2.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>Basismedikamente (DMARD)</h2> <p>Für eine adäquate Kontrolle der Krankheitsaktivität sind Basismedikamente bzw. «disease modifying antirheumatic drugs» (DMARD) in den meisten Fällen unabdingbar. In geübten Händen sind sie längerfristig viel weniger toxisch als Glukokortikoide. Bei den synthetischen (herkömmlichen) Substanzen setzt die Wirkung meist erst nach einer Latenz von etwa 2–3 Monaten ein. Basismedikamente vermindern nicht nur die Entzündungssymptome, sondern sie vermögen auch den erosiv-destruktiven Prozess zu bremsen und ihn im Idealfall sogar ganz zum Stillstand zu bringen. Das Abstimmen der Therapie auf die individuellen Bedürfnisse der Patienten ist schwierig und erfordert viel Erfahrung. Die Behandlung sollte deswegen immer in Zusammenarbeit mit einem Facharzt für Rheumatologie erfolgen. <br />Die Palette der Basismedikamente wird immer grösser. Häufig angewandte herkömmliche synthetische Basismedikamente sind Methotrexat, Leflunomid, Sulfasalazin und Antimalarika. Seit Kurzem stehen zudem sogenannte «targeted synthetic DMARDs» zur Verfügung. Als Erstes wurde Tofacitinib, ein Januskinaseinhibitor, eingeführt. Weitere dieser spezifisch in den Entzündungsprozess eingreifenden, niedermolekularen und peroral anwendbaren Substanzen, wie z.B. Baricitinib, sind in der Pipeline und werden in Bälde zur Verfügung stehen. Daneben sind die Biologika (Tab. 1) etabliert, welche die Therapie der RA in den letzten 10 bis 20 Jahren revolutioniert haben. Heute kann für die meisten Patienten eine gut wirksame und verträgliche Medikation gefunden werden, wobei aber oft Kombinationen erforderlich sind. Das Erreichen einer Remission ist heute ein realistisches Ziel geworden. <br />Erste Wahl ist meistens Methotrexat. Es kann bestens kombiniert werden, z.B. mit Antimalarika, Leflunomid, Tofacitinib oder Biologika (Zweierkombinationen). Es sind aber auch Dreier- oder sogar Viererkombinationen möglich. Durch den unterschiedlichen Wirkungsmechanismus der Einzelsubstanzen kann ein additiver und zum Teil sogar synergistischer Effekt erzielt werden. Dies erlaubt, die Dosierung der Einzelsubstanzen geringer zu halten, wodurch diese mit weniger Nebenwirkungen behaftet sind. Kombinationstherapien erfordern aber viel Erfahrung, insbesondere auch hinsichtlich Überwachungsmassnahmen. Durch geschicktes Zusammenstellen der Einzelkomponenten gelingt es oft, eine ausgezeichnete Suppression der Krankheitsaktivität zu erreichen, ohne dass störende Nebenwirkungen hinzunehmen sind. <br />Methotrexat, Leflunomid, Tofacitinib und alle Biologika wirken immunsuppressiv. Um das Infektionsrisiko nicht übermässig zu erhöhen, sollten Biologika und Tofacitinib nicht untereinander kombiniert werden. Auch Dreierkombinationen und hohe Steroiddosierungen sind zu vermeiden. <br />Biologika werden biotechnologisch hergestellt und greifen auf molekularer Ebene spezifisch in den Entzündungsprozess ein, beispielsweise durch Hemmung von TNF, Aktivitätsverminderung von Interleukin-6 (Tocilizumab), B-Zell-Depletion (Rituximab) oder Hemmung der T-Zell-Kostimulation (Abatacept). Von gewissen dieser Substanzen sind inzwischen Biosimilars (Generika) verfügbar. <img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Leading Opinions_Ortho_1603_Weblinks_seite45_!.jpg" alt="" width="" height="" /> <br />Mit den TNF-Hemmern gibt es die längsten Erfahrungen. Klinisch wirken diese in Monotherapie kaum besser als Methotrexat. Ihr Wirkungseintritt erfolgt aber viel schneller, insbesondere wird die systemische (humorale) Entzündungsaktivität innerhalb von lediglich 2 Tagen supprimiert. Dies äussert sich oft durch eine schlagartige Besserung von Allgemeinsymptomen wie Müdigkeit, Abgeschlagenheit und Inappetenz. Zudem ist der antierosive Effekt der TNF-Inhibitoren jenem von Methotrexat überlegen. Sie sind ausgezeichnet mit synthetischen Basismedikamenten und insbesondere Methotrexat kombinierbar, was zu einer im Durchschnitt noch besseren klinischen und antierosiven Wirkung führt. TNF-Hemmer werden subkutan injiziert oder intravenös infundiert. Ihre Verträglichkeit ist gut. Wichtigste Nebenwirkung sind Hautreaktionen an der Injektionsstelle oder Infusionsreaktionen. Unter einer TNF-Hemmung wird das Infektrisiko etwa verdoppelt, und es sind opportunistische Infektionen möglich, besonders mit intrazellulären Erregern. Da es zu Tuberkulosereaktivierungen kommen kann, ist ein vorgängiges Tuberkulosescreening erforderlich. Wie bei anderen immunsuppressiven Therapien sind Pneumokokken- und jährliche Grippeimpfungen sinnvoll. Eine Periodontitis, Hautläsionen (auch Mykosen) und andere mögliche Eintrittspforten sind vor Therapiebeginn zu sanieren. Die Patienten müssen gut instruiert werden, bei infektverdächtigen Symptomen die Biologika zu stoppen und sich prompt zu melden. Lässt sich ein Infektverdacht durch einen CRP-Anstieg erhärten, ist eine umgehende Hospitalisation sinnvoll, wenn der Infektfokus unklar bleibt oder eine parenterale Antibiotikatherapie bzw. eine Überwachung erforderlich ist. <br />Anstelle von TNF-Hemmern kommen nach Versagen einer herkömmlichen Basistherapie auch Abatacept und Tocilizumab infrage. Diese beiden Substanzen sowie Rituximab sind zudem bei unzureichendem Effekt einer Anti-TNF-Therapie indiziert. Abatacept hat ein ausgezeichnetes Verträglichkeitsprofil. Von allen Biologika supprimiert Tocilizumab die systemische (humorale) Entzündungsaktivität am stärksten; klinisch wirkt es signifikant besser als Methotrexat und auch Adalimumab. Rituximab hat den Vorteil, dass seine Therapiezyklen meist nicht häufiger als 6-monatlich durchgeführt werden müssen; es wirkt am besten bei Rheumafaktor- und Anti-CCP-Antikörper-positiven Patienten. Für Abatacept, Tocilizumab und Rituximab sind ähnliche Vorsichtsmassnahmen wie bei den TNF-Hemmern sinnvoll. Opportunistische Infekte treten unter ihnen aber seltener auf. Es muss berücksichtigt werden, dass bei einer Infektion unter Tocilizumab der CRP-Anstieg gehemmt werden kann. <br />Wegen ihrer aufwendigen Herstellung sind die Kosten der Biologika hoch. Sie sind deswegen nur dann zugelassen, wenn sich eine vorangehende Therapie mit herkömmlichen Substanzen als unzureichend erweisen hat, und es muss vorher eine Kostengutsprache bei der Krankenkasse eingeholt werden. <img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Leading Opinions_Ortho_1603_Weblinks_seite45_2.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>Überwachung und Anpassung der Therapie</h2> <p>Für einen Erfolg der Therapie sind eine kontinuierliche Überwachung und Anpassung der Medikamente in Zusammenarbeit mit einem Facharzt für Rheumatologie unabdingbar. Am besten erfolgt dies im Rahmen eines Qualitätsmanagements, wofür z.B. in der Schweiz das Register SCQM (Swiss Clinical Quality Management in Rheumatic Diseases) zur Verfügung steht (www.scqm.ch). Im SCQM wird der Verlauf der Entzündungsaktivität, der Gelenkschädigung und der Krankheitsauswirkungen standardisiert erfasst, und zwar mittels Fragen, welche regelmässig vom Patienten und vom Rheumatologen online oder auf Papier beantwortet werden. Die Assessments umfassen auch Röntgen- und Laboruntersuchungen. Die zentral erfolgenden Auswertungen erlauben eine fortlaufende Optimierung der Therapie (Abb. 3). Als Mess-Verbesserungssystem ist das SCQM ausgereift, gut praktikabel und erfreut sich sowohl in Kliniken als auch bei niedergelassenen Rheumatologen grosser Beliebtheit. Aktualisierte Richtlinien der Schweizerischen Gesellschaft für Rheumatologie betreffend Einsatz und Überwachung von Basismedikamenten sind z.B. unter www.rheuma-schweiz.ch verfügbar.</p> <h2>Prophylaxe und Therapie von Begleiterkrankungen</h2> <p>Die wichtigsten Begleiterkrankungen sind die Osteoporose und Arteriosklerose. Unter Dauersteroidtherapie werden Bisphosphonate bereits dann eingesetzt, wenn eine mittelschwere bis schwere Osteopenie vorliegt. Sie sind also nicht erst bei Nachweis einer Osteoporose indiziert (siehe Empfehlungen «Steroid-Osteoporose» unter www.rheuma-schweiz.ch). <br />Bei der RA entwickelt sich die Arteriosklerose beschleunigt (Abb. 4). Im Vergleich zur Normalbevölkerung treten kardiovaskuläre Ereignisse um etwa 50 % häufiger auf. Die klassischen kardiovaskulären Risikofaktoren wie Rauchen, Diabetes, Hypertonie und Hypercholesterinämie sind deswegen gezielt zu suchen und aggressiv anzugehen. <img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Leading Opinions_Ortho_1603_Weblinks_seite46.jpg" alt="" width="" height="" /></p></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Smolen JS et al: Lancet 2016; May 3 (Epub ahead of print) <strong>2</strong> Singh JA et al: Arthritis Care Res 2016; 68: 1-25 <strong>3</strong> Smolen JS et al: Ann Rheum Dis 2014; 73: 492-509 <strong>4</strong> Bykerk VP, Schoels MM: Curr Opin Rheumatol 2013; 25: 375-83 <strong>5</strong> Forster A: Aktuelle Aspekte in der Therapie der rheumatoiden Arthritis. 2. Auflage. Bremen – London – Boston: Uni-Med, 2010</p>
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